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1. Kapitel

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Castel Gandolfo

7. Februar 2013

Giacomo Casanovas Blick verharrt einen Augenblick auf dem Bild des Lituusstabs, dem Krummstab der Päpste, auf dem nackten Po seiner ehemaligen Klassenkameradin Lucrezia. Er zögert kurz. Er sieht die Tätowierung nämlich zum ersten Mal, obwohl sie es die ganze Nacht miteinander getrieben haben.

Lucrezia zieht ihn ins Bett zurück und steigert sich in einen wahren Liebesrausch. Sie versucht, ihn in die Kissen zu drücken, was sein Feuer erneut entfacht.

Giacomo zieht seine Uniform an. Er blickt in die Spiegelwand im Kleiderschrank, der neben dem Bett steht: Schulterstücke und Schirmmütze zeigen zwei strahlende Sterne und das Abzeichen der Polizia di Stato. Er schwitzt. Der gestickte Uniformkragen schnürt ihn ein. Er fummelt an seinem Krawattenknoten.

Was für ein Morgen!

Der Polizeikommissar tritt dicht an den Spiegel. Er empfindet sein Gesicht als zu käsig: Es ist ein Gesicht wie geronnene Milch. Schnäpse und Wein und mangelnder Schlaf gären in seinem Blut, klopfen ihm gegen den Schädel. Das Klassentreffen auf dem Rand der Caldera eines erloschenen Vulkans, in der Altstadt von Castel Gandolfo, wirkt noch nach.

Es ist das Gesicht eines alten Mannes, denkt Giacomo und fühlt sich auf unangenehme Weise daran erinnert, dass sein junger Geist in einer alten Hülle steckt. Mit den grauen Strähnen in seinem Haar, seinen durchdringenden schwarzen Augen und seiner dunklen Stimme vermag der sechsundfünfzigjährige Vice Commissario seine weiblichen Kolleginnen jedoch noch immer zu fesseln. Giacomo war nie verheiratet und hat keine Kinder. Er ist ganz froh, dass das bei ihm der Fall ist, denn viele seiner Freunde endeten in langweiligen Ehen mit unattraktiven Frauen. Manchmal wünscht er sich zwar, in einer festen Partnerschaft zu leben, mit der Sicherheit, die diese mit sich bringt. Aber je älter er wird, desto geringer wird sein Wunsch nach einer Ehefrau.

Vor zwei Monaten hat er seine kleine Heimatstadt Castel Gandolfo verlassen und ist nach Rom gezogen. In der Polizia di Stato steht er als Vice Commissario auf der untersten Stufe der Karriereleiter.

Während Giacomo ungeduldig seinen Krawattenknoten in die richtige Form zu bringen versucht, betrachtet er durch den Spiegel Lucrezia Metastasio, die es zu großen Erfolgen gebracht hat, obwohl sie aus schwierigen Verhältnissen kam. Seit Jahren führt sie ein SM-Studio in Castel Gandolfo. Jetzt liegt sie jedoch erschöpft im Bett. Die frühere Klassenkameradin scheint zu schlafen. Ihre Haare sind zerzaust.

„Was ist? Gehst du schon?“, fragt sie mit noch immer geschlossenen Augen.

„Ich muss!“

„Na, wie war ich?“, witzelt sie und öffnet jetzt die Augen.

Giacomo weiß nicht, was er sagen soll. Eigentlich ist er verlegen.

„Dreckskerl!“, gurrt sie. „Du hast deine Rolle als mein Sklave hervorragend gespielt, Giacomo.“

Er rückt seine Schirmmütze zurecht und blickt auf den Stuhl, auf dem Lucrezia die Peitsche und den Umschnalldildo abgelegt hat.

„Gespielt?“, fragt er und verzieht sein Gesicht zu einem hilflosen Grinsen.

Das iPhone meldet sich. Im gleichen Augenblick steigt eine neue Welle von Übelkeit in ihm hoch. Ungläubig starrt er auf die Buchstaben:

Mord im Carcer Tullianus auf dem Forum Romanum

Die E-Mail kommt von seinem Chef, dem leitenden Polizeidirektor der Polizia di Stato, Dr. Antonio Gozzi.

Scrittura Segreta

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