Читать книгу Gallo rosso - Roman Rausch - Страница 14

8 // VS

Оглавление

So gut hatte sich Heinlein seit Monaten nicht gefühlt.

Tian war ein Magier der Nadeln, die Schmerzen waren im Minutentakt gewichen. Jetzt steckte Heinlein in Trainingshose und Sportschuhen, machte Lockerungsübungen im Garten, überlegte, welche Strecke er joggen würde.

Unten im Flusstal erkannte er den zerstörten Wagen, Bahnarbeiter hatten ihn versetzt und reparierten die Gleise, damit der Bahnverkehr weitergehen konnte. Würzburg war ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Wer von Norden in den Süden Deutschlands oder von West nach Ost und keine großen Umwege in Kauf nehmen wollte, musste hier durch.

Oder der Weg endete hier.

Habibi.

Heinlein lief los, vorbei an bestürzten Nachbarn, die auf den Straßen zusammenstanden. Manche rätselten über die Hintergründe der schrecklichen Tat, andere erklärten sie mit den Informationen, die sie aus den Medien erhalten hatten.

Auch von Claudia.

Islamisten. Shisha-Raucher. Die Kameltreiber müssen raus, weg. Wir sind unseres Lebens nicht sicher. Die Grenzen dicht machen und gut ist’s, Problem gelöst.

Selig sind die im Geiste Armen.

Weiter, sich auf kein Gespräch einlassen, die Rufe überhören.

Habibi.

Abgetragene Sportschuhe.

Die schräge Melodie vom Handy …

Auf dem kleinen Parkplatz neben den Gleisen wurden noch immer Spuren begutachtet, besprochen und für die Laboruntersuchung eingetütet.

Unter den Kollegen befand sich Deckert. Er sah übermüdet aus, blass. Vermutlich hatte er die Nacht durchgearbeitet. Heinlein blieb auf Abstand und rief ihn zu sich.

»Was gibt’s Neues?«

»Eine Sisyphus-Arbeit, wird Tage dauern, bis wir ein halbwegs klares Bild haben. Was machst du hier?«

»Ich halt mich fit.«

»Sehr gut. Apropos …«

»Ja?«

»Ich hab das nicht so gemeint letzte Nacht.«

»Was?«

»Das mit dem Schreibtischhengst, war völlig daneben. Entschuldige.«

»Kein Problem. Hast ja recht. Ich bin etwas außer Form.«

»Freut mich, dass du das auch so siehst.«

Heinlein nickte. »Gut, dann, mach ich mal weiter.«

»Okay. Bis morgen, in alter Frische.«

»Ja, bis morgen.«

Nach wenigen Schritten machte er kehrt. »Alex. Noch was …«

»Ja?«

»Haben wir über die Identität des Attentäters schon was?«

»Nein, warum?«

»Die Nachrichten sprechen von vorderasiatischer Herkunft.«

»Reine Spekulation. Die faseln sich was zusammen, je nach politischer Motivation.«

»Wahlkampfgetöse. Kennt man ja. Okay, jetzt aber …«

»Übertreib’s nicht.«

»Keine Sorge.«

Bevor Heinlein erneut ansetzte, fiel ihm noch ein, was ihn die halbe Nacht beschäftigt hatte. »Das Unglück auf dem Weihnachtsmarkt, als Helmbrecht und Pia starben …«

»Was ist damit?«

»Ich weiß, du hast es schon zig Mal erzählt, aber: Was war noch mal der Grund, wieso Helmbrecht dich auf dem Kieker hatte?«

Deckert seufzte. »Der sture Hund ertrug einfach keine Konkurrenz. Du hast ihn doch selbst erlebt, unbelehrbar und bissig war er, ein Großmaul und notorischer Säufer, der nichts mehr auf die Reihe bekam. Die Dienstaufsicht hätte ihn längst aus dem Verkehr ziehen sollen.«

»Oder ich, das wäre mein Job gewesen.« Noch etwas hatte ihn nicht zur Ruhe kommen lassen. »Kurz bevor die Gasflasche explodierte, da wart nur ihr drei am Ausschank, Helmbrecht, Pia und du … Worüber habt ihr gesprochen und warum ausgerechnet mit Pia?«

Deckert verzog das Gesicht. »Ich erinnere mich nur an völlig wirres Geschwätz von dem Suffkopf. Pia und er stammten aus dem Osten, sie glaubte wohl, ihn beruhigen zu können, redete mit Engelszungen auf ihn ein. Aber nichts da, er verlor sich in die ewig alte Leier von Benachteiligung und Arroganz gegenüber den Ossis. Ich wollte mir das nicht länger anhören und hab ihn stehen lassen.«

»Und Pia?«

»Wollte nicht mit. Sie meinte es gut … und hat mit dem Leben dafür bezahlt. Ehrlich, ich hoffe, Helmbrecht schmort bis in alle Ewigkeit in der Hölle.« Er schluckte, blickte zur Seite. »Ich kann mir das nicht verzeihen …«

»Was?«

»Dass Pia wegen mir und so nem Scheiß …«

»Quatsch. Du trägst keine Schuld.«

»Wenn ich sie nur mitgezerrt hätte, weg von Helmbrecht, weg von dieser verdammten Glühweinbude …«

»Ein Unglück. Niemand wirft dir was vor.«

»Kilian schon. Er hasst mich.«

»Tut er nicht.« Der hatte nämlich einen anderen Schuldigen im Auge. »Gallo«, dachte Heinlein laut. »Hast du je wieder davon gehört?«

Deckert stutzte. »Die graue Eminenz im Hintergrund?« Er lächelte gequält. »Jagt er dem Hirngespinst immer noch hinterher, dem geheimnisvollen Spectre aus James-Bond-Filmen?«

»Keine Ahnung. Hab schon lange nichts mehr von ihm gehört.«

»Wie kommst du dann darauf?«

Sollte er oder sollte er Deckert nicht vom Wiederauftauchen Gallos berichten? Dass das Gespenst aus dem Schattenreich zurückgekehrt war, dass Kilian womöglich doch nicht so verwirrt war, wie es den Anschein hatte?

»Vergiss es. War nur so ein Gedanke. Wir sehen uns morgen.«

Er setzte seinen Lauf fort, überquerte die Friedensbrücke, passierte die Polizeiinspektion, lief immer weiter, kreuz und quer, ohne Plan und ohne Ziel, dachte dabei an nichts anderes als an letzte Nacht, an seine kurze Begegnung mit dem Tod, der ihn in Gestalt eines offenbar verwirrten Attentäters an seine Sterblichkeit erinnert hatte.

Habibi bedeutete Freund, nicht Feind oder Ungläubiger.

Der Bruchteil einer Sekunde hatte über Tod und Leben entschieden. Wäre er nur einen Augenblick später zur Seite gesprungen, würden die Spurensicherer nun seine Reste eintüten und sie mit denen des Attentäters vergleichen. Was gehörte zu ihm, was zu Heinlein? Der Gedanke bereitete ihm Unbehagen, er spürte ein flaues Gefühl aufsteigen, das sich mit jedem Schritt ausbreitete, in Brust, Hals und Kopf, wie ein Schnupfen, der nicht zu stoppen war und gegen den es keine Medizin gab.

Angst.

Er machte Halt, stemmte die Hände auf die Oberschenkel und blickte zu Boden, atmete … atmete … sah seine Fußspitzen.

Abgetragene Sportschuhe.

Wie man sie in die Altkleidersammlung gibt.

Wenn er an Selbstmordattentäter mit islamistischem Hintergrund dachte, dann hatten sich die Kerle immer minutiös vorbereitet, sie hatten sich, laut der Vorgaben ihrer Religion, gewaschen, rasiert und frisch eingekleidet.

Keine abgetragenen Sportschuhe, keine Altkleidersammlung.

Nur das Beste für den Eintritt ins Himmelreich.

Weiter ging’s, der Nase nach.

Gallo …

Wo zum Teufel war das plötzlich hergekommen? Hatte er das Wort tatsächlich gehört?

Hatte es nicht einfach nur Hallo geheißen?

Der Schock, posttraumatische Verwirrung, Einbildung.

Es gab keinen Hinweis und schon gar keine Verbindung zwischen dem Unglück auf dem Weihnachtsmarkt vor fünf Jahren, für das Kilian Gallo verantwortlich machte, und dem Anschlag von letzter Nacht – sofern es überhaupt einer gewesen war. Ein Bekenntnis des Attentäters gab es nicht, auch hatte bisher keine Gruppierung die Verantwortung übernommen, andererseits hatte der Attentäter einen hochexplosiven Sprengstoffgürtel getragen.

Zu welchem Zweck? Mit welchem Ziel?

Angst und Panik schüren. Sicherheit nehmen, Ohnmacht und Unfähigkeit des Staates offenlegen. Die eigene Überlegenheit demonstrieren, die Macht übernehmen.

Hätte es dafür nicht weitaus bessere Orte und Gelegenheiten gegeben?

Die Faschingsveranstaltung, wo die politische Spitze des Landes auf engstem Raum versammelt gewesen war.

Ein Premium-Ziel.

Mit einem Sprengstoffgürtel unter dem Faschingskostüm durch die vergessene Seitentür, ein Toilettenfenster oder dem Küchenjungen folgen, nachdem er den Abfall entsorgt hatte, es gab immer eine Lücke, man musste sie nur finden.

»Schorsch? Bist du das?«

Uschi, seine Sekretärin, mit einer Brotzeittüte, es roch nach Leberkäse.

»Ja, klar«, keuchte er.

Die Kalorienbomben hatten über die Jahre Spuren hinterlassen, aus der kurvigen und flotten Sambatänzerin von einst war ein fülliger Schneewalzer geworden. Ihre unbändige Lebenslust, mit der sie sonst jeden Sauertopf konvertierte, war unter der Last der Kindererziehung und eines eifersüchtigen Ehemanns erstickt, der hinter jedem Lächeln eine Einladung wähnte.

»Hast du wieder Probleme mit Claudia?«

»Dann wäre ich beim Schießtraining besser aufgehoben.«

Sie lachte, und wenn sie es tat, dann brachen die Wolken auf und die Sonne strahlte.

»Was machst du hier?«, fragte sie. »Es ist Samstag.«

Macht der Gewohnheit, er befand sich vor dem Polizeipräsidium.

»Und du, warum bist du nicht bei Mann und Kind?«

Sie tat es mit einer Handbewegung ab. »Auf der Arbeit habe ich meine Ruhe«, vor den Streitereien der Kinder, den ewig gleichen Vorwürfen ihres Mannes. »Ich habe dir alles, was heute Morgen reingekommen ist, auf den Schreibtisch gelegt. Wenn du willst, können wir es zusammen durchgehen.«

Nun gut … wenn er schon mal da war.

Sie gingen hoch. Uschi setzte sich ihm gegenüber und begann mit der kalorienreichen Brotzeit, während er sich dem Stapel Unterlagen widmete.

»Mal beißen?«

»Danke, bin auf Diät.«

Eine Zusammenfassung der Ereignisse und ersten Erkenntnisse von letzter Nacht …

Nichts, was Deckert ihm nicht auch schon mitgeteilt hatte, auch keine Hinweise zur Herkunft des Täters, schon gar nicht dessen Identität. Keine Ankündigung, kein Bekennerschreiben, keine Tipps aus der Szene, von V-Leuten oder einem aufmerksamen Nachbarn, Freund, Bekannten oder Feind.

Nichts.

Auch nicht von den Nachrichtendiensten.

Rückstände des verwendeten Sprengstoffs wiesen auf Eigenbau hin – Triacetontriperoxid, kurz: TATP, ein wegen seiner Unberechenbarkeit gefürchteter, aber wegen der leichten Beschaffung der Komponenten und einfachen Herstellung geschätzter Chemikalienmix. In der arabischen Welt trug er die Bezeichnung Mutter des Satans, und selbst der dümmste Teufelsjünger konnte ihn herstellen, sofern er eine ruhige Hand besaß und mit dem Leben abgeschlossen hatte.

Der Zünder. Klebeband. Drähte … nichts Auffälliges.

Spuren des Handys, das das Signal an den Zünder weitergeleitet hatte, steckten noch unentdeckt in den Millionen Splittern, die über das Gelände verteilt waren.

Die Anfrage an die Telefongesellschaften war gestellt.

Tausende Fingerabdrücke überall im Wagen, biologisches Material zur DNA-Analyse war auf dem Weg ins Labor …

Das würde dauern, außerdem war Wochenende.

»Hab Claudia im Fernsehen gesehen«, mampfte Uschi.

Heinlein winkte ab und nahm den nächsten Akt, die Wochenberichte der Dienststellen in Würzburg, Schweinfurt und Aschaffenburg. Er überflog sie Seite für Seite.

»Fünf Kilo Kokain in einem Camper mit österreichischem Kennzeichen am Biebelrieder Kreuz«, hob Uschi hervor. »Der Fahrer gibt sich unwissend, sagt, jemand habe es ihm untergeschoben.«

Die Stichprobe hatte Polizeiobermeister Schäfer durchgeführt und erneut hatte er ein goldenes Näschen bewiesen. Im Vergleich zu seinen Kollegen schien er das Rauschgift aus der Ferne förmlich zu riechen. Seine Trefferzahl war bemerkenswert.

Die nächste Erfolgsmeldung: Eine Gruppe rumänischer Staatsbürger, zu fünft in einem Opel Vectra, die ihre Landessprache nicht sprachen und nagelneue Pässe vorzeigten, ausgestellt am Tag zuvor, und in den Taschen Notizen in einer unbekannten Sprache. Die Männer äußersten in gebrochenem Englisch, dass sie auf dem Weg nach Amsterdam seien, wo sie Verwandte besuchen wollten.

Illegale Einreise, gefälschte Dokumente. Die Kontrolle hatte Polizeioberkommissar Hoffmann durchgeführt.

»Was macht der Hoffmann an der Raststätte Heidingsfeld?«, fragte Heinlein.

»Schiebt Sonderschichten.«

»Warum?«

»Hat Nachwuchs bekommen, eine größere Wohnung steht an.«

Heinlein legte die Erfolgsmeldungen beiseite, sie machten sich gut in der Kriminalstatistik, sagten aber über die Dunkelziffer nichts aus, über die Wirklichkeit.

Dann schon eher ein Brandbrief der Polizeigewerkschaft.

Er musste die ellenlange Klage nicht Satz für Satz lesen, er kannte sie gut: fehlendes Personal, Überstunden, schlechte Ausrüstung, schlechtes Ansehen in der Gesellschaft und miserable Stimmung unter den Kollegen, das Gehalt reiche hinten und vorne nicht, und das seit Jahren. Beigelegt waren Anträge auf Kostenübernahme für Ausrüstung, die sich die Kollegen auf dem freien Markt beschafft hatten, speziell bei einem Unternehmen.

»Wer oder was ist VS?«, fragte er mit Blick auf eine Rechnung, unter dem Logo stand Vigili della Sicurezza geschrieben.

»Eine Sicherheitsfirma mit Sitz in Hammelburg.«

»Hat die was mit der Bundeswehr zu tun?« In dem abgeschiedenen Ort nahe Bad Kissingen gab es nichts Sicherheitsrelevantes außer dem Ausbildungszentrum der Heeresinfanterie.

»Kann schon sein.«

»Fühl dem Laden mal auf den Zahn. Wer steckt dahinter, wer sind die Kunden, das Übliche.«

»Apropos VS«, sie reichte ihm einen Umschlag, der mit VS. Nur für den Dienstgebrauch beschriftet war.

Heinlein öffnete ihn und fand die beim Verfassungsschutz angeforderten Sicherheitsüberprüfungen von Kollegen darin, die in letzter Zeit durch Äußerungen und Verhaltensweisen auffällig geworden waren oder privat an Veranstaltungen teilgenommen hatten, bei denen sie nichts, aber auch gar nichts verloren hatten.

Ein Sündenregister.

PM Armin K.: Äußert sich privat und im Kollegenkreis aggressiv und abwertend zur Immigrationspolitik der Bundesregierung. Einschlägige Bilder und Hefte in Dienstfahrzeug und Spind …

POM Klaus W.: Taucht als Sicherheitskraft bei Konzert von rechtsradikaler Rockband auf …

PK Danilo G.: Hausdurchsuchung erbrachte Hinweise auf Verstoß gegen das Waffengesetz …

»Steht da auch was über mich drin?«, fragte Uschi.

»Hast du Grund zu der Annahme?«

»Man kann nie wissen.«

»Hast du mir was zu beichten?« Er hob den Blick.

»Bin politisch in nem völlig anderen Spektrum zu Hause.« Sie zeigte auf einen Sonnen-Button am Revers. »Save the planet!«

»Das könnte Tarnung sein. Extremisten gibt es links wie rechts.«

Sie lächelte ihr Lächeln. »Ich bin die Mitte, friedlich und ungefährlich. Keine Sorge.«

Wer sich in diesen Tagen alles zur Mitte zählte, war atemberaubend. Sogar rechte Hetzer behaupteten, durch ihre Wahlerfolge ermutigt, dass sie die gesellschaftliche Mitte, das Bürgertum, das Volk repräsentierten.

Uschi hatte im Dezember die Sicherheitsüberprüfung bestanden. Das Einzige, was man ihr vorwerfen konnte, war, dass sie bei Aktionen der Klima- und Umweltbewegung nicht immer sicher sein konnte, dass sich unter dem grünen Deckmantel auch mal ein Idiot mit schwarzer Maske, Zwille und Molotow-Cocktail verbarg.

Der zweite Teil der Sicherheitsüberprüfungen bezog sich auf besonders gefährdete Kollegen innerhalb der Polizeibehörden, die Spezialkräfte. Unter ihnen herrschte gelegentlich ein verstörender Korpsgeist, den sich Heinlein nur mit übersteigertem Elitebewusstsein erklären konnte. Diese selbsternannten Wächter der deutschen Nation oder gar eines niemals untergegangenen Deutschen Reichs hielten sich für auserwählt als Speerspitze gegen alles, was nicht urdeutsch und in ihren Augen volkszersetzend war. In seiner Zeit beim SEK in Nürnberg hatte er Vertreter dieser Spezies kennengelernt, borniert, weltfremd, uneinsichtig und fest entschlossen, den heiligen Auftrag auszuführen – die Rettung des deutschen Vaterlandes.

Einige Namen hatte Heinlein für die Überprüfung vorgegeben, einer von ihnen war Deckert. Nicht, dass er etwas befürchtete oder ihm vorzuwerfen gehabt hätte, turnusgemäß ließ er jeden überprüfen, insbesondere seine Vertrauten.

KHK Alexander Deckert: Keine Auffälligkeiten. Seriöse Dienstauffassung, keine Kontakte zu verhaltensauffälligen Kollegen, keine Beschwerden oder Anschuldigungen.

Finanzielle Situation und Vermögensverhältnisse entsprachen der Besoldungsstufe. Sozial solide und in stabilen Familienverhältnissen. Im Verwandtschafts- und Freundeskreis kam es gelegentlich zu politischen Streitgesprächen, auf die D. besonnen und mäßigend reagierte …

Von einer derartig günstigen Bewertung konnte Heinlein nur träumen. Noch immer zahlte er den Kredit ab, den er damals für die überteuerte Immobilie aufgenommen hatte, als er zum Polizeidirektor befördert worden war und Claudia sich ein standesgemäßes Domizil gewünscht hatte. Der Karrieresprung, die finanzielle Last und die allseits gestiegenen Erwartungen hatten die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit überschritten, er war zu einem alkoholkranken Wrack geworden, das mit dem Gedanken an den Freitod spielte.

Nicht einmal Kilian und Pia hatten ihn mehr erreichen können, nur noch Medikamente und ein Aufenthalt in der Psychiatrie. Nach monatelanger Therapie war er zur Erkenntnis gelangt, dass er weg musste, weg von allem und jedem, der ihm die Luft zum Atmen nahm.

Von seiner Frau, die ihn mit ihren Sorgen überhäufte.

Von seinen Kindern, die ihn nicht verstehen konnten, die sich vor ihm ängstigten.

In eine neue Stadt, ein neuer Job mithilfe eines wohlmeinenden Kollegen, die letzte Chance, und Heinlein nutzte sie. Auge in Auge mit dem Tod: die Sondereinsatzkommandos in Nürnberg.

Ein reinigendes Bad im Feuer …

»Brauchst du mich noch?«, fragte Uschi.

»Nein, ein schönes Wochenende«, erwiderte er gedankenverloren, denn da tauchte plötzlich ein Name auf, mit dem er nicht gerechnet hatte.

Den er zur Überprüfung nicht angegeben hatte.

Vanja Berger.

Gallo rosso

Подняться наверх