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IV
ОглавлениеDem eigentlichen Architekten der fragilen Friedensordnung, die ab 1598 schrittweise in Europa entstand, Francisco Gómez de Sandoval y Rojas, Herzog von Lerma (1553–1625), lag jede Relativierung des Anspruches der römischen Kirche, die allein seligmachende Glaubensgemeinschaft zu sein, natürlich ohnehin völlig fern. Lerma, der als leitender Minister und Favorit (valido) König Philipps III. von Spanien die Politik des größten europäischen Reiches leitete, ging es um ganz andere Ziele als um einen Ausgleich zwischen den Konfessionen. Seine Politik zog vielmehr die Konsequenzen aus der Einsicht, die sich in den 1590er Jahren in Spanien respektive in Kastilien, dem eigentlichen Kernland der spanischen Monarchie, immer mehr durchgesetzt hatte, dass man sich einen permanenten Krieg gegen eine Vielzahl von Gegnern – die aufständischen Niederländer, die Engländer und den französischen König sowie die Korsaren Nordafrikas – einfach nicht leisten konnte. Um die Monarchie zu stabilisieren, bedurfte es des Friedens, zumindest mit einem Teil der alten Gegner.32 Das hieß nicht, dass Spanien seinen Anspruch darauf, Vormacht des katholischen Europa zu sein und allein die reine Botschaft des katholischen Glaubens rückhaltlos zu verteidigen, aufgab, aber die universale Mission, die man sich immer noch zuschrieb, war jetzt nicht mehr notwendigerweise eine militärische, sondern konnte sehr wohl auch eine spirituelle und kulturelle sein. Man hoffte, mit den Waffen der Diplomatie mehr zu erreichen als mit Kanonen und Piken. Zugleich verband sich die Politik Lermas mit einer Distanzierung vom deutschen respektive österreichischen Zweig der Dynastie. Die Beziehungen Madrids zum Kaiserhof in Prag waren schon vor 1598 merklich abgekühlt, zumal Kaiser Rudolf II. seinen spanischen Verwandten – wie fast allen Mitgliedern seiner Familie – zutiefst misstraute.33 Allerdings zog erst Lerma daraus die Konsequenz, ein militärisches Engagement im Heiligen Römischen Reich auch im Ernstfall auf ein absolutes Minimum zu beschränken und sich dabei primär an spanischen, nicht an dynastischen Interessen zu orientieren, mochte auch die spanische Königin Margarete (1583–1611), die aus dem deutschen Zweig des Hauses Österreichs stammte, diese Dinge dezidiert anders sehen. Lermas Prioritäten waren andere: Eine universelle Mission nahm die spanische Monarchie in den Jahren, als Lerma ihre Politik bestimmte, immer noch für sich in Anspruch. Diese Mission fand ihre Erfüllung aber nicht mehr im unaufhörlichen Kampf gegen die „Ketzer“ in Nordeuropa, sondern eher in der Verteidigung der Christenheit gegen das Osmanische Reich und seine Verbündeten im Mittelmeerraum sowie in der Vorbildfunktion, die Spanien für die Erneuerung des Katholizismus zukommen sollte.34
Für die Ausgleichspolitik der Jahre ab 1598 war aber auch von entscheidender Bedeutung, dass die südlichen Niederlande nun nicht mehr direkt von Madrid regiert wurden, sondern von Erzherzog Albrecht (1559–1621), einem Sohn des Kaisers Maximilian II. und seiner Gattin, der Infantin Isabella. Albrecht und seine Gemahlin waren stark an einer politischen und wirtschaftlichen Konsolidierung ihrer Territorien interessiert; dieses Ziel war aber nur um den Preis eines Verzichtes auf expansive politische Ziele zu erreichen, dessen war man sich in Brüssel bewusst. Überdies war Albrechts Interesse an der globalen Machtstellung der spanischen Monarchie, die sich in Südostasien seit den 1590er Jahren in einem Konflikt mit den Niederlanden befand, begrenzt. Er drängte daher auch auf diesem Gebiet zu Zugeständnissen, um den Krieg mit den nördlichen Niederlanden zumindest vorübergehend beizulegen.35 Die Friedenspolitik Albrechts und Isabellas besaß daher namentlich für den englisch-spanischen Frieden von 1604 und für den Waffenstillstand mit den Niederlanden 1609 eine erhebliche Bedeutung.
Abb. 2: Studie für das Reiterbildnis des Herzogs von Lerma. Federzeichnung von Peter Paul Rubens, 1603.