Читать книгу Vor dem großen Krieg - Ronald G. Asch - Страница 9
II
ОглавлениеEs blieb allerdings in der Epoche der sogenannten Pax Hispanica zwischen 1598 und 1618/21, um die es hier gehen soll, dennoch ein grundsätzliches Problem: Nämlich dass jeder Versuch der Vermittlung zwischen den feindlichen konfessionellen und politischen Lagern zunächst auf ein tiefes und oft nur schwer zu überwindendes Misstrauen stieß. Wer den Versuch einer solchen Vermittlung dennoch übernahm und den Weg für Kompromisse zu bereiten versuchte, geriet leicht in das Niemandsland zwischen den Fronten und wurde von der eigenen Seite unter Umständen als Verräter betrachtet. Das galt etwa für den holländischen Ratspensionär Johan van Oldenbarnevelt (1547–1619), den Architekten des Waffenstillstandes mit Spanien (1609), der 1618/19 gestürzt und als Hochverräter hingerichtet wurde. Es galt aber auch für den leitenden Minister des Kaisers Matthias, Kardinal Melchior Klesl (1552–1630), dem am Ende Protestanten wie Katholiken gleichermaßen misstrauten. Nach Ausbruch der böhmischen Revolte wurde er vom designierten Nachfolger des Kaisers, Erzherzog Ferdinand, und dem in Tirol regierenden Erzherzog Maximilian 1618 gefangen gesetzt und es war wohl nur sein Kardinalsrang, der ihn davor bewahrte, das Schicksal Oldenbarnevelts zu erleiden. Jakob I. von England (1566–1625), der sich ebenfalls Zeit seines Lebens um eine Politik des Ausgleichs bemühte und zeitweilig sogar die Idee eines ökumenischen Konzils ins Spiel brachte, das die Konfessionsspaltung überwinden sollte, wurde zwar nicht von seinen Untertanen gestürzt, stieß aber bei militanten Protestanten in seinem eigenen Königreich vor allem nach Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges ebenfalls auf ein wachsendes Misstrauen. Dieses wuchs noch an, als sich zeitweilig (1618–1623) eine dynastische Heirat zwischen seinem Sohn, dem Thronfolger, und einer spanischen Infantin abzuzeichnen schien.15 Der Weg vom Friedenspolitiker und Vermittler zum vermeintlichen Verräter war oft kurz und das war mit ein entscheidender Grund, warum viele Kompromisslösungen, die man zu Beginn des 17. Jahrhunderts entworfen hatte, sich als so fragil erwiesen.
Eine wichtige Quelle für das Misstrauen gegenüber jeder Vermittlungspolitik war, dass die unterschiedlichen politisch-konfessionellen Lager sich ihrer eigenen Identität zum Teil nicht wirklich sicher waren. Stellte nicht der, der einen Ausgleich mit einem langjährigen Gegner anstrebte, die konfessionelle und politische Identität der eigenen Seite, die Werte und die historischen Narrative, die ihr eine gewisse Stabilität gaben, infrage? Gerade weil die konfessionellen Lager sich noch nicht abschließend verfestigt hatten und eine gewisse konfessionelle Ambiguität ein weitverbreitetes Phänomen war,16 konnte jeder, der die traditionellen Feindbilder relativierte oder gar verwarf, als ein Akteur erscheinen, der die eigene Konfession, aber auch die politische Ordnung, die sich mit diesem Identitätsentwurf verband, destabilisierte. Oft ging es auch um die Glaubwürdigkeit einer politisch-konfessionellen Mission, die für dynastische Großreiche ein ebenso wichtiger Faktor der Kohärenz war wie für Republiken, etwa die nördlichen Niederlande.
Auf der europäischen Ebene wiederholte sich somit das, was für konfessionelle Kompromisslösungen auch im Inneren der Reiche und Territorien galt. Gerade weil sie nur zustande kamen, indem man bestimmte Streitgegenstände ausklammerte und sich zum Teil mit bloßen Formelkompromissen begnügte, nährten sie ein Gefühl der Unsicherheit und des Misstrauens. Für England hat das Alexandra Walsham mit Blick auf den ausgeprägten Kompromisscharakter der Church of England nach 1558 auf den Nenner gebracht: „Could it be that the pluralism nurtured by the Elizabethan Settlement helped to prevent the outbreak of a confessional war in the mid-sixteenth century but created the conditions in which one would ignite 80 years later? To this extent, there may be less of a contrast between early modern England and France than traditional historiography implied.“17 Die Kompromisse, die man eingegangen war, konnten sich nur halten, weil beide Seiten ihre wirklichen Überzeugungen verbargen, „dissimulierten“, um die Sprache der Zeit zu verwenden. Genau das erwies sich langfristig jedoch als zentrales Problem, weil es ein starkes Misstrauen gegenüber allen weniger eifrigen Gläubigen nährte, oder wie Walsham an anderer Stelle geschrieben hat: „By creating conditions in which dissimulation and clandestinity could flourish, it […] stimulated anxieties which culminated in the conviction that radical constitutional measures and military action had to be taken to prevent English Protestantism from being undermined from within.“18