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Behaarte Erdlinge
ОглавлениеWährend der Expeditionsleiter sich in dieser Frage durchsetzen konnte, musste er in einem anderen Punkt den geäußerten Bedenken nachgeben. Sein Vorschlag, die Umsetzung des Projekts ausschließlich getarnten Bewohnern von Kadohan zu übertragen, wurde am Ende zurückgewiesen. Den meisten erschien eine solche Vorgehensweise schlicht zu riskant. Was, wenn die Erdlinge am Ende doch ein Sensorium für extraterrestrische Intelligenz haben sollten? Oder wenn, allen immunologischen Vorkehrungen zum Trotz, Krankheitskeime auf die eingeschleusten Kadohaner übertragen würden? Was, wenn diese umgekehrt als Überträger von Krankheiten auf die Erdlinge identifiziert werden könnten?
Nein, diese Risiken schienen kaum kontrollierbar zu sein. So beschloss man am Ende, dass nur der Grundstock der für StarWind Tätigen aus Kadohanern bestehen sollte. Schon dabei erwiesen sich die Maßnahmen, die zur Mikrobenabwehr und zur Tarnung ergriffen werden mussten, als recht umfangreich. Manches Problem machte sich erst bemerkbar, als es an die konkrete Planung ging.
Da waren zum Beispiel die Haare. Auf Kadohan ließ man sie schon lange nicht mehr wachsen, weil man in ihnen einen unnötigen Nährboden für unerwünschte Mikroorganismen und also für mangelnde Hygiene sah. Dass dies bei den Erdlingen anders war, konnten diejenigen, die nicht an der Erkundungsmission teilgenommen hatten, zunächst gar nicht glauben.
"Und die Erdlinge laufen wirklich noch alle behaart herum?" fragte ein Mitglied des Expertenkreises. "Kennen sie denn gar keine Enthaarungsmittel?"
"Doch, durchaus", stellte der Expeditionsleiter klar. "Die nutzen sie aber nicht überall. Vor allem die Kopfhaare haben für sie eine fast schon kultische Bedeutung. Es gibt sogar bestimmte Zaubermittel, mit denen man sie angeblich wieder wachsen lassen kann, wenn sie einem ausgefallen sind."
Der Fragesteller schüttelte erstaunt den Kopf: "Das kommt mir ziemlich widersinnig vor …"
Der linke Mundwinkel des Expeditionsleiters zuckte leicht nach oben – sein Gefühlshirn war aktiviert worden. "Ihr dürft nicht vergessen, dass es sich bei den Erdlingen um keine besonders hoch entwickelte Form von Intelligenz handelt", erklärte er. "Sie sind noch sehr stark den primitiveren Lebensformen verhaftet, aus denen sie hervorgegangen sind. Dies erklärt auch die Anhänglichkeit an ihre Kopfhaare. Man kann darin ein Zeichen für die Lebendigkeit des Primitiven in ihnen sehen."
"Ich verstehe das trotzdem nicht", bekannte einer der Anwesenden. "Warum lassen sie sich denn ausgerechnet auf dem Kopf Fell stehen – gerade über dem Gehirn? Schämen die Erdlinge sich etwa für ihre Intelligenz? Oder ist diese so gering ausgeprägt, dass die Erdlinge sie gar nicht bemerken?"
Der Expeditionsleiter strich sich mit der Hand über die Stirn. "Ich denke, wir sollten nicht zu sehr von unserer eigenen Kultur ausgehen", gab er zu bedenken. "Bei uns ist die künstliche Befruchtung ja schon sehr lange Standard. Die Erdlinge kennen sie zwar auch, praktizieren sie aber nur, wenn es nicht anders geht. In der Regel ist die Fortpflanzung bei ihnen noch immer eine sehr animalische Angelegenheit. Dafür braucht es dann aber auch animalische Reize. Auch dies könnte ein Grund für ihr Festhalten am Kopffell sein."
"Es ist also ein bewusstes Bekenntnis zur Wildheit?" hakte der Fragesteller nach.
"Nein", schränkte der Expeditionsleiter ein, "keineswegs. Die Haare werden bei den Erdlingen durchaus gezähmt, es gibt sogar einige sehr kunstvolle Fellformen. Bei vielen sind sie auch ein Ausdruck der Persönlichkeit, so wie bei uns die Muster, die wir uns auf die Kopfhaut malen. Aber es hat eben alles zugleich einen Bezug zur Fortpflanzung. Auch die Kleidung ist bei den Erdlingen körperbetonter, ganz anders als bei uns, wo alle in weiten Umhängen herumlaufen."
"Da werden wir uns ja ganz schön umstellen müssen", bemerkte eine, die für eine Teilnahme an der nächsten Mission vorgesehen war.
Der Expeditionsleiter nickte. "Stimmt, das lässt sich nicht leugnen. Künstliche Haare lassen sich auf der Erde aber glücklicherweise sehr leicht beschaffen, Erdlingskleider natürlich auch. Wie wir uns allerdings in den Kleidern bewegen, ist wieder eine andere Sache. Wir werden sicher eine Zeit lang üben müssen, um darin nicht wie Fremdkörper zu wirken."
"Beziehungsweise als Fremdkörper erkannt zu werden", kalauerte einer.
Allgemeines Geraune und Gelächter, dann meldete sich ein anderer zu Wort: "Gut, das wäre also geklärt. Viel wichtiger erscheint mir aber eine andere Frage: Nach welchen Kriterien wählen wir geeignete Erdlinge für unser Programm aus? Und wie stellen wir sicher, dass sie das gewünschte Verhalten an den Tag legen? Werden die Erdlinge auf die Mittel ansprechen, die uns dafür zur Verfügung stehen?"