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Gleichschaltungen

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In dieselbe Richtung zu schauen, bedeutet, sich mental gleichzuschalten, sofern man sich nicht bewusst kritisch distanziert.

Gleichschaltung ist eine Methode, ein Korps zu gestalten – eine Masse, in der der Einzelne untergeht und damit auch seine individuelle Verantwortlichkeit. Der Filmemacher Peter Hartl etwa verweist auf die Formationen zum Gleichschritt als ersten Schritt zur Verherrlichung soldatischer Tugenden. Außerdem schafft der produzierte Gleichklang einen besonderen Ton von Kraft. All das scheint logisch: Wenn man will, dass niemand aus der Reihe tanzt, dass sich alle im Kollektiv geborgen fühlen, dass niemand über seine Gefühle nachdenkt und womöglich andere mit seiner Angst ansteckt, dann wird man krass unterscheiden zwischen dem belobigungswürdigen Mutigen und dem verdammenswerten Feigen. Der französische Maler und Schriftsteller Roland Topor verteidigt Feigheit allerdings als »Technik des individuellen Überlebens«. Aber sind nicht alle unsere Handlungen mehr oder weniger am Überleben ausgerichtet – vor allem am sozialen Überleben?

Mut wird oft als Abwesenheit von Vernunft bezeichnet.

Sozial überlebt, wer nicht aus der Peergroup herausfällt bzw. hinausgedrängt wird. Alltägliche Mut-Tests dienen insgeheim dazu, nicht nur die Rangordnung zu prüfen – bei Hühnern wird sie »Hackordnung« genannt, weil die »nicht Gleichen« mit scharfen Schnäbeln gepeckt, vertrieben oder andernfalls verletzt oder gar getötet werden, denn ein winziges Hühnergehirn kann den Vorteil von »Diversity« nicht begreifen –, sondern auch, um herauszufinden, wo jemand seine Schmerzgrenze hat, ab der er nicht mehr »mitspielt«. (Der Neurobiologe Joachim Bauer weist darauf hin, dass unterdrückte Aggressionsimpulse »für einen eventuellen späteren Gebrauch wie eine Konserve« aufbewahrt werden – zwecks Wiedererlangung von »Respekt«.) Leider beschränkt sich bei manchen Menschen die Akzeptanz, ja sogar Toleranz, nur auf »ihresgleichen«. Daher werden Mutproben als nützliche Beweise eingefordert, um die Widerstandskraft der »Ungleichen« zu prüfen, und überdies, um herauszufinden, wer mit wem sympathisiert. Zusätzlich entdeckt man dabei auch, wer sich zum Sündenbock/zur Sündenziege eignet.

Es ist wichtig zu erkennen, wie sehr mit dem Appell, mutig zu sein, manipuliert wird.

Deswegen ist es wichtig zu erkennen, wie sehr mit dem Appell, mutig zu sein, manipuliert wird. Besonders sichtbar wird dies bei den sogenannten Mutproben Jugendlicher, die in Wirklichkeit Unterwerfungstests sind: Wie existenziell wichtig ist jemandem die Zugehörigkeit zur Gruppe, wie sehr ist jemand bereit, für diese Zugehörigkeit sein Leben aufs Spiel zu setzen? Und wo soll er danach in der Hackordnung platziert werden?

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