Читать книгу Seewölfe Paket 23 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 7
3.
Оглавление„Was ist denn in Mac gefahren?“ fragte Ben Brighton überrascht.
„Er kriegt sich nicht mehr ein“, erwiderte Shane, der die Fäuste in die Seiten gestemmt und eine grimmige Miene aufgesetzt hatte. „Wegen der Heringe.“
„Das sind keine Heringe“, sagte Ben. „Das sind allenfalls Anchovetas.“
„Was für Dinger?“
„Eine Fischart, die in Massen vor dieser Küste auftritt“, erklärte Ben. „Sie ist wohl mit den Heringen verwandt, aber eben doch anders, auch vom Geschmack des Fleisches her. Die Anchovetas können unterarmlang werden.“
„He!“ brüllte Mac zur Jolle hinüber. „Ihr habt den Kahn doch voll! Gleich sauft ihr ab! Kommt her! Pullt an, Jungs!“
Carrero war stehengeblieben und tat so, als genieße er die Sonne, die sein Gesicht und seine Gestalt wärmte. Dabei versuchte er, die Windrichtung festzustellen und sich zu orientieren. Wo war Norden, wo Süden? Er atmete tief durch, überlegte und spähte aus schmalen Augen nach allen Seiten. Allmählich gelang es ihm, sich zurechtzufinden.
Pete Ballie war inzwischen zu Mac Pellew getreten und legte ihm die rechte Pranke auf die Schulter. „Mac, hör mal zu. Was soll das Geschrei?“
„Wird Zeit, daß wir was zu beißen zwischen die Zähne kriegen“, entgegnete Mac hastig. „Ist doch Mittag, oder?“
„Die Suppe ist schon gar, oder täusche ich mich?“
„Wir hauen ein paar ordentliche Kaventsmänner mit in die Suppe rein, äh – Fische, meine ich.“
„Es sind Anchovetas“, sagte Bob Grey, der nähergetreten war. Er hatte vernommen, was Ben und Shane gesprochen hatten.
„Das ist egal“, sagte Mac. „Wir wollen Fisch futtern, gebraten und gekocht. Jawohl, und einlegen kann man die Biester auch, dann hat man immer einen Vorrat.“
Pete packt auch Nils am Arm und zog ihn langsam zu sich heran.
„Ich habe nichts gegen Fisch“, sagte er. „Aber mir stinkt euer Gequatsche.“
„Halt die Luft an, Pete“, sagte Jeff Bowie. „Das ist doch eine feine Sache, das mit der Manneskraft.“
„Laß dich nicht anstecken“, sagte Pete drohend. „Ich habe noch von seinerzeit, von der Ostsee vor Bornholm, die Nase voll, als Mac das große Spinnen anfing.“
„Ich und spinnen?“ Mac wurde wütend. „Glaub bloß nicht, daß ich mich von dir beleidigen lasse!“
„Wo willst du mit deiner Manneskraft hin, wenn keine Frauen da sind?“ fragte Pete. „Wir können schließlich nicht nach Arica segeln, du Walroß. Wie stellst du dir das vor?“
Mac kratzte sich am Kopf. „Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.“
„Außerdem sind es Anchovetas und keine richtigen Heringe“, stellte Bob noch einmal fest. „Damit hat sich wohl der Fall.“
Batuti blickte ins Wasser. „Im klaren Wasser kann man ganze Schwärme sehen“, brummte er. „Wie in Gambia. Man kann sie mit Pfeilen schießen.“
„Die Mühe brauchst du dir nicht zu machen“, sagte Jack Finnegan. „Unsere Kerlchen haben genug gefangen und kehren zu uns zurück.“
Die Zwillinge pullten zur „Estrella de Málaga“ zurück. Von der „San Lorenzo“ legte nun auch eine Jolle ab – Eric Winlow, Tom Coogan und Jonny erschienen, um sich ihren „Anteil“ zu holen, den Philip und Hasard Jan Ranse großzügig versprochen hatten.
„Ihr könnt die Viecher euch selber keschen!“ rief Mac Pellew ihnen zu.
„Ha, ha!“ rief Winlow und deutete auf die Jolle der Zwillinge, die vor lauter Fisch wahrhaftig auf Tiefe zu gehen schien. „Das reicht doch für alle, und wir haben noch was dabei übrig!“
„Faulpelze“, sagte Mac. Dann aber suchte er die Kombüse auf, um mit den Vorbereitungen für das Ausnehmen der Anchovetas zu beginnen.
Luis Carrero hatte die Gelegenheit genutzt. In dem Augenblick, in dem wegen der Fische Aufregung entstanden war, hatte er sich auf die Nagelbank des Großmastes zubewegt und einen der Belegnägel an sich gebracht.
Seine Hände waren ihm auf den Rücken gefesselt, aber er stellte sich vor die Nagelbank, packte zu und schob sich den Belegnagel hinten unter das Hemd. Immer wieder blickte er sich dabei nach allen Seiten um. Doch niemand hatte sein Handeln bemerkt – nicht einmal Ben Brighton, der in diesem Moment ebenfalls durch die Ankunft der „Fisch-Jolle“ abgelenkt war.
Luis Carrero nahm seinen Gang über das Hauptdeck wieder auf. Die Begebenheit mit den Anchovetas schien er nicht verfolgt zu haben, sein Benehmen war – nach außen hin – apathisch und stumpf. Innerlich aber begann er wieder Hoffnung zu schöpfen. Er hatte eine Schlagwaffe! Das war besser als gar nichts, und er würde sie zu nutzen wissen.
An diesem Mittag setzte auf beiden Schiffen das große Fischbraten ein. Die Männer der „San Lorenzo“ waren von den Arwenacks gewissermaßen angesteckt worden: Aus der Kombüse der Galeone stiegen mächtige Qualmwolken auf. Tom Coogan und Jonny gingen Eric Winlow kräftig zur Hand. Le Testu hatte sich freiwillig gemeldet – er würzte die Fische.
Winlow drehte und wendete sie auf dem Eisenrost über dem offenen Holzkohlenfeuer. Donald Swift holte immer eine „Fuhre“ ab, wenn sie gar war, und teilte die Fische auf der Kuhl an die Männer aus, die sofort zulangten und mit begeisterten Gesichtern zu essen begannen.
„Die schmecken wirklich gut“, sagte George Baxter. „Aber ich könnte sie mir auch eingelegt vorstellen.“
„In Öl, mit Lorbeer, Thymian und Pfeffer“, schwärmte Montbars.
„Was sagst du da?“ fuhr Gordon McLinn ihn an. „Pfui, Teufel! Man muß die Biester räuchern und in Essig einlegen, dann sind sie erst richtig gut!“
Jan Ranse trat zu ihnen, er hatte selbst gerade einen Anchoveta verspeist.
„Nun streitet euch nicht“, sagte er. „Jeder hat seinen Geschmack und seine Gewohnheiten.“
„Stimmt“, sagte Baxter. „Aber was ist das drüben bei den Arwenacks für ein Gerede von den Ostseeheringen? Die schwärmen ja in allen Tönen.“
„Nun ja“, sagte Jan grinsend. „Mac meinte damals, die geräucherten Fische verhelfen einem Kerl zu mächtiger Manneskraft.“
„So ist das“, sagte Baxter, dann lachte er dröhnend. „Na, wer’s glaubt, wird selig!“
„Wenn schon, dann muß man die Dinger richtig würzen“, meinte Albert mit listiger Miene.
„Wie denn?“ fragte McLinn. „Etwa mit Knoblauch? O Hölle!“
„Ihr Engländer lernt es nie“, sagte Albert giftig. „Für euch ist das Essen eine Notwendigkeit. Für uns ist es eine Kunst und eines der höchsten Vergnügen.“
„Es kommt gleich nach dem anderen“, erklärte Pierre Puchan. „Und damit wären wir wieder beim Thema Nummer eins. He, Montbars, willst du die Pulle Wein ganz allein aussaufen? Her mit dem Zeug!“
Die Flaschen machten die Runde. Auch an Bord der „Estrella de Málaga“ sorgte Ben Brighton für die entsprechende Stimmung, indem er sogar eine Extrarunde Brandy spendierte. Es wurde gelacht und geredet, und wieder gingen die haarsträubendsten Gerüchte über die Bornholm-Heringe im allgemeinen und die Arica-Anchovetas im besonderen um.
„Ich finde, die lieben Tierchen sind noch besser als Heringe“, sagte Shane, nachdem er die letzten Gräten seiner Ration abgelutscht hatte. „Wie viele davon können wir mitnehmen, Ben?“
„Ich würde gern die Proviantkammer füllen“, erwiderte Ben. „Aber frischer Fisch wird natürlich schnell schlecht.“
„Wir können ihn einsalzen.“
„Oder einlegen“, sagte Ben. „Besser noch wäre es, ihn zu räuchern. Wir sollten an Land eine Räucherei einrichten.“
„Meinst du das im Ernst?“
„Ja. Auch das wäre eine willkommene Abwechslung.“
„Im Trott des Wartens, ja“, brummte der graubärtige Riese. „Keine schlechte Idee.“
Sie aßen weiter, tranken dazu Wein und Brandy und legten die Details zurecht: wo die Räucherei gebaut werden sollte, welches Material man sich besorgen würde und wer als „Räuchermeister“ in Aktion treten sollte. Mac Pellew wäre der richtige Mann gewesen, aber da der Kutscher nicht an Bord war, war er eigentlich in der Kombüse unentbehrlich.
„Wie wär’s mit Blacky?“ fragte Shane.
„Der läßt die Fische verräuchern“, sagte Ben.
Araua, die sich inzwischen zu ihnen gesellt hatte, lachte. „Das ist ja wirklich ein Problem. Ich melde mich freiwillig. Ich kann Fische backen, braten und räuchern.“
„Aber du verräucherst dir dein schönes Haar“, sagte Ben. „Nein, das ist nichts für dich.“
„Baxter ist der richtige Mann“, sagte Shane. „Der hat keine Haare und kann sich nichts versengen oder verräuchern.“
Sie lachten zusammen. Die Stimmung war prächtig und hätte besser nicht sein können. An und für sich hatten sie nicht gedacht, daß der erste Tag nach der „Abreise“ des Potosi-Trupps so gut verlaufen würde. Die Stunden verstrichen recht schnell, allmählich wurde es dunkel. Was aber die Nacht für sie bereithielt, ahnte keiner von ihnen.
Luis Carrero hockte wieder in seinem Verlies. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und atmete erst einmal tief durch. Dann tastete er mit den Fingern nach dem Belegnagel, der hinten unter seinem Hemd steckte, und grinste. Soweit hatte er es geschafft. Jetzt folgte der zweite Teil des Unternehmens.
Irgendwie mußte es ihm gelingen, sich der Handfesseln zu entledigen. Daß er keine Ketten mehr trug, war bereits ein erheblicher Vorteil. Sie hatten ihn derart behindert, daß er nicht einmal durch die Vorpiek hatte kriechen können. Jetzt änderte sich einiges an seiner Lage – und sein Trübsinn und seine Niedergeschlagenheit waren wie weggewischt.
Die Hoffnung auf Flucht war wieder da. Es gab eine Rettung – und er würde nicht sterben, wie diese Bastarde ihm prophezeit hatten. Nein, er würde nicht an der Rah baumeln, und sie würden seinen leblosen Leib auch nicht wild lachend in die See werfen.
All die Schreckensvisionen von seinem eigenen Ende, die ihm die Angst und die Verzweiflung in Alpträumen und Trugbildern vorgegaukelt hatten, verblaßten. Er schöpfte wieder Mut und Selbstvertrauen.
Nicht sie würden triumphieren – diese elenden Bastarde –, sondern er würde der stolze Sieger sein, stolz wie ehemals, als er mit seinen Bluthunden durch Potosi zog und jedermann Furcht einflößte und Respekt abverlangte.
Er, Luis Carrero, allein gegen diese Horde von Schlagetots und Galgenstricken! Ja, er traute sich das zu. Der schwarzhaarige Hurensohn Killigrew war nicht an Bord, der Profos und ungefähr ein Dutzend der Bande schienen allein auf der „Estrella de Málaga“ zu fehlen.
Drüben, auf der „San Lorenzo“, war die Crew ebenfalls nicht mehr vollständig, soviel hatte Carrero bei seinem kurzen Decksaufenthalt erkennen können. Zum Beispiel hatte er diesen dreisten Franzosen nicht gesehen, der sich Ribault nannte.
Für das Fehlen dieser Kerle gab es nur eine Erklärung. Sie hatten sich auf den Marsch nach Potosi begeben. Warum sie ihren Gefangenen nicht mitgenommen hatten, wie es geplant gewesen war? Carrero machte sich keine Gedanken mehr darüber. Es war ihm gleichgültig. Er würde dieses Teufelsschiff verlassen, nach Potosi zurückkehren – dabei vielleicht einen Umweg über Arica einlegen – und Alarm schlagen.
Dann würde er mit de Cubillos Hilfe eine Streitmacht auf die Beine stellen und die Engländer jagen – quer durch das Gebirge und bis an die See, und wenn es sein mußte, über das Meer bis nach Panama hinauf.
Er würde sie fassen und sich an ihnen rächen. Ihr Ende waren die Minen des Cerro Rico, dort würden sie mit den Indios zusammen schuften. Dort hatte Carrero noch jeden aufsässigen Hundesohn weichgeklopft. Es gab keinen, der standgehalten hatte.
Alle diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf, als er nun das tat, was ihm vorher wegen der Ketten versagt gewesen war. Er ließ sich auf den Knien nieder, schob sich durch die Vorpiek und begann, sie Stück für Stück zu untersuchen, so gut es ging. Natürlich waren die Voraussetzungen immer noch ungünstig, aber er gab sich alle Mühe, das Beste daraus zu machen.
Es war stockdunkel, und er konnte nur herumtasten. Zweimal stieß er sich den Kopf, und es gab dabei dumpfe Geräusche. Er verharrte und lauschte. Hatte der Posten, der vor dem Schott stand, etwas gehört? Ahnte er etwas? Nein. Nichts rührte sich. Der Mann schien keinen Verdacht zu schöpfen. Warum sollte er es auch tun?
Er wußte ja nicht, daß Carrero einen Koffeynagel an sich gebracht hatte. Und wenn der Spanier durch sein Gefängnis kroch, war das im Grunde nur allzu verständlich. Wer schon einmal in der Vorpiek gesessen hatte, wußte, wie eng und stickig es dort war.
Carrero setzte sein Werk fort. Seine Füße waren nicht gefesselt, er konnte die Beine also gut bewegen. Aber das nutzte ihm im Grunde nicht viel. Für die Inspektion brauchte er seine Finger – und da ihm die Hände auf den Rücken gebunden waren, war es eine schweißtreibende Arbeit, alles abzutasten.
Schließlich fand er, was er suchte: einen Nagel in einem Spant. Der Nagel befand sich sogar in Hüfthöhe. Besser hätte es gar nicht sein können. Carrero grinste triumphierend. Am liebsten hätte er einen Schrei ausgestoßen.
Egal, aus welchen Gründen die einstige Besatzung der „Estrella de Málaga“ diesen Nagel in den Spant getrieben hatte. Vielleicht war einmal irgend etwas daran befestigt gewesen. Was kümmerte es ihn, Carrero? Der Nagel diente ihm nur zu dem einen Zweck – die Handfesseln aufzuscheuern. Alles andere interessierte ihn nicht.
Er grinste immer noch. Er ließ sich wieder nieder und lehnte sich gegen die Schiffswand. Das Öffnen der Fesseln verlegte er aus Sicherheitsgründen auf die Nacht. Es war jetzt Abend geworden. Die Kerle würden ihm seine Mahlzeit bringen, und die mußte er zu sich nehmen, ohne daß sie etwas von dem, was er plante, ahnten. Mit anderen Worten: Er mußte sie in Sicherheit wiegen. Sie sollten nach wie vor davon überzeugt sein, daß er ein erschöpfter, erledigter Mann sei. Es paßte hervorragend zu seinem einfachen, aber – wenn alles klappte, wie er sich das vorstellte – genialen Plan.
Hunde, dachte er, ihr werdet euch noch wundern! Eine Welle der Genugtuung und des Siegesgefühls durchlief ihn. Er mußte handeln, solange die Stärke der Mannschaften reduziert war. Hier lag seine Chance, und die würde er ausnutzen.