Читать книгу Seewölfe Paket 23 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 9
5.
ОглавлениеNein, er hatte auch ein Entermesser. Carrero zog es vorsichtig aus der Scheide und prüfte die Schärfe der Klinge mit dem Daumen. Ausgezeichnet! Die Klinge war spiegelblank und frisch gewetzt, man konnte damit einem Kerl den Kopf abschlagen.
Carrero steckte sich auch die Pistole Luke Morgans zu, dann nahm er ihm das Pulverhorn und die Kugelbüchse ab. Den Belegnagel behielt er natürlich auch. Den konnte er noch gut gebrauchen, wenn es galt, einen jäh auftauchenden Gegner auszuschalten.
Er verließ die Vorpiek und pirschte den schmalen Schiffsgang entlang. Wo befanden sich die Kerle? Lagen sie alle im Logis und schliefen? Sollten sie weiterschlafen – er würde sie nicht weiter behelligen, obwohl er den Drang verspürte, ein volles Faß Pulver in ihren Raum zu rollen und zur Explosion zu bringen.
Aber auch damit gewann er nichts, er riskierte nur sein eigenes Leben. Er hielt sich das Endziel vor Augen: die totale Ausrottung der Bande um Killigrew. So schlich er weiter und befaßte sich in seinen Gedanken mit dem, was ihn an Oberdeck erwartete.
Wie viele Posten versahen dort die Ankerwache? Nur einer? Oder mehrere? Er hatte keine Gelegenheit gehabt, das zu ergründen. Er mußte es eben darauf ankommen lassen. Wenn er Pech hatte, mußte er mehrere Kerle abservieren.
Behutsam stieg er einen Niedergang hinauf. Es war jetzt wieder stockdunkel, der Lichtschein der Öllampe in der offenen Vorpiek reichte nur bis auf wenige Yards in den Gang. Carrero mußte sich vorantasten und höllisch aufpassen, daß er kein Geräusch verursachte.
Wenn ihm beispielsweise etwas im Weg lag, würde er mit Sicherheit darüber stolpern. Angenommen, die Kerle ließen irgendwo Kübel herumstehen. Stieß er dagegen, gab es einen Mordsradau, und sofort war das gesamte Schiff hellwach. Dann stürzten sie sich auf ihn und überwältigten ihn, und er hatte auch mit den erbeuteten Waffen nicht die geringste Chance.
Aber nein, die Bastarde waren ordentlich und gründlich. Hier wurde nicht geschlampt, sie hielten den Kahn gut in Schuß. Na bitte, dachte Carrero, und er näherte sich dem Logis und dem Schott zur Galion. Wenigstens zu etwas taugen sie. Sie würden auch in den Minen eifrig schuften, wenn sie mit der Peitsche dazu angetrieben werden.
Überhaupt, warum nahm er nicht den Kerl, den Killigrew als Kapitän vertrat, als Geisel und beherrschte auf diese Weise das ganze Schiff? Er ließ sich nach Arica segeln, lief als Sieger in den Hafen ein und ließ erst einmal einen der Hunde hängen, weil es ihm so gefiel – und als Abschreckung für alle anderen.
Nein, es ging nicht. Er durfte das andere Schiff nicht vergessen, die „San Lorenzo“. Wenn die Kerle drüben verrückt spielten und die „Estrella“ mit Beschuß belegten, hatte er verspielt. Er wußte ja nicht, ob sie bereit waren, für ihre Kameraden alles zu opfern. Außerdem waren es immer noch zu viele – eine Übermacht von Gegnern. Die Wolfshündin, die ihm jederzeit an die Gurgel springen konnte, durfte er auch nicht unterschätzen.
Der ursprüngliche Plan war richtig. Er mußte fliehen. Erst mal an Land und in die Felsen, wo er sich besser auskannte als dieses Piratenpack. Alles andere ergab sich von selbst, denn er würde in Arica alles mobilisieren, um diese Galgenstricke zu fassen.
Schnarchlaute ertönten aus dem Logis. Carrero schob sich daran vorbei und grinste wieder. Gern hätte er sie mit dem Entermesser durchbohrt oder in Stücke gehackt. Aber auch hier war die Gefahr zu groß, es mit einem Gegner aufzunehmen und dann von den anderen überrumpelt zu werden.
Und wenn er Feuer legte? Ein Brand an Bord – das lenkte sie ab. Oder es weckte sie erst richtig, und sie nahmen an Land die Verfolgung auf. Nein, das alles nutzte nichts, es waren Ideen, die er sich aus dem Kopf schlagen konnte.
Einen Augenblick verharrte er im Dunkel des Vorschiffs. Was war, wenn er die Galionsplattform betrat und sich von dort ins Wasser gleiten ließ? Kein Wachtposten würde ihn hören oder sehen. Völlig unbemerkt würde sein Verschwinden von Bord der „Estrella de Málaga“ vonstatten gehen. Aber er mußte schwimmen, und die Waffen, auf die er nicht verzichten wollte, würden ihn erheblich behindern.
Vorsichtig, nach allen Seiten spähend und unter Einhaltung seiner instinktiven Alarmbereitschaft, bewegte sich Carrero auf das Vordecksschott der Steuerbordseite zu. Er brauchte die Jolle, sein Weg führte deshalb zwangsläufig über die Kuhl.
Er gelangte an das Schott, duckte sich und lauschte. Waren draußen Stimmen zu vernehmen? Nein. Alles war ruhig, und auch aus dem Schiffsinneren ertönten außer, dem verhaltenen Schnarchen der Schläfer keine Laute. Aber die Tatsache, daß an Oberdeck nicht gesprochen wurde, war noch lange kein Beweis dafür, daß sich nur ein Posten dort befand. Es konnten auch mehrere sein, die sich entweder gegenseitig anödeten oder umschichtig schliefen. Möglich war alles.
Carrero wagte es, das Schott einen Spaltbreit zu öffnen. Erfreulicherweise waren die Angeln gut geölt, so daß es nicht das leiseste Quietschen erzeugte. Jedes noch so feine Geräusch wurde in der Nacht verstärkt und hörte sich doppelt so laut an. Eine falsche Bewegung, ein winziges Scharren oder Schaben, und Carrero war geliefert und befand sich wie auf einem Präsentierteller für ihre Pistolen und Musketen.
Fahles Mondlicht erhellte die Nacht. Carrero sah durch den Spalt die Gestalt eines hochgewachsenen, schlanken Mannes. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, um welchen von den „Bastarden“ es sich handelte, aber auch das spielte keine Rolle. Viel wichtiger war, daß sich dieser Mann praktisch auf ihn zu bewegte. Er schien seine Runde über Deck zu gehen – und in der näheren Umgebung war kein anderer Posten zu entdecken.
Allerdings war Carreros Sichtbereich begrenzt. Aber er vertraute auf sein Glück, das ihm in den letzten Stunden wieder hold zu sein schien, während es ihn in den vergangenen Tagen verlassen hatte.
Langsam zog er den Belegnagel aus dem Hosenbund. Sollte der Wachtposten unmittelbar vor das Schott treten, würde er ihn zu fällen versuchen wie den anderen Hundesohn. Natürlich hätte er sich gern des erbeuteten Entermessers bedient, aber er wollte nicht riskieren, dadurch doch noch alles zum Platzen zu bringen. Traf er mit der Blankwaffe nur um Haaresbreite daneben, ging die Aktion nicht mehr geräuschlos ab. Der Kerl würde zu brüllen beginnen wie am Spieß. Da war der Schmetterschlag mit dem Belegnagel eben doch sicherer.
Was die Wucht des Schlages betraf, da übte Luis Carrero auch dieses Mal keine Zurückhaltung. Er umklammerte den Belegnagel mit beiden Händen, kauerte sich so dicht an das Schott, daß er es mit der Schulter berührte, und harrte aus. Aus schmalen Augen verfolgte er, wie der Mann sich näherte und an dem Schott vorbeiging – ahnungslos.
Carreros Lippen verzogen sich zu einem breiten, triumphierenden Grinsen. Jetzt, dachte er.
Jack Finnegan versah den Dienst der Ankerwache und unternahm seine gewohnte Kontrollrunde. Alles war ruhig, nur das Plätschern des Seewassers an den Bordwänden und das leise Knarren der Rahen waren zu vernehmen. Hin und wieder glaubte Jack das Schnarchen der Männer im Logis zu hören.
Auch die „San Lorenzo“ bot ein Bild des Friedens, und von der Küste gab es auch nichts Neues zu vermelden, sonst wäre der Posten längst aufgetaucht Sven Nyberg war es, der zur Zeit dort drüben stand und die Augen offenhielt. Sicherlich langweilte er sich genauso wie Luke und Montbars, der an Bord der Galeone die Ankerwache hatte.
So jedenfalls dachte Jack Finnegan, während er sich mit bedächtigen Schritten dem Steuerbordschott des Vordecks näherte.
In dem Moment, in dem er an dem Schott vorbeiging und sich der Backbordseite des Schiffes zuwandte, waren seine Gedanken bei Ferris und dem Tacna-Trupp. Wie weit mochten sie inzwischen mit den Arbeiten sein? Kamen sie gut voran? Nun, bald würde man es erfahren, und Jack hoffte, bei dem nächsten Trupp, der in das Tal aufstieg, mit dabeizusein.
Er nahm nicht wahr, wie sich hinter seinem Rücken das Schott ganz öffnete. Er glaubte aber plötzlich, eine Regung hinter sich zu bemerken. Verdutzt wollte er sich umdrehen, aber es war bereits zu spät. Der Koffeynagel sauste auf seinen Kopf und traf ihn mit voller Wucht. Jack stöhnte, krümmte sich, preßte noch beide Hände an den Schädel und sank dann zusammen.
Nummer zwei – erledigt, dachte Carrero. Er bückte sich, tastete den Bewußtlosen rasch ab und nahm auch seine Waffen an sich: Pistole, Muskete und Entermesser.
Er steckte sie sich zu, dann huschte er geduckt über die Kuhl und hielt auf die Jakobsleiter zu, die, wie er mühelos erkennen konnte, an der der „San Lorenzo“ abgewandten Schiffsseite ausgebracht war.
Und dort unten, direkt an der Jakobsleiter, lag auch die Jolle vertäut, wie er mit einem schnellen Blick übers Schanzkleid feststellte.
Er grinste gleichsam diabolisch. Besser hätte es gar nicht sein können. Der einzige Wachtposten der „Estrella“ war außer Gefecht gesetzt. Der Kerl, der drüben auf der Galeone Wache schob, würde ihn überhaupt nicht bemerken. Ausgezeichnet, dachte Carrero.
Er war jetzt wirklich froh, daß er sich seiner Langschäfter noch in der Vorpiek entledigt hatte. Das war eine gute Idee gewesen. Anderenfalls hätte er sich nicht derart leise bewegen können, ohne ein einziges Geräusch zu verursachen.
Daß es dennoch ein Fehler war, die Stiefel an Bord zurückzulassen, leuchtete ihm nicht ein. Er vergaß sie und enterte an der Jakobsleiter in die Jolle ab. Er grinste immer noch. Fast gelassen stand er im Boot und stieß es sachte von der Bordwand ab. Er legte die Riemen ein und begann zu pullen. Leise tauchten die Blätter ein und hoben sich wieder aus dem Wasser.
Carrero steuerte auf den Ausgang der Bucht zu. Aber ganz bis dorthin schaffte er es doch nicht. Dafür sorgte Luke Morgan, der inzwischen allmählich ins Bewußtsein zurückkehrte.
Durch kräftige Hiebe auf den Kopf eines Mannes, womöglich mit einem brettharten Gegenstand geführt, konnte man diesen in extremen Fällen durchaus töten. Im allgemeinen gab es Platzwunden und eine Menge Blut, und nicht selten wurde so ein Kopf angeknackst. Auf jeden Fall war ein Mann, der mit einem Belegnagel gefällt wurde, eine halbe Stunde bewußtlos – wenn nicht länger.
Luke mußte einen besonders harten Schädel haben – Männer wie Carberry hätten dies mit Überzeugung bestätigt. Die Rübe dieses Luke Morgan sei so hart – hatte der Profos einmal erklärt –, daß man damit eine Schiffswand einrammen könne. Daher könne man Mister Morgan ruhig hin und wieder als Rammklotz benutzen.
Es konnte aber auch daran liegen, daß Carrero doch nicht ganz so hart zugeschlagen hatte, wie er gemeint hatte. Möglicherweise wäre er besser beraten gewesen, wenn er noch ein zweites Mal zugehauen hätte. Aber er hatte nicht ahnen können, daß ein Kerl wie Luke gleich wieder auf die Beine kam.
Natürlich verspürte Luke rasende Kopfschmerzen, als er das Bewußtsein wiedererlangte. Aber seine Wut war größer. Sofort war ihm wieder klar, was geschehen war. Er richtete sich auf, trat gegen Carreros Langschäfter, daß sie quer durch die Vorpiek flogen, und brüllte: „Verdammte Scheiße!“
Dann stellte er fest, daß er keine Waffen mehr hatte, und begann noch wilder zu fluchen. Am liebsten hätte er alles kurz und klein geschlagen, aus Zorn darüber, daß er sich von diesem Spanier hatte übertölpeln lassen. Wo steckte der Kerl?
„Du Schwein!“ brüllte Luke. „Wenn ich dich erwische!“
Im Logis wachte Al Conroy als erster auf und stieß sich um ein Haar den Kopf.
„He“, sagte er. „Wer brüllt da wie ein Irrer? Bist du das, Batuti?“
„Ich doch nicht“, brummte der schwarze Herkules. „Seh’ ich vielleicht so aus?“
„Das kommt aus der Vorpiek“, sagte Bob Grey.
„Da ist was passiert!“ stieß Blacky aus und rutschte von der Koje. „Hölle und Teufel, es ist was mit Carrero!“
Lukes Gebrüll erreichte auch das Achterkastell der „Estrella de Málaga“ und somit die Ohren von Ben Brighton, Shane und Araua, die in den Kammern schliefen. Aber es drang auch bis zur „San Lorenzo“ hinüber und ließ Montbars, den Korsen, hellhörig werden.
Mit wenigen Sätzen war Montbars am Schanzkleid und versuchte, zu erkennen, was auf der „Estrella“ los war. Nichts rührte sich. Nach wie vor schien alles ruhig und friedlich zu sein. Aber da waren das Geschrei und das Toben. Es klang, als wolle jemand das komplette Schiff auseinandernehmen.
Plötzlich sah Montbars die Jolle. Sie schob sich hinter dem Bug der „Estrella de Málaga“ hervor – nein, sie schoß hervor! Der Kerl, der auf der Ducht saß, pullte wie ein Verrückter. Segeln konnte er nicht, denn der vorherrschende Südwestwind war in dem Felsenkessel nur schwach.
Montbars’ Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Der Kerl in der Jolle – das konnte nur der verdammte Schönling und Sklavenschinder von Potosi sein. Irgendwie mußte es ihm gelungen sein, die Männer der „Estrella“ zu überlisten. Wie? Egal. Luke Morgans Gebrüll reichte aus – der Hund hatte den Arwenacks offenbar übel mitgespielt.
Montbars stieß einen wüsten Fluch aus, nicht auf französisch, sondern in seiner Muttersprache, dem korsischen Dialekt. Dann hob er die Muskete, preßte den Kolben an die Schulter, spannte den Hahn des Steinschlosses und zielte auf den Mann auf der Bootsducht.
Er zögerte nicht lange. Das silbrige Licht des Mondes reichte zum Zielen aus. Montbars hielt ein wenig tiefer – vielleicht war es besser, den Kerl nicht zu töten. Er drückte ab, und es krachte. Der Kolben stieß im Rückstoß gegen eine Schulter, und fauchend fuhr die Ladung aus dem Lauf.
Die Kugel traf das Boot und schlug ein Loch in die Wasserlinie. Luis Carrero fluchte lauthals.
„Ihr verdammten Bastarde!“ zischte er. Er pullte weiter wie besessen, spürte aber, wie ihn Panik ergriff.
Das Wasser drang in die Jolle ein. Er konnte es sprudeln und rauschen hören. Er pullte und pullte, und ihm brach der Schweiß aus. Er spürte die Angst wie eine Faust im Nacken, denn er rechnete sich aus, daß die nächste Kugel ihn treffen würde. Aber er durfte nicht aufhören, sonst war er ihnen völlig ausgeliefert. Jeden Augenblick konnten die Kerle an den Schanzkleidern beider Schiffe auftauchen und ein Salvenfeuer auf ihn eröffnen.
Der nächste Schuß krachte, wieder von Montbars abgegeben. Wieder schlug die Kugel in die Wasserlinie des Bootes, und das Wasser schoß noch schneller herein.
Montbars grinste wölfisch. Er stand an einer Stelle des Schanzkleides der Kuhl, wo neben einem der Geschütze ein halbes Dutzend Musketen schußbereit lagen. Auch dies gehörte zu den allgemeinen Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen, die die Männer für den Fall ergriffen hatten, daß ein Gegner unvermittelt vor der Bucht auftauchte und möglicherweise sogar bis in den Felsenkessel vordrang.
Mit raschem Griff packte der Korse die nächste geladene Muskete. Er hob sie, zögerte aber, den Zeigefinger um den Abzug zu krümmen.
Carrero zerrte und ruckste an den Riemen, der Schweiß lief ihm in Bächen über das Gesicht und den Körper. Die Jolle war schwer wie ein Stein geworden und schien sich kaum noch vom Fleck zu rühren. Das Wasser gurgelte durch die Schußlöcher in der Bordwand, es reichte ihm bereits bis über die Fußknöchel und näßte seine Waden.
Montbars konnte das erkennen – die Jolle ging mehr und mehr auf Tiefe. Wie zu erwarten war, sank sie innerhalb der nächsten Minuten ganz, und der Hundesohn von einem Spanier hatte keine Chance mehr, das Ufer zu erreichen. Schwimmend würde er es nicht schaffen. Sie fischten ihn aus dem Wasser, brachten ihn zurück an Bord der „Estrella“ und urteilten ihn ab. Denn das blühte ihm jetzt, das hatte er verdient: Keine Gnade mehr für einen Don, der mit Gewalt aus der Vorpiek ausgebrochen war.
Eben deshalb gab der Korse keinen dritten Schuß mehr ab. Er hätte Carrero töten können, wenn er es gewollt hätte. Aber er wollte ihn lebend, und er wollte ihn an der Rah zappeln sehen, an die er gehörte.
An Bord der „Estrella“ wurde es zunehmend lebendig. Luke Morgan fluchte immer noch und rannte durch den engen Schiffsgang zum Niedergang, stürmte ihn hoch und hastete weiter. Er prallte mit Al Conroy zusammen, und sie stießen gemeinsam die übelsten Verwünschungen aus. Die anderen Männer hatten nun auch das Oberdeck erreicht und stürzten zum Schanzkleid, wo auch Ben, Shane und Araua erschienen.
„Bist du verrückt?“ brüllte Luke Al an.
„He, ich wollte doch nur sehen, was mit dir los ist!“
„Nichts ist los!“
„Wo ist Carrero?“
„Abgehauen!“ brüllte Luke, und zusammen rasten sie zum Niedergang.
Paddy Rogers stolperte derweil über den reglosen Körper seines besten Freundes Jack Finnegan. Wie vom Donner gerührt verharrte er, bückte sich und ließ sich neben dem wie tot daliegenden Jack nieder.
„Mann, mach keinen Scheiß“, sagte er erschüttert. „Jack – he! Komm zu dir!“
Montbars hatte eine schlechte Entscheidung getroffen, wie sich jetzt herausstellte. Zwar drang immer mehr Wasser in die Jolle, aber der Spanier schaffte es doch – wider Erwarten und allen Berechnungen zum Trotz –, sie an das westliche Ufer der Bucht zu pullen, bevor sie auf Tiefe ging.
Knirschend schob sich der Bug auf den schmalen Sandstreifen. Carrero raffte die erbeuteten Waffen zusammen, sprang an Land und begann zu laufen. Er malte sich aus, daß sie wieder mit Musketen auf ihn feuern würden, doch er irrte sich. Kein Schuß peitschte.
Er befand sich außerhalb der Reichweite der Handfeuerwaffen. Zwar war es an Bord der „Estrella de Málaga“ Al Conroy, der mit einem gebrüllten Fluch an eine der Drehbassen sprang, doch bevor er das Schwenkgeschütz justiert hatte und Hasard junior ein Becken mit glühender Holzkohle zum Entfachen der Lunte brachte, war Luis Carrero verschwunden.
Er tauchte zwischen den Steilfelsen unter und war nicht mehr zu sehen. Seine Augen waren zusammengekniffen, er gab sich Mühe, alle Unebenheiten des Geländes zu erkennen, um nicht zu stürzen. Keuchend begann er mit dem Aufstieg.
Er schwitzte immer noch, aber es kümmerte ihn nicht. Seine Atemzüge gingen immer heftiger, die Steigung setzte ihm zu. Aber auch das war nebensächlich. Die Hauptsache war, daß er diesem Pack entgangen war, wie er geplant hatte. Er kletterte höher und blickte sich nicht um. Jede Sekunde war kostbar. Je mehr Distanz er zwischen sich und die Bastarde legte, desto größer wurde auch die Aussicht, etwaigen Verfolgern zu entgehen.
Carrero triumphierte schon jetzt. Er hatte schließlich die Waffen. Wenn es diesen Hunden wirklich einfiel, ihn zu verfolgen, konnte er sie aus dem Hinterhalt niederknallen.
Es würde genügen, ein oder zwei von ihnen abzuservieren, dann zogen die anderen sich zurück. Sie spielten sich auf die Kerle, die vor nichts zurückschreckten, aber wenn es ihnen wirklich an den Kragen ging – so dachte er –, steckten sie sehr schnell zurück und entpuppten sich als Feiglinge.
Diesen einen Punkt überdachte er nicht richtig, und seine Wertung war völlig falsch. Aber in seiner Siegeseuphorie konnte er nicht anders denken. Er arbeitete sich in den Felsen hoch, einem Labyrinth, in dem er schwerlich wiederzufinden war.