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5.

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Jussuf hatte den Schuß und das Geschrei vernommen und beschleunigte seine Schritte. Als er vor der „Malagena“ eintraf, sah er als erstes eine große Menschenmenge, die sich vor dem Eingang versammelt hatte. Besorgt mischte er sich unter die Männer und Frauen und blieb unmittelbar neben Libero stehen, der Unverständliches vor sich hinmurmelte und schweiß überströmt war.

„Was ist denn hier los?“ fragte Jussuf.

Libero drehte sich zu ihm um.

„Der Teufel“, sagte er. „O Jesus, so was habe ich noch nicht erlebt. Fast hätte er uns alle totgeschlagen.“

„Wer?“

„Na, der riesige Neger, dieser – Caligula. Cámara, der Fischhändler, hat ihn einen schwarzen Hurensohn genannt. Da hat er ihn umgebracht. Und einer der Gendarmen ist auch tot.“

„Unfaßbar“, sagte Jussuf. Sofort begriff er, daß dieses Ereignis eine entscheidende Wende brachte. Vielleicht konnten Arne, Jörgen und er das Kapitel Caligula jetzt bereits abhaken und abschließen. „Arbeitest du nicht hier?“ fragte er Libero wie beiläufig. „Ich glaube, ich habe dich schon mal gesehen.“

„Ich bin Libero, der Schankgehilfe.“

„Wo ist der Wirt?“

„Lopez? Drinnen. Hoffentlich hat dieser Wilde ihn nicht auch totgeschlagen. Santissima Madre, er ist ja schlimmer als ein Tiger – oder ein Wolf. So jedenfalls hat er sich gebärdet. Er hat wie ein Wüterich gehaust und alles kurz und klein geschlagen. Erst habe ich die Gendarmen rufen müssen, dann die Soldaten.“

So erfuhr Jussuf alles, was er wissen wollte, sämtliche Einzelheiten. Dann erlebte er das Ende des Dramas mit: Caligula wurde in Ketten abgeführt. Er blutete aus mehreren Wunden und war selbst mehr tot als lebendig, weil die Soldaten ihn mit den Kolben ihrer Musketen traktiert hatten. Er stolperte die Treppenstufen herauf, spuckte der Menge vor die Füße und wankte davon, umzingelt von den Soldaten.

Der tote Fischhändler Diego Cámara wurde auf einer Bahre herausgetragen, ebenso der Gendarm, den Caligula allein durch die Kraft seiner Fausthiebe ins Jenseits befördert hatte. Dann erschienen die Verletzten, die Zecher und Schnorrer, die von ihm mit Stuhl und Stuhlbein geprügelt worden waren. Einige schienen erhebliche Schmerzen zu haben, sie stöhnten und jammerten, als sie an Jussuf vorbeitorkelten.

„Der scheint ja Amok gelaufen zu sein“, sagte Jussuf. Er sah jetzt auch Lopez, den Wirt, der war unversehrt geblieben und schien sehr froh zu sein, daß es für ihn glimpflich abgelaufen war.

„So ungefähr“, sagte Libero, dann eilte er zu dem Schankwirt.

Jussuf folgte den Soldaten unauffällig bis zur Plaza und überzeugte sich davon, daß Caligula ins Stadtgefängnis gesperrt wurde. Dann kehrte er zur Faktorei zurück und berichtete Arne und Jörgen von dem Geschehen.

Arnes erste Reaktion war ein Aufatmen.

„Jetzt hat Caligula sein Leben verwirkt“, sagte er. „Zwei Tote, beide Spanier, getötet von einem Neger, da kann der Urteilsspruch gar nicht anders lauten als Tod durch den Strick.“

„Falls er nicht gepfählt oder gevierteilt wird“, fügte Jörgen hinzu. „Wir dürfen nicht vergessen, daß die Spanier hier in Havanna seit den Ereignissen um die Schlagetots Catalina und Zapata mehr als gereizt sind, was solche Gewalttaten betrifft.“

„Richtig“, sagte auch Jussuf. „Dieser Narr kann noch froh sein, wenn sie ihn nicht gleich heute nacht töten. Allah straft eben doch jeden Sünder auf seine Art, früher oder später folgt für jeden Verbrecher die Stunde der Abrechnung.“

Arne war plötzlich nicht mehr so überzeugt, daß Caligula sterben würde.

„Mir ist etwas eingefallen“, sagte er. „Caligula könnte in seiner ausweglosen Lage natürlich auch versuchen, sich freizukaufen – mit seinem Wissen über den Bund der Korsaren und die Lage der Schlangen-Insel. Da hat er also doch noch einen ziemlich wichtigen Trumpf im Ärmel.“

„Vorausgesetzt, Don Antonio geht darauf ein“, sagte Jussuf.

„Er stellt die höchste richterliche Instanz in Havanna dar“, sagte Arne. „Er muß das Urteil bestätigen und hat alle Möglichkeiten, mit Caligula einen Kuhhandel abzuschließen. Wenn für ihn dabei etwas herausspringt, nimmt er die Gelegenheit wahr, verlaßt euch drauf.“

„Arne kann man die Sache drehen und wenden, wie man will“, sagte Jörgen. „Für die Freunde auf der Schlangen-Insel und auf Coral Island besteht allerhöchste Gefahr.“

„Sie verschlimmert sich noch, wenn Don Juan zurückkehrt – und das kann jeden Tag der Fall sein“, sagte Arne mit besorgtem Gesicht. „Das Dumme an der Sache ist, daß wir zur Zeit überhaupt nichts mehr tun können. Im Stadtgefängnis ist Caligula unserem Zugriff entzogen. So gesehen, wäre es doch besser gewesen, wenn es den Klamauk in der Kaschemme nicht gegeben hätte.“

Ihre Mienen waren betreten und verdrossen. Sie wußten, daß alles auf dem Spiel stand. Denn leider kannten sie ja Don Antonio de Quintanilla, den dicken Gouverneur von Havanna, und wußten, wie korrupt er war.

Schon im Kerker des Stadtgefängnisses war Caligula so weit ernüchtert, daß er begriff, in was er sich da hineingeritten hatte. Mit Kolbenhieben beförderten ihn die Soldaten in eine finstere, muffig riechende Zelle. Er stolperte und fiel auf den nassen, harten Boden. Nur langsam wandte er sich wieder um und sah, daß sie vor der offenen Tür verharrten. Sie musterten ihn feindselig und voll Haß. Wollten sie ihn schon jetzt durch ein, zwei gezielte Schüsse erledigen? Auf der Flucht erschossen, würde es später im Bericht des Kommandanten heißen.

„Einen Augenblick“, sagte Caligula heiser.

„Maul halten, oder es setzt was!“ herrschte der Sargento ihn an.

Dann näherten sich Schritte, und der Kerkerkommandant erschien. Ein wuchtig gebauter Mann mit kantigen Zügen und forschem Auftreten, wie Caligula feststellte.

Er blieb dicht vor ihm stehen, versetzte ihm einen Tritt und sagte kalt: „Du bist also der Kerl, der wie ein Irrer in der Kneipe gewütet hat? Wie heißt du?“

„Caligula. Ich bin beleidigt und angegriffen worden.“

„Wie lauten die Zeugenaussagen?“ fragte der Kommandant, ohne sich zu den Soldaten umzudrehen.

„Cámara hat ihn einen schwarzen Hurensohn genannt“, entgegnete der Sargento. „Daraufhin ist er ihm an die Gurgel gesprungen, hat ihn gegen eine Säule geschleudert und ihm das Genick gebrochen.“

„Aufstehen!“ befahl der Kommandant. „Stell dich da gegen die Wand und wage nicht, irgendwelche Tricks zu versuchen. Du hast einen harmlosen Zivilisten und einen Gendarmen getötet. Ein zweiter Gendarm ist sehr schwer verletzt. Weißt du, was das für dich bedeutet?“

„Ja. Aber ich bin angegriffen worden.“

„Das hast du schon mal gesagt.“

„Es ist die Wahrheit.“

Der Kommandant unterzog Caligula einer Leibesvisitation.

„Der Galgen ist dir sicher“, sagte er. „Aber vorher wirst du verhört. Ich will alles über dich wissen. Wer du bist, woher du kommst, wer dich schickt. Alles.“ Er stutzte, als er auf die Geldkatze stieß, die Caligula um die Hüften trug. Danach durchsuchte er die Taschen und fand die Säckchen mit den erlesenen Perlen. Fast gingen ihm die Augen über. Alles hatte er erwartet, nur das nicht.

Gern hätte sich der Kommandant die Geldkatze und die Perlenbeutel angeeignet, aber die Untersuchung fand ja vor Zeugen statt. Besonders der Sargento war ein disziplinierter Soldat, der sich streng an die Vorschriften hielt. Was würde er sagen, wenn sein Vorgesetzter einen Gefangenen um dessen Eigentum erleichterte?

Der Kommandant verkniff es sich also, zuzulangen. Gleichzeitig begriff er, daß dieser Schwarze, der sich wie eine Bestie aufgeführt hatte, ein Fang ganz besonderer Art sein mußte. Welches Subjekt dritter Klasse schleppte schon eine Geldkatze mit sich herum, deren Inhalt jeden Kaufmann vor Neid hätte erblassen lassen – und dazu noch Beutel mit Perlen?

Diese Frage verlangte danach, geklärt zu werden. Der Kommandant ließ Caligula sämtliche Habseligkeiten abnehmen – Waffen, Geld und Perlen. Dann notierte der Sargento auf einem Meldeblatt sorgfältig, daß die Sachen solange Eigentum des Delinquenten blieben, bis die höchste richterliche Instanz ihre Entscheidung darüber gefällt hatte. Don Antonio also – er mußte verständigt werden.

Vorher aber begab sich der Kerkerkommandant zum Stadtkommandanten, Don Ruiz de Retortilla, und sprach den Fall mit ihm durch.

„Dieser Kerl ist steinreich“, sagte er. „Da stimmt was nicht. Den müssen wir gehörig ausquetschen, bevor wir ihn hängen.“

„Besser wäre es, wenn wir das Geld und die Perlen unter uns aufteilten.“

„Don Antonio würde aber sicherlich davon erfahren. Er kann fuchsteufelswild werden, wenn er übergangen wird.“

„Das stimmt.“ Don Ruiz war nicht darauf aus, sich mit Don Antonio zu überwerfen. „Schade, schade“, sagte er. „Aber es ist nicht zu ändern. Informieren wir Don Antonio. Vielleicht will er sich den Gefangenen selbst vorknöpfen.“

Noch am frühen Nachmittag suchte Don Ruiz den Dicken auf und teilte ihm mit, was sich zugetragen hatte. Bei den Worten „Geldkatze“ und „Perlenbeutel“ wurde Don Antonio hellhörig. Er hörte sogar auf, kandierte Früchte zu essen.

„Diesen Bastard will ich mir selber mal ansehen“, sagte er. „Ich werde ihn dem peinlichen Verhör unterziehen. Mal sehen, was er alles weiß. Vielleicht gehört er zu einer größeren Piratenbande.“

„Catalina?“

„Möglich ist es. Er ist erschienen, um sich zu rächen oder so.“ Don Antonio erhob sich schwerfällig. „Das alles kriege ich schon raus, keine Angst.“

Er ließ die Kutsche anrollen und hatte es ziemlich eilig, die Residenz zu verlassen. Geld! Perlen! Das war Musik in seinen Ohren. Nichts anderes konnte ihn locken. Wenn er irgendwo schnellen, mühelosen Profit witterte, scheute er keinerlei Mühe.

So geschah es, daß Don Antonio schnaufend und watschelnd im Stadtgefängnis erschien. Er ließ sich vom Kommandanten führen und inspizierte zunächst die Geldkatze und die beiden Perlenbeutel.

Dann sagte er: „Lassen sie den Kerl in den Vernehmungsraum bringen. Ehe wir aber mit der Prozedur anfangen, will ich mich allein mit ihm unterhalten.“

„Ja, Señor.“

Wenig später saß Don Antonio Caligula gegenüber. Caligula hatte ausgiebig Gelegenheit, die Marterinstrumente in Augenschein zu nehmen: das Streckbrett und die Daumenschrauben, all die Zangen und Eisen, mit denen man den Gefangenen zusetzte. Ob auch Cariba hier gefoltert worden war? Er beschloß, lieber nicht danach zu fragen.

„Ich will mich kurz fassen“, sagte Don Antonio. „Was hat es mit diesen Golddublonen und Perlen auf sich? Sie stellen ein Vermögen dar.“

Caligula grinste unwillkürlich. Daß er zwei Spanier auf dem Gewissen hatte, schien diesen fetten Mann nur am Rande zu interessieren. Das Geld und die Perlen stimmten ihn neugierig – er hatte also seinen wunden Punkt.

„Wer bist du?“ fragte Caligula.

Don Antonio verzog das Gesicht, als habe ihn ein Insekt gestochen. Dieser Abschaum der Menschheit duzte ihn einfach – es war nicht zu fassen. Aber er wollte ja etwas von ihm, deshalb war es besser, vorerst nicht zu drastischen Mitteln zu greifen. „Ich bin Don Antonio de Quintanilla, der Gouverneur von Kuba.“

„Und ich bin Caligula, der schwarze König der Karibik.“

„Offenbar hast du den Verstand verloren.“

„Nein, ich bin wieder ganz nüchtern.“

Die Frechheit dieses Kerls kannte keine Grenzen. Don Antonio hätte ihn am liebsten eigenhändig ausgepeitscht, aber wieder bezwang er sich.

Caligula wäre gern aufgesprungen, um den Fettsack zu packen und auf die Streckbank zu verfrachten, aber er konnte sich ja nicht rühren. Mit Ketten war er an die Wand gefesselt. Er würde in diesem Kerker sterben oder am nächsten Morgen im frischen Wind von Havanna baumeln, daran bestand kein Zweifel. Aber irgendwann starb jeder Pirat, und Caligula war verwegen genug, sich deswegen keine größeren Sorgen zu bereiten. Er hatte nichts zu verlieren und alles zu gewinnen. Auf sein Geschick kam es jetzt an.

„Gut, dann verstehst du also, auf was ich hinauswill“, sagte Don Antonio. „Woher hast du deinen Reichtum?“

„Warum soll ich es dir verraten, Gouverneur?“

„Weil ich es dir befehle.“

„Ich lasse mir gar nichts befehlen. Weder von dir noch von sonst jemandem, auch nicht vom König von Spanien.“

Don Antonio seufzte. „So kommen wir wohl nicht weiter. Sehr bedauerlich. Die Soldaten werden dich quälen, und deine Schreie werden durch den ganzen Kerker gellen.“

Caligula grinste verschlagen. „Das bringt dir aber nichts ein. Wenn ich hier verrecke, kann ich dir nichts mehr verraten.“

„Meine Leute beherrschen die große Kunst, einen Mann an den Rand des Sterbens zu bringen, ihn dann aber doch am Leben zu erhalten.“

„Gouverneur“, sagte Caligula, und das Grinsen glitt aus seinem Gesicht. „Das wirst du nicht wagen. Wenn Caligula zum Krüppel werden sollte, wird die Rache der Königin furchtbar sein. Ein Schiff wird im Hafen erscheinen und ganz Havanna mit seinen Kanonen in Schutt und Asche legen.“

Don Antonio schauderte unwillkürlich ein wenig zusammen. Sehr gefährlich war dieser Mann, das war ihm klar. Aber dennoch wollte er den Versuch noch nicht abbrechen.

„Wer ist diese Königin?“

„Mein Weib. Ich bin der König.“

„Ich hatte gehofft, du würdest vernünftiger sein.“

„Was willst du von mir wissen?“

„Woher du die Golddublonen und die Perlen hast.“

„Du schonst mich, wenn ich es sage?“

„Ja“, erwiderte Don Antonio. „Ich will dir nämlich helfen. Ich hasse es, Wehrlose zu quälen. Es ekelt mich an. Wenn ich es vermeiden kann, wirst du erst gar nicht gefoltert.“

„Sondern gleich am Hals aufgehängt?“

„Das wird sich herausstellen. Weißt du, daß ich die höchste richterliche Instanz von Havanna bin?“

„Jetzt weiß ich es“, erwiderte Caligula. Er ahnte, daß Don Antonio das genaue Gegenteil eines Menschenfreundes war, ein skrupelloser Sadist, der sich an den Qualen eines Opfers weidete. Aber er ging auf das Spielchen ein. „Ich danke dir, Gouverneur. Also schön, du sollst es wissen. Ich habe das Zeug einem englischen Piraten namens Killigrew abgenommen.“

„Und du weißt, wo es noch mehr zu holen gibt?“

„Ja. Sackweise. Ich kenne den Schlupfwinkel dieses Hundes, der sich El Lobo del Mar nennt.“

In Don Antonios Geist überschlugen sich die Gedanken, nicht nur wegen dieser verlockenden, vielversprechenden Aussage. Aber er erinnerte sich sofort an Cariba, den Kreolen. Der hatte genauso behauptet, den Schlupfwinkel der englischen Piraten zu kennen. Dorthin war Don Juan de Alcazar mit der beschlagnahmten Kriegskaravelle „Pax et Justitia“ aus Cartagena unterwegs.

Und wahrscheinlich wird er die Schätze dieser Freibeuter ausheben, dachte Don Antonio. Das wiederum bedeutet, daß er sie für die spanische Krone beschlagnahmt. So eine Schande!

Dann aber grinste auch er süffisant. Erst einmal galt es abzuwarten, was Don Juan überhaupt erreicht hatte. Schließlich hatte er keine Garantie dafür, daß er auch wirklich als Sieger aus dem Kampf hervorging. Wenn der Gegner ihm eine Abfuhr erteilte, dann konnte er, Don Antonio, die Sache in die Hand nehmen, und zwar ohne Don Juan, den Schnüffler.

Ja – und wenn bei seinem, Don Antonios, Unternehmen dieser Killigrew geschnappt wurde, dann würde er, Don Antonio, den Gefangenen der spanischen Krone präsentieren, nicht Don Juan. Damit waren zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Killigrew überführt und Don Juan als unfähig bloßgestellt.

Das waren, alles in allem betrachtet, recht schöne Perspektiven. Don Antonio erhob sich.

„Gut“, sagte er. „Hochinteressant. Ich will sehen, was ich tun kann. Du würdest mich also zu der Insel führen?“

„Unter einer Bedingung“, sagte Caligula.

„Freigelassen zu werden?“

„Ja.“

„Du verlangst viel. Aber ich werde mir die Sache überlegen.“ Don Antonio hatte es jetzt eilig, den Vernehmungsraum zu verlassen. Er ging zum Kerkerkommandanten und verpflichtete ihn zu strengstem Stillschweigen gegenüber Don Juan de Alcazar. „Er darf nicht erfahren, wer hier im Kerker einsitzt. Ich habe meine ganz bestimmten Gründe dafür. Schärfen Sie das auch Don Ruiz ein.“

„Ja, Señor.“

„Eine Gerichtsverhandlung gegen den Neger ist ebenfalls nicht anzuberaumen, jetzt jedenfalls noch nicht.“

„Wie Sie wünschen, Señor.“ Der Kommandant war verblüfft, hütete sich aber, es offen zu zeigen. Wenn Don Antonio behauptete, er habe seine Gründe, dann hatte er sie auch wirklich. Wie die aussahen, wollte der Kommandant gar nicht erst wissen.

Händereibend verließ Don Antonio das Stadtgefängnis und kehrte in seine Residenz zurück. Caligula wurde unterdessen in seine Kerkerzelle zurückgebracht. Sein Mut hatte etwas nachgelassen. Er wußte nicht so riecht, ob der Köder, den er ausgeworfen hatte, von dem feisten Gouverneur geschluckt wurde. Er wußte nur, daß dieser Don Antonio ein ganz geriebener Fuchs war, vor dem er sich hüten mußte.

In der Dunkelheit dieses 18. April ließen Arne von Manteuffel und seine beiden Männer eine zweite Brieftaube vom Hof der Faktorei aufsteigen. Diesmal war es der Täuberich Dragan, dessen Weibchen auf der Schlangen-Insel Sulima hieß. Wieder war die Meldung von Arne geschrieben und von Jussuf unter der mittleren Schwanzfeder des Vogels befestigt.

Die Meldung war knapp abgefaßt. Sie gab Auskunft darüber, daß die Black Queen am Leben sei und die Bande in einer versteckten Bucht mit ihrem Zweidecker bei einer der Inseln der Islas de Mangles vor der kubanischen Südküste einen Unterschlupf gefunden habe; weiter, daß Caligula nach der Tötung zweier Spanier in den Kerker von Havanna geworfen sei. Ferner: Don Juan de Alcazar sei noch nicht nach Havanna zurückgekehrt.

Arne erbat umgehend Nachricht, wie der Bund der Korsaren auf das unerwartete Wiederauftauchen der Black Queen zu reagieren gedachte. Sie hatte es offenbar darauf abgesehen, die Spanier zu benutzen, um den Bund zu vernichten, was erhöhte Gefahr für die Schlangen-Insel bedeutete, deren Position den Queen-Leuten samt Caligula ja bestens bekannt war.

„Ich drücke dir die Daumen“, sagte Arne, als er Dragan nachblickte. Jussuf und Jörgen standen schweigend neben ihm. Auch ihre Gedanken befaßten sich mit dem großen Risiko, dem sowohl die Schlangen-Insel und Coral Island als auch die Faktorei ausgesetzt waren. Ein winziger Anstoß genügte, und alles flog auf. Dann waren sie geliefert, hier wie drüben, bei den Caicos Islands.

Die drei Männer kehrten in das Haus zurück. Ihre Stimmung war gedrückt. Über Caligulas weiteres Schicksal hatte auch Jussuf keine Hinweise in Erfahrung gebracht. Hüllte er sich in Schweigen – oder nutzte er sein Wissen aus, um seinen Kopf zu retten? Dies war die große Frage. Und: Ließ Don Antonio sich auf so etwas ein oder nicht?

Sehr schlecht schliefen die drei von der Faktorei in dieser Nacht. Immer wieder wachten sie auf und quälten sich mit der peinigenden Frage. Es mußte etwas geschehen, schon bald. Wenn Don Juan nach Havanna zurückkehrte, sah er sehr schlecht aus.

Seewölfe Paket 20

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