Читать книгу Seewölfe Paket 20 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 12
7.
ОглавлениеCarnera war ein alter, gebeugter Mann, dem in Havanna kaum jemand Aufmerksamkeit schenkte. Er war dürr und häßlich und auf einem – dem linken – Auge angeblich blind. Man beachtete ihn nicht, man mied ihn, er war allein und suchte fast jeden Abend in einer der Hafenkneipen Trost für die Einsamkeit bei einem, zwei oder auch drei Bechern Wein. Hier reagierte er auch seinen Haß gegen seinen Herrn ab, der ihn oft und gern mit Stiefeltritten traktierte.
Dieser Mann war der Kerkerkommandant. Carnera war der Kalfaktor im Gefängnis, der Mann, den man trat und stieß, anbrüllte und verfluchte. Er war das Mädchen für alles, keine Arbeit war zu dreckig für ihn. Carnera hier, Carnera da, Carnera vorn und hinten – er wurde wie ein Hund behandelt.
All seih Leid klagte er in dieser Nacht dem neuen Zechbruder, den er kennengelernt hatte. Ein alter Mann mit einem dichten Vollbart, der selbst nur wenig Bier trank, dafür aber ihm, Carnera, schon den vierten Becher Rotwein ausgegeben hatte.
„Du bist in Ordnung“, sagte Carnera. „Mit dir kann man wenigstens reden.“
„Ja“, sagte Jussuf. „Ich verstehe dich nämlich. Ich habe selbst auch schon viel erlitten.“
„Wohnst du in Havanna? Ich habe dich hier noch nie gesehen.“
„Ich bin mal hier, mal da.“
„Ist ja auch egal“, sagte Carnera und trank wieder einen tüchtigen Schluck Wein. „Die Hauptsache ist, der Mensch lebt und hat was zu saufen.“
„Du arbeitest also im Kerker?“ fragte Jussuf.
„Ja. Manchmal fühle ich mich selbst wie einer der Kerle, die da einsitzen. Der Kommandant ist ein Leuteschinder. Der Sargento ist auch nicht viel besser, und die Soldaten verhöhnen mich dauernd. Ein Drecksleben ist das.“
Sie saßen im „Malagena“ neben einer Säule an einem kleinen Tisch. Die Kaschemme war inzwischen wieder eingerichtet worden. Lopez und Libero hatten sich die größte Mühe gegeben, wenigstens die Theke, die Regale, die Tische und Stühle wieder in Ordnung zu bringen.
Denn Lopez wollte sich sein gutes Geschäft nicht verderben lassen, nicht durch einen Caligula und nicht durch Diego Cámara und den Gendarmen, die ins Gras gebissen hatten. Ein weiterer Gendarm, so hieß es, lag im Sterben. Aber all das und die Erzählungen, die über Caligulas Raserei in Havanna kursierten, machten die „Malagena“ nur noch attraktiver. Brechend voll war es in dieser Nacht.
Jussuf hatte herausgefunden, daß Carnera der Kalfaktor im Stadtgefängnis war. Er hatte ihn beschattet und war ihm gefolgt. Dann war es ihm gelungen, ihn in ein Gespräch zu verwickeln und ihn zu einem „Schlückchen Wein“ einzuladen.
„Hast du auch mit den Gefangenen zu tun?“ fragte er ihn.
„Ja.“
„Sitzt nicht dieser Schwarze im Kerker, der hier Amok gelaufen ist?“
„Ja, der. Das ist vielleicht ein Kerl. Ich habe Angst vor ihm.“
„Sitzt er denn sicher?“
„Das schon. Er ist ja angekettet. Und jeden Tag wird er verhört“, erwiderte Carnera. „Aber er schreit nicht, das ist der Witz. Ich habe noch keinen erlebt, der so gut Schmerzen aushält wie der.“
Jussuf schloß unwillkürlich die Augen. Er verachtete alles, was mit Grausamkeit zu tun hatte. Folter und peinliches Verhör waren für ihn etwas grenzenlos Gemeines, Menschenunwürdiges, auch im Fall eines Mannes wie Caligula.
„Er sitzt also in Einzelhaft?“ fragte er.
„Ja. Zu den anderen Galgenvögeln hat er keinen Kontakt. Und das ist auch gut so. Er würde die anderen bloß aufwiegeln, hat der Sargento gesagt.“
„Und der Kommandant? Verhört er ihn persönlich?“
„Nein. Das tut der Gouverneur. Don Antonio. Der Dicke.“ Carnera grinste und trank seinen Becher leer. Jussuf griff zum Krug und schenkte nach. „Hast du den schon mal in seiner Prachtkarosse durch Havanna rollen sehen?“
„Nein, noch nie.“
„Er spielt sich auf wie der König von Spanien persönlich. In der Residenz sind auch die Türklinken aus Gold, und er kleidet sich wie zwei Fürsten auf einmal. Er gibt rauschende Feste und hat immer die schönsten Frauen um sich.“
„Das freut mich für ihn“, sagte Jussuf. Absichtlich stellte er sich unbedarft und unwissend. Dieser Carnera war ein Plappermaul, eine ausgesprochene Plaudertasche, dessen Geschwätzigkeit von Becher zu Becher stieg. Er war froh, daß er mal alles abladen durfte, was ihm auf der Seele lag. Es geschah sonst selten, daß ihm jemand so aufmerksam zuhörte wie dieser „alte Bart“, von dem er noch nicht einmal den Namen wußte.
Carnera nahm rasch noch einen Schluck Wein zu sich, dann schüttelte er so heftig den Kopf, daß Jussuf zu fürchten begann, er würde ihm von den Schultern fallen.
„Nein“, sagte Carnera. „Das darf dich nicht freuen. Frag lieber, woher er das viele Geld hat.“
„Als Gouverneur ist er sicher gut bezahlt.“
„Aber nicht so gut, daß er sich all den Prunk leisten kann.“
„Ich verstehe nicht, auf was du hinauswillst.“
„Don Antonio ist schlimmer als dieser Caligula“, raunte Carnera ihm über den Tisch hinweg zu. „Ein Schnapphahn und Galgenstrick der übelsten Sorte. Das glaubst du nicht? Oh, dann mußt du aber noch viel lernen, mein Freund.“
„Du meinst, er sei bestechlich oder so?“
„Durch und durch korrupt.“
„Und das darf sich ein Gouverneur ungestraft erlauben?“ fragte Jussuf mit gespielter Empörung.
„Ja. Keiner klopft ihm auf die Finger. Er ist wie ein Krake. Was er einmal an sich gerissen hat, das gibt er nicht wieder frei.“ Carnera beugte sich vor. Sie waren wie zwei Verschwörer, die die Köpfe zusammenstecken und einen geheimen Plan aushecken. „Nur einer hat versucht, ihm das Handwerk zu legen. Der Mann heißt Don Juan de Alcazar, und er soll ein Sonderbeauftragter des spanischen Königs und der Casa de Contratación sein. Auch den Rang eines Generalkapitäns hat er. Mehrfach hat er Don Antonio gerügt, seit er hier ist, und dafür hat der Dicke versucht, ihn verschwinden zu lassen. Du weißt wohl nicht, was hier passiert ist, als der Pirat Catalina die Stadt angriff, um sie in Schutt und Asche zu legen, was?“
„Nein, davon habe ich nichts gehört.“
Carnera holte zu einem ausführlichen Bericht über die jüngsten Ereignisse in Havanna aus. Er ließ nichts aus und erzählte und erzählte bis hin zu dem Tag, an dem Don Juan mit Cariba, dem Kreolen, an Bord der „Pax et Justitia“ gegangen und die Kriegskaravelle zur Jagd auf den Seewolf ausgelaufen war.
Jussuf unterbrach den Alten absichtlich nicht. Er wollte ihn nicht verärgern oder mißtrauisch stimmen. Carnera würde von sich aus wieder über Caligula sprechen. Im übrigen war es interessant, zu hören, wie gut er über alles informiert war. Nichts schien seiner Aufmerksamkeit zu entgehen. Jussuf merkte sich dies für spätere Gelegenheiten. Ein Informant wie dieser Alte konnte für ihn noch andere Male von großem Nutzen sein.
„So ist das in Havanna“, schloß Carnera seinen umfangreichen Bericht ab. „Da siehst du mal, was hier so alles passiert.“ Er trank und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. „Aber warum erzähle ich dir das eigentlich alles? Du langweilst dich wahrscheinlich.“
„Durchaus nicht“, beeilte sich Jussuf zu versichern. „Für mich ist das spannend. Aber du wolltest mir noch mehr über diesen Caligula erzählen.“
„Richtig. Ich bringe ihm das Essen und Trinken und kehre seine Zelle aus. Er hat mich gefragt, ob ich ihm nicht heimlich ein Werkzeug zuschmuggeln könnte, aber ich habe geantwortet, das sei mir zu riskant. Wenn er flieht, kriegt der Kommandant doch sofort raus, wer ihm geholfen hat.“
„Ja, bestimmt.“
„Daraufhin hat er mich beschimpft und bespuckt. Ich gehe nicht mehr gern zu ihm rein. Ich habe Angst, er könnte mich mit den Ketten erdrosseln.“
„Und Don Antonio foltert ihn, oder?“
„Ja, genau das. Zweimal hat er ihn schon ausführlich vernommen. Aber das tut er nicht wegen der Toten, ach wo! Es ist ja sowieso klar, daß Caligula der Mörder ist. Er braucht also nichts mehr zu gestehen. Alles spricht gegen ihn.“
„Dann frage ich mich, warum Don Antonio ihn überhaupt foltert“, sagte Jussuf mit nachdenklicher Miene.
„Weil er ein gieriger Krake ist“, sagte Carnera gedämpft. „Wenn er nicht fette Beute wittern würde, hätte er den Gefangenen gar nicht erst aufgesucht.“
Jussuf winkte Libero zu. Das Kerlchen näherte sich und nahm den leeren Krug mit, um ihn zu füllen. Carnera leerte wieder seinen Becher. Jussuf nippte nur an seinem Bier und sagte: „Caligula hat also Geld bei sich? Meinst du das?“
„Golddublonen in einer Geldkatze, die er um die Hüften getragen hat, und zwei Beutel mit Perlen“, erwiderte der Alte. „Möglich, daß der Dicke darauf scharf ist. Fest steht, daß er darüber hinaus etwas von Caligula wissen will, was dieser aber nicht bereit ist, preiszugeben.“
„Was das wohl ist?“ sagte Jussuf.
„Denken könnte ich es mir schon“, brummte Carnera und schielte zu Libero, der mit dem frisch gefüllten Krug zurückkehrte. „Don Antonio will wissen, wo es mehr von dem Geld und den Perlen gibt. Aber er kriegt nichts aus Caligula heraus. Dem kann man die Arme und Beine abreißen, der sagt nichts.“
Jussuf hätte sich vor Widerwillen fast geschüttelt. Er hoffte inständig, daß der Alte ihm die Schilderung der Foltermethoden, mit denen man Caligula bearbeitete, ersparen würde. Und was Don Antonio de Quintanillas Bestreben betraf, dem Gefangenen das Geheimnis zu entlocken, da wußte er natürlich ganz genau, um was es sich handelte: Caligula sollte die Lage der Schlangen-Insel verraten. Aber er sträubte sich. Verständlicherweise. Wenn er redete, war er geliefert. Dann ließ Don Antonio ihn unverzüglich aufhängen.
Jussuf verließ die Kaschemme, Carnera war am Tisch eingeschlafen. Jussuf kehrte zur Faktorei zurück und teilte Arne und Jörgen, die beide noch wach waren, mit, was er erfahren hatte.
„Das ist eine ganze Menge“, sagte Arne. „Meine Hochachtung, Jussuf, du hast deine Sache wieder mal gutgemacht. Und einen neuen Informanten hast du dir auch gleich geschaffen.“
Jussuf grinste. „Der alte Knochen hat natürlich sehr geheimnisvoll getan und viel herumgeredet, aber ich habe ihm versichert, daß ich kein Sterbenswörtchen über unsere Unterredung verlauten lassen würde. Wir haben einen Pakt abgeschlossen und besiegelt, wenn ich das mal so nennen darf. Folglich dürfte ich euch gar nicht berichten, was er mir alles gesagt hat.“
„Mach es nicht so spannend“, sagte Jörgen. „Wie ist Don Antonio denn überhaupt mit den Wachsoldaten und dem Kommandanten im Gefängnis verblieben? Gibt es nun einen Prozeß oder nicht?“
„Noch nicht“, entgegnete Jussuf. „Und alle Wachleute bis hinauf zum Sargento und Kerkerkommandanten sind von Don Antonio dazu verpflichtet worden, nichts über den Gefangenen verlauten zu lassen, vor allem nicht einem gewissen Don Juan de Alcazar gegenüber, falls der wieder in Havanna erscheinen sollte. Auch Don Ruiz de Retortilla ist entsprechend instruiert worden.“
„Aha!“ sagte Arne. „Jetzt weiß ich Bescheid. Der Dicke will wieder mal sein eigenes Süppchen kochen und Don Juan vermutlich ausbooten. Das sieht ihm ähnlich.“
„Ein intrigantes Spiel“, sagte Jörgen. „Der Teufel soll diesen Fettwanst holen. Ich habe ihn von Anfang an nicht ausstehen können.“
„Wer kann ihn schon leiden?“ sagte Jussuf. „Ich wage zu behaupten, daß er der in Havanna am meisten gehaßte Mann ist.“
„Daran besteht kein Zweifel“, sagte auch Arne. „Wie ich Don Antonio kenne, ist er natürlich auf die Schätze der Schlangen-Insel versessen. Und wenn er dabei auch noch den ‚englischen Piraten Killigrew‘ schnappt, tut er der spanischen Krone und der Casa einen Gefallen, wird belohnt und belobigt und kann seine Position als Gouverneur auf diese Weise gewissermaßen auf Felsen bauen.“
„Don Juan wäre damit wegen Unfähigkeit abgemeldet“, sagte Jörgen.
„So ein Ding“, sagte Jussuf empört. „Das darf auf keinen Fall geschehen. Ich persönlich ziehe Don Juan als Gegner vor.“
Arne verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. „Ja, er ist ein netter Feind, nicht wahr?“
„Einer, den ich mir gut als Kameraden vorstellen könnte“, ging Jussuf sofort darauf ein. „Er ist aufrichtig, mutig und ehrlich.“
„Der würde zum Bund der Korsaren passen“, pflichtete Jörgen ihm bei. „Du weißt es ja selber, Arne.“
„Ihr zwei spinnt ganz schön“, sagte Arne. „Eure Phantasie kennt wohl keine Grenzen, was? Aber ich will euch was verraten: Das ist ein reines Hirngespinst. Don Juan kämpft weiter, bis zum letzten. Ein Mann wie er gibt nicht auf.“
„Nie“, sagte Jussuf. „Ich weiß. Er hat sich in seinen Auftrag sozusagen verbissen und läßt nicht locker. Daß Hasard gesiegt und ihn obendrein noch zusammengestaucht hat, stört ihn wenig.“
„Wahrscheinlich stört es ihn auch nicht weiter, daß er verletzt ist“, sagte Jörgen. „Er ist hart im Nehmen, wie es scheint.“
„Es scheint nicht nur, es ist so“, sagte Arne trocken. „Eigentlich wundert es mich, daß er von seinem Raid noch nicht zurück ist. Aber für uns bedeutet das eine Art Aufschub. Solange Don Antonio über den Erfolg oder Mißerfolg von Don Juans Aktion nichts bekannt ist, kann er nämlich auch nichts unternehmen. Er muß also abwarten.“
„Und in der Zwischenzeit läßt er Caligula zwiebeln“, sagte Jörgen.
„Scheußlich ist das“, sagte Jussuf. „Versteht mich nicht falsch. Ich bemitleide Caligula nicht. Aber ich verachte derartige Methoden.“
„Ich auch“, sagte Arne. „Eines Tages wird Don Antonio ein Opfer seiner eigenen Grausamkeit. Ein Sadist und Betrüger wie er strauchelt irgendwann. Das wünsche ich ihm von ganzem Herzen.“
Don Antonio de Quintanilla verabscheute jede Art von Arbeit, sie war ihm zuwider. Selbst das Laufen haßte er. Am liebsten verbrachte er den ganzen Tag in einem seiner riesigen Salons, auf einem Diwan ausgestreckt, oder in der Loggia, wo er kandierte Früchte knabberte, Süßwein trank und den Ausblick auf Havanna genoß.
In dieser Nacht aber entwickelte er ungeahnte Aktivitäten. Noch einmal suchte er das Stadtgefängnis auf und nahm sich Caligula vor. Die Sache ließ ihm keine Ruhe. Im Schlupfwinkel der englischen Piraten mußten Schätze von gewaltigem Ausmaß lagern. Gold und Silber in Barren, Diamanten und Perlen, Gold- und Silberschmuck – sack-, kisten- und truhenweise. Gelang es ihm, sich diesen Reichtum anzueignen, hatte er bis ans Ende seiner Tage ausgesorgt und brauchte sich keine Sorgen mehr um die Zukunft zu bereiten, auch dann nicht, wenn ihn die spanische Krone eines Tages seines Postens als Gouverneur von Kuba enthob.
Im Licht von vier Lampen hockte Don Antonio dem Gefangenen gegenüber. Schweigend beobachtete er ihn eine Weile. Wie lange würde er noch durchhalten?
Caligula saß vornübergebeugt da. Sein Gesicht und sein Oberkörper waren angeschwollen, verschrammt und verbeult. Schweiß und Blut waren auf seiner dunklen Haut getrocknet, sein Gesicht war verzerrt, die Last der Ketten und die Schmerzen setzten ihm zu. Er konnte viel erdulden, aber er wußte, daß er bald an der Grenze des Ertragbaren angelangt war. Irgendwann würde er – mehr tot als lebendig – zusammenbrechen und auspacken.
„Caligula“, sagte Don Antonio mit honigsüßem Grinsen. „Warum machst du dir das Leben so schwer? Eigentlich hätte ich dich für klüger gehalten.“
Caligula atmete tief durch. Sein Blick war auf den Dicken gerichtet. Das Licht der Lampen quälte ihn, es stach ihm in die Augen.
„Gouverneur“, sagte er leise und drohend. „Warum läßt du mir nicht die Ketten abnehmen?“
Don Antonio seufzte. „Liebend gern würde ich es tun, aber du bist ja so dumm und unvernünftig.“
„Hör auf, mich zu piesacken.“
„Warum verrätst du mir nicht die Lage des Schlupfwinkels?“
„Ich soll dich doch hinführen.“
„Mir wäre lieber, du zeichnest mir die Position auf einer Karte ein. Oder aber du sagst sie mir einfach, und ich kümm’re mich dann um den Rest.“
„Ich bin kein Narr, Gouverneur“, sagte Caligula.
„Selbstverständlich müßte ich deine Angaben erst nachprüfen“, sagte der Dicke. „Das wirst du verstehen. Immerhin könnte es gut sein, daß du mich an der Nase herumführst. Daß du mir einfach irgendeine Position nennst, meine ich, obwohl dort keine Killigrews und keine Seewölfe zu finden sind.“
„Und keine Schätze.“
„Eben.“
„Gouverneur“, sagte Caligula. „Ich weiß, was ich rede. Ich habe selbst gegen den Seewolf gekämpft. Und gegen seine Kumpane, gegen Jean Ribault zum Beispiel. Ich könnte dir sehr viel erzählen.“
„Ja? Dann tu es doch.“
„Nimm mir die Ketten ab. Jetzt gleich.“
Don Antonio schüttelte den Kopf und bewegte tadelnd den Zeigefinger. „So haben wir nicht gewettet, Amigo. Du hast mir versprochen, daß du mir erst einmal alles sagst. Wir schließen eine Vereinbarung ab, und ich halte mich daran.“
„Wer garantiert mir dafür?“
„Ich.“
Caligula lachte trotz seiner Qualen. „Ich habe Lust, dir ins Gesicht zu spucken, Mann. Du bist doch das scheinheiligste und ausgekochteste Schlitzohr, das mir je über den Weg gelaufen ist.“
„Du behauptest, ich lüge?“ Don Antonios Stimme war schrill geworden.
„Ja! Du willst mich reinlegen! Ich verrate dir die Lage des Verstecks, und anschließend bin ich ein toter Mann!“
„Wache!“ schrie Don Antonio.
Die Tür wurde aufgestoßen, drei Soldaten stürmten herein. Don Antonio sprang auf – eine erstaunliche Leistung für einen Mann seines Gewichtes – und deutete mit seinem dicken, stämmigen Finger auf den Delinquenten. „Abführen! Weg mit diesem Hundesohn! Bindet ihn auf die Streckbank! Legt ihm Daumenschrauben an! Zwickt ihn mit glühenden Zangen!“
„Der Teufel soll dich holen!“ brüllte Caligula. Dann wurde er hochgerissen und abgeführt.
Das „Plauderstündchen“, wie Don Antonio de Quintanilla es genannt hatte, war vorbei. Aber er nahm sich schon jetzt vor, am frühen Morgen wieder bei Caligula zu sein. Dann wollte er ihm genüßlich mitteilen, welche neuen „Spielchen“ er sich ausgedacht hatte, um ihn weichzukochen.
Lange hält er nicht mehr durch, dachte er, als er in die Residenz zurückkehrte, irgendwann bricht er zusammen. Vielleicht schon heute nacht. Oder morgen früh. Das hängt davon ab, wer den längeren Atem hat.