Читать книгу Seewölfe Paket 20 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 11
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ОглавлениеAuch auf der Schlangen-Insel herrschte einiger Aufruhr, denn Izmir war mit der Nachricht über das Auftauchen Caligulas in Havanna eingetroffen. Die unterschiedlichsten Erwägungen wurden angestellt, auch wälzten die Männer und die Frauen bereits Pläne, wie sie eingreifen könnten.
Am Nachmittag des 19. April nun entdeckte Philip junior, der als Ausguck auf den Ratsfelsen geklommen war, als erster die Taube, die sich der Insel näherte. Er gab die Meldung sofort weiter, und kurze Zeit darauf stand Gotlinde, Thorfin Njals Frau, am Taubenschlag bereit, um den Vogel in Empfang zu nehmen.
Dragan schwenkte auf die Insel ein, senkte sich in langgezogenen Schleifen auf den Landeplatz und fiel schließlich in seinen Schlag ein. Das Glöckchen klingelte wild, Dragan hüpfte aufgeregt herum und schlug mit den Schwingen, weil er zu seiner Sulima wollte. Gotlinde lächelte, griff nach ihm und befreite ihn von der Nachricht, dann entließ sie ihn in Sulimas Schlag.
Wenig später war es Renke Eggens, der – am Strand der Bucht mitten zwischen den Kameraden stehend – die wie üblich in deutscher Sprache abgefaßte Nachricht vorlas.
Diese zweite Brieftaubenbotschaft schlug „wie eine Flaschenbombe“ ein. So jedenfalls drückte es Ferris Tucker aus, als der Text übersetzt worden war. Hasard berief sofort eine Versammlung des Inselrats ein, und im Dunkelwerden fanden sie sich auf dem Ratsfelsen ein. Ein Feuer wurde entzündet, es warf seinen zuckenden, huschenden Schein auf die ernsten Gesichter der Anwesenden.
„Wir dürfen keine Zeit verlieren“, begann der Seewolf. „Ich schätze, ihr seid euch alle im klaren darüber, daß gehandelt werden muß.“
„Richtig, aber wie?“ fragte Jean Ribault.
„Willst du schon wieder mit der ‚Isabella‘ auslaufen?“ fragte Old O’Flynn. „Das halte ich für zu riskant.“
Erst am 14. April war die „Isabella IX.“ von ihrem Raid gegen die „Pax et Justitia“ zurückgekehrt, aber sie hatte keine nennenswerten Gefechtsschäden erlitten. Auch war es kein Problem, sie unverzüglich wieder auszurüsten und zum Auslaufen vorzubereiten. Was Old Donegal Daniel O’Flynn meinte, war etwas anderes: Die „Isabella“ war zu bekannt. Wenn sie sich in die Nähe von Kuba begab, konnte es Ärger geben, ehe Hasard überhaupt zum Zug gelangte.
„Einen Augenblick“, sagte Siri-Tong. „Bevor wir überhaupt entscheiden, was zu tun ist und welches Schiff wir einsetzen, müssen wir die Frage der Vordringlichkeit klären. Mit anderen Worten: Soll als erstes die Black Queen in ihrem Versteck überfallen oder Arne in Havanna Hilfestellung geleistet werden?“
„Havanna ist wichtiger“, entgegnete Hasard. „Deswegen habe ich auch nicht vor, mit der ‚Isabella‘ in See zu gehen. Ich sehe die Sache folgendermaßen. Wir müssen unverzüglich gegen die Black Queen vorgehen, auf Biegen und Brechen und um jeden Preis. Sie ist eine tödliche Bedrohung für die gesamte Existenz unseres Bundes. Aber Arne schwebt ebenfalls in tödlicher Gefahr. Denn wenn es der Zufall will, kann ihn jeder Mann der Crew der ‚Caribian Queen‘ entlarven.“
„Und verraten, daß er ein Mitglied der sogenannten englischen Piratenbande ist“, fügte Oliver O’Brien hinzu. „Falls Don Juan das erfährt, sind Arne, Jussuf und Jörgen geliefert. Nach seiner ersten Konfrontation mit dir, Hasard, wird Don Juan noch versessener darauf sein, sein Ziel zu erreichen.“
Hasard stimmte dem zu. „Mit Sicherheit. Deshalb hat ein Abstecher nach Havanna unbedingt den Vorrang. Erst danach kümmern wir uns um die Queen. Das eine läßt sich mit dem anderen verbinden. Vielleicht ist es sogar besser, Arne, Jörgen und Jussuf aus Havanna abzuziehen, um ihre Enttarnung zu verhindern. Ich will ganz ehrlich zu euch sein. Ich bin in schwerer Sorge um die drei.“
„Das sind wir alle“, sagte der Wikinger mit dröhnendem Baß. „Aber Arne ist schlau genug, sich von den Dons nicht packen zu lassen.“
„Langsam“, sagte Old O’Flynn. „Selbst wenn Don Juan noch nicht nach Havanna zurückkehrt ist, dürfen wir nicht vergessen, daß da Don Antonio, die fette Ratte, hockt. Der ist imstande, Arne und seine beiden Helfer festzunehmen, wenn er was erfährt. Und dann versucht er, daraus Kapital zu schlagen, indem er uns erpreßt.“
„Ich bin der Ansicht, daß Arnes Einsatz in Havanna nicht mehr zu verantworten ist“, sagte der Seewolf. „Er steht auch in keinem Verhältnis zur Effektivität möglicher Beutezüge. Das heißt, das Leben und die Sicherheit unserer drei Gefährten haben absoluten Vorrang vor der Jagd nach spanischen Schatzschiffen.“
„Was hast du vor?“ fragte die Rote Korsarin. „Du planst doch bereits etwas, das sehe ich dir an.“
„Ja. Um in dieser Beziehung Klarheit zu schaffen, ist es unbedingt notwendig, mit Arne persönlichen Kontakt aufzunehmen. Seine Situation muß durchgesprochen und beraten werden. Danach können wir dann entscheiden, wie wir vorgehen.“
„Also laufe ich aus!“ rief der Wikinger. „Mich kennt in Havanna keiner!“
„O Gott, nein“, sagte Jean Ribault. „Die Spanier kriegen einen Schrecken, von dem sie sich nicht wieder erholen, wenn du auf Kuba erscheinst.“
„Odin läßt dir den Himmel aufs Haupt fallen!“ brüllte der Wikinger. „Ich gebe mich als harmloser Handelsfahrer aus! Was ist schon dabei?“
„Daß du nicht harmlos aussiehst“, erwiderte Old O’Flynn gelassen. „Ein schwarzer Kahn voll wilder, menschenfressender, behelmter Nordpolbären – Himmel, die Dons machen sich ja in die Hose, wenn ihr da auftaucht.“
Thorfin geriet in Fahrt. Wütend rückte er sich seinen Kupferhelm zurecht. „Nein! Das ist Quatsch! Immer, wenn ich was unternehmen will, habt ihr was dagegen! So geht das nicht! Ich protestiere!“
„Du hältst die Sache nur auf“, sagte der Seewolf. „Denk mal logisch. Wir haben nur ein Schiff zur Verfügung, das perfekt getarnt nach Havanna segeln kann und dort kein Aufsehen erregt.“
„Die ‚Wappen von Kolberg‘ etwa?“ brüllte der Nordmann. „Nein! Die ist am 10. März mit offiziellem Ziel Kolberg von Kuba abgesegelt! Daß sie in Wirklichkeit die Schlangen-Insel angelaufen hat, wissen die Dons nicht! Die riechen also glatt Lunte, wenn die ‚Wappen‘ jetzt schon zurückkehrt! Sie könnte allenfalls erst im Juli wieder in Havanna sein!“
„Schrei nicht so“, sagte Jean Ribault. „Dein Gebrüll ist bis nach Coral Island zu hören. Die Timucuas werden sich fragen, was hier los ist.“
„Ich brülle soviel, wie es mir paßt!“
„Deine Überlegungen sind schon richtig, Thorfin“, sagte Hasard. „Aber ich habe auch nicht vor, die ‚Wappen‘ einzusetzen.“
„Sondern?“ fragte Jerry Reeves überrascht.
„Ihr habt die ‚Santa Clara‘ vergessen“, sagte der Seewolf. „Unsere feine, gut armierte Perlengaleone. Sie ist genau das richtige Schiff für dieses Unternehmen.“
Die „Santa Clara“ war von Hesekiel Ramsgate gründlich umgebaut worden, nichts erinnerte mehr an das typische Bild einer spanischen Galeone. Der Alte hatte sie richtig „umfrisiert“, und zwar zu dem Zweck, sie als zweites Schiff aus der Flotte des Handelshauses der Manteuffels in Kolberg nach Havanna zu schicken, um dort neue Waren für die Schlangen-Insel und Coral Island zu übernehmen und Arne andererseits Perlen aus der Beute der „Santa Clara“ als „Betriebskapital“ zu überbringen.
Auf den Vorschlag von Renke Eggens war die „Santa Clara“ in „Pommern“ umgetauft worden. Ramsgate hatte ihre weibliche Galionsfigur entfernt und statt dessen als Galionszier einen Greif geschnitzt, das Wappentier von Pommern. Der Greif war rot angestrichen und stellte nach übereinstimmender Meinung von Renke Eggens, Hein Ropers, O’Brien und den anderen „Kolbergern“ ein kleines Meisterwerk dar. Ramsgate war sehr stolz auf dieses Urteil.
Ferner war die „Pommern“ völlig schwarz gepönt worden und hatte somit nicht mehr die geringste Ähnlichkeit mit der früheren „Santa Clara“. Sie verfügte über zwanzig Culverinen, zehn auf jeder Seite, sowie vorn und achtern je vier Drehbassen, zwei auf jeder Schiffsseite. Außerdem hatte der Alte auf jeder Seite an den Schanzkleidern Halterungen angebracht, in denen beliebig viele Drehbassen zusätzlich montiert werden konnten.
Der „Stapellauf“ und die „Taufe“ waren natürlich mit einem Umtrunk in „Old Donegals Rutsche“ gefeiert worden, und es hatte wieder mal Marys Stammgericht Calaloo gegeben. Im Grunde genommen hätte das Leben auf der Schlangen-Insel auch weiterhin in seinen üblichen Bahnen verlaufen können, wenn nicht die neue Bedrohung durch die Black Queen und durch Don Juan gewesen wären, die wie ein Damoklesschwert über dem Bund der Korsaren schwebte.
Die „Pommern“ war ein gesunder, stabiler Dreimaster, und tatsächlich kam nur sie für die Fahrt nach Havanna in Frage, weil sie für die Spanier eben ein „fremdes Schiff“ war.
„Soweit, so gut“, sagte der Wikinger grollend. „Aber mit welcher Crew soll der Kahn bemannt werden? Und wer, bei Geri und Freki, ist der Kapitän?“
„Ich“, erwiderte Hasard kühl. „Offiziell wird es allerdings Renke Eggens sein. Ich reise sozusagen inkognito mit.“
„In – was?“ brüllte Thorfin Njal. „Ich werd’ verrückt! Du willst nach Havanna? Das haut dem Faß den Boden aus!“
Auch die anderen waren erstaunt. Hasard blieb jedoch völlig ruhig und setzte ihnen auseinander, wie er sich die Bemannung der „Pommern“ im einzelnen vorstellte.
„Die Spanier werden sich natürlich fragen, wie es angehen kann, daß Renke nach Havanna zurückkehrt“, sagte Hasard. „Dafür geben wir ihnen folgende Erklärung: Auf dem Atlantik hat eine zufällige Begegnung zwischen der ‚Wappen von Kolberg‘ und der ‚Pommern‘ stattgefunden. Bei dieser Gelegenheit hat die ‚Pommern‘ Renke übernommen und als Kapitän eingesetzt, weil er die Havanna-Route ja bereits kennt. Ebenso ist die Hälfte der Crew der ‚Wappen‘ aus Gründen der Zweckmäßigkeit zur ‚Pommern‘ übergewechselt.“
„Ein tolles Stück“, sagte der alte O’Flynn. „Und du meinst, die Dons schlucken das?“
„Auf jeden Fall, weil wir es ihnen glaubwürdig genug darstellen.“
„Und die andere Hälfte der Crew für die ‚Pommern‘?“ verlangte Thorfin Njal zu wissen. „Woher soll die genommen werden? Doch wohl hoffentlich vom Schwarzen Segler!“
„Nein“, sagte der Seewolf. „Sie wird von der ‚Isabella‘ abgezogen. Deine Männer würden kaum als Deutsche durchgehen.“
Der Wikinger war immer noch wütend – und verzweifelt. Er wußte nicht, was er unternehmen sollte, um Hasard umzustimmen und die Besatzungsliste zu ändern. So ging es auch den anderen. Hasard hatte gesprochen – punktum und basta.
„Ich beantrage Abstimmung“, sagte er.
Nur zögernd gab der Bund seine Zustimmung für den Vorschlag. Tatsächlich aber wußte auch keiner einen Gegenvorschlag vorzubringen. Nur Old O’Flynn erhob einen Einwand.
„Du könntest in Havanna erkannt werden, Hasard“, sagte er. „Dann sieht es nicht nur für Arne, Jussuf und Jörgen schlecht aus, sondern für euch alle.“
„Ich werde mich dort tagsüber nicht an Deck zeigen.“
„Aber da ist noch was“, sagte Jean Ribault. „Die Kampfkraft der ‚Pommern‘ reicht gegen den Zweidecker der Black Queen garantiert nicht aus. Es ist also noch die Frage, ob sich die eine Aktion mit der anderen verbinden läßt.“
Hasard setzte ein grimmiges Grinsen auf. „Auch daran habe ich gedacht. Ich habe nicht die Absicht, meine Männer und mich selbst in einem sinnlosen Gefecht zu verheizen. Vielmehr werde ich in die Trickkiste greifen, um der Queen und ihrem Anhang zur verdienten Höllenfahrt zu verhelfen.“
„Wie?“ fragte Siri-Tong.
„Das findet sich noch.“
„Das hört sich aber wirklich vage an.“
Er sah sie an. „Dann laß du dir doch etwas einfallen.“
„Als Handelsfahrer getarnt, könntet ihr die ‚Caribian Queen‘ in eine Falle locken. Vielleicht sind die Spanier sogar zur Zusammenarbeit bereit“, sagte sie.
„Wir schlagen die Queen also mit ihren eigenen Waffen – dem Feind Spanien, dessen sie sich bedient?“ Hasards Miene drückte wenig Überzeugung aus. „Das klingt nicht gut. Ich hasse Intrigen. Wir werden versuchen, sie auf dem direkten Weg zu vernichten.“
„Dann bietet sich an, daß weitere Schiffe die Schlangen-Insel verlassen und sich mit der ‚Pommern‘ an der Südküste von Kuba treffen“, sagte die Rote Korsarin. „An diese Möglichkeit hast du noch nicht gedacht. Im Verband können wir die Queen leichter schlagen.“
„Das ist ein brauchbarer Vorschlag“, sagte Hasard. „Aber laß mich erst mal die Lage sondieren. Danach sehen wir weiter.“
Er wollte allein aufbrechen, daran ließ sich nicht rütteln. Unterschwellig begriffen seine Kameraden, daß er genau das Richtige und in dieser Lage Ratsamste tat, aber sie hatten auch den Wunsch, ihm Unterstützung zu leisten. Daß sie auf der Schlangen-Insel zurückbleiben und praktisch mit gebundenen Händen die weitere Entwicklung abwarten sollten, behagte ihnen gar nicht.
Doch es ließ sich nicht ändern. Die „Pommern“ wurde noch an diesem Abend im Licht von Laternen und Öllampen ausgerüstet und munitioniert. Es war keine Zeit zu verlieren.
Hasard überlegte sich die Auswahl seiner Crew sehr genau. Schließlich entschied er sich für Dan O’Flynn, Ferris Tucker, Big Old Shane, Ed Carberry, Smoky, Blacky, Al Conroy, Stenmark, Gary Andrews, den Kutscher, Pete Ballie, Matt Davies, Sam Roskill, Luke Morgan und die Zwillinge. Auch Plymmie, die Wolfshündin, war mit von der Partie.
Die ersten zwölf sollten der „harte Kern“ der Crew sein, was aber keine Zurücksetzung der anderen bedeutete. Mit weiteren vierzehn Männern aus der Crew der „Wappen von Kolberg“ war die „Pommern“ am Ende also einschließlich Hasards, Renke Eggens’ und der Zwillinge mit zweiunddreißig Mann besetzt.
Voll ausgerüstet und munitioniert ging sie noch vor Mitternacht in See und nahm Kurs auf Havanna. Gleichfalls in dieser Nacht flog der Täuberich Izmir zurück nach Havanna, um Arne von Manteuffel über das bevorstehende Eintreffen der „Pommern“ zu informieren.
„Hoffen wir, daß alles klappt“, sagte Old O’Flynn in dieser Nacht. Heftig drückte er den Kameraden die Daumen – und das taten auch die anderen. Sie alle wußten, was von einem Gelingen der Aktion abhing: die Zukunft der Schlangen-Insel und Coral Islands – und das Leben ihrer Bewohner. Von daher war es nur zu verständlich, daß Hasard die Sache persönlich in die Hand genommen hatte.