Читать книгу Seewölfe Paket 22 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 40
7.
ОглавлениеKurze Zeit vorher.
In der Bucht von Portugal Point ankerten seit einem Tag drei größere Zweimastschaluppen. Vom Hafen aus waren sie nicht zu sehen.
Auf den Schaluppen befanden sich etwa fünfundvierzig Schnapphähne der übelsten Sorte.
Es war ein buntgemischter Haufen aus aller Herren Länder, und er bestand aus Abenteurern, Deserteuren, entsprungenen Sklaven und Faulpelzen, die der Ansicht waren, auch ohne Arbeit das schnelle Geld machen zu können. Es waren habgierige Beutelschneider, die von einem Portugiesen angeführt wurden.
Luis Campos, wie der Portugiese hieß, lebte davon, andere zu berauben, auszuplündern oder ganz einfach zu beklauen. An größere Dinge hatte er sich noch nicht herangewagt, es lebte sich jedoch auch recht einträglich von kleineren Fischen.
Dennoch war Luis Campos ein gefährlicher Kerl, ein verschlagener, etwas größenwahnsinniger Typ, skrupellos, schnell mit dem Messer zur Hand und intelligent.
Bevor er seine einträgliche Laufbahn als Schnapphahn eingeschlagen hatte, war er auf etlichen Handelsseglern als Erster Offizier gefahren.
Aber da war nicht viel zu holen gewesen, und so hatte er es bald satt gehabt, ein braves Leben zu führen.
Es war ihm nicht schwergefallen, mit einer Horde desertierter Kerle eine Schaluppe aufzubringen. Der ersten Schaluppe war etwas später eine zweite gefolgt, dann eine dritte. Und weil es in der Karibik von Schnapphähnen aller Schattierungen nur so wimmelte, hatte er auch bald eine wilde Horde um sich geschart, die ihm den nötigen Respekt zollte.
Der Portugiese war ein eitler Stutzer, er kleidete sich gern wie ein Pfau und benahm sich ausgesprochen gespreizt. Zudem war er sehr eitel und hielt sich selbst – was Frauen betraf – für unwiderstehlich. Er war schlank und geschmeidig und hatte sich ein schwarzes Spitzbärtchen wachsen lassen, sozusagen als Krönung seiner Erscheinung, denn er glaubte, daß dieses Bärtchen auf Frauen unheimlich wirke.
Seine Mannschaften dagegen wirkten zerlumpt und abgerissen, abenteuerliche Figuren von fern betrachtet, aus der Nähe nichts anderes als Abschaum aus den Hafengossen, Kerle, die nichts mehr zu verlieren hatten als ihr Leben, rücksichtslose, brutale Halunken mit Gaunervisagen, denen die Gier nach Geld und Gold in den heimtückisch blickenden Augen stand.
Gestern nachmittag war Luis Campos, den die anderen mit „Admiral“ anzureden hatten, heimlich in die Bucht gesegelt und vor Anker gegangen.
Er wollte auskundschaften, wie sein geplanter Coup durchzuführen war, denn er hatte schlicht und einfach vor, den feisten Wirt der „Schildkröte“ auszunehmen, von dem sich herumgesprochen hatte, daß er das Geld nur so scheffelte. Der Mann sollte bereits ein Vermögen angehäuft haben, und so hatte Luis Campos beschlossen, an diesem Vermögen teilzuhaben.
Er sah das als nicht sonderlich schwierig, aber einträglich an. Mit einem Dutzend Kerle war es kein Problem, eine Kneipe zu stürmen, sich den Wirt zu schnappen und ihn auszuplündern. Zweimal hatten sie das bereits erfolgreich getan, und so sah er auch auf Tortuga keinerlei Schwierigkeiten. Die Spelunke und die Gewohnheiten des Wirtes mußten nur etwas ausgekundschaftet werden. Ein Kerl, den er deshalb losgeschickt hatte, kehrte gerade in einem kleinen Boot zurück und enterte auf.
Der Kerl war sein „Adjutant“, denn natürlich hielt der Admiral die militärische Fachsprache für angebracht. Er hatte auch einen „Stab“, der sich aus den Kapitänen der beiden anderen Schaluppen und seinem Adjutanten zusammensetzte.
Der Adjutant, zugleich Campos’ engster Vertrauter, hieß Carlos Molino und war – schlicht gesagt – ein kleiner mieser Drecksack. Er war nur auf der Welt, um andere zu beklauen, zu betrügen und zu schmarotzen. Er lebte grundsätzlich auf Kosten anderer und hurte, hungerte und soff sich durch sein erbärmliches Leben. Das war zwanzig Jahre lang gutgegangen und würde auch noch ein paar weitere Jahre gutgehen, bis Molino eines Tages in ein Messer fiel, an einem Strick aufgehängt oder von den Haien gefressen wurde.
Er war etwas kleiner als der Admiral, gerissen, durchtrieben und hinterhältig wie die meisten anderen Kerle auch.
Er stand vor dem Admiral und blickte aus rötlichen Augen zu ihm auf. Er wirkte auch noch leicht verkatert, denn er hatte die ganze Nacht durchgezecht, um auszukundschaften, wie die Spelunke am besten auszunehmen war.
„Du bist reichlich spät dran, Molino“, sagte der Admiral ungnädig. „Ich hoffe, du hast dich nur deshalb verspätet, weil du gute Nachrichten bringst.“
Auf der Gaunervisage des Adjutanten lag ein schmieriges Grinsen, als er heftig nickte.
„So ist es, Admiral, ich habe mich genau umgesehen und umgehört und dabei allerlei erfahren. Diese Spelunke da oben am Berg ist eine wahre Goldgrube. Sie ist jeden Abend bis zum Morgen brechend voll. Der Wirt heißt Diego, ein dicker, feister Kerl, der die Münzen mit beiden Händen scheffelt. Er nimmt jeden Abend ein kleines Vermögen ein. Die Münzen rollen nur so. Er hat auch eine ganze Menge Weiberchen da oben, die ihm zusätzliches Geld einbringen.“
„Hört, hört!“ sagte der Admiral grinsend. „Weiberchen also auch. Hast du auch herausgefunden, wo er die Münzen versteckt hat?“
„Er nimmt sie mit in die Küche. Offenbar versteckt er sie dort. Aber den genauen Platz werden wir schon erfahren, wenn wir ihn ein wenig ausfragen.“
„Sehr richtig, Molino. Man muß nur richtig fragen, dann singen die Vögelchen alle ganz lustig. Du bist also der Ansicht, daß es sich für uns lohnen würde?“
„Unbedingt, Admiral, unbedingt“, versicherte Molino eifrig. „Ich habe einen Blick dafür.“
„Dann schicke nachher noch zwei Mann los. Sie sollen weiter beobachten, was sich in der Spelunke tut, aber sie sollen sich unauffällig verhalten. Am besten schickst du Pablo und Escola los, die fallen nicht so sehr auf.“
„Zu Befehl, Admiral.“
Der Admiral rieb sich die Hände. Dieser Spelunkenwirt versprach eine fette Beute zu werden, wenn er das Geld nur so scheffelte.
Etwas später meldete sich ein Ausguck aus den Bergen mit der Nachricht, daß ein „ziemlich dickes Schiff“, offenbar ein Zweidecker, Kurs auf die Insel halte und wohl den Hafen anlaufe.
„Wir werden unauffällig in der Nähe des Hafens einsickern“, sagte der Admiral, „und uns einen Überblick verschaffen. Wir beide bleiben gleich bis zum Abend da. Die anderen folgen später. Man muß immer Augen und Ohren offenhalten und gut informiert sein, wenn man etwas vorhat.“
Molino gab dem Kapitän recht. Er gab ihm immer recht und kaute alles nach, was der Admiral vorkaute. So war er immer am besten gefahren und hatte keinen Streit mit dem Admiral gekriegt, der sehr biestig werden konnte, schnell mit den Fäusten und noch schneller mit dem Messer war.
Ein paar seiner Kumpane hatten diese Erfahrung bereits hinter sich, doch sie nutzte ihnen nichts mehr.
Gut eineinhalb Stunden später war der Admiral mit seinem Adjutanten am Hafen „eingesickert“, wie er das nannte. Er strich mit eitler Geste sein Bärtchen und sah einer Frau nach, die einen Wäschekorb schleppte. Schließlich pfiff er anerkennend hinter ihr her.
Die Frau drehte sich um, blieb stehen, lächelte flüchtig und ging dann weiter, während der Admiral wie ein Pfau umherstolzierte.
„Na, wirke ich nicht auf Frauen, Molino?“ fragte er stolz. „Ein Pfiff, und die Weiber bleiben stehen.“
„Sie wirken sehr anziehend auf Frauen, Admiral, ganz ungeheuer“, lobte Molino. „Alle Frauen bewundern und himmeln Sie an, Admiral.“
Luis Campos hörte solche Schmeicheleien gern. Sie gingen ihm runter wie warmes Öl, und so nickte er seinem Adjutanten wohlgefällig und gönnerhaft zu.
Sie standen etwas abseits und beobachteten den unheimlich und düster wirkenden Zweidecker, der in den Hafen einlief und mit letzter Restfahrt an die Pier ging.
„Ein tolles Schiff“, sagte der Admiral bewundernd. „Wenn ich ein solches Schiff hätte, könnte ich mir ganz große Raids leisten. Wunderbar, dieser Kasten, zum Verlieben schön.“
„Ja, das wäre ein Schiff für Sie, Admiral, das wäre genau das richtige Schiff. Aber es hat eine ziemlich starke Besatzung, da sind ja an die hundert Mann drauf“, sagte Molino verwundert.
„Ja, das fiel mir auch schon auf. Na, vielleicht bleiben ein paar Kerle hier.“
Er sah wieder zu dem düsteren Zweidecker und war fasziniert. Von oben bis unten und von vorn bis achtern musterte er das Schiff. Der Gedanke, es in seinen Besitz zu bringen, fraß sich in ihm fest und nahm konkrete Formen an. Hm, das war ein schwerer Brocken, und es waren hartgesichtige Kerle an Bord, die so aussahen, als würden sie sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Aber das Schiff ließ ihm keine Ruhe mehr, es beschäftigte ihn pausenlos.
Mit dem Schiff und seiner starken Armierung könnte er in der Karibik kräftig auftrumpfen. Da konnte er sich ohne weiteres an die spanischen Handelsfahrer heranwagen, wenn sie Gold und Silber nach Spanien brachten.
In Gedanken sah er sich auf dem Achterdeck dieses Zweideckers stehen, die Hände auf den Rücken gelegt, von einer Seite zur anderen gehen und Befehle geben. Aber dazu mußte man das Schiffchen erst einmal haben.
Molino sah, wie es hinter der Stirn des Admirals arbeitete. Vermutlich sah der sich bereits als Admiral auf dem Zweidecker, denn er starrte das Schiff verträumt und besitzergreifend zugleich an.
„Sie stellen sicher taktische Überlegungen an, wie man an das Schiff herankönnte, Admiral, und sicher haben Sie auch schon einen Gedanken“, schmeichelte Molino.
„Hm, hm, ich überlege noch. Wenn da nur nicht so viele Kerle an Bord wären. Das irritiert mich ein wenig.“
„Vielleicht ginge es draußen auf See, Admiral. Hier im Hafen können wir kaum etwas ausrichten. Aber wenn wir ihn uns draußen überraschend mit unseren drei Schiffen schnappen, dann sieht das alles schon ganz anders aus.“
„Hm, hm, das muß sorgfältig überlegt werden. Aber wenn ich mir vorstelle, daß ich da auf dem Achterdeck stehe und … Zum Teufel“, unterbrach er seinen Redeschwall, „ist das nicht eine Frau, oder sehe ich schlecht?“
Dem Achterdeck hatten sie ihr Interesse nicht sonderlich gewidmet, aber jetzt starrte Luis Campos dorthin, und da traf ihn fast der Schlag. Er schluckte hart und stierte die Frau an.
„Himmel noch mal“, murmelte er fassungslos. „Die scheint auf dem Schiff die Befehle zu geben. Ja, gibt es denn so etwas? Das ist doch gar nicht möglich.“
Siri-Tong drehte sich um und sah in ihre Richtung. Aber den Admiral sah sie nicht, der verschwand in der Menge buntgekleideter Gestalten und dem Gewimmel am Hafen.
Luis Campos fühlte, wie ihm der Hals trocken wurde. Er sah ein ebenmäßiges, unwahrscheinlich hübsches Gesicht mit zwei etwas schräggestellten kohlschwarzen Augen, eine zierliche gerade Nase und einen sinnlichen Mund. Die Frau war schlank und zartgliedrig, sie trug blaue Hosen und eine knallrote Bluse, unter der sich ihre Formen klar und deutlich abhoben. Zwei Knöpfe dieser roten Bluse standen offen, und darauf stierte der Admiral jetzt mit Triefaugen.
„Teufel, Teufel“, murmelte er entzückt und strich mit einer affig wirkenden Gebärde wieder über sein Spitzbärtchen. „Diese wunderhübsche Señorita hat der liebe Gott nach Tortuga geschickt. Ein Prachtweib“, schwärmte er, wobei er seine Fingerspitzen küßte, „ein Geschenk des Himmels. Die muß ich kennenlernen, und wenn die ganze Welt dabei untergeht.“
„Ja, wirklich eine außergewöhnliche Frau“, sagte auch Molino, und diesmal meinte er es durchaus ehrlich, denn auch ihn faszinierte die exotische Schönheit der Señorita.
Der Admiral war ganz hingerissen. Aufgeplustert stand er da, um die Aufmerksamkeit dieser Señorita aus der Ferne zu erregen, aber leider, leider – sie blickte an ihm vorbei und sah ihn gar nicht, sosehr er sich auch spreizte wie ein liebeskranker Pfau.
„Wollten wir nicht zu dem Diego hinauf, Admiral?“ fragte Molino nach einer endlos langen Weile, in der der Admiral immer noch auf das Prachtweib schielte, mal die Luft anhielt und seinen Brustkorb herausdrückte, mal mit affektierten Bewegungen einherstolzierte, sein Bärtchen strich oder an seiner vornehmen Kleidung herumfummelte. In seinen Augen loderte eine verhaltene Glut. Molino glaubte ein Feuer darin zu sehen, das sich immer mehr ausweitete. Diesmal schien es den Admiral höllisch erwischt zu haben, der war schon ganz scharf und malte sich wer weiß was alles aus.
Eigentlich war das sein übliches Getue, wenn ein „Prachtweib“ in der Nähe war. Dann plusterte er sich wie ein Gockel auf, und es fehlte nur noch, daß er laut gekräht hätte.
„Diego – wer ist Diego?“ fragte der Admiral desinteressiert.
„Der Kneipenwirt da oben, Admiral, den wir ausnehmen wollten. Ich habe Pablo und Escola hinaufgeschickt. Die werden jetzt noch da hocken und sich umsehen.“
Der Admiral schluckte wieder, strich seinen Spitzbart und stierte mit brennenden Blicken auf die Frau. Hin und wieder glitt sein Blick auch mal flüchtig über das Schiff.
Molino räusperte sich, weil der Admiral nicht geruhte, eine Antwort zu geben. Er kriegte auch keine, denn dem Admiral war es jetzt offenbar völlig gleichgültig, ob die Kerle noch in der Kneipe hockten oder nicht. Und auch der dicke Wirt schien ihn nicht mehr sonderlich zu interessieren. Er war wieder einmal weggetreten und „aufs äußerste fasziniert“, wie er gern sagte.
Molino wurmte das, denn wenn der Admiral einmal Feuer gefangen hatte, ließ ihn leider seine Intelligenz etwas im Stich, und er vergaß mitunter auch sein Vorhaben. Dann verzichtete er großzügig auf fette Beute, weil ihm das andere wichtiger war: Als sich einmal ein Kerl darüber aufgeregt hatte, war er eine Minute später tot gewesen. Seither regte sich niemand mehr öffentlich über des Admirals Amouren und Marotten auf.
Dem Adjutanten wurde es langsam zu langweilig. Schön, die Señorita war wirklich einsame Spitzenklasse, aber deshalb mußte man sie doch nicht stundenlang „aufs äußerste fasziniert“ anglotzen, sich den Hals verrenken und das Maul aufsperren.
Nach einer angemessenen Zeit wiederholte er seine Frage etwas schüchtern.
Aber der Admiral sagte nur: „Hm, hm, jaja, später“ und gab nichts Konkretes von sich. Molino hätte sich gar zu gern in irgendeinen Winkel verkrochen, um ein paar Runden zu schlafen, denn die durchzechte Nacht steckte ihm noch in den Knochen. Doch das war nicht möglich, solange der Admiral gewissermaßen auf dem Kriegsschauplatz stand, um die Lage zu sondieren.
Das Schiff hatte jetzt vertäut, die Segel waren eingeholt worden, und der Admiral ging ein paar Schritte nach vorn, um die Lage noch genauer peilen zu können. Er hielt sich jedoch etwas abseits und stellte sich nie in die wogende Menschenmasse.
Aus der Nähe betrachtet, sah die Frau noch hübscher aus. Und auch das Schiff war äußerst robust, mit starker Armierung und zwei Decks.
„Sind doch keine hundert Mann an Bord“, sagte er leise, „das hat vorhin nur so ausgesehen. Insgesamt sind das etwas siebzig oder fünfundsiebzig Kerle, mehr nicht.“
„Trotzdem noch eine gewaltige Überzahl“, gab der Adjutant zu bedenken. „Scheinen auch harte Burschen zu sein.“
„Das sagtest du bereits einmal.“
Molino entsann sich nicht, das schon einmal gesagt zu haben. Vielleicht aber hatte der Admiral das gedacht, und so schwieg er.
„Wir bleiben vorerst hier auf Position“, entschied Luis Campos. „Wir werden auskundschaften, was es mit diesem Schiff auf sich hat. Und gegen Abend gehen wir in die Kneipe. Es kann ja sein, daß die wunderschöne Señorita auch da hingeht.“
„Und der Wirt, Admiral?“
„Welcher Wirt?“
„Der dicke Kneipenwirt, den wir rupfen wollen.“
„Das wird die Lage ergeben. Jedenfalls sind mir das Schiff und diese Frau zehnmal wichtiger. Was haben wir schon bei so einem kleinen Pinscher zu holen – ein paar Münzen, mehr nicht“, sagte er, abfällig mit der Hand winkend.
Jetzt war also wieder einmal die gleiche Situation entstanden, indem der Admiral eine dicke Beute einfach sausenließ. Da war auch ein Weib im Spiel gewesen, und er hatte alles andere vergessen.
Aber so ganz steckte Molino noch nicht auf. Er durfte zwar auch keine große Lippe riskieren, aber er durfte Vorschläge unterbreiten und konnte sich ein wenig mehr herausnehmen als die anderen.
„Es sind eine Menge Münzen, Admiral. Ich habe sie gesehen. Was der Kerl an einem einzigen Tag einnimmt, ist enorm. Und er hat mit Sicherheit viele Schätze in seiner Kaschemme gehortet.“
„Ein Dreck gegen das Schiff“, sagte der Admiral wegwerfend. Dabei leckte er sich lüstern über die Lippen. „Wenn wir das Schiff haben, brauchen wir keine Kneipenwirte mehr auszunehmen. Dann gehen wir an die ganz großen Brocken heran und rupfen die spanischen Silberschiffe.“
Jetzt fängt wieder sein Größenwahn an, dachte Molino. Der Admiral war schon ein recht wankelmütiger Mensch. Vor allem hatte er immer sehr hochfliegende Pläne, auch wenn sie meist nicht realisierbar waren. Es ging ihm auch nicht um das Schiff allein. Als Dreingabe wollte er das Weib, das schien ihm fast noch mehr wert zu sein, und deshalb setzte er wieder einmal alles aufs Spiel und riskierte Kopf und Kragen.
Also war der Kneipenwirt vorerst abgemeldet. Luis Campos würde jetzt den ganzen Tag hier stehenbleiben, um alles genau zu beobachten. Dann rührte er sich nicht mehr vom Fleck.
Kurze Zeit später verließen drei Männer das Schiff, die sich der Admiral genau betrachtete. Einer sah zum Fürchten aus, der hatte ein wüstes Gesicht mit einem gewaltigen Kinn. Er war genauso ein Riese wie die beiden anderen. Der eine war rothaarig und breit wie ein Schrank. Der dritte war schwarzhaarig, breit und sehnig, mit auffallend blauen Augen. Der Schwarze warf einen Blick über die Menge, die sich um den Zweidecker scharte, und ging mit federnden, elastischen Schritten weiter. Dem Admiral entging auch nicht, daß sie den Serpentinenweg einschlugen:
„Aha, die Señores gehen saufen“, sagte er. „Der Schwarze sieht wie ein Kapitän aus, aber das Kommando über den Zweidecker hat doch wohl die Schwarzhaarige, wie ich annehme. Wie reimt sich das zusammen?“
Darauf wußte auch der Adjutant keine Antwort, und so blieben sie stehen und sahen den drei Männern nach, bis die ihren Blicken entschwanden.
Fast eine Stunde verging, in der sich der Admiral fast vor Sehnsucht verzehrte. Verschwand die Eurasierin einmal aus seinem Blickfeld, dann reckte er schon den Hals und wurde nervös. Kehrte sie wieder an Deck zurück, dann ergötzte er sich wieder an ihrem Anblick und war „aufs äußerste fasziniert“.
Dabei überlegte er immer wieder, wie er es anstellen sollte, das Schiff in seine Gewalt zu bringen.
Weniger problematisch war für ihn, wie er die Frau herumkriegen konnte. Das war ganz einfach, nur mußte sich die Gelegenheit bieten, dicht in ihrer Nähe zu sein. Dann würde er auf seine übliche Tour scharwenzeln, seinen Charme ausspielen und die Dame einwickeln. Sie würde ihm mit Sicherheit nicht widerstehen. So einfach war das, so glaubte jedenfalls der Admiral, und so spann er seinen Faden unaufhörlich weiter, während er alles beobachtete.
Zwei Galgenvögel näherten sich etwas schüchtern. Der eine war Pablo, der einer Ratte ähnelte, der andere war Escola, dem die Nase so traurig im Gesicht hing.
„Na, was hat sich in der Kneipe getan?“ forschte Molino. „Warum seid ihr schon zurück?“
Die beiden sahen ziemlich belemmert drein.
„Da war überhaupt nichts los“, sagte Pablo. „Nur drei Kerle erschienen mit einer langen Liste und bestellten etwas bei dem Wirt.“
Als er die drei Kerle beschrieb, drehte sich der Admiral um und musterte Pablo aus schmalen Augen.
„Aha, die waren es also“, sagte er. „Was bestellten sie denn?“
„Das haben wir leider nicht mitgekriegt, Admiral, weil der Schwarzhaarige mit dem Wirt in der Küche verschwand. Aber Holz wollten sie haben, das habe ich genau gehört.“
„Weiter, weiter“, sagte der Admiral ungeduldig.
„Der Wirt muß das Holz erst besorgen, deshalb wollen sie heute nacht noch im Hafen bleiben.“
„Aha, das heißt also, daß sie morgen früh lossegeln werden. Das Holz werden sie wohl später abholen. Aber warum habt ihr Blödmänner eure Ohren nicht weiter aufgesperrt?“
„Wir wußten ja nicht, daß es wichtig war, Admiral“, sagte Pablo. „Aber wir gingen eigentlich aus einem anderen Grund weg.“
Pablo druckste noch ein bißchen herum, bis Molino ihm energisch gegen das Schienbein trat und ihn somit aufforderte, auch noch den Rest zu erzählen.
„Die beiden anderen Kerle fingen Stunk an. Stunk eigentlich nicht direkt, aber immer wenn wir ein Bier bestellten, soffen es uns die beiden grinsend weg. Der Rothaarige war ja nicht so unfreundlich, aber der andere mit den Narben im Gesicht, der Bordgeistliche, der drohte uns ein bißchen versteckt.“
„Der ist Bordgeistlicher?“ fragte der Admiral fassungslos. „Der mit dem gewaltigen Kinn und der brutalen Visage? Bordgeistlicher soll der sein?“
„Ja, das haben wir genau gehört. Er läßt auch immer Bibelsprüche los, und wer ihm widerspricht, den schlägt er zusammen. Wir wollten aber kein Aufsehen erregen, und so sind wir gegangen.“
„Bordgeistlicher“, wiederholte der Admiral immer hoch fassungslos. „Den Hauklotz muß ich mir nachher genauer ansehen. Wie kann so was denn Bordgeistlicher sein?“
„Vielleicht drischt er ihnen das Evangelium mit den Fäusten ein“, sagte Molino. „So was soll es ja geben, und wenn die Señorita sehr fromm ist, sorgt sie eben für Ordnung an Bord, und jedermann hat ebenfalls fromm und gläubig zu sein.“
Bei dieser Theorie kroch dem Admiral ein kühler Schauer über den Rücken, und er stierte wieder zu der Frau hin. Er konnte sich nicht vorstellen, daß die Lady besonders fromm war, denn sonst hätte sie die rote Bluse ganz sicher hochgeschlossen, abgedichtet und verschalkt getragen, damit niemand einen unzüchtigen Blick riskierte.
Sie brauchten auch nicht mehr lange zu warten, denn nach einer weiteren Viertelstunde kehrten die drei Männer auf dem Serpentinenpfad wieder zurück.
Der Admiral stellte sich so, daß er nicht auffiel, denn nach seiner stutzerhaften und kostbaren Kleidung hatten sich die Neugierigen schon mehrmals umgesehen und ihn dabei auch ganz ungeniert angestarrt. Jetzt und hier aber war es besser, wenn die drei Kerle ihn nicht sahen.
Sie gingen ziemlich dicht vorbei und unterhielten sich. Luis Campos nahm ganz besonders den Bordgeistlichen aufs Korn. Wenn der wirklich ein Hochwürden war, wollte er nicht bei dem an Bord sein. Der sah tatsächlich so aus, als würde er mit dem Alten Testament alle kurz und klein schlagen, die an seinem Wort zweifelten. Schon seine Stimme dröhnte so laut wie die Posaunen von Jericho, und dann hängte er an jeden Satz immer ein „Was, wie“ dran. Ein schöner Hochwürden war das, wenn er seinen Schäfchen das Bier wegsoff.
Nach nochmals einer Stunde, in der der Admiral eisern auf seinem Beobachtungsposten blieb, kamen Maultierkarren den Pfad herunter und fuhren auf die Pier. Dann wurden Fässer, Kisten, Tonnen und Ballen abgeladen, und das alles verschwand im unersättlichen Bauch des düsteren Zweideckers.
Bis zum Abend blieb der Admiral auf der Lauer und sah sich Schiff und Leute an. Das schwarzhaarige Weib Wühlte ihn immer mehr auf und machte ihn geradezu rasend.
Vielleicht sucht sie heute abend die Kneipe auf, dachte er. Dann war der erste Schritt getan.
„Wir ziehen uns jetzt zurück“, sagte er kurz vor Einbruch der kurzen Dämmerung. „Ein Dutzend Kerle kann sich heute an Land austoben, die anderen bleiben auf den Schiffen. Die beiden Kapitäne, die zu meinem Stab gehören, haben ebenfalls wachfrei. Sagt ihnen Bescheid und verschwindet jetzt. Später treffen wir uns in der Kneipe da oben am Berg.“
Pablo und Escola verschwanden, während der Admiral mit seinem Adjutanten den Weg zur Kneipe nahm.