Читать книгу Seewölfe Paket 29 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 18

5.

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Die Gruppe der Arwenacks bestand aus Hasard, Ben Brighton, Big Old Shane, Philip junior und Dan O’Flynn. Für die Zeit ihrer Abwesenheit hatte Old O’Flynn das Kommando über den Zweimaster übernommen. Der Rest der Crew wartete auf die Rückkehr der fünf Mannen und nahm die Gelegenheit wahr, sich ein wenig im Hafen von Üsküdar umzuschauen.

Der alte O’Flynn und die Männer an Bord der Dubas behielten die Piers und den Kai unablässig im Auge. Aber von den Banditen war nichts zu sehen. Die Porceddus und ihre Kerle mochten die Dubas verfolgt haben, aber in die Stadt wagten sie sich offenbar nicht – aus triftigen Gründen.

So übersahen die Arwenacks im Büchsenlicht die drei Gestalten, die den Haydars und den fünf Mannen folgten. Aber auch Dan O’Flynn, der immer wieder über die Schulter zurückblickte, entdeckte die Verfolger nicht.

„Bist du sicher, daß wir die Kerle nicht im Nacken haben?“ fragte der Seewolf im Dahinschreiten.

„Ich kann nichts Verdächtiges erkennen“, erwiderte Dan. Er kniff die Augen etwas zusammen. Viele Menschen waren in den Gassen unterwegs, doch es handelte sich ausnahmslos um Einheimische. Von den sardischen Banditen war nichts zu sehen.

Philip junior sprach die Haydars auf die Sarden an.

Kemil Haydar schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, so dumm sind die Kerle nicht, daß sie sich freiwillig in die Falle begeben. Ihre Gesichter sind überall bekannt. Es braucht sie nur ein Soldat der Stadtgarde zu erkennen, und schon sind sie geliefert.“

Hasard und seine Männer waren beruhigt. Was der Kaufmann sagte, leuchtete ihnen ein. Sicherlich lauerte die Porceddu-Bande vor den Toren der Stadt – irgendwo im Wald – und brütete finstere Rachepläne aus.

Bald hatten die Männer das Wohnhaus der Haydars erreicht. Ein richtiger Palast im Zentrum von Üsküdar – mit Arabesken, Säulen, Marmorfußböden und vielen üppigen Verzierungen. Ben und Shane setzten ehrfürchtige Mienen auf.

„Das ist ja ein richtiges Schloß“, sagte Ben.

„Prunkvoller als Arwenack Castle“, fügte Shane hinzu.

Hasard grinste. „Die Geschäfte unserer neuen Freunde scheinen gut zu laufen.“

Kemil und Balat Haydar luden die fünf Mannen durch Gesten ein, an eins der Fenster in der Eingangshalle zu treten. Von hier aus konnte man auf den Innenhof blicken. Auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich die Stallungen. Dort waren soeben die beiden Pferde eingetroffen.

„Seht ihr“, sagte Kemil Haydar mit einem verschmitzten Lächeln. „Die Tiere sind eher eingetroffen als wir.“

„Na, die haben bestimmt Hunger“, sagte Dan.

„Lieber Kapitän Killigrew, ich möchte Sie und Ihre Männer zu einem Umtrunk einladen“, sagte Kemil Haydar. Es klang feierlich.

„Das nehmen wir gern an“, entgegnete der Seewolf.

„Ich weiß schon“, murmelte Sahne. „Es gibt Fruchtsaft und Datteln. Oder süßen Kuchen.“

Kurz darauf saßen die Männer in einem saalähnlichen Raum auf Kissen und ließen sich von den Dienern der Haydar-Familie bewirten. Milch und Säfte wurden serviert, dazu Gebäck.

Aber das kannten die Arwenacks bereits zur Genüge. Alkohol existierte im Orient offiziell überhaupt nicht. Der Koran verbot den Genuß von Wein und Schnäpsen. Nur hier und dort konnte man unter der Hand einen „ordentlichen Tropfen“ erstehen.

Kemil Haydar erkundigte sich im Verlauf der Unterhaltung, die nun begann, höflich nach der Herkunft der Arwenacks. Hasard gab ihm bereitwillig Auskunft und berichtete von den Reisen, die er mit seiner Crew unternommen hatte. Staunend hörten Vater und Sohn zu. Sie erfuhren vieles, was sie noch nicht gewußt hatten.

Anschließend erzählte Kemil Haydar seinen Gästen alles über die sardischen Banditen, was in Üsküdar über sie bekannt war. Es ging das Gerücht, daß sie in den Dodullu-Bergen in einem verwunschenen Gemäuer hausten, in der Burg des Scheitans.

Aber noch nie hatte sich jemand getraut, dort nach dem Rechten zu sehen. Es war eine Gegend, die von den Einheimischen gemieden wurde.

„Ich habe einen Berufskollegen in Beylerbey“, erklärte Kemil Haydar. „Er hat eine hübsche Tochter. Sie heißt Salome. Seit etwa zwei Wochen ist sie spurlos verschwunden. Banditen haben sie entführt.“

„Warum sucht dieser Kaufmann seine Tochter nicht?“ fragte der Seewolf.

„Er hat ein großes Aufgebot zusammengestellt“, erwiderte Kemil Haydar. „Und er hat tagelang nach ihrem Verbleib geforscht. Doch es ist ihm und seinen Männern nicht gelungen, auch nur eine Spur des armen Mädchens zu finden.“

„Warum haben sie nicht in der Burg des Scheitans nachgesehen?“ wollte Philip junior wissen.

„Keiner kennt den genauen Weg dorthin“, erwiderte der Kaufmann.

„Das kann doch nicht möglich sein“, sagte Dan O’Flynn.

„Und doch ist es so“, versetzte Haydar. „Es ist ihnen nicht gelungen, das Gemäuer zu finden.“

„Ich glaube eher, sie haben Angst, die Burg zu finden“, sagte Shane.

„Ein Vater, der seine verschwundene Tochter sucht, tut doch alles, um sie zurückzuholen“, erwiderte der Seewolf. „Ich verstehe die Zusammenhänge auch nicht ganz.“

Der Kaufmann stieß einen Seufzer aus. „Bei Allah und dem Barte des Propheten, ihr habt ja recht. Mein Freund aus Beylerbey hätte sich bis in die Höhle des Löwen gewagt. Doch seine Begleiter haben nicht mitgespielt. Sie fürchten den Fluch des Scheitans. Und allein konnte Salomes Vater nicht in die Burg eindringen.“

Hasard und seine Männer tauschten Blicke. „Wir würden es uns schon zutrauen, das Mädchen zu befreien und den Porceddus einen Denkzettel zu verpassen, den sie nicht vergessen“, sagte Hasard. „Ich werde mit meiner Crew darüber sprechen.“

„Es sind noch mehr Gefangene in der Burg“, sagte der Kaufmann.

„Und die Behörden von Üsküdar unternehmen nichts?“ fragte Ben Brighton verblüfft.

„Doch, es sind schon Soldaten in die Berge geritten“, erwiderte Kemil Haydar. „Aber auch sie haben nichts ausrichten können. Sie sind zurückgekehrt, ohne auch nur eine Fährte der Banditen zu entdecken.“

„Ein schwaches Bild“, sagte Dan. „Ich kann es verstehen, daß die Türken abergläubisch sind. Das sind die meisten Seeleute auch. Aber es muß doch einen Weg geben, die Gefangenen der Sarden zu befreien. Man kann doch nicht darauf warten, daß die Porceddus und ihre Hunde sie umbringen.“

„Wir kehren an Bord der Dubas zurück“, sagte der Seewolf. „Und dort beratschlagen wir.“ Er richtete seinen Blick auf Kemil Haydar. „Wären Sie bereit, uns Pferde zur Verfügung zu stellen, mein Freund?“

„Pferde, Waffen, Männer“, erwiderte der Kaufmann. „Alles, was Sie wollen. Und natürlich würden mein Sohn Balat und ich Sie begleiten.“

„Wir sehen uns morgen früh wieder“, sagte der Seewolf und erhob sich.

Kemil Haydar klatschte in die Hände. Ein Lakai erschien. Er trug ein rotes Kissen auf den Händen. Auf dem Kissen war ein glitzernder Gegenstand zu erkennen – eine Öllampe aus Gold.

„Dies ist mein Dankes-Geschenk für Sie und Ihre tapferen Männer, Kapitän Killigrew“, sagte der Kaufmann. „Die Lampe gehört zum privaten Schatz meiner Familie. Es ist ein sehr altes Stück. Ich weiß, daß Sie das Geschenk in Ehren halten und pflegen werden.“

Hasard hob ablehnend die Hand. „Das kann ich nicht annehmen.“

„Sie müssen es tun“, entgegnete Kemil Haydar. Um seine Mundwinkel zuckte es leicht. „Ich würde es als eine Beleidigung empfinden, wenn Sie dieses ehrlich gemeinte Geschenk zurückweisen würden.“

„Dad“, sagte Philip junior. „Du mußt es wirklich akzeptieren. Du kennst doch die Bräuche und Sitten im Orient.“

Der Seewolf atmete tief durch. Schließlich nickte er. „Also gut, Kemil, ich danke Ihnen.“

„Wir haben Ihnen zu danken.“ Vater und Sohn verneigten sich.

Hasard nahm das Geschenk entgegen. Die goldene Lampe war so blank, daß sich sein Gesicht darin spiegelte.

„Vater“, sagte Balat Haydar. „Ich möchte noch in die Moschee gehen und Allah dafür danken, daß er seine schützende Hand über uns gehalten hat.“

„Tu das, mein Sohn“, erwiderte der Kaufmann.

Balat verabschiedete sich von allen und verließ das Haus. Hasard und seine Mannen versprachen Kemil Haydar noch einmal, daß sie am nächsten Morgen wiederkommen würden. Dann traten auch sie aus dem palastähnlichen Gebäude auf die Straße.

Der Seewolf schaute Balat Haydar nach. Er konnte gerade noch sehen, wie der junge Mann in einer Gasse verschwand.

„Ganz allein?“ sagte Hasard nachdenklich. „Ist das nicht riskant?“

„Was denn?“ fragte Ben Brighton.

„Daß er keinen Begleiter mitnimmt. Zum Schutz.“

„Hier in der Stadt herrscht doch keine Gefahr für ihn“, sagte Big Old Shane.

„Trotzdem“, sagte der Seewolf. „Ich habe so ein merkwürdiges Gefühl. Besser, wir gehen ihm nach. Bis zur Moschee ist es sicher nicht sehr weit. Von dort aus können wir dann direkt zum Hafen zurückkehren.“

Die Brüder Porceddu und ihr Kumpan Brodzu hatten ihre Feinde bis zu dem Wohnhaus der Haydars verfolgt. Sie beobachteten, wie die Männer der Dubas und die Kaufleute im Inneren verschwanden. Die Banditen standen im Eingang einer Gasse. Hier konnten sie in der zunehmenden Dunkelheit nur von jemandem entdeckt werden, der direkt an ihnen vorbeiging.

Die Kerle berieten.

„Wir dringen in die Bude ein“, sagte Silvestro mit verkniffenem Gesicht. „Dort murksen wir einen nach dem anderen ab.“

„Zu gefährlich“, erwiderte sein Bruder. „Laß uns lieber warten.“

„Ah! Hast du etwa Angst?“

Dario sah Silvestro an. Fast wirkte es, als wolle er sich auf ihn stürzen. Doch Brodzu stieß plötzlich einen warnenden Laut aus. Zwei Gestalten schritten unmittelbar am Eingang der Gasse vorbei – türkische Soldaten.

Die Sarden zogen sich zurück. Zu spät. Die Soldaten, Mitglieder der Stadtgarde, hatten die Köpfe gedreht und waren auf sie aufmerksam geworden.

„Heda“, sagte der eine. „Stehenbleiben!“

Dario gab seinen beiden Begleitern einen Wink. Silvestro hatte schon sein Messer in der Hand. Doch es hatte keinen Sinn, sich mit den Soldaten anzulegen. Es konnten sich noch andere Gardisten in der Nähe befinden.

Aus Erfahrung wußte Dario, daß man im Handumdrehen ein ganzes Dutzend von ihnen auf dem Pelz haben konnte. Sie riskierten, im Kerker zu landen. Und was sie dann erwartete, ließ sich ohne Scharfsinn ausrechnen: das Schwert des Henkers.

Dario, Silvestro und Brodzu ergriffen die Flucht. Sie stürmten die Gasse entlang und bogen in einen schmalen Seitengang ein. Von hier aus eilten sie auf einen winzigen Hof. Hinter sich hörten sie das Trappeln der Soldatenstiefel.

Brodzu deutete auf eine Tür. Silvestro versuchte, sie aufzustoßen. Doch die Tür war verriegelt. Silvestro und Brodzu warfen sich mit den Schultern dagegen, da gab der Riegel nach. Sie drückten die Tür auf. Rasch schlüpften sie durch den Spalt ins Innere. Dario folgte ihnen, nachdem er noch einen prüfenden Blick über die Schulter zurückgeworfen hatte.

Offenbar waren die Soldaten in der Gasse weitergelaufen. Sie hatten nicht bemerkt, daß die drei Männer in den Gang abgebogen waren. Doch das war kein Anlaß zu großen Hoffnungen. Bald würden sie umkehren und alles absuchen. Und dann stießen sie zwangsläufig auch auf den kleinen Hof und sahen in allen Häusern nach, ob sich hier jemand versteckt hatte.

Dario, Silvestro und Brodzu standen in einem Warenlager, das mit Kleidung und Stoffen bis unter die Decke vollgestopft war. Sie atmeten tief durch und blickten sich in dem Raum um – da stand plötzlich ein kleiner Mann mit einem Fes vor ihnen und fuchtelte mit den Händen.

„Was wollt ihr hier?“ stieß das Männchen wütend hervor. „Was habt ihr hier zu suchen? Wie seid ihr überhaupt reingekommen?“

„Zu viele Fragen“, entgegnete Dario.

„Ich rufe die Garde!“

„Nein.“ Dario schüttelte den Kopf. „Das wirst du nicht tun.“

Etwas blitzte in seiner Hand auf. Das Messer. Es zuckte durch die Luft – und das Männchen brach röchelnd zusammen. Dario hatte gut gezielt und ebenso perfekt getroffen. Das Messer steckte im Hals des Mannes.

„Rasch!“ zischte Silvestro. „Weg mit dem Kerl!“

Sie verbargen die Leiche unter Stoffballen. Dario hatte sich eingehender umgeschaut und deutete auf einen Stapel Kleidung.

„Da müßte für uns was dabeisein!“ raunte er. „Schnell!“

Kurz darauf verließen drei Gestalten in langen türkischen Gewändern das Gebäude, in dem sich das Lager befand, durch die Vordertür. Keiner behelligte die Banditen. Jeder trug einen Fes. Sie mischten sich unter das Volk und fielen keinem auf – auch nicht den beiden Soldaten, die an ihnen vorbeimarschierten und sich nach allen Seiten umschauten.

Dario grinste seinem Bruder zu. „Wie haben wir das hingekriegt?“ flüsterte er.

Silvestro war jetzt besser gelaunt. Er grinste ebenfalls.

„Wie in alten Zeiten“, entgegnete er.

Nur wenige Minuten verstrichen, und sie standen wieder dem Palast der Haydar-Familie gegenüber. Dario stieß Silvestro mit dem Ellenbogen an. Ein junger Mann verließ das Gebäude – Balat Haydar.

„Na so was, wen haben wir denn da?“ raunte Brodzu.

„Das Söhnchen vertritt sich die Füße“, murmelte Dario.

„Ganz allein“, fügte Silvestro leise hinzu.

„Ist das was?“ fragte Brodzu.

Dario nickte. „Und ob. Den greifen wir uns.“

„Es wird mir ein Vergnügen sein, ihm die Kehle durchzuschneiden“, sagte Silvestro.

„Heb dir das für später auf“, erwiderte Dario mit verhaltener Stimme. „Erst nehmen wir das Bürschchen nur gefangen. Er ist die beste Geisel, die es gibt. Mit ihm als Gefangenen dringen wir bei Papa Haydar ein und verlangen die Herausgabe sämtlicher Gelder. Wenn wir die Gelder haben, räumen wir mit dem ganzen Pack auf.“

Silvestros Augen flackerten. „Du glaubst, daß das wirklich klappt?“

„Ja.“

„Dann los“, erwiderte Silvestro. „Ich bin einverstanden.“

Sie hefteten sich an Balat Haydars Fersen, ohne daß dieser etwas davon bemerkte. Allmählich holten die drei Sarden etwas auf. Der Abstand zwischen ihnen und ihrem auserkorenen Opfer schrumpfte zusammen. Doch bevor sie ihn ganz erreichten, verschwand Balat im Inneren einer großen Moschee.

Dario grinste hämisch. „Ist das nicht herrlich? Söhnchen betet zu Allah und bittet ihn darum, daß alle bösen Buben krepieren mögen. Aber ich glaube, wir stören ihn ein bißchen dabei.“

Brodzu kicherte. „Ja, irgendwie können wir das nicht zulassen. Er wird wohl nur Schlechtes über uns sagen.“

„Los“, sagte Silvestro. „In unserer Verkleidung erregen wir nicht den geringsten Verdacht. Man wird uns für echte Moslems halten.“

„Die Idee mit den Klamotten war wirklich gut“, meinte Brodzu.

Die Banditen schritten auf den Eingang der Moschee zu. Sie schauten sich noch einmal nach allen Seiten um. Aber nirgends war auch nur der Schatten eines Gardisten zu entdecken. Sie waren hier völlig ungestört. Mit gezügelter Hast betraten sie das Innere des Bethauses. Kühle schlug ihnen entgegen.

Auf dem mit Teppichen ausgelegten Boden der Moschee knieten die Betenden. Sie verneigten sich in Richtung Mekka, bis ihre Stirn den Boden berührte.

Dario, Silvestro und Brodzu hatten keine Schwierigkeiten, Balat Haydar unter den Gläubigen zu entdecken. Der junge Mann kniete etwas weiter rechts, halb hinter einer Säule versteckt.

Dario grinste seinen Bruder und Brodzu an. Sehr gut – sie würden Balat überwältigen und wegschleppen, ohne daß einer der anderen Türken es registrierte. Zu dritt hatten sie leichtes Spiel mit ihm. Ein Hieb, und er war bewußtlos.

Das Trio würde nicht einmal Geräusche verursachen. Alles sollte sich lautlos abspielen, mit der nötigen Diskretion sozusagen. Schließlich befand man sich in einem Gotteshaus.

Hasard, Ben, Shane, Dan und Philip junior folgten Balat Haydar in einiger Entfernung durch die Gassen von Üsküdar. Einmal verloren sie ihn fast aus den Augen. Aber Dan entdeckte ihn wieder. Der Seewolf wahrte weiterhin die Distanz. Er wollte auf keinen Fall, daß der Sohn des Kaufmannes darauf aufmerksam wurde, daß sie ihn beschatteten.

Dan war der erste, der auf die drei Fes-Träger aufmerksam wurde.

„Seht mal“, sagte er. „Die drei Türken da. Ich glaube, die sind auch hinter Balat her.“

„Vielleicht sind es Freunde von ihm“, sagte Ben Brighton.

„Möglich ist es“, sagte Hasard. Er beobachtete die drei Männer mit den langen Gewändern und dem Fes. Es entging ihm nicht, daß sie die Köpfe zusammensteckten und auf Balat deuteten.

Die Moschee tauchte vor den Mannen auf. Balat betrat sie – und kurz nach ihm verschluckte der Eingang auch die drei Fes-Männer.

„Das ist mir nicht ganz geheuer“, sagte der Seewolf. „Los, hinterher!“

„Dad“, sagte Philip. „Du weißt, daß es Ungläubigen untersagt ist, eine Moschee zu betreten.“

„Das ist mir bekannt“, entgegnete sein Vater. „Aber das ist mir jetzt egal. Außerdem bin ich kein Ungläubiger. Ich glaube ja an einen Gott.“

„Trotzdem sind wir für die Türken Giaurs“, sagte Dan. „Hoffentlich geht das gut.“

Sie stiegen die wenigen Treppenstufen zum Eingang der Moschee hoch. Dann betraten sie das Kirchenschiff. Hasard wurde sofort wieder auf die drei Fes-Träger aufmerksam. Sie steuerten nach rechts – dorthin, wo Balat kniete und betete.

„Achtung!“ raunte der Seewolf seinen Mannen zu.

Von links näherten sich im selben Moment zwei Moscheewächter. Sie waren ganz in Weiß gekleidet, trugen als Waffen Säbel und zeigten finstere Mienen. Allein die Anwesenheit von Giaurs versetzte sie in Zorn. Kein Ungläubiger durfte Allahs Tempel beschmutzen und gegen die Gesetze des Korans verstoßen.

Hasard schritt auf Balat zu. Hinter ihm waren Ben und Shane, dann folgte Dan. Philip junior wandte sich den Wächtern zu und sagte etwas auf türkisch. Die Aufpasser erwiderten etwas Barsches. Einer von ihnen gestikulierte heftig.

Vor Hasard drehten sich die drei Fes-Träger halb um und blickten zu den Wächtern. Dann sahen sie zu Hasard. Der Seewolf erkannte zwei der Gesichter wieder. Die Banditen! Sie waren ihnen also doch bis nach Üsküdar gefolgt.

„Die Bastarde!“ zischte Dario Porceddu seinem Bruder zu.

Brodzu hatte schon das Messer in der Hand.

„Stirb, du Hurensohn!“ stieß Brodzu aus. Er wollte sein Messer auf Hasard schleudern.

Dario und Silvestro trafen unterdessen Anstalten, sich auf Balat Haydar zu stürzen. Der junge Mann hob in diesem Augenblick den Kopf.

Hasard handelte gedankenschnell. Sein rechter Fuß zuckte hoch und traf Brodzus Unterarm. Brodzu stöhnte auf. Der Seewolf sprang auf ihn zu und rammte ihm beide Fäuste mit voller Wucht gegen die Brust. Brodzu prallte zurück.

Ben und Shane waren bei Balat. Shane schlug Dario Porceddu die Faust ans Kinn, und der Sarde flog gut zwei Yards zurück. Er stieß gegen eine Säule und sank zu Boden. Silvestro wollte Shane mit dem Messer angreifen, aber es war Ben, der ihn daran hinderte. Ein Tritt beförderte Silvestro zu Dan. Dan hieb dem Kerl blitzschnell die Handkante auf die Schulter. Silvestro stöhnte auf und sank in die Knie.

Balat war vor Entsetzen wie gelähmt. Hasard eilte zu ihm, griff ihm unter die Achseln und zog ihn einfach weg. Er entfernte ihn aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich.

Inzwischen waren auch die Wächter heran. Philip junior versuchte, ihnen den Sachverhalt auseinanderzusetzen, aber sie hörten nicht auf ihn. Für sie war die Lage klar. Giaurs waren gesetzeswidrig in die Moschee eingedrungen und brachen einen Streit vom Zaun. Ein Attentat! Sie griffen harmlose Muselmanen an. Man mußte sie festnehmen und vor den Kadi zerren – oder sie am besten gleich töten.

Die Türken, die eben noch in ihrem Gebet versunken gewesen waren, sprangen auf und schrien durcheinander. Weitere Wachen stürmten herbei. Plötzlich war der Teufel los.

Dario, Silvestro und ihr schwarzbärtiger Kumpan nutzten das Durcheinander. Sie sahen, daß es keinen Sinn mehr hatte, weiterzukämpfen. Balat Haydar war für sie ein unerreichbares Ziel geworden. Er war von den Bastarden und den Moscheehütern umringt, und es stießen immer mehr Türken hinzu.

„Weg!“ zischte Dario.

Es ging um die nackte Haut. Die drei Banditen mußten ihren Kopf retten. Nur Schnelligkeit konnte ihnen helfen. Sie waren noch benommen von den Hieben, die sie hatten einstecken müssen, aber sie konnten schon wieder laufen. Und so rappelten sie sich auf und liefen weg – durch die Moschee zum Ausgang, die Treppenstufen hinunter und ab in die nächste Gasse.

Hasard und seine Männer wollten die drei Banditen zurückhalten, aber die Wächter ließen sie nicht passieren. Schon blitzten die Säbel auf und hoben sich drohend über die Köpfe der Arwenacks.

Jetzt war es Balat Haydar, der die Initiative ergriff.

„Halt!“ rief er. „Erdreistet euch nicht, diese Männer anzugreifen! Sie haben mir soeben das Leben gerettet!“

„Sie sind Giaurs!“ brüllte einer der Wächter.

„Sie sind Freunde!“ stieß der junge Kaufmann hervor. „Sie haben meinen Vater und mich heute schon einmal vor dem Schlimmsten bewahrt! Banditen haben uns verfolgt! Die Sarden!“

„Die Sarden?“ murmelten die Türken. Entsetzt blickten sie sich nach allen Seiten um.

„Die drei, die eben weggelaufen sind, sind die Führer der Bande“, erklärte Philip junior. „Ihr könnt sie noch fassen.“

Endlich begriffen die Moscheewächter.

„Alarm!“ schrie ihr Anführer. „Banditen in der Stadt! Sarden! Faßt sie! Enthauptet sie! Riegelt alles ab!“ Er stürzte ins Freie, gefolgt von seinen Leuten.

In Nu herrschte in Üsküdar das reine Chaos. Die Nachricht, daß gefährliche Banditen in die Stadt, ja, sogar in die Moschee eingedrungen waren, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Die Bürger verbarrikadierten sich in ihren Häusern. Soldaten rannten durch die Gassen.

Und plötzlich wurde auch bekannt, daß ein Stoffhändler erstochen worden war. Sein Gehilfe hatte die Leiche entdeckt. Dort also hatten die Banditen die Kleidung geraubt, mit der sie vermummt gewesen waren.

Kemil Haydar traf mit vier Dienern bei der Moschee ein. Er atmete auf, als er seinen Sohn in Begleitung der Seewölfe vor dem Eingang erkannte.

„Allah sei gepriesen“, sagte er. „Ich habe gerade erfahren, was geschehen ist. Es war ein unverzeihlicher Fehler von mir, dich allein zur Moschee zu schicken, Balat.“

„Nein“, entgegnete der Seewolf. „Wir haben einen Fehler begangen. Wir sind nicht aufmerksam genug gewesen. Wir hätten merken müssen, daß uns die Kerle folgten.“

„Hölle und Teufel“, sagte Dan O’Flynn. „Ich muß wohl Tomaten auf den Augen gehabt haben.“

Es war dunkel geworden. Die Männer sahen zu den Soldaten und Wächtern, die von allen Seiten zusammenliefen.

„Ich hoffe, sie werden es schaffen, diese Banditen zu stellen“, sagte Kemil Haydar.

Hasard schüttelte den Kopf. „Die Sarden haben bereits einen zu großen Vorsprung. Es hat deshalb keinen Sinn, daß auch wir sie verfolgen.“

„Kehren wir lieber zur Dubas zurück“, sagte Ben drängend. „Donegal und die anderen werden sich fragen, was passiert ist.“

„Ja, geht zu euren Freunden“, sagte Kemil Haydar. „Wir erwarten euch dann morgen früh.“ Er legte seinen Arm um die Schulter seines Sohnes und zog ihn mit sich fort. „Du bist heute zweimal neu geboren, Balat. Es kann nur Allah gewesen sein, der uns diese Männer geschickt hat, sonst wären wir beide verloren gewesen.“

Hasard, Ben, Shane, Dan und Philip blickten den beiden noch nach, wie sie mit den Dienern in einer Gasse verschwanden. Dann gingen sie zum Hafen.

Old O’Flynn und die Crew hatten natürlich die Soldaten gesehen, die auch am Kai zusammenliefen. Lichter flammten auf. Der Schein von Fackeln tanzte durch die Gassen. Der Alte ließ vorsichtshalber die Waffen bereithalten, obwohl es nicht so aussah, als ob der Aufruhr ihnen galt. Aber man konnte ja nie wissen.

Endlich trafen Hasard und seine vier Mannen auf der Pier ein.

„Beim Henker!“ wetterte Old O’Flynn. „Schockschwerenot, wo seid ihr bloß gewesen und was ist geschehen?“

„Eins nach dem anderen“, erwiderte der Seewolf und enterte an Bord. „Daß uns nichts zugestoßen ist, seht ihr ja. Also beruhigt euch.“

„Wer regt sich denn auf?“ fragte Carberry. „Ich bin die Ruhe in Person. Von mir aus kann der Himmel runterfallen, auch das kann mich nicht mehr erschüttern.“

Hasard berichtete, was sich zugetragen hatte. Die Mannen fluchten und schimpften. Sie konnten nicht fassen, daß die Sarden um ein Haar den jungen Haydar gefangengenommen oder gar getötet hätten.

„Die größte Schuld habe ich“, sagte Dan. Er war ziemlich niedergeschlagen.

„Unsinn“, erwiderte der Seewolf. „Von Schuld kann nicht die Rede sein. Und Fehler können passieren. Keiner ist perfekt, merkt euch das. Ich finde, es ist sinnlos, sich darüber jetzt noch den Kopf zu zerbrechen. Die Hauptsache ist, daß wir Balat Haydar beschützt haben. Im übrigen haben wir jetzt noch einen zusätzlichen Grund und Anlaß, diesen Porceddu-Kerlen einen Denkzettel zu verpassen.“

„Ja, ganz meine Meinung“, sagte der Profos. „Aber wie erwischen wir diese Halunken?“

„Wir besuchen sie in ihrem Schlupfwinkel“, sagte Hasard. „Was haltet ihr davon?“

Die Mannen waren sofort Feuer und Flamme.

Carberry grinste wie der Leibhaftige und sagte: „Aber wenn du mich nicht mitnimmst, Sir, mustere ich auf der Stelle ab.“

Hasard ließ Mac Pellew zwei Flaschen Brandy holen. Im Schein der Bordlaterne hockten sich die Männer zusammen und beratschlagten, wie das Unternehmen am nächsten Tag ablaufen sollte.

Es würde nicht ganz leicht sein, die Burg des Scheitans zu finden und dort einzudringen. Man mußte sich entsprechend darauf vorbereiten.

Dario, Silvestro und Brodzu liefen um ihr Leben. Sie hatten die Soldaten im Nacken. Jeden Augenblick konnten jene, die hinter ihnen her waren, aufholen. Oder aus einer Seitengasse sprangen weitere Gardisten hervor. Oder es stürmten den drei Banditen sogar noch Türken entgegen. Dann waren sie geliefert.

Doch einen Verbündeten hatten die Sarden – die Dunkelheit. Im Laufen warfen sie die Tarnkleidung ab. Ihre dunklen Monturen ließen sie zu Schemen in der Finsternis werden.

„Schneller!“ zischte Dario.

„Kannst du fliegen?“ stieß sein Bruder aus.

Brodzu äußerte lieber gar nichts. Er hastete dahin. Sein Atem ging pfeifend und unregelmäßig. Er spürte Stiche in den Seiten. Er war daran gewohnt, stundenlang auf dem Rücken eines Pferdes zu reiten, nicht aber seine eigenen Beine zu benutzen. Er schwitzte. Sehr lange würde er diese Hetzerei nicht mehr durchhalten, das wußte er.

Aber jetzt hatten die Banditen den Platz erreicht, an dem sie ihre Pferde zurückgelassen hatten. Sie stolperten auf den Hof und banden die Zügel ihrer Tiere los. Fluchend schwangen sie sich in die Sättel.

Plötzlich waren Türken auf dem Hof.

„Das sind die Banditen!“ schrie einer von ihnen. „Sie werden in der Stadt gesucht!“

„Packt sie!“ brüllte ein anderer. „Laßt sie nicht entwischen!“

„Sie sind Mörder!“ kreischte irgendwo eine Frau.

Die Türken waren mit wenigen Sätzen bei den Banditen. Aber Dario, Silvestro und Brodzu hatten ihre Pistolen gezückt. Wild feuerten sie um sich. Die Schüsse krachten, die Türken heulten und fluchten.

Die Brüder Porceddu und ihr schwarzbärtiger Kumpan galoppierten vom Hof. Hinter ihnen brachen zwei der Türken getroffen zusammen.

Das Trio raste durch die Nacht. Rasch erreichten sie den ersten Hang, der sie zu den bewaldeten Hügeln hinaufführte. Dann preschten sie auf die Stelle zu, wo sie sich von ihrer Meute getrennt hatten. Dario rief das vereinbarte Losungswort. Als Antwort ertönte ein Pfiff.

„Was ist passiert?“ rief einer der wartenden Banditen. „Wir haben Schüsse gehört!“

„Großartig“, erwiderte Dario spöttisch. „Schwerhörig seid ihr also nicht.“

„Fast hätten wir uns den Haydar-Bastard geschnappt“, erklärte Silvestro. „Aber das erzählen wir euch später. Los, Beeilung jetzt! Wir haben die Stadtgarde am Hals! Wir müssen hier verschwinden, bevor uns die Hunde entdecken!“

Dario, Silvestro und Brodzu setzten sich an die Spitze der Meute. Dann tauchten die Reiter in der Nacht unter. Wenig später erschienen tatsächlich berittene Gardisten im Wald. Aber sie konnten keine Spur von den Banditen finden. Zwar suchten sie alles mit Hilfe von Fackeln ab. Doch es gab keinen einzigen Hufabdruck auf dem harten Untergrund. Die Soldaten mußten die Jagd abbrechen.

Die Sarden jagten durch die Dunkelheit. Keiner sprach ein Wort, während sie dahinpreschten. Nur Brodzu stieß einmal einen Fluch aus, als sein Pferd zu straucheln begann. Es gelang ihm aber, das Tier wieder voll in seine Gewalt zu bekommen.

Wie ein drohender Klotz ragte die Burg des Scheitans in der Dunkelheit auf. Dario rief die Parole, und die Banditen, die als Wachtposten indem Gemäuer zurückblieben waren, öffneten das Tor. Die Meute ritt auf den Hof. Dario zügelte sein Tier und glitt aus dem Sattel.

„Ihr braucht nicht so blöd zu glotzen!“ fuhr er die Wächter an. „Der Überfall ist schiefgelaufen!“

„Keine Beute“, fügte Silvestro hinzu. „Wir können noch von Glück sagen, daß wir mit heiler Haut zurückgekehrt sind.“

„Wie kann das angehen?“ fragte einer der Kerle.

Brodzu klopfte ihm mit der Rechten auf die Schulter. „Laß nur, ich erklär’s dir gleich noch. Was wir jetzt brauchen, ist was zu saufen.“

„Wo sind die Weiber?“ fragte Silvestro heiser.

„In ihren Kammern, wie üblich“, erwiderte einer der Posten.

„In einer halben Stunde will ich sie alle im großen Saal haben“, sagte Silvestro Porceddu. „Schleppt zwei Fässer Wein herbei. Der Wein soll in Strömen fließen.“

„Was feierst du?“ fragte Dario. „Unsere Niederlage?“

„Halt bloß dein großes Maul!“ sagte Silvestro gehässig.

„Wir sollten uns besser einen Plan zurechtlegen, wie wir die Haydars und die Kerle von dem Zweimaster doch noch erledigen können“, sagte Dario.

Silvestro sah seinen Bruder an, als wolle er ihm an die Gurgel springen. „Ach ja? Was denkst du wohl, was ich vorhabe? Wenn ich eine Gallone Wein im Bauch habe, fange ich mit dem Nachdenken an. Wußtest du das nicht? Wie gut kennst du mich eigentlich?“

„Wir könnten heute nacht in den Hafen von Üsküdar schleichen und den Zweimaster versenken“, sagte Dario.

„Zu früh“, entgegnete sein Bruder. „Die Türken sind heute nacht auf der Hut. Wir haben ein paar von ihnen abserviert. Glaubst du, die lassen die Stadt und den Hafen unbewacht?“

„Das bestimmt nicht“, brummte Brodzu.

„Was schlägst du vor, Silvestro?“ fragte Dario.

„Fällt dir nichts ein, du Klugscheißer?“

Dario holte tief Luft. „Hör zu, laß uns jetzt nicht streiten. Das hat keinen Sinn. Das würde den Absichten der Hurenknechte und Bastarde in Üsküdar nur entgegenkommen.“

Silvestro war wieder etwas versöhnlicher gestimmt. „Ja, schon gut. Also, wir sollten heute nacht und morgen den ganzen Tag über abwarten. Je mehr Zeit vergeht, desto besser.“

„Und die Fremden hauen mit der Dubas ab“, sagte Brodzu.

Silvestro schüttelte den Kopf. „So schnell läßt Haydar die Kerle doch nicht reisen. Er hat ihnen einiges zu verdanken. Erst haben sie ihm und seinem Sohn das Leben gerettet. Dann haben sie auch noch verhindert, daß wir dieses Bürschchen packen und entführen. Der Pfeffersack wird sie mindestens zwei, drei Tage bewirten.“

„Das leuchtet mir ein“, sagte Dario.

„Mir auch“, murmelte Brodzu.

„Ja, so wird’s sein“, sagte ein anderer Bandit.

„Und wir kehren nach Üsküdar zurück, wenn keiner mehr mit unserem Besuch rechnet“, sagte Silvestro Porceddu. „Die Türken und diese Seefahrer sollen denken, daß sie uns endgültig verjagt haben. Wenn sie sich richtig sicher fühlen, schlagen wir wieder zu. Dann sind sie nicht mehr so wachsam. Wir werden den Zweimaster versenken und allen die Gurgel durchschneiden. Wir stecken das Haydar-Haus in Brand – aber erst, nachdem wir uns das ganze Geld geholt haben.“

„Eine gute Idee“, sagte Brodzu.

„Ja, hört sich nicht schlecht an“, pflichtete Dario ihm bei. „Wir müssen nur die Geduld aufbringen, solange zu warten.“

Silvestro grinste. „Das dürfte uns nicht schwerfallen. Wir haben hier ja unseren Zeitvertreib.“

Die Wachtposten hatten sich von den anderen Banditen erzählen lassen, was sich am Bosporus und in Üsküdar zugetragen hatte. Einer von ihnen trat jetzt auf die Brüder Porceddu zu.

„Was sind das für Fremde?“ fragte er. „Woher kommen diese Kerle, die euch angegriffen haben?“

„Keine Ahnung“, erwiderte Dario. Er hob die Schultern und ließ sie wieder sinken.

„Ich bin doch kein Hellseher“, sagte Silvestro unwirsch. „Türken sind sie auf keinen Fall. Sie sind Giaurs, also Europäer wie wir.“

„Griechen? Italiener?“ wollte der Kerl wissen.

„Eine bunt zusammengewürfelte Horde“, erklärte Brodzu. „Wenn ich mich nicht täusche, haben sie sogar einen Nigger dabei, so einen schwarzen Hund. Ja, und einen Papagei und einen Affen habe ich auch an Bord des verfluchten Kahns gesehen.“

„Sie haben also Wunderwaffen?“ fragte ein anderer Wächter der Burg.

„Wunderwaffen gibt’s nicht“, entgegnete Silvestro barsch. „Schreib dir das hinter die Löffel.“

„Aber – was ist mit den explodierenden Flaschen?“ fragte ein Kerl, der unmittelbar neben Brodzu stand.

Brodzu stieß einen grunzenden Laut aus. „Ich sehe das so. Die Hunde füllen die Flaschen mit Pulver und Blei ab, stecken eine Lunte rein und zünden sie an. Dann schmeißen sie die Flaschen zu ihrem Gegner rüber.“

„Genial“, sagte ein Bandit. „Warum machen wir das nicht auch?“

„Du Idiot, ich kopiere nichts von einem Todfeind“, antwortete Dario. „Jeder hat seine eigene Kampfmethode. Diese Burschen haben unsere Methode nur noch nicht richtig kennengelernt.“

„Also schön“, sagte Silvestro Porceddu. „Ich gehe jetzt erst mal nach oben. Wir treffen uns dann im Saal.“

Er stapfte davon. Dario, Brodzu und die anderen blickten ihm nach. Sie verspürten jetzt ebenfalls Durst. Ja, der Wein würde sie aufmuntern und die Müdigkeit aus ihren Knochen vertreiben. Hunger hatten sie auch – nicht nur auf Brot, Wurst und Käse, sondern auch auf die Frauen.

Dario Porceddu dachte wieder an Salome. Du gehörst mir, dachte er, und du wirst meine ergebene Sklavin sein. Sonst geht es dir schlecht.

Seewölfe Paket 29

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