Читать книгу Seewölfe Paket 29 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 9

5.

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Old Donegal bekam immer mehr Auftrieb. Daß „der Dünger“ was im Schilde führte, hatte er ja vorausgesagt. Und außerdem hatte er die schwarze Katze gesehen. Zwar gab’s hier kein Silberbergwerk, aber Old Donegal war inzwischen schon wieder vom Gegenteil überzeugt. Aber er hütete sich, das laut zu verkünden.

Statt dessen hatte er insofern Oberwasser, als nunmehr auch sein Sohn Dan und Matt Davies nicht an Bord zurückkehrten, von den fünf anderen ganz zu schweigen.

„Hm-hm“, brabbelte er vor sich hin, „ich soll zwar nicht mehr ganz richtig im Kopf sein, und was ich sage, wird als dummes Geschwätz bezeichnet, aber ich sehe klar: das Unheil reitet auf einem schwarzen Rappen!“

„Rappen sind immer schwarz“, erklärte Gary Andrews, „es gibt keine weißen Rappen und auch keine schwarzen Schimmel, weil die weiß sind. Und ’ne schwarze Katze mit einem Rappen zu verwechseln, das kann nur einer, dessen Augen auf mindestens zehnfache Vergrößerung eingestellt sind.“

„Klugscheißer!“

„Lieber klug scheißen als eine Maus zum Tiger vergrößern“, entgegnete Gary Andrews gleichmütig.

„Kolossal witzig.“

„Oh, danke, das ist meine Art.“ Old Donegals Sticheleien prallten an Gary Andrews ab. Im übrigen zählte er zu jenen Arwenacks, die völlig immun gegen Old Donegals Prophezeiungen waren.

„Kannst du mir mal sagen, wo unsere Leute abgeblieben sind?“ fragte Old Donegal lauernd.

„Ja – an Land“, erwiderte Gary freundlich.

Old Donegal stieß einen Schnauflaut aus. „Und warum sind sie noch nicht zurück?“

„Sie werden ihre Gründe haben. Oder weißt du es mal wieder besser?“

„Sie sind in Gefahr“, sagte Old Donegal und blickte zum Land, wo sich nichts verändert hatte. Alles war beschaulich und friedlich.

Gary Andrews seufzte. „Hast du dafür einen Beweis?“

„Ich habe einen sechsten Sinn“, erklärte Old Donegal.

„Der genügt mir leider nicht. Aber du kannst ihn ja mal fragen, ob er Genaueres weiß. Sollte das der Fall sein, empfehle ich dir, alles unserem Kapitän zu melden, damit wir gegen die Gefahr etwas unternehmen können.“

„Der glaubt mir nicht.“

Gary nickte. „Ja, so ist das, Old Donegal. Ich glaube dir nämlich auch nicht.“

Carberry schob sich näher – er hatte was aufgeschnappt.

„Was glaubst du ihm nicht?“ fragte er.

Gary zuckte mit den Schultern. „Old Donegal behauptete, unsere Leute an Land seien in Gefahr. Ich fragte nach Beweisen, und da erklärte er, sein sechster Sinn sage ihm das. Na ja, ein sechster Sinn – was immer das auch sein mag – ist für mich kein Beweis.“

Old Donegal hob den rechten Zeigefinger und dozierte: „Ein sechster Sinn empfängt Wahrnehmungen aus der unsichtbaren Welt, die gewöhnlichen Sterblichen mit fünf Sinnen auf ewig verschlossen bleibt!“

„Ei der Daus!“ sagte der Profos. „Erzähl mal mehr aus der unsichtbaren Welt. Reiten da nackichte Hexen auf Besenstielen herum?“

„So ist es“, sagte Old Donegal dumpf, „vor allem gilt das für die Walpurgisnacht. Da reiten sie nicht nur auf Besenstielen, sondern auch auf Ziegen und Böcken zum Blocksberg, wo sie sich mit dem Teufel auf unzüchtige Handlungen einlassen!“

„Erklär das mal näher“, verlangte Carberry wißbegierig.

Old Donegal warf einen Blick nach achtern – und blieb stumm.

Dort stand nämlich Philip Hasard Killigrew, breitbeinig und die Fäuste in die Hüften gestützt. In seinen Augen schimmerte Gletschereis. Old Donegal zog den Kopf ein, drehte sich nach links und marschierte mit pochendem Holzbein zum Vorschiff.

„Wenn’s spannend werden soll, haut er ab“, grollte Carberry hinter ihm her.

Gary stieß ihn an und flüsterte: „Der Kapitän hat mitgehört!“

„Ach du Scheiße“, murmelte Carberry.

„Sollte da eben jemand etwas von Hexen auf Besenstielen und so weiter geschwafelt haben“, rief Hasard, „dann bitte ich das zu vergessen! Es handelt sich wieder mal um die Weisheiten eines Narren, der geistig nicht in der Lage ist, eine Katze von einem Rappen zu unterscheiden. Wenn der Kutscher hier wäre, würde er das vermutlich mit Altersschwachsinn bezeichnen. Aber der Kutscher ist überfällig und mit ihm sechs weitere Arwenacks. Das muß nicht unbedingt Gefahr signalisieren, aber ich möchte das auch nicht bagatellisieren. Ich schlage vor, daß wir noch einen Trupp an Land schicken, um ihn erkunden zu lassen, wo unsere Leute abgeblieben sind. Hat jemand einen anderen Vorschlag?“

Don Juan de Alcazar hob die Hand. „Nur den, daß ich den Trupp übernehme.“

„In Ordnung, Juan“, sagte Hasard. „Wer soll dich begleiten?“

„Der Profos, Ferris und Smoky.“

„Einverstanden. Ihr auch?“ Hasard blickte zu den drei Mannen.

Sie nickten und zeigten klar.

Don Juan sagte nachdenklich: „Unsere sieben Mann waren unbewaffnet. Vielleicht sollten wir das nicht tun.“

Hasard überlegte und schüttelte den Kopf. „Bisher habe ich hier keine ablehnende oder gar feindliche Haltung uns gegenüber erkennen können. Wir haben uns als Engländer vorgestellt und unsere Absicht erklärt, Proviant einzukaufen. Wenn ihr jetzt bewaffnet an Land geht, kann ein anderer Eindruck entstehen, verstehst du?“

„Das schon“, erwiderte Don Juan, „nur ist es eben doch merkwürdig, daß die sieben Mann noch nicht zurückgekehrt sind. Es geht auf den Abend zu. Aber gut, zeigen wir also weiterhin unsere friedlichen Absichten. Mir ist es recht.“ Er blickte zu Carberry, Ferris Tucker und Smoky. „Und ihr? Wollt ihr Waffen mitnehmen?“

Carberry grinste und streichelte mit der Linken seine rechte Pranke. „Ich hab’ meinen Hammer dabei, der genügt mir. Pistolen kann ich nicht leiden, die knallen immer so laut, und dann laß ich sie vor lauter Schreck fallen.“

Ferris Tucker, der rothaarige Riese, erklärte, das ginge ihm genauso wie seinem lieben Freund Ed. Und Smoky verkündete gar, er kriege bei dem Geballere von Pistolen immer Kopf sausen und sei danach noch drei Stunden schwerhörig.

Carberry bestätigte das, erhöhte Smokys Schwerhörigkeit jedoch auf sechs Stunden, die ihm ein wahres Kreuz seien, weil er in dieser Zeit seinem lieben Freund Smoky alles ins Ohr brüllen müsse, und doch verstehe er dann davon nur die Hälfte oder gar nichts.

„Und nach den sechs Stunden bin ich immer ganz heiser“, versicherte der Profos, „so heiser, daß ich was trinken muß, um meine Stimme wieder zu ölen.“

„Vornehmlich mit Milch und Honig, nicht wahr?“ sagte Hasard.

„So ist es, Sir“, erwiderte der Profos mit biederer Miene.

Das war alles mal wieder mehr Dichtung als Wahrheit – vor allem, was die Handhabung von Pistolen betraf, mit denen sie jedes Duell als Sieger bestehen würden. Und daß die Dinger knallten, hatte sie noch nie gekratzt. Nur wollten sie – etwas großspurig – kundtun, daß sie Manns genug seien, die Hölle auch ohne Wasser und Feuerpatsche anzugreifen.

Als sie von Bord gehen wollten, tauchte Old Donegal wieder mittschiffs auf und teilte ganz allgemein mit, daß er nachgedacht habe. Und er rate ihnen in aller Dringlichkeit, Waffen mitzunehmen.

„Wir möchten die Leute von Burgas nicht provozieren, Donegal“, sagte Don Juan.

Der Alte kniff die Augen zusammen und entgegnete: „Dann denke mal darüber nach, was passierte, bevor wir hier einliefen. Hatten wir die Fischer da draußen im Golf etwa provoziert? Doch wohl nicht, wenn ich das richtig sehe. Aber was taten die Kerle? Sie nannten uns stinkende Ratten und Abschaum der Menschheit und wünschten uns die Pest an den Hals. Und einer hätte dem Profos beinahe ein Loch in den Kopf geschossen. Stimmt das, oder stimmt das nicht?“

„Stimmt“, sagte Don Juan. „Und ich schätze, diese Fischer hielten uns für Piraten oder Schnapphähne.“

„Sehr gut!“ lobte Old Donegal. „Und was ist, wenn uns die Leute von Burgas für das gleiche halten, he?“

„Tun sie aber nicht“, sagte Don Juan, „denn Hasard hat dem Hafenkommandanten erklärt, wer wir seien. Es war eine insgesamt freundliche Unterhaltung ohne jeden Mißklang, und der Hafenkommandant empfahl uns sogar den Kaufmann Kymet und schickte uns den kleinen Achmed als Führer.“

„Und wo sind, bitte sehr, unsere Leute?“ fauchte Old Donegal.

Don Juan lächelte. „Um eben das zu ergründen, gehen wir jetzt an Land, Donegal.“

„Ja, unbewaffnet, ihr Idioten!“

„Donegalchen“, säuselte der Profos, „brauchst du ein bißchen Klopferchen auf dein Popöchen?“

„Beklopf dein Affenärschchen doch selbst, du Dummbärtchen!“ polterte Old Donegal. „Am besten mit deinem Hämmerchen!“ Wütend ruckte Old Donegal herum und marschierte wieder zum Vorschiff.

„Jetzt ist er in Braßchen“, sagte Carberry ein bißchen verdattert – dies jedoch hauptsächlich deswegen, weil Old Donegal den Profos-Hammer arg verniedlicht hatte. Dagegen waren „Affenärschchen“ und „Dummbärtchen“ wirklich harmlose Koseworte.

Na, da würde er dem alten Zausel später wohl mal den beachtlichen Unterschied zwischen Hammer und „Hämmerchen“ verklaren müssen.

Daß dieser jedoch mit seiner Einschätzung der Situation – was das Verhalten der Fischer im Golf von Burgas betraf – genau ins Schwarze getroffen hatte, das wurde keinem der Arwenacks klar. Ihnen ging nicht auf, daß man sie für Igor Samoilows Halsabschneider halten mußte, denn sie segelten auf deren Dubas, die an diesen Küsten „bekannt wie ein bunter Hund“ war.

Selim Güngör, der türkische Hafenkommandant von Burgas, war kein ausgesprochen kriegerischer, aber ein sehr listiger Mann. Er hatte sich mit eher weichen Knien und unter Milizbewachung auf den Steg begeben, um irgendwie zu erreichen, daß die russischen Schlagetots nicht über Burgas herfielen.

Zwar hatte ihn deren Freundlichkeit überrascht und wie wüste Strolche hatten sie auch nicht ausgesehen, aber das war Tarnung gewesen. Genauso hatte er ihnen nicht abgenommen, daß sie Proviant einkaufen wollten. Nein, das war ein Trick: sie wollten erfahren, wo es etwas zu erbeuten gab. Natürlich bei einem Kaufmann, wo denn sonst! Da schlug man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, denn außer den Sachwerten pflegte ein Kaufmann auch über Barmittel zu verfügen.

Und so hatte der listige Güngör blitzschnell die Idee gefaßt, den Spieß umzudrehen – nämlich die Gelegenheit beim Schopf zu packen, wenn die Kerle beim Kaufmann Kymet sondierten. Dort würde man sie geschickt überrumpeln und festsetzen, je mehr, desto besser, denn je weniger sich auf der Dubas befanden, desto eher würden sie zur Kapitulation bereit sein. Notfalls konnte man die bereits gefangenen Kerle als Geiseln benutzen, um Samoilow zur Übergabe zu zwingen.

Mehmet Kymet war sofort einverstanden gewesen, die Hauptrolle in diesem Coup zu übernehmen. Er hatte auch allen Grund dazu, denn er sollte ja ausgeplündert werden. Und er war schon ausgeplündert worden – von der Bande des Igor Samoilow! Darum hatte er seinen Küstenhandel einstellen müssen. Die Kerle hatten nämlich seine Handelssegler überfallen und ausgeraubt bis auf den letzten Nagel.

Nach diesen Überfällen waren die Kapitäne und Mannschaften nicht mehr bereit gewesen, für Kymet Handelsfahrten nach Norden durchzuführen. Das Risiko war zu hoch geworden. Kymet hatte sich zähneknirschend auf den viel teueren Landtransport umstellen müssen.

Daß er jetzt selbst Gelegenheit erhielt, diese Räuberhorde ein für allemal auszuschalten, war ihm Bedürfnis und Genugtuung zugleich. Endlich konnte er es den Kerlen heimzahlen und sie dem Henker überliefern.

Tatsächlich kannte er den Russen Samoilow nicht persönlich, sondern nur aus den Beschreibungen jener, die das seltene Glück gehabt hatten, den Überfall dieser gewalttätigen Horde zu überleben. Daß Dan O’Flynn den russischen Piratenhäuptling ziemlich genau beschrieben hatte, war ein Fehler gewesen, aber das hatte Dan nicht ahnen können. Gerade wegen dieser Beschreibung stand für Kymet unverrückbar fest, daß die Gefangenen zu Samoilowbande gehörten.

Bisher war alles bestens nach Plan gelaufen. Bereits sieben Kerle waren kampflos vereinnahmt worden. Und nun befanden sich vier weitere im Anmarsch, wie die heimlichen Späher gemeldet hatten …

Don Juan ging nach dem gleichen Schema vor wie Dan O’Flynn. Er fragte nach dem Kaufmann Kymet, und man erklärte ihm gestenreich den Weg zum Hof des Kaufmanns. So argwöhnisch die vier Arwenacks auch waren, sie konnten nichts Verdächtiges entdecken. Teilweise stießen sie auf scheue oder gar ängstliche Blicke, aber sie waren ja schließlich Fremde, und das noch dazu in einem Land, das ein bißchen hinter dem Mond zu liegen schien.

Nein, diese Blicke waren nichts Außergewöhnliches. In Spanien oder in England würden die Leute genauso schauen, wenn dort Chinesen durch die Gassen schlenderten.

„Alles ziemlich friedlich“, meinte Ferris Tucker, der neben Don Juan ging. Carberry und Smoky hielten sich seitlich hinter ihnen.

„Hm“, äußerte sich Don Juan, „aber trotzdem wachsam bleiben.“

„Das sowieso“, sagte Ferris, „man kann ja nie wissen.“ Er blickte zu einem Hauseingang, in dem zwei Frauen standen und sich unterhielten.

Als die beiden Frauen die vier Männer entdeckten, stürzten sie fluchtartig ins Haus und schlugen die Tür zu.

Ferris drehte sich zu Carberry um, der am Grinsen war.

„Hast du die Ladys erschreckt, Ed?“ fragte er.

„Erschreckt nicht, aber angelächelt“, sagte Carberry.

„Ach so, das erklärt natürlich alles.“

„Wieso?“

„Wenn ich eine Lady wäre, würde ich vor deinem Anlächeln auch die Flucht ergreifen“, sagte Ferris Tucker.

„Witzbold“, brummte der Profos. „Die sind nicht vor meinem charmanten Lächeln davongelaufen, sondern vor deinen roten Haaren. Die haben gedacht, ’ne Riesenrübe auf zwei Latschen zu sehen!“

„Ha-ha“, sagte Ferris Tucker.

Damit war der Dialog beendet, denn sie erreichten den Hof, blieben jedoch vor der Toreinfahrt stehen und schauten sich erst einmal um. Es gab nichts zu sehen, was sie hätte beunruhigen können. Außerhalb der Hofmauer waren ein paar Maultiere an Querbalken angebunden und dösten vor sich hin. Ein Mann war damit beschäftigt, sie einzeln zu tränken. Das Wasser holte er in Eimern aus einem Brunnen im Hof.

Carberry fand das unpraktisch und sagte: „Das hätte er im Hof am Brunnen leichter.“

„Klar“, sagte Ferris Tucker beziehungsreich, „der beste Platz ist immer der, wo man mit dem Schnorchel direkt unterm Zapfhahn hängt, nicht wahr, mein lieber Ed?“

„Dem stimme ich ausnahmsweise zu, mein lieber Ferris“, sagte Carberry.

Sie schlenderten in den Hof und blickten sich wieder um. An der Innenmauer standen leere Kisten zwischen Olivenbäumen. Auch Fässer waren dort gestapelt. Unter den Arkaden der Gebäude waren zwar längliche Tische aufgestellt, aber die Waren darauf wurden jetzt abgeräumt. Da und dort hängte man Lampen in eiserne Halterungen, denn die Dämmerung setzte ein.

„Hier ist Feierabend“, sagte Carberry, „aber weit und breit kein Kutscher, kein Mac, kein Stenmark und so weiter und so weiter. Schon verdammt merkwürdig.“

Don Juan nickte und hielt den Mann mit den Wassereimern an, der gerade wieder zum Brunnen ging.

„Kymet?“ fragte er.

Der Mann setzte die Eimer ab, zog seine Plunderhosen hoch, bohrte dann in seinem rechten Ohr, schaute sich tiefsinnig an, was er herausgeholt hatte – es klebte am Fingernagel des rechten Zeigefingers –, wischte den Nagel an der Hose ab und redete drauflos. Der Duft von Knoblauch umwehte die vier Mannen. Sie wichen schon zurück, um ihre Nasen zu schonen, da winkte ihnen der Ohrpuler zu, ihm zu folgen.

Sie gingen zu den Arkaden.

Unterwegs raunte Carberry seinem „lieben“ Ferris zu: „Ein vornehmer Mensch. Und er duftet so gut, was, wie?“

Ferris Tucker grinste nur. Es war die alte Leier. Wenn sie selbst Knoblauch futterten – und der Kutscher hatte daran nie gespart –, dann duftete der eine wie der andere und niemanden störte das. Enthielt man sich jedoch des Knoblauchs, dann rümpfte man die Nase, wenn man es bei anderen roch.

Bei dem Ohrpuler war der Duft so intensiv, daß sie ihm mit geschlossenen Augen hätten folgen können – immer der Nase nach.

Sie gelangten zu den Arkaden, und der Ohrpuler führte sie zu einem dicklichen, knubbelnäsigen Menschen, der unter den Arkaden zwei Karren beladen ließ, den einen mit Fässern, den anderen mit Säcken und Kisten, in denen sich Lebensmittel befanden. Mit einem Federkiel hakte er auf einer Liste ab, was auf die Karren geladen wurde.

Er schaute auf, als sich die vier Männer näherten.

„Ah, die Señores von der englischen Dubas!“ rief er in der spanischen Sprache. „Sie sind sicher schon ungeduldig, aber wir laden hier bereits auf, was Ihr Küchenmeister eingekauft hat. Ihre Leute sind noch unten in den Gewölben, wo wir die Lebensmittel aufbewahren.“ Er legte die Hand aufs Herz und verbeugte sich. „Ich bin Mehmed Kymet, Ihr ergebenster Diener.“

Don Juan stellte sich und seine drei Begleiter vor.

Der Dicke starrte ihn erstaunt an. „Sie sind Spanier, Señor?“

Don Juan nickte gleichmütig. „So ist es. Ich sehe, Sie sind verwundert. Darf ich fragen, warum?“

„Ich dachte, Sie seien alle Engländer.“

Don Juan schüttelte den Kopf. „Alle nicht, aber die meisten. Wir haben einen Schwarzen aus Gambia an Bord, ferner einen Iren, einen Schweden, zwei Dänen und zwei Holländer. Das ist nichts Ungewöhnliches. Oder finden Sie das?“

„Nein, nein!“ beteuerte der Dicke. „Ich hörte von Ihren Freunden, Sie seien den Tigris hinaufgesegelt?“

„Ja, bis Assur“, erwiderte Don Juan. „Von da ab mußten wir treideln, weil die Strömung zu stark wurde …“

Sie zuckten alle etwas zusammen, denn da schwirrte was heran und senkte sich im Dämmerlicht: Sir John landete auf der Schulter Edwin Carberrys, ruckte mit dem Kopf und plärrte ihm ein langgezogenes „Süüüßer!“ ins Ohr. „Gib Küüßchen!“

Der Dicke kriegte Glotzaugen.

„Das ist Sir John“, erklärte Don Juan lächelnd, „er ist insbesondere mit Señor Carberry befreundet.“

„Äh – hat der Papagei eben englisch gesprochen?“

„Ja, er sagte: Süßer – gib Küßchen!“ erwiderte Don Juan.

Der Dicke kicherte gequält und schien verwirrt zu sein.

Sir John plierte ihn an und sagte akzentuiert: „Leck mich am Arsch!“

Carberry hatte das oder Ähnliches erwartet und übersetzte sofort mit todernstem Gesicht: „Er sagt: Archibald, komm bitte jetzt ins Bett!“

Don Juan, Ferris Tucker und Smoky hatten beträchtliche Mühe, nicht herauszuplatzen. Don Juan räusperte sich und sagte: „Ich möchte nicht drängen, Señor Kymet, aber könnten Sie uns zu unseren Kameraden führen? An Bord warten unsere Leute auf die Proviantübernahme. Außerdem wird es dunkel.“

„Natürlich“, erwiderte der Dicke hastig, „entschuldigen Sie bitte. Ich bin noch ganz überrascht über den klugen Papagei. Wenn ich Sie bitten darf, mir zu folgen. Sicher werden die Señores und Ihr Küchenmeister inzwischen alles gefunden haben, was Sie an Bord brauchen.“

„Wenn der Kutscher keinen Mais für Sir Jöhnchen eingekauft hat“, brummte Carberry, „dann hat’s gescheppert.“

„Halleluja!“ tönte Sir John.

„Recht so, mein Kleiner“, lobte Carberry, „sei schön artig, auch wenn der Dicke nicht versteht, was du sagst.“

Sir John enthielt sich eines Kommentars. Er ließ nur ein Kollern hören, was, wie Carberry wußte, Zufriedenheit bedeutete.

Keiner der vier Mannen hatte den geringsten Verdacht geschöpft, und sie wurden auch nicht mißtrauisch, als sie von Mehmed Kymet im Weingewölbe zu einer Kostprobe eingeladen wurden. Das sei eine feste Sitte seines Hauses, sagte er, denn jeder Kunde sei auch gleichzeitig Gast, der sich wohlfühlen solle.

Klar, dachte Don Juan belustigt, mit Speck fängt man Mäuse. Hier wird der Kunde mit Wein geködert. Denn wenn er den getrunken hat, kann er sich schlecht drum herumdrücken, nichts einzukaufen. Der Dicke war ein Schlitzohr, aber durchaus sympathisch.

So genossen sie den Wein und den Anblick der schönen Zlatina, aber wie der Kutscher auf den guten Mac aufgepaßt hatte, so wurde jetzt Smoky von Carberry ins Gebet genommen – natürlich mit dem Hinweis auf dessen Ehefrau Gunnhild.

„Mann, ich hab’ doch gar nichts getan“, empörte sich Smoky.

„Doch, du kriechst mit deinen Augen bis unter ihre Bluse, und das gehört sich nicht“, tadelte der Profos. „Das ist schon so gut wie Ehebruch.“

„Du hast ja selbst Stielaugen“, verteidigte sich Smoky.

„Die stehen mir als Junggeselle auch zu“, erklärte der Profos von oben herab, „schließlich bin ich noch auf der Suche nach einer Lady, die mir geeignet erscheint, die Sippe der Carberrys nicht aussterben zu lassen.“

„Die arme Lady“, sagte jetzt Ferris Tucker.

„Wieso?“ erkundigte sich Carberry.

„Na ja“, sagte Ferris Tucker, „offenbar suchst du eine Zuchtstute, aber keine Frau fürs Leben.“

Da war der Profos nun doch betroffen. „So habe ich das doch nicht gemeint, Ferris.“

„Aber gesagt“, knurrte Ferris erbost, „als wenn Frauen immer nur dazu da wären, Kinder für ihre Kerle in die Welt zu setzen! Und diese Kerle protzen dann mit ihrer Manneskraft. Aber um die Kinder kümmern sie sich einen Dreck …“

Da wurde Smoky fuchtig. „Meinst du mich etwa?“

Don Juan hob die Hand und sagte: „Herrschaften, seid so freundlich und setzt das Thema an Bord fort. Wir sind nicht hier, um Eheprobleme zu besprechen, nicht wahr? Trinkt aus und bedankt euch bei der Lady für den Ausschank.“

Da wandten sie sich wieder der schönen Zlatina zu – und wunderten sich, warum sie so blaß wurde und nicht wußte, wo sie hinschauen sollte.

Don Juan wirbelte herum und griff automatisch zur Hüfte, wo sonst der Degen hing. Aber der war an Bord geblieben, und er hätte mit dem Degen auch nichts ausrichten können. Er fluchte nicht schlecht, der große Spanier mit den grauen Augen im scharfgeschnittenen Gesicht.

Auch Carberry, Ferris Tucker und Smoky waren herumgefahren – Carberry so heftig, daß Sir John von seiner Schulter flog, kreischend herumflatterte, dann jedoch durch die Tür nach draußen sauste, haarscharf am Kopf des Hafenkommandanten vorbei, der fast einen Herzschlag bekam. Für einen kurzen Moment hatte er gedacht, dieser rabiate Vogel wolle ihm die Augen aushacken.

Das war ein Augenblick der Verwirrung, den Carberry erkannte und nutzen wollte. Er war schon im Ansprung, um zur Tür durchzubrechen und den Hafenkommandanten über den Haufen zu rennen, da wurde er mit einem Pistolenschuß gestoppt. Die Kugel klatschte vor seinen Stiefeln auf die Steinfliesen, prallte dort ab und fuhr zwischen seinen Beinen hindurch in eins der Weinfässer.

Den Schuß hatte einer der Milizsoldaten abgefeuert, der direkt an der Tür Stellung bezogen hatte. Die anderen standen wie bei der Überrumpelung von Dan O’Flynn und Matt Davies längs der Innenwand des Gewölbes, die Pistolen auf die vier Mann gerichtet.

Smoky reagierte sonderbar und kümmerte sich nicht die Bohne um die auf sie angeschlagenen Pistolen.

Er hatte einen Eimer entdeckt, ihn sich geschnappt und war zu dem Weinfaß gesprungen. Aus dem Schußloch sprudelte, nämlich Rotwein. Und den ließ er nun in den Eimer fließen. Der war schnell voll. Da schob Smoky seinen rechten Daumen in das Schußloch.

Seewölfe Paket 29

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