Читать книгу Seewölfe Paket 29 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 20

7.

Оглавление

Der Seewolf zügelte den Falben. Er lenkte das Tier dicht hinter Plymmie und sah sich den Fremden genauer an. Der entpuppte sich als hagerer Mensch, um die fünfzig Jahre alt, mit einem zottigen Bart und ganz in Lumpen gekleidet. Er zitterte. In seinen Augen flackerte Angst – nackte Angst.

„Plymmie“, sagte Hasard.

Jetzt trafen auch die Zwillinge ein. Sie saßen ab und hielten die Hündin fest. Philip junior sprach den Fremden auf türkisch an. Er erklärte ihm, daß er keine Angst zu haben brauchte.

Der Fremde stieß nur unverständliche, gutturale Laute aus. Allem Anschein nach verstand er kein Wort.

Nun waren auch die anderen Mannen zur Stelle. Don Juan brachte sein Pferd neben Hasards Falben.

„Versteht der Mann die türkische Sprache nicht?“ fragte er.

„Offenbar nicht“, entgegnete Philip junior.

„Das ist merkwürdig“, sagte Carberry.

„Vielleicht spricht er Dialekt“, meinte Shane.

Philip junior versuchte noch einmal sein Glück. Wieder ohne Erfolg. Der Fremde rollte mit den Augen, stotterte und lallte.

„Der kann gar nicht richtig sprechen“, sagte der Profos. „Das ist ein Waldschrat.“

„Oder der Hexer von Dodullu“, fügte Ferris Tucker grinsend hinzu.

„Der Mann ist taubstumm“, sagte der Seewolf. Er trat dicht vor den Fremden hin und lächelte ihm aufmunternd zu. Der Mann nickte hastig und steckte das Messer weg. Hasard deutete mit dem Zeigefinger erst auf seinen Mund, dann auf das rechte Ohr.

„Nichts?“ fragte er.

Der Fremde stieß einen grunzenden Laut aus, der wie eine Bestätigung klang.

„Armer Teufel“, sagte Philip junior. „Aber wir können uns durch Zeichensprache mit ihm verständigen.“

Der Seewolf probierte es. Durch Gesten und Gebärden gab er dem Fremden zu verstehen, daß er von ihm wissen wollte, wer er sei. Der Fremde fuchtelte mit den Händen vor Hasards Gesicht und stieß wieder die gutturalen Laute aus.

„Er ist ein Waldläufer, Dad“, sagte Hasard junior. „Soviel habe ich begriffen.“

„Ja“, sagte sein Vater. „Also ein Jäger und Fallensteller, der im Freien lebt.“ Wieder gestikulierte er.

Tatsächlich gelang es dem Seewolf, sich sozusagen „mit Händen und Füßen“ mit dem Fremden zu unterhalten. Der Mann lebte allein in einer Höhle. Er mied die Nähe von anderen Menschen und wagte sich weder nach Dodullu noch zur Burg des Scheitans.

Wo das Dorf war, konnte er beschreiben. Seine Erklärungen deckten sich mit den Schilderungen von Kemil Haydar. Wo die Arwenacks allerdings die Burg zu suchen hatten, konnte er nicht ausdrücken.

Ja, die sardischen Banditen hatte der Waldläufer hin und wieder schon mal gesehen. Er hatte Angst vor ihnen. Er versteckte sich. Nie war es ihnen gelungen, ihn aufzustöbern – auch ihren Hunden nicht.

„Aha, sie haben also Hunde“, sagte Don Juan. „Es ist gut, das zu wissen.“

Nur Plymmie mit ihrer ausgezeichneten Nase war auf den Waldläufer gestoßen. Er hatte versucht, Reißaus zu nehmen, aber sie hatte ihn gestellt. In seiner Angst hatte er das Messer gezückt. Doch er gab zu, daß er es mit der Hündin nicht hätte aufnehmen können.

Mit viel grotesken Gebärden schilderte der Waldläufer den Arwenacks, daß er am Vortag eine haarsträubende Szene beobachtet hatte. Die Banditen hatten mit Pferden und Hunden ein Mädchen verfolgt. Ein hübsches Mädchen.

Sie war auf einen Baum geklettert, aber das hatte ihr nichts genutzt. Sie war hinuntergefallen. Einer der Kerle hatte sie mit einer Peitsche geschlagen. Dann hatten die Banditen sie weggebracht – fort in die Berge.

„Pfui, Teufel“, sagte Roger Brighton. „Was müssen das für gemeine Drecksäcke sein.“

„Eine ihrer Gefangenen konnte fliehen“, sagte der Seewolf. „Aber weit gelangte sie nicht. Wer weiß, was die Kerle jetzt mit ihr anstellen.“

„Das können wir uns wohl denken“, sagte Dan.

„Also, beeilen wir uns“, sagte der Seewolf.

Er versuchte noch, von dem Waldläufer zu erfahren, wie viele Menschen in Dodullu lebten und ob sich die Banditen unter den Bewohnern befanden. Aber der Taubstumme konnte ihm darüber keine Auskunft geben. Er war nie in dem Dorf gewesen.

Hasard nickte dem Mann zu. „Du kannst gehen“, sagte er. Wieder unterstrich er durch Gesten, was er meinte, und der andere verstand.

Der Kutscher drückte dem Taubstummen noch rasch etwas Proviant in die Hände. Dieser bedankte sich durch Grunzen und Stottern, dann verschwand er wie ein Spuk im Dickicht.

„Leute gibt’s“, sagte der Profos, „das gibt’s gar nicht. Na, ich bin mal gespannt, was für Menschen wir in Dodullu begegnen. Müssen ja interessante Zeitgenossen sein.“

Die Männer ritten weiter. Nach einer knappen halben Stunde hatten sie das Dorf vor sich. Es bestand aus etwa zwei Dutzend Häusern, die alle aus grauen Quadersteinen errichtet waren. Die Dächer der geduckten Bauten bestanden aus schwarzen Platten, die wie Schiefer anmuteten. Kein Mensch war zu sehen. Alles wirkte verlassen und tot.

„Das Nest sieht sehr einladend aus, wirklich“, sagte Big Old Shane. „Bestimmt warten die Bewohner nur darauf, ein paar Fremde bewirten zu können.“

„Oder es warten Heckenschützen auf uns“, sagte der Seewolf.

Plymmie lief wieder voraus. Sie strich zwischen den Häusern hin und her. Bei einigen stand die Tür offen. Die Hündin schlich ins Innere, erschien aber kurz darauf wieder.

„Hier tut sich nichts“, sagte Carberry.

„Freunde, wir befinden uns in einem Geisterdorf“, sagte Don Juan de Alcazar.

In der Tat, das Dorf war verlassen. Die Männer ritten auf den winzigen Platz, der das Zentrum der Siedlung darstellte, saßen ab und zückten ihre Waffen. Sie sahen sich nach allen Seiten um und behielten auch die nahen Felsen im Auge. Nichts rührte sich. Kein verdächtiger Laut ertönte. Nicht ein einziges Tier war zu sehen – nicht einmal ein Vogel.

„Hier spukt es“, sagte Dan. „Gut, daß mein Alter nicht mit dabei ist. Der würde jetzt die wüstesten Geistergeschichten zum besten geben.“

„Wenn wir wieder an Bord der Dubas sind, können wir ihm ’ne Menge erzählen“, meinte Higgy grinsend.

Die Männer durchsuchten die Häuser und Hütten. Nirgends stießen sie auf Menschen. Nicht einmal Anzeichen menschlichen Lebens waren zu entdecken – Feuer- oder Speisereste zum Beispiel.

„Das Dorf ist schon seit einiger Zeit verlassen“, sagte Hasard, als sie wieder bei den Pferden standen. „Vermutlich haben es die Bewohner aus Angst vor den Banditen verlassen. Ich nehme an, daß die Sarden hier alles geplündert haben. Danach haben die Bewohner, die am Leben geblieben sind, die Flucht ergriffen.“

„Ja, so reimt sich alles zusammen“, sagte Carberry. „Wo sie abgeblieben sind, weiß wohl kein Mensch.“

„Und in Üsküdar ist nichts darüber bekannt“, sagte Hasard. „Auch Kemil Haydar wußte nicht, daß Dodullu ein Geisterdorf ist. Himmel, die Türken müssen wirklich eine Heidenangst vor dieser Gegend haben. Keiner von ihnen traut sich hierher.“

„Lieber überlassen sie den Banditen ihre Frauen“, sagte Don Juan de Alcazar. „Das finde ich allerdings beschämend. Ich weiß, eine Frau zählt im Orient weitaus weniger als ein Mann. Aber deswegen kann man sie doch nicht ihren Entführern kampflos ausliefern.“

„Ganz so sehe ich das nicht“, sagte Hasard. „Haydar hat ja von seinem Kollegen berichtet, dessen Tochter Salome sich in den Händen der Banditen befindet. Der Mann hat versucht, mit einem Aufgebot die Burg des Scheitans zu finden. Es ist ihm nicht gelungen. Außerdem hätten seine Mitstreiter gekniffen, wenn es darum gegangen wäre, die Burg zu stürmen.“

„Das ist auch wieder richtig“, erwiderte Don Juan. Er blickte zu den Kameraden. „Glaubt ihr, daß wir diese verdammte Burg finden?“

„Wir haben Plymmie“, sagte Philip junior.

„Was ist, wenn sie keine Spur findet?“ fragte Luke Morgan.

„Wenn und aber“, sagte der Seewolf. „Halten wir uns nicht mit langen Reden auf, Freunde. Das hat am allerwenigsten Sinn. Los, es geht weiter.“

Sie folgten dem Verlauf der Schlucht. Plymmie strebte auf einen schmalen Pfad zu, der am östlichen Rand in die Höhe führte. Es war der einzige Weg, auf dem man die Schlucht verlassen konnte. Der Trupp bildete eine lange Kolonne, und im Gänsemarsch ging es den Pfad hinauf. Bald darauf erreichten die Mannen ein Plateau, von dem aus sie einen guten Überblick über die Umgebung hatten. Sie verharrten eine Weile. Dan und Don Juan spähten mit den Kiekern in die Runde.

„Seht ihr irgendwo eine Burg?“ fragte der Seewolf.

„Nicht die Spur“, antwortete Dan.

„Nichts“, sagte Don Juan.

„Das habe ich mir fast gedacht“, sagte der Seewolf. „Weiter.“

Der Ritt führte über das Plateau, dann durch ein Tal in etwas höhere Regionen. Plymmie war dem Trupp immer um ein paar Yards voraus. Sie schnupperte an jedem Baum, an jedem Stein. Ungefähr eine Stunde war vergangen – da, ganz unvermittelt, blieb die Hündin wie vom Donner gerührt stehen. Sie senkte ihre Nase auf den Boden. Ihr Schwanz zuckte leicht.

„Sie hat eine Witterung aufgenommen“, sagte Hasard junior.

„Los, altes Mädchen“, spornte Philip junior die Hündin an. „Zeig mal, was du kannst!“

Plymmie schnürte über den felsigen Boden. Sie machte ihrem Wolfsblut alle Ehre. Die Witterung, die sie einmal aufgenommen hatte, verlor sie nicht mehr. Es mußte sich um die Fährte der Banditen handeln. Sicherlich gab es nicht sehr viele Wege, die zur Burg des Scheitans führten. Wahrscheinlich nur diesen einen Weg. Durch Zufall hatten die Arwenacks den richtigen Pfad gewählt.

Die Mannen folgten Plymmie. Es ging kreuz und quer durch das Bergland, stundenlang. Die Geduld von Hasard und seinen siebzehn Begleitern wurde auf eine harte Probe gestellt.

Am späten Nachmittag gelangte der Trupp auf einen Berg, dessen Kuppe von einem Krüppelkieferwald gekrönt wurde. Unvermittelt öffnete sich der Wald – und hier war die Reise zu Ende. Vor den Hufen der Pferde ging es abrupt steil in die Tiefe. Ein Schritt zuviel, und man stürzte ab.

„Ein wirklich schöner Abgrund“, sagte Carberry, „so richtig was, um sich das Genick zu brechen.“

Plymmie lief aufgeregt auf und ab. Hatte sie die Fährte nun doch verloren? Sie knurrte wütend und suchte nach der Richtung, in der es weiterging. Was war los?

Dan O’Flynn blickte nur noch starr geradeaus.

„He, Freunde“, sagte er. „Sperrt mal schön die Klüsen auf.“ Er wies voraus.

Jetzt sahen es auch der Seewolf und die anderen. Unter ihnen öffnete sich eine zerklüftete Schlucht. Drüben, auf der gegenüberliegenden Seite klebte ein Gemäuer im Hang. Es war kaum zu erkennen, weil es die gleiche Farbe aufwies wie das Gestein des Hanges. Eine vorzügliche Tarnung.

„Potzdonner“, sagte Big Old Shane. „Was ist das? Ein Adlernest?“

„Die Burg des Scheitans“, erwiderte der Seewolf. „Wollen wir wetten?“

„Da verliere ich bestimmt“, sagte der graubärtige Riese grinsend. „Wir haben also unser Ziel erreicht.“

„Das wurde aber auch Zeit“, sagte Carberry trocken. „Es wird nämlich bald dunkel.“

„Alles verläuft nach Plan“, sagte Hasard. „Es geht jetzt nur noch darum, den Weg zu finden, der in die Schlucht hinunterführt und von dort aus hinauf zur Burg.“

„Drüben kann ich einen Pfad erkennen“, sagte Dan nach einem Blick durch den Kieker.

„Und da befinden wir uns für die Banditen wie auf einem Präsentierteller“, sagte Higgy.

„So ungefähr“, meinte Dan. „Aber wir können die Kerle vielleicht von oben packen. Auf diese Weise kommen wir meiner Ansicht nach leichter an die Höhle des Löwen heran.“

„Wir können nur vor Ort entscheiden, wie wir vorgehen werden“, sagte der Seewolf. „Sperrt die Augen und Ohren auf. Wir müssen von jetzt an mit Spähern und Wachtposten rechnen.“

„Aye, Sir“, murmelten die Männer. Ihre Blicke richteten sich wieder auf Plymmie. Die Hündin lief nach links. Nach wie vor hielt sie die Nase auf den Boden gesenkt. Sie verschwand zwischen den Bäumen.

„Los“, sagte Hasard. „Wenn mich nicht alles täuscht, hat Plymmie die Lösung für unser Problem gefunden.“

Auch dieses Mal zeigte sich wieder, daß Plymmie bei diesem Unternehmen von unschätzbarem Wert für die Arwenacks war. Sie führte den Trupp sicher durch den Kiefernwald. Die Mannen entfernten sich wieder von dem gefährlichen Abgrund. Bald gelangten sie an eine breite Geröllhalde, die relativ sanft in die Tiefe führte. Hier konnten sie den Abstieg wagen. Nur mußten sie darauf achten, daß die Pferde nicht ins Rutschen gerieten.

„Die Burg ist von hier nicht sichtbar“, sagte Dan nach einem neuerlichen Rundblick. „Folglich können uns die Kerle von dort aus ebenfalls nicht bemerken.“

„Ich glaube, dieser Hang führt in einen Seitenarm der Schlucht“, sagte der Seewolf. „Gibt es in der Schlucht genug Vegetation, Dan?“

„Ich habe vorhin Bäume und Büsche gesehen“, erwiderte Dan O’Flynn. „Da können wir uns einigermaßen gut anschleichen, ohne daß uns die Sarden auf Anhieb entdecken.“

Weiter ging es – die Geröllhalde hinunter bis in die Nebenschlucht. Ein kleiner Zwischenfall ereignete sich, als Shanes Pferd plötzlich anfing zu stolpern. Shane stieß einen leisen Fluch aus. Fast schien es, als würde das Tier in den Vorderläufen einknicken. Aber dem Schmied von Arwenack gelang es im buchstäblich letzten Augenblick, das Pferd wieder abzufangen.

Bald darauf bewegten sich die Pferde im Schrittempo durch die Nebenschlucht. Der Tag neigte sich seinem Ende entgegen. Das Licht wurde diffus, blaß. Mit jedem Schritt, den die Reiter zurücklegten, rückten die Schatten der Nacht von Osten näher, während die Sonne im Westen als milchigroter Ball hinter den Bergen wegtauchte.

„Jetzt ist es nur noch eine Frage von Augenblicken, dann wird es ganz dunkel“, sagte der Seewolf zu seinen Männern.

„Für uns ist das nur von Vorteil“, erwiderte Don. Juan. „Wir haben zwar größere Schwierigkeiten, uns zurechtzufinden. Aber wichtiger ist, daß uns die Sarden nicht entdecken.“

„Im übrigen haben wir Plymmie“, sagte der Seewolf.

„Ich frage mich, wo die Späher der Banditen sitzen“, murmelte Batuti. „Sind die etwa so unvorsichtig, die Burg von außen völlig unbewacht zu lassen?“

„Möglich wäre auch das“, sagte Hasard. „Sie fühlen sich hier völlig sicher. Trotzdem müssen wir höllisch aufpassen. Wir dürfen jetzt nicht den winzigsten Fehler begehen.“

Von der Nebenschlucht gelangten sie in die große Schlucht. Im Büchsenlicht ritten sie zwischen Kiefern, Pinien und struppigem Gebüsch dahin. Nach wie vor ließ sich kein Gegner blicken. In der Burg des Scheitans flammten Lichter auf, Fackeln und Öllampen. Sie wiesen den Seewölfen den Weg.

Seewölfe Paket 29

Подняться наверх