Читать книгу Seewölfe Paket 29 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 6

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Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen – wie wahr!

Als die drei Mannen an Oberdeck erschienen, war es Smoky, der die Beule auf der Stirn Mac Pellews zuerst entdeckte und sofort zu kichern begann.

„Hö-hö-hö!“ prustete er los. „Wolltest du mit der Rübe durch die Bordwand, mein alter Mac?“

Sein alter Mac war sauer, was ihm nicht viel nutzte. Ein Mauseloch gab’s auf der Dubas nicht, wo er sich hätte verstecken können. Die ganze Bande war sofort alarmiert, und da ging das Gewiehere los. Nicht daß die Arwenacks hämisch oder schadenfroh waren, nein, damit täte man ihnen unrecht. Aber der griesgrämige Mac Pellew wirkte häufig genug – eben wegen seiner Griesgrämigkeit – als Clown. Und wenn er jetzt mit einer derart leuchtenden Beule auftrat, dann war die Reaktion nur zu verständlich.

Auf der alten „Isabella“ hätte Mac vielleicht in der Kombüse unterschlüpfen können, ohne daß allzu viele Mannen von ihm etwas bemerkt hätten. Auf der russischen Dubas war das nicht der Fall. Jeder sah ihn, zumal sich alle an Deck befanden, und das Gelächter brandete über den Zweimaster mit den Lateinersegeln, der mit Steuerbordbug, Wind aus Osten, in Sichtweite der Küste südwärts segelte.

Als das Gelächter verebbte, sagte Philip Hasard Killigrew: „Na, Mac? Irgendwo gegengestoßen?“

„Aye, Sir.“ Mac starrte auf seine Latschen. Nein, er sah sie nicht mehr doppelt. Sie waren so, wie sich das gehörte, einer links, einer rechts. Und er wiederholte: „Aye, Sir, alles klar soweit.“

„Hm-hm. Darf man sich erkundigen, wie das passiert ist?“

„Bin wo gegengerannt.“

„Richtig, wenn man gegen etwas stößt, ist man gegengerannt, das ist durchaus logisch. Ich fragte nur, wie das passiert ist. Na?“

„Da war ’n Pfosten im Weg, Sir“, sagte Mac. „Den muß ich übersehen haben.“

Der Kutscher räusperte sich gemessen.

„Ja, Kutscher?“ fragte Hasard.

„Das war im Proviantraum, Sir“, sagte der Kutscher mit unbewegter Miene. „Mac und ich überprüften die Vorräte. Aber von solchen kann keine Rede sein.“

„Du meinst, wir seien knapp an Proviant?“

„Das meinte ich, Sir. Unsere Vorräte reichen noch knapp zwei Tage.“

Hasard war nun doch verwundert.

„Soll das heißen“, fragte er, „daß die Russen nichts zu futtern an Bord hatten?“

Bevor der Kutscher antworten konnte, platzte der Profos heraus: „Nur flüssige Nahrung ist an Bord, Sir, nämlich vier Fässer Wodka.“

„Fusel“, korrigierte der Kutscher kühl.

„Ah!“ sagte Hasard. Sein eisblauer Blick wanderte zu Mac Pellew und blieb auf dessen lilafarbener Beule haften. Ihm ging ein Lichtlein auf, warum „’n Pfosten im Weg“ gewesen war.

Wie hatte der Kutscher gesagt? „Mac und ich überprüften die Vorräte!“

Hasard hatte das Bild genau vor Augen: ein halbdunkler Laderaum, vier Wodka-Fässer, und während der Kutscher nach den Vorräten schaut, „besichtigt“ Mac die Fässer. Und er tut das gründlich.

„Hat’s geschmeckt, Mac?“ fragte Hasard freundlich.

„Sir?“ Mac stellte sich dumm.

„Den Wodka meine ich“, sagte Hasard.

„Den Wodka? Ach so!“ Mac plierte hilfesuchend zu Carberry hinüber.

Der fuhr auch gleich ein Ablenkungsmanöver.

„Ein feiner Wodka, Sir!“ tönte er. „Soll ich dir eine Kostprobe holen?“

„Hast du auch probiert, Ed?“ fragte Hasard.

„Natürlich, Sir“, sagte der Profos treuherzig. „Muß doch prüfen, ob der Inhalt der Fässer einwandfrei ist. Hätte ja sein können, daß diese russischen Lümmel Rattengift reingekippt haben. Oder ’n Schlafmittel oder so was. Haben wir ja neulich erlebt, was, wie? Edwin Carberry, hab’ ich mir gesagt, da mußt du verdammt lausig aufpassen, daß deine Leute nicht vergiftet werden oder dieses Dingsda erleiden – äh – Alexia beri-beri …“

„Apoplexia cerebri“, knirschte der Kutscher.

„Richtig, genau das“, sagte der Profos. „Da ist nämlich nicht mit zu spaßen, Sir. Ohrensaus’ und aus, verstehst du? Und dein Glied ist gelähmt – äh – Arme oder Beine oder dein linkes Ohrläppchen, meine ich. Einfach furchtbar, was da alles passieren kann.“

„In der Tat“, sagte Hasard und schien sehr beeindruckt zu sein. „Aber ich sehe – bis auf Macs Beule –, daß ihr weder vergiftet noch gelähmt seid. Also ist der Wodka genießbar.“

„Du sagst es, Sir.“ Der Profos nickte.

„Da bin ich anderer Ansicht“, sagte der Kutscher erbittert.

„Du weißt ja immer alles besser!“ schnappte der Profos.

„Allerdings“, entgegnete der Kutscher spitz, „mein Gehirn ist ja auch nicht von billigem Fusel vernebelt, nicht wahr?“ Er wechselte den Blick zu Hasard. „Wie gesagt, Sir, wir haben vier Fässer mit miesem Sprit an Bord, den man wegschütten sollte …“

„Niemals!“ brüllte der Profos. „Nur über meine Leiche!“

„Ed!“ mahnte Hasard. „Nicht so laut. Und wegen der vier Wodka-Fässer zur Leiche zu werden, lohnt sich nicht. Fassen wir zusammen: Der Wodka hat zumindest Macs Sicht getrübt, sonst wäre er nicht gegen den Pfosten gerannt. Als Proviant ist er wohl nicht zu bezeichnen. Und der Kutscher meldet, die Vorräte reichten noch knapp zwei Tage. Das heißt, wir müssen schleunigst zusehen, irgendwo Proviant zu übernehmen. Möchte mal wissen, wie die Russen das gehalten haben. Die müssen doch vor dem gleichen Problem gestanden haben. In Varna hätten sie sich versorgen können.“

„Nicht unbedingt“, sagte jetzt Ben Brighton und lächelte hintergründig. „Ich schätze, die haben von der Hand in den Mund gelebt und sich dort bedient, wo sie was klauen konnten. Ihre Vorratswirtschaft beschränkte sich darauf, Wodka an Bord zu haben. Ziemlich bezeichnend für diese Rabauken, finde ich.“

„Das wäre eine Erklärung“, sagte Hasard. „Na gut, wir bleiben in Sichtweite der Küste. Sobald ein Hafen gesichtet wird, laufen wir ihn an und decken uns mit Proviant ein – gegen klingende Münze, versteht sich. Bis dahin schnallen wir den Gürtel enger. Alles klar, Freunde?“

Der Profos räusperte sich.

„Ja, Ed?“

„Schlage zum Frühstück einen Schluck Wodka vor, Sir“, sagte der Profos.

Der Kutscher stieß einen wütenden Zischlaut aus. Dieser Profos war unmöglich. Der war noch schlimmer als Mac Pellew.

„Auf nüchternen Magen, wie?“ fragte Hasard ein bißchen ironisch.

„Wer einen schwachen Magen hat, scheidet natürlich aus“, erklärte der Profos.

Jetzt war es der Kutscher, der Todesverachtung zeigte.

„Nur über meine Leiche!“ verkündete er wie zuvor Carberry. „Außerdem habe ich den Schlüssel zur Proviantlast. Und den rücke ich nicht heraus – basta!“

„Daß du ein alter Knicker bist, weiß hier jeder“, knurrte der Profos.

„Und wer der übelste Trunkenbold ist, dürfte auch bekannt sein!“ fauchte der Kutscher.

„Herrschaften, jetzt ist Schluß!“ sagte Hasard scharf. „Kutscher, gib mir den Schlüssel.“

„Glaubst du etwa, ich laß mir den Schlüssel von diesem Saufsack klauen, Sir?“ fragte der Kutscher empört.

„Ich glaube überhaupt nichts. Her mit dem Schlüssel!“ Hasard streckte die Rechte aus.

Widerwillig übergab ihm der Kutscher den Schlüssel. Er fühlte sich gekränkt, daß ihm der Kapitän nicht vertraute.

Der Profos grinste bis zu den Ohren, aber das verging ihm. Denn Hasard sagte: „Ich bitte um Verständnis, Kutscher. Ich will Mister Carberry gar nicht erst in Versuchung führen. Bei mir ist der Schlüssel gut aufgehoben und absolut sicher vor trickreichen Langfingern. Nicht wahr, Ed?“ Und er grinste den Profos freundlich an.

Der sah ziemlich vernagelt aus und brummte: „Versteh gar nicht, für was man hier alles gehalten wird.“ Und in einem Anflug von Selbstverleugnung fügte er hinzu: „Von mir aus könnt ihr das Zeug vergammeln lassen oder euch in die Haare schmieren! Mich kratzt das nicht.“

„Eben sagtest du was anderes, als der Kutscher vorschlug, den Wodka wegzuschütten“, erinnerte Hasard.

„Darüber müßte auch abgestimmt werden“, erklärte der Profos unbeeindruckt. „Und da würde ich dagegen stimmen, weil man nicht etwas wegschüttet, das dem Wohle der Allgemeinheit dient.“

„Nicht dem Wohle, sondern der Trunkenheit und dem Laster“, sagte der Kutscher.

„Jetzt fängt der auch noch an zu predigen!“ maulte der Profos. „Ist hier Bibelstunde, oder was?“

„Wäre für deine Läuterung gar nicht schlecht“, erwiderte der Kutscher. „Sich in die Bibel zu vertiefen, hat schon so manchem Sünder geholfen, wieder den rechten Weg zu finden.“

„Dann lies sie fleißig und laß dir helfen“, entgegnete der Profos. „Ich empfehle dir Römer zwölf, Vers zwanzig, der da lautet: So nun dein Feind hungert, so speise ihn; dürstet ihn, so tränke ihn!“ Der Profos räusperte sich. „Vor allem letzteres lege ich dir warm ans Herz, und ich wiederhole: Dürstet ihn, so tränke ihn!“

Der Kutscher war sprachlos, und das wollte etwas heißen.

Der griesgrämige, verbeulte Mac Pellew lebte auf: „Wahr gesprochen, mein lieber Edwin! Uns dürstete, aber er tränkte uns nicht. Statt dessen führte er lästerliche Reden und drohte wegzuschütten, wonach uns dürstete.“

Der Kutscher hatte sich von seiner Verblüffung erholt. Jetzt wetterte er los: „Wonach euch dürstet, ist Schnaps, ihr schlitzohrigen Halunken! Wenn es um den geht, stellt ihr sogar die Bibel auf den Kopf. Schämen solltet ihr euch!“

„Das empfehle ich auch“, erklärte Hasard. „Im übrigen gebe ich dem Kutscher recht. Außerdem: wenn euch dürstet, könnt ihr Wasser trinken – von nichts anderem ist in dem zitierten Römer-Vers die Rede, und das wißt ihr beide sehr genau.“

„Aye, Sir“, murmelte der Profos.

„Aye, Sir“, murmelte auch Mac Pellew, und er sah dabei so grämlich aus, daß bei seinem Anblick sogar ein Bruder Lustig zum Trauerkloß geworden wäre.

Er drehte sich um und schlurfte in Richtung der kleinen Kombüse.

Hinter ihm sagte Dan O’Flynn tiefsinnig: „Unser Mackilein ist heute morgen wieder in Höchstform – eine richtige Frohnatur, voll schäumender Lebenslust und wie immer zum Scherzen aufgelegt. Man könnte direkt heulen!“

Die Mannen grinsten, und sie grinsten noch mehr, als Mac sich noch einmal umdrehte und seiner Verachtung Ausdruck gab, indem er Dan O’Flynn einen „pinseligen Pickelhering“ nannte.

„Besser das“, rief Dan O’Flynn erheitert, „als eine lila-gehörnte Miesmuschel!“

„Phh!“ äußerte Mac, und hinter ihm krachte das Kombüsenschott zu, daß die beiden Masten wackelten.

„Jetzt schmollt er drei Tage“, sagte Dan O’Flynn.

So begann also der Morgen dieses sonnenreichen Tages, und er fand eine halbe Stunde später seine Krönung, als es den beiden Jungmannen Hasard und Philip gelang, mit ihren Blinkern einen Mordsburschen von Stör zu angeln und an Bord zu ziehen.

Es war ein sogenannter Hausen aus der Stör-Familie, und er hatte eine Länge von fast vier Yards, was die Arwenacks für enorm hielten, obwohl der Kutscher es mal wieder besser wußte und kundtat, daß solche „Fischlein“ die Kleinigkeit von acht bis neun Yards Länge erreichten.

Es grenzte an ein Wunder, daß die Angelschnur nicht gerissen war. Allerdings hatte der Stör selbst dabei geholfen, sich an Bord der Dubas zu befördern. Er hatte sich aus dem Wasser geschnellt, und diesen Moment hatten die Zwillinge genutzt, ihn mit einem ruckartigen Zug an der Angelleine binnenbords zu holen.

Immerhin reichte die Beute für mehrere Mahlzeiten, und die Arwenacks brauchten ihre Gürtel noch nicht enger zu schnallen. Zum Frühstück gab’s Kaviar – den Beluga-Kaviar, den der Kutscher mit Zitrone schmackhaft zubereitete und mit gerösteten Brotscheiben darbot.

„Igitt – Fischeier, so ein Schweinkram!“ lamentierte der Profos und geriet schon wieder mit dem Kutscher aneinander.

„Danach lecken sich Kaiser und Könige die Finger, du Blödmann!“ entgegnete der Kutscher. „Denn Kaviar vom Hausen ist das Köstlichste vom Köstlichen, und man sagt ihm nach, daß er die Manneskraft fordere und die Geisteskraft steigere. Aber keiner zwingt dich, davon zu essen. Von mir aus friß deine Schuhsohlen und sieh selbst zu, wie du satt wirst. Mir ist das doch piepe, du verdammter Mecker-Philipp!“

Der Kutscher rannte offene Türen ein. Der Profos hörte schon gar nicht mehr hin – die „Manneskraft“ war das Zauberwort gewesen, und er hatte zugelangt. Von dem Moment an schaufelte er buchstäblich Kaviar in sich hinein und stöhnte vor Behagen. Und als Hasard für jeden Mann ein paar Daumenbreiten Wodka freigab, kannte des Profosen Wonne keine Grenzen.

„Was geht’s uns wieder gut, Leute!“ tönte er lauthals. „Ich hab’s ja gleich gesagt: das Beste am Stör ist der Kaviar! Dagegen sind lausige Heringseier die reinsten Pickel und schmecken rauf wie runter!“ Und strahlend schob der Profos eine weitere Ladung nach, über daumendick auf die Röstscheibe gepackt, die er krachend zermalmte.

Der Kutscher konnte nur noch den Kopf schütteln.

Am Nachmittag dieses Tages umsegelte die Dubas das Kap Emine und stieß mit Südwest-Kurs in den Golf von Burgas vor. Jetzt lag sie platt vorm Wind, das vordere Lateinersegel nach Backbord und das achtere Lateinersegel nach Steuerbord ausgebaumt wie die Schwingen eines Riesenvogels. Sie lief rauschende Fahrt.

Hasard war gespannt, wohin der Kurs führte. Eine größere Ortschaft an der Küste auf Steuerbord hatten sie noch nicht passiert. Bisher hatte die Küste fast genau einen Nord-Süd-Verlauf gehabt. An dem Kap war sie scharf nach Westen abgebogen, dann nach Südwesten. Es war klar geworden, daß sie in einen Golf segelten. In der Regel – das war eine Erfahrung der Arwenacks – bot sich in der Tiefe eines Golfs immer ein günstiger Platz an, wo man einen Hafen angelegt und eine Siedlung gegründet hatte.

Es konnte auch sein, daß dort ein Fluß mündete, der im Lauf von Jahrtausenden die Küste in einen Trichter verwandelt hatte. Vielleicht befand sich ganz hinten im Westen des Golfes sogar jene Verbindung zum Mittelmeer, die sie suchten. Das waren natürlich Spekulationen.

Hasard spähte zum Vorschiff der Dubas. Dort stand am Bug Old Donegal, beschattete mit der Rechten die Augen gegen die im Südwesten stehende Sonne und starrte voraus. Dann schüttelte er den Kopf, zog sein Spektiv aus dem Gürtel und setzte es ans rechte Auge.

„Jetzt hat er was entdeckt“, sagte Dan O’Flynn neben Hasard. Er hatte seinen Alten ebenfalls beobachtet.

Hasard seufzte. „Hoffentlich keinen Wassermann.“

Es war kein Wassermann.

Old Donegal drehte sich halb um und rief nach achtern: „Voraus Fischerboote!“

„Na bitte“, sagte Dan, „kein Wassermännchen oder was Hübscheres mit Fischschwanz und rundem Busen.“

Stenmark, der die Ruderwache ging, fragte: „Kurs beibehalten, Sir?“

Die Frage war berechtigt, denn Vorsicht war die Mutter der Porzellankiste. Es konnten auch keine Fischerboote sein oder Boote, die sich nur als solche getarnt hatten und dann als was anderes entpuppten, zum Beispiel als die Fahrzeuge von Küstenwölfen.

„Auf Kurs bleiben, Sten“, sagte Hasard. „Wenn es Fischer sind, dann erfahren wir vielleicht etwas über diesen Golf und den weiteren Verlauf der Küste.“

„Aye, Sir, auf Kurs bleiben“, sagte Stenmark.

„Und wenn es keine Fischer sind?“ fragte Dan O’Flynn.

„Dann haben wir Pech gehabt“, erwiderte Hasard. „Was soll’s! Wir müssen eben jede Gelegenheit wahrnehmen, um etwas über dieses Meer in Erfahrung zu bringen.“

Dan O’Flynn nickte und brummelte: „Wird auch lausig Zeit.“

„Nervös?“

„Das nicht, eher kribbelig. Diese Küstenschleichfahrt geht mir allmählich auf den Geist.“

„Ist aber die einzige Möglichkeit, den Durchschlupf ins Mittelmeer zu finden“, sagte Hasard.

„Und wenn’s keinen gibt?“

„Dann haben wir noch mal Pech gehabt“, entgegnete Hasard lakonisch. „Aber wo Fischerboote sind, da muß es auch eine Ansiedlung geben. Da können wir zumindest unseren Proviant ergänzen und weiterfragen.“

„Hoffentlich.“ Dan O’Flynn schien skeptisch zu sein, was sonst nicht seine Art war.

Immerhin wurden die gesichteten Boote jetzt deutlicher. Es waren Fischerboote, sie fischten mit Schleppnetzen, das war klar zu erkennen.

Soweit, so gut. Die Dubas hielt auf sie zu. Und dann wurden sie gesichtet. Ein Mann in einem der Boote brüllte etwas, gestikulierte und deutete erregt zu dem Zweimaster mit den ausgebaumten Segeln.

Wieso erregt?

Auch die anderen Köpfe fuhren herum und starrten zu dem Segler. Was dann folgte, konnte man nur mit hektischer Betriebsamkeit bezeichnen. Auf zwei Booten holten sie wie die Irren die Netze ein, auf einem wurden die Schleppleinen einfach gekappt, drei andere Boote drehten nach Süden ab – sie waren unter Segeln und wurden jetzt zusätzlich gepullt.

„Sieht nicht so aus, als sei man über uns entzückt“, sagte Dan O’Flynn.

„Hm.“ Das war alles, was Hasard äußerte.

„Vielleicht sollten wir zu erkennen geben, daß wir nichts Übles von ihnen wollen“, sagte Dan O’Flynn.

Hasard grinste. „Und wie willst du ihnen das mitteilen? Vielleicht eine Bibel hochhalten, oder was?“

„Man könnte freundlich winken.“

„Dann wink mal freundlich. Vielleicht solltest du auch ‚Ju-hu‘ rufen“, empfahl Hasard. Er grinste immer noch, woraus hervorging, was er von dem freundlichen Winken hielt, nämlich gar nichts.

Aber Dan trat ans Backbord-Schanzkleid und winkte. Er winkte mit beiden Armen und ließ die Hände flattern. Eine entfernte Ähnlichkeit mit Sir John – wenn der mit den Flügeln schlug – war nicht zu verkennen. Die Mannen grinsten.

Die Antwort erfolgte prompt, und sie war auch wenig freundlich. Man hielt wohl nichts von einer Anbiederung.

In einem der drei Boote, wo man die Netze einholte, bückte sich ein Mann und förderte einen Schießprügel zutage, ein ziemliches Ding von Schießprügel, eine Donnerbüchse, die der Kerl auf eine Gabel auflegte.

„Der wird doch wohl nicht“, sagte Carberry erzürnt.

Und da krachte auch schon der Schuß. Vielleicht hatte der Kerl auf Dan gezielt, der immer noch winkte. Aber die Kugel zischte über den Schädel von Carberry und hätte ihm einen feinen Scheitel gezogen, wenn er nicht etwas in die Knie gegangen wäre.

„Du Affenarsch!“ röhrte der Profos zornerfüllt. „Ich habe doch gar nicht gewinkt!“ Das war nun ziemlich unlogisch, aber vielleicht hatte der „Affenarsch“ Dans Winken als Drohgebärde aufgefaßt.

Immerhin war die Gabel beim Schuß einem anderen auf die Füße geflogen, und der Schütze selbst betastete seine Wange, denn da hatte er vom Kolben eine gewischt gekriegt. Das hielt ihn nicht davon ab, die andere Faust zu schwingen und zu der Dubas etwas hinüberzubrüllen, das nicht so klang, als sei es eine herzliche Begrüßung.

Philip junior übersetzte sofort. „Scheint ’n Türke zu sein – der Sprache nach. Er verflucht uns in den finstersten Schlund der Hölle und wünscht uns die Pest an den Hals. Außerdem nennt er uns stinkende Ratten, schmutziges Gesindel und Abschaum der Menschheit.“

Wenn es nach Carberry gegangen wäre, dann hätte es jetzt eine handfeste Keilerei gegeben – längsseits gehen und drauf!

Aber Hasard ließ das achtere Lateinersegel nach Backbord übergehen und etwas anluven, um sich von den Booten deutlich abzusetzen. Weil von der Dubas keine Reaktion erfolgte, wurden die Fischer offenbar mutiger. Jedenfalls schimpften sie hinter den Arwenacks her, drohten mit den Fäusten, und der schießwütige Kerl ballerte noch einmal drauflos, ohne jedoch Schaden anzurichten.

Die Arwenacks waren ziemlich geladen. Schließlich hatten sie keinerlei feindliche Absichten gezeigt oder irgendwie gedroht – im Gegensatz zu den Fischern. Es schmeckte ihnen gar nicht, gewissermaßen vor einem einzigen Schießprügel ausgerissen zu sein. Und sich als stinkende Ratten und so weiter bezeichnen zu lassen, paßte ihnen noch weniger.

Am meisten plusterte sich der Profos auf. Er verspürte wohl immer noch den sengenden Lufthauch der Kugel auf seinem Kopf.

„So was muß sich unsereins von verlausten Heringsbändigern bieten lassen!“ wetterte er. „Da soll doch gleich der Gehörnte dreinfahren! Die gehörten geteert, gefedert und gekielholt, diese fischtranigen Lümmel!“

„Laß es gut sein, Ed!“ rief Hasard. „Wir legen uns doch nicht mit harmlosen Fischern an!“

„Harmlos, Sir?“ böllerte der Profos. „Dieser türkische Wasserfloh hätte mich beinahe erschossen – einfach so! Dabei bin ich völlig friedlich gewesen, das können alle bezeugen.“

„Weiß ich, Ed. Aber wenn’s dich beruhigt: Dan ist noch wütender. Schließlich hat er den Fischern freundlich zugewinkt.“

„Aber auf mich ist geschossen worden!“

„Das ist uns allen bekannt, aber getroffen hat er nicht“, sagte Hasard geduldig.

„Hätte er aber, wenn ich mich nicht geduckt hätte. Dann läge ich jetzt hier als Leiche mit ’nem Kopfschuß“, ereiferte sich der Profos. „Mausetot für immer, und ihr hättet keinen Profos mehr. Der alte Will hätte mich in Segeltuch einnähen müssen, und ihr hättet mich hier versenkt. Und keiner hätte sich mehr um mein armes hinterbliebenes Sir Jöhnchen gekümmert …“

Hasard platzte der Kragen. Der Profos schien sich so richtig ausjammern zu wollen.

„Red’ keinen Quatsch, Ed!“ fuhr er ihn an. „Du lebst, und wie ich dich kenne, wirst du wahrscheinlich hundert Jahre alt, es sei denn, du verschluckst dich am Schnaps!“

„Ich könnte jetzt einen vertragen“, erklärte der Profos prompt und ohne rot zu werden.

Hasard wurde einer Antwort enthoben.

Old O’Flynn meldete sich. Er stand immer noch am Bug, hatte den Kieker am Auge und rief: „Backbord voraus ein Hafen und Häuser in Sicht! Muß sich um einen größeren Ort handeln!“

„Hoffentlich sind die freundlicher“, sagte Dan O’Flynn.

„Du kannst ja wieder winken“, meinte Hasard.

Seewölfe Paket 29

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