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Gleichmäßig blies der Wind aus Osten, und die lange Dünung hob und senkte die „Elizabeth Bonaventura“ in gleichmäßigen Abständen. Es sah aus, als atme die große Galeone tief ein, sobald sie den Bug hob, und als atme sie tief aus, wenn sich der Bug wieder in das nächste Wellental senkte.

Die der portugiesischen Küste vorgelagerten Berlenga-Inseln waren seit einer halben Stunde zu sehen. In einer weiteren Stunde würden sie auf Backbord erscheinen und schließlich achteraus verschwinden.

Admiral Francis Drake, der das Flaggschiff befehligte, hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und blickte auf den Stand der Flögel.

Das Flaggschiff lief Südkurs, auf Steuerbordbug liegend mit Backbordhalsen.

Drake kontrollierte den Rudergänger und warf dann einen Blick auf den Kompaß, ein zweiter Blick aus den grauen Augen traf den Rudergänger.

„Hundertachtzig Süd liegt an, Sir“, meldete der Rudergänger.

Der Admiral gab keine Antwort, er nickte nur und nahm seine Wanderung, die schweigend von Backbord nach Steuerbord erfolgte, wieder auf. Ab und zu blieb er an der Schmuckbalustrade stehen, drehte sich gemächlich um, und dann suchten seine kühlen grauen Augen die See hinter ihnen ab.

Achteraus war bis auf einen kleinen portugiesischen Zweimaster, der dicht unter Land segelte, kein anderes Schiff zu sehen.

Die Stirn des Admirals umwölkte sich leicht, während seine linke Hand über den gepflegten rötlich-braunen Spitzbart strich.

Nein, von seinem Verband war immer noch nichts zu sehen, der segelte noch weit hinter der Kimm, seit der fürchterliche Sturm bei Cabo Finisterre das Geschwader auseinandergeblasen hatte. Es waren gute, fast neue und stark armierte Galeonen, die selbst härtesten Stürmen zu trotzen vermochten.

In Drakes Verband segelten die „Golden Lion“ unter Vizeadmiral William Borough, die „Dreadnought“ unter Kapitän Robert Seymour, und die „Rainbow“, die Kapitän John Wight befehligte.

Weitere drei schwerarmierte Galeonen Londoner Kaufleute unter dem Flaggschiff „Mercant Royal“ gehörten dem Geschwader an, dem sich noch sieben kleinere Kriegsschiffe und elf leichte Segler für Depeschen-, Wacht- und Aufklärungsdienste anschlossen.

Treffpunkt dieser Flotte war Lissabon, und so wußte jeder der Kapitäne, welchen Punkt er anzusteuern hatte.

Drake war für dieses Unternehmen von Ihrer Majestät, Königin Elizabeth I. mit allen Vollmachten ausgestattet, denn über England begann sich etwas zusammenzubrauen.

Agenten hatten die Zusammenziehung von Schiffen gemeldet, deren Angriff sich gegen England richten würde. Drakes Aufgabe war es, diesen kriegsmäßigen Aufmarsch zu verhindern, dabei blieb ihm sein Vorgehen selbst überlassen, einschließlich der Möglichkeit, die spanischen Schiffe in ihren Häfen anzugreifen.

Da Francis Drake das ständige Zaudern seiner Königin kannte, hatte er zur Eile gedrängt und war ausgelaufen, teilweise mit gepreßten Leuten an Bord.

Was Francis Drake nicht wußte, war die Tatsache, daß die Königin von England ihre Vollmacht widerrufen hatte – zu spät allerdings, denn das nachgeschickte Depeschenboot erreichte das längst ausgelaufene Geschwader nicht mehr und kehrte unverrichteter Dinge wieder um.

An diesem frühen Abend schrieb man den, 24. April 1587. Es war der Zeitpunkt, als die „Elizabeth Bonaventura“ die Berlenga-Inseln passierte.

Drake war so in Gedanken versunken, daß er das dezente Räuspern hinter seinem Rücken bereits zweimal überhört hatte. Erst jetzt drehte er sich um.

Thomas Fenner, der bei Drake als eine Art Stabschef fungierte, deutete eine leichte Verbeugung an. Drake schätzte diesen Mann, der ein Könner mit guten taktischen Qualitäten, ein ausgezeichneter Seemann, aber auch ein Rauhbein mit dem Hang zum Raufen und Kämpfen war, wo immer sich eine Gelegenheit dazu bot.

„Der Verband bereitet Ihnen Sorgen, Sir“, sagte Fenner. „Ich sah Sie bereits öfter achteraus zum Horizont blicken.“

„Ich würde es nicht direkt Sorgen nennen, Mister Fenner“, erwiderte Drake ruhig. „Es sind gute, stabile Schiffe, und ich bin sicher, daß sie den Sturm bei Cabo Finisterre überstanden haben, genau wie wir auch. Der Sturm wird sie hart gebeutelt haben, aber ich schließe aus, daß wir auch nur ein einziges Schiff verloren haben. Es sind ausnahmslos verläßliche Leute, die diesen Verband befehligen, sie sind nur, wie es bei solchen Stürmen üblich ist, versprengt worden.“

„Der Ansicht bin ich auch, Sir“, sagte Fenner. „Vermutlich sind wir ihnen eine Tagesreise voraus.“

„Kaum mehr als eine halbe Tagesreise, Mister Fenner, denke ich.“

Thomas Fenner widersprach nicht, er nickte nur, drehte sich dann um und warf einen Blick auf die Berlenga-Inseln, die sie jetzt passiert hatten und die Backbord achteraus langsam kleiner wurden.

Eine Viertelstunde lang unterhielten sich die beiden Männer, bis eine tiefe Baßstimme aus dem Ausguck ihr Gespräch unterbrach.

„Deck! Dreimaster zwei Strich Backbord voraus auf Nordkurs!“

Der Admiral ließ sich das Spektiv geben und warf einen langen Blick hindurch, ehe er es an Thomas Fenner weiterreichte.

„Ein phantastisches Schiff“, sagte Drake leise. „Sehen Sie es sich genau an, Mister Fenner, und dann sagen Sie mir, was Sie davon halten.“

Zunächst sagte Fenner gar nichts. Er preßte das Spektiv ans Auge und sah lange hindurch.

„Donnerwetter“, murmelte er beeindruckt. „Eine herrliche Dreimastgaleone, ein Anblick wie man ihn selten geboten kriegt, Sir. Es trägt viel Segelfläche, denn es hat außergewöhnlich lange Masten. Aber diese Linienführung muß ich loben. Ich hätte den Dons eine derart ranke Bauweise nie zugetraut.“

„Es kann auch ein Portugiese sein, Mister Fenner.“

Wieder ergriff Drake das Spektiv. Fenner sah, wie er fasziniert den Kopf schüttelte und etwas murmelte.

„Nein, er zeigt keine Flagge, leider. Aber das tun wir ja auch nicht. Haben Sie das Achterkastell gesehen, Mister Fenner? Es ist flach, sehr flach sogar. Ich möchte wissen auf welcher Werft es gebaut wurde.“

In Fenner gewann wieder das alte Rauhbein die Oberhand. Er begann lüstern zu grinsen und fuhr sich, immer noch grinsend, mit der Hand über das Kinn.

„Es ist fast zu schade, es zu durchlöchern“, sagte er langsam. „Andererseits ist es ein leckerer Braten, den wir uns nicht entgehen lassen sollten.“

Lauernd wartete er auf die Reaktion des Admirals, doch Francis Drake reagierte zu seinem Leidwesen nicht. Er musterte immer noch den schlanken Dreimaster und war von der Bauweise und der Linienführung stark beeindruckt.

„Ein Don oder ein Portugiese“, sagte er mehr zu sich selbst. „Wirklich ein ausgezeichnetes, ein prächtiges Schiff.“

„Wenn wir uns begegnen“, begann Fenner wieder, als handele es sich um eine Nebensächlichkeit, „dann hat dieser Don die Luvposition, Sir.“

„Das ist richtig.“

„Möglich, daß er uns unter Feuer nimmt, und es sieht so aus, als habe er gute Geschütze.“

Fenner stützte die Hände auf die Schmuckbalustrade und starrte angelegentlich ins Wasser.

„Das ist in der Tat möglich“, gab Drake zu und verbarg sein Lächeln hinter einem betont ausdruckslosen Gesicht.

Er kannte Fenner, dem es jetzt mächtig in den Fäusten juckte, diesem Don oder Portugiesen eins aufzubrennen. Aber Drake ließ sich vorerst noch Zeit und wartete insgeheim darauf, wie weit Fenner ihn wohl noch animieren würde.

Das ließ auch nicht lange auf sich warten. Fenner begann, immer ungeduldiger zu werden, und von der Kuhl her starrten bereits die ersten Männer unschlüssig zu ihnen hoch.

„Laut unserer Order können wir ihn doch ein bißchen kitzeln“, sagte Fenner und versuchte seine Ungeduld zu verbergen. Doch sein lüsternes und erwartungsvolles Grinsen war immer noch nicht aus seinem Gesicht verschwunden.

Auch Francis Drake verspürte plötzlich Appetit, diesem Gegner eine Breitseite aufzubrennen. Drake war ein Mann, der immer wieder Erfolge vorweisen wollte, und der jetzt die Gelegenheit sah, weiteren Ruhm einzuheimsen. Dieser Brocken, der ihm entgegensegelte, konnte der Auftakt sein, mit dem der spanische Tanz begann, gleich, ob der schlanke Dreimaster jetzt Portugiese oder Spanier war.

Er war, wie Fenner schon ganz richtig bemerkte, ein leckerer Braten, der Drake das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Nein, den schmackhaften Happen wollte er sich nicht entgehen lassen.

„Einen Strich Backbord!“ befahl er und sah gleichzeitig, wie Fenner sich die Hände rieb.

„Gefechtsbereitschaft, Sir?“ fragte Fenner eifrig.

„Richtig, Mister Fenner! Sie haben doch Appetit auf diesen Braten, er muß nur noch gespickt werden“, sagte Drake etwas überheblich, und es störte ihn auch nicht, daß der Gegner die Luvposition behielt. Drake wollte ihn überraschen, ganz plötzlich, wie es seine Art war, wie ein hungriger reißender Wolf.

Admiral Francis Drake, von der Königin zum Ritter geschlagen, ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, daß der leckere Braten ein Teufelsbraten war, vom Satan persönlich zubereitet und daher so zäh, daß sich an ihm bisher noch jeder die Zähne ausgebissen und ein schadhaftes Gebiß davongetragen hatte.

Seewölfe Paket 8

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