Читать книгу Seewölfe Paket 8 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 8
4.
ОглавлениеBei Beginn der Nacht gab, es keine fauleren Burschen als die Seewölfe auf der „Isabella“.
Sie hockten ausnahmslos an Deck und sahen gespannt und belustigt auf das Treiben gegenüber.
Einige hingen faul und träge wie große Spinnen in den Webleinen der Wanten, andere hockten mit herabbaumelnden Beinen auf dem Handlauf des Schanzkleides, und ein großer Teil saß auf der Kuhlgräting und verfolgte interessiert, wie die aufgescheuchten Seesoldaten und Mannschaften wohl ihr Schiff vom Dreck ziehen wollten.
Daß ihr Tun von kräftigen und ironischen Kommentaren gewürzt wurde, verstand sich von selbst.
Carberry lehnte däumchendrehend am Schanzkleid und grinste, als die Kerle den schweren Anker ausbrachten und sich verzweifelt abmühten, ihn ins Boot zu hieven.
„Ha, ihr triefäugigen Kanalratten!“ schrie Ed. „Ihr müßt das Boot austrimmen. Ihr stellt euch an wie Nachttopfsegler!“
„Halt dein Maul, du Narbengesicht!“ schrie einer der Seesoldaten sauer zurück. „Ihr hockt da wie faule Hunde!“
„Klar, wir sind ja auch nicht so bescheuert und segeln auf Sandbänken spazieren.“ Carberry hob dozierend den Zeigefinger hoch. „Merke, du Kakerlake“, sagte er, „wer kein Wasser unter dem Kiel hat, sollte nicht zur See fahren, du lausiger Sandrutscher!“
„He, ihr Schlickrutscher!“ rief Smoky und schwenkte eine halbvolle Weinflasche. „Stellt euch doch mit hundert Mann auf die Sandbank und hebt den Kasten vorn hoch, dann gehts besser!“
Unter dem anfeuernden Gebrüll der Seewölfe wurden die Männer von Drake wütend und sauer und schrien lautstark zurück.
Matt Davies hob seine Hakenprothese, die im Mondlich blitzte.
„Hier, ihr müden Säcke, damit ziehe ich euer Schiffchen ganz allein vom Dreck!“
Auch der herkulische Gambianeger Batuti ließ sein fürchterliches Englisch vom Stapel und grinste.
„Sitzen wie faules Krokodil auf Sandbank, und wenn kommen Dons, werden euch Feuer machen unter Achtersteven, bis Hosen qualmen.“
Er zuckte zurück, als zwei kleine Gestalten wie die Teufel an ihm vorbeirasten, eine dritte verfolgend, die mit einem Affenzahn übers Deck fegte, mit einem wilden Satz in die Wanten sprang und blitzschnell aufenterte.
Hasard und Philip, die Zwillingssöhne des Seewolfs, hatten den Schimpansen Arwenack aus der Kammer gelassen und scheuchten ihn jetzt über Deck, sein Gekecker nachahmend.
Mit einem Satz wollten sie in die Wanten. Arwenack nach, der sich bis in den Topp verzogen hatte.
Old O’Flynn kriegte einen der wilden Rangen gerade noch am Genick zu fassen und hielt ihn fest. Wie angenagelt blieb auch der andere, Philip, stehen und blickte den alten O’Flynn treuherzig an.
„Wollt ihr Rotznasen wohl den Affen in Ruhe lassen!“ schrie er. „Das geht ja hier zu wie in einem Tollhaus. Verschwindet in eure Kojen, ihr Lümmel!“
„Nix verstehen“, sagte Hasard prompt, und auch der andere Lümmel grinste den Alten an und sagte: „Auch nix verstehen, Sir!“
„Ihr Wasserflöhe, ihr lausigen, ihr versteht ganz gut. Holzbein, du verstehen?“ fragte er Hasard.
Der Junge, seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, und der clevere der beiden, nickte ernsthaft.
„Holzbein“, wiederholte er. „Da, Feuer an Schiff!“
Der Alte fiel auf den lausigen Trick herein und drehte sich um. Er sah zwar kein Feuer, aber er wußte, daß ihn die beiden Burschen wieder einmal kräftig geleimt hatten, denn als er herumfuhr, waren die Kerlchen längst verschwunden und jagten wieder wie junge Hunde über Deck. Und von der Back tönte im Duett aus kreischenden Kehlen der Ruf: „O’Flynn, Holzbein, du verstehen?“
„Ich werde euch das Holzbein noch überziehen“, versprach der Alte grimmig und handelte sich dabei einen strafenden Blick seines Sohnes Dan ein, dessen Rückgrat früher oftmals Bekanntschaft mit dem Holzbein geschlossen hatte.
Als es Hasard zu viel wurde, pfiff er einmal durch die Finger. Die beiden standen wie aus dem Boden gewachsen vor ihm und bauten sich rechts und links vor ihm auf.
Hasard strich ihnen über die schwarzen Haare und beugte sich ein wenig hinunter.
„Genug jetzt, Hasard und Philip“, sagte er, preßte die Hände zusammen und legte sie unter den schiefgehaltenen Kopf.
„Jetzt geht es in die Kojen, ihr Banausen. Schlafen, verstanden?“
„Aye, aye, Sir“, ertönte es im Chor, und beide grinsten wie auf ein geheimes Kommando.
„Dann ab mit euch!“
Wenn Hasard etwas sagte oder durch Zeichen andeutete, wie eben das Schlafen, begriffen die beiden sofort. Sie wurden brav wie die Lämmer und marschierten ab.
Der Seewolf sah ihnen nach und lächelte, wie sie einträchtig nebeneinander gingen, die kleinen Entermesser stolz im Leinengürtel tragend, die sie Ferris Tucker in einer schwachen Stunde abgeluchst hatten. Dabei hatten sie mit ihm gefeilscht – in der ausgekochten Manier altorientalischer Bazar-Händler, bis Tucker endlich nachgegeben hatte.
Die beiden waren sehr selbständig, clever und mit allen Wassern gewaschen, obwohl sie erst sieben Jahre alt waren. Aber die Selbständigkeit hatten sie bei der Gauklertruppe gelernt und bei jenen Leuten, die mit ihnen durch den ganzen Orient gezogen waren.
Auf der Sandbank ging das Gebrüll weiter. Fluchende und schwitzende Männer brachten einen weiteren Anker aus, um sich mit deren Hilfe von der Sandbank zu ziehen. Mancher Tropfen Schweiß wurde dabei vergossen, und zwischen den Leuten bewegte sich brüllend und fluchend der Profos der „Elizabeth Bonaventura“, ein grobschlächtiger Kerl, bärbeißig und voller Grimm, der die Leute fast pausenlos anbrüllte und auch mit der Faust nach ihnen schlug.
„Der kann es bald noch besser als du, Ed“, sagte Smoky grinsend.
Carberry warf dem Decksältesten einen finsteren Blick zu.
„Das bezweifle ich“, sagte er, „oder soll ich es dir erst beweisen?“
„Ich glaube es dir auch so“, versicherte Smoky hastig.
Brighton legte dem Profos einen Arm auf die Schulter.
„Wenn man ins gesetzte Alter kommt, wird man ruhiger“, sagte er grinsend. „Oder könnt ihr euch über Ed beschweren? Er ist wirklich etwas ruhiger geworden, weil er eine gut eingespielte Mannschaft hat und keine Hitzköpfe.“
„Was – gesetztes Alter?“ rief Carberry. „Das könnt ihr zum alten O’Flynn oder zu Will Thorne sagen, ihr lausigen Affenärsche, aber nicht zu mir! Ich bin noch lange nicht im gesetzten Alter, auch wenn ich mir in aller Ruhe ansehe, wie diese Schlickrutscher sich abmühen, ihren Kahn wieder flottzukriegen.“
Daraufhin wandten sich die Blicke der anderen wieder Drake und seiner Mannschaft zu, die sich immer noch erfolglos abmühten, das große Schiff von der Sandbank zu ziehen.
„Wetten, daß sie es nicht schaffen?“ fragte Gary Andrews. „Die murksen morgen noch daran herum.“
„Das schaffen sie auch nicht“, versicherte der Rudergänger Pete Ballie, der die „Isabella“ so haarscharf und exakt an den Sandbänken vorbeigesteuert hatte. „Die sind viel zu hart aufgebrummt, und wenn sie nicht leichtern, bleiben sie hocken.“
Ferris Tucker, der rothaarige Schiffszimmermann, lehnte sich an die Nagelbank des Großmastes zurück.
„Das gibt einen Mordspaß, wenn sie die schweren Kanonen aus dem Batteriedeck hieven“, sagte er. „Drake wird einen Tobsuchtsanfall kriegen.
Später wird er auf die Idee verfallen und doch noch Hasards Hilfe annehmen.“
„Das glaubst du doch selbt nicht“, sagte Tuckers Freund Carberry und tippte sich mit dem Finger an die Stirn. „Der stolze Drake krepiert lieber auf der Stelle, als daß er das Angebot annimmt.“
„Da kommt Hasard“, sagte der Kutscher, „hören wir doch mal seine Meinung über Drake.“
Der Seewolf erschien in der Kuhl und blickte auf das Gewimmel. Unzählige Leute schufteten im Schein blakender Schiffslaternen. Es war ein riesiges Gewimmel, auf den ersten Blick ein scheinbares Durcheinander, und es sah so aus, als wüßte niemand, was er eigentlich tat.
Der Seewolf hatte die Worte gehört und schüttelte den Kopf.
„Nein, Drake wird uns nicht bitten“, sagte er, „oder ich müßte mich schon sehr täuschen. Sein Stolz als Admiral läßt das nicht zu, er ist bokkig und dickköpfig, nachtragend wie ein Elefant, und er beißt sich eher die Zunge ab, als mich um Hilfe zu bitten. Wir haben Zeit, warten wir es ab, ob sie es schaffen. Aber so, wie es den Anschein hat, sieht es nicht danach aus.“
„Weil der Kahn zu schwerfällig ist“, sagte Tucker nickend.
Er sah, wie sich einer der Seesoldaten über das Dollbord des Bootes lehnte und sich erbrach. Mit beiden Händen hielt er sich den Bauch.
„He!“ rief Ferris. „Kotzen könnt ihr auch an Land, deshalb braucht ihr nicht zur See fahren.“
Die Bemühungen gingen pausenlos weiter. Drake hatte jetzt achtern zwei Anker ausbringen lassen, mit deren Hilfe er sich achteraus von der tückischen Sandbank zu ziehen gedachte. Rudelweise stemmten sich die Männer in die Winschen, bis die Trossen steif waren und zu singen begannen.
Doch das Flaggschiff rührte sich nicht.
Sie sahen, wie Drake vom Achterkastell aus mit den Händen mal hierhin mal dorthin zeigte und Befehle schrie.
Er ließ noch mehr Männer an den Winschen arbeiten, bis sie sich gegenseitig auf die Füße traten.
Länger als drei Stunden kämpften sie verbissen darum, das schwere Schiff zu bewegen. Vergeblich, es rührte sich keine Handbreite von der Stelle.
Eine Pause wurde eingelegt. Die erschöpften Männer ruhten sich aus, saßen ausgelaugt an Deck herum und tranken heiße Brühe.
Danach ging es weiter. Drake ließ leichtern, und einen Teil der schweren Geschütze nach achtern bringen, bis sich der Bug ein kleines Stück höher aus dem Wasser hob.
Auch das nutzte nichts, alle Mühe war vergebens. Die Galeone des Admirals hatte, sich zu tief in den Sand gesetzt.
Gegen Mitternacht sah der Admiral ein, daß er es allein nicht schaffte.
Er ließ den Stabschef und Kapitän Thomas Fenner zu sich in die Kapitänskammer bitten und starrte verbissen auf den mit Karten übersäten schweren Tisch.
Fenner sah, was den Admiral bedrückte, der nicht so recht mit der Sprache herausrückte. Sollte er seine Ansicht etwas geändert haben? dachte Fenner. Das war kaum vorstellbar, dazu war Drake viel zu starrköpfig und eigensinnig.
„Ich sagte vorhin, es wäre beschämend, diesen Killigrew um Hilfe zu bitten, Mister Fenner, Sie erinnern sich?“
„Ja, Sir.“
„Nun“, Drake seufzte tief. „Ich sehe ein, daß es nicht anders geht. Wir hatten nicht den geringsten Erfolg aufzuweisen, obwohl die Leute Schwerstarbeit geleistet haben. Schließlich geht es nicht um unser persönliches Wohl, es geht um England. Ich bin mir über meine Lage durchaus im klaren und muß meine Beschämung in diesen speziellen Fall zurückstellen. Es geht leider nicht anders, wir werden Killigrews Hilfe anfordern müssen, wohl oder übel.“
Thomas Fenner schluckte trocken. Also hat der Alte doch seine Meinung geändert, dachte er. Das mußte ihm wie ein glühendes Messer ins Herz gehen, wenn er den Seewolf um Hilfe bat. Es würde ihn erniedrigen, demütigen, aber ihm blieb tatsächlich kein anderer Weg.
Fenner sah das ein, insgeheim war er auch bereit, diesen demütigen Weg zu gehen, und er würde diesem Killigrew schon einbleuen, was er zu tun hatte.
„Darf ich das so auffassen, Sir, daß ich …“
Drake nickte und breitete die Hände auf dem Tisch aus. Dann stieß er sich leicht ab und erhob sich ruckhaft.
„Ich wüßte keinen geeigneteren Mann als Sie“, sagte er. „Lassen Sie sich hinüberpullen und erinnern Sie Killigrew an das Hilfsangebot. Ich weiß, wie Sie sich jetzt fühlen, Mister Fenner, aber ich denke, Sie verstehen mich.“
„Aye, aye, Sir“, sagte Fenner heiser und erhob sich ebenfalls. „Verlassen Sie sich auf mich, ich werde mit diesem Killigrew schon fertig.“
„Seien Sie vorsichtig“, warnte Drake mit erhobenem Finger. „Killigrew ist nicht irgendwer, der ist aus einem besonderen Holz geschnitzt. Sie haben einen scharfzüngigen ausgekochten Fuchs vor sich, Mister Fenner, dem es an jeglichem Respekt mangelt. Dieser Mann ist ein Freibeuter, er hat es gewagt, sogar Ihrer Majestät, der Königin, die kalte Schulter zu zeigen und zu trotzen. Es dauert sehr lange, bis man sein Vertrauen gewinnt. Er traut nur seinen eigenen Kerlen und sonst niemandem“, setzte Drake bitter hinzu.
„Ich traue mir zu, diesen Burschen in seine Schranken zu verweisen, Sir. Er wird wissen, wie weit er zu gehen hat. Wir sind schließlich auch nicht irgendwer.“
„Ich habe Sie gewarnt“, sagte Drake nur, als die beiden Männer an Deck gingen und Fenner das kleine Boot bestieg.