Читать книгу Seewölfe Paket 8 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 7
3.
ОглавлениеDie Aufregungen rissen nicht ab. Sie häuften sich in geradezu grotesker Weise.
Hasard, der durch überlegtes Taktieren die Vorteile immer auf seiner Seite hatte und den Gegner wie eine Marionette bewegte, erhielt jetzt fast einen Schlag ins Gesicht, als er den grimmigen untersetzten Mann mit dem rötlichbraunen Spitzbart erkannte.
Die Erkenntnis, Francis Drake vor sich zu haben, warf ihn fast um.
Er erkannte ihn auf Anhieb, dieses unverwechselbare Gesicht, die harten grauen Augen, die so kühl blikken konnten, und die stämmige Figur.
Blitzartig rollten längst vergangene Ereignisse vor seinem geistigen Auge ab.
Er starrte Drake in die Augen, der starrte genauso entgeistert zurück, und in diesem Augenblick rollten die Ereignisse noch einmal vor Hasard ab.
Hasard war auf die „Marygold“, die Drake damals befehligte, gepreßt worden, zusammen mit dem damaligen Bürschchen Daniel O’Flynn, dem vorlauten rotzfrechen Bengel. Dort hatte er auch zum ersten Male den Profos Edwin Carberry kennengelernt, der sich seiner damals so „liebevoll“ angenommen hatte. Bei der dann folgenden Prügelei zog Carberry den kürzeren, und Hasard verschaffte sich den ersten Respekt.
Die drei Jahre dauernde erste Weltumsegelung begann, bis Hasard das Kommando über die „Isabella“ erhielt. An der Westküste Südamerikas stießen die beiden unnachgiebigen Männer dann hart zusammen. Anlaß war der Profos Carberry, der auf Drakes Befehl und nach einem Bordgericht den Höfling Thomas Doughty wegen schwerer Verfehlungen hatte köpfen müssen.
Der Bruder des Hingerichteten, John Doughty, sann auf Rache, bis seine Stunde endlich kam.
In dieser Sturmnacht hatte Carberry Wache, und als die Gischt über die „Golden Hind“ stäubte, kriegte er einen Stoß ins Kreuz und flog über Bord. Carberry gelang es, sich am nachgeschleppten Beiboot festzuklammern, doch Doughty war das nicht entgangen, und so kappte er kurzerhand die Leine und ließ das Boot treiben. Erst nach unglaublichen Strapazen erreichte Carberry Land und geriet an die Spanier, die ihn fast zu Tode folterten, bis der Seewolf ihn in Trujillo befreite. Was der Profos dabei durchgestanden hatte, war mit Worten kaum noch zu beschreiben.
Kurz darauf traf der Seewolf wieder mit Drake zusammen. Seine Forderung, den verbrecherischen Doughty vor ein Bordgericht zu stellen, lehnte Drake kategorisch ab.
Daraufhin entstand das schwere Zerwürfnis zwischen den beiden Männern, aber Drake stellte sich vor Doughty und dachte nicht daran, ihn zu bestrafen.
Hasard wandte sich verächtlich von ihm ab, und er glaubte noch heute, Drakes letzte Worte zu hören.
„Hier trennen sich nun also unsere Wege, Killigrew!“
„Grüßen Sie den Mörder“, hatte der Seewolf kalt erwidert, „eines Tages hole ich ihn mir vor die Klinge, und dann erhält er das, was Sie zu feige sind, hier zu vollbringen!“
Drake steckte diese moralische Ohrfeige mit verbissenem Gesicht ein, aber er vergaß sie nie, denn er war nachtragend und trotzig, obwohl Hasard das moralische Recht auf seiner Seite hatte. Drake war nicht der Mann, der vergessen konnte, zumal Hasard sich vor den Profos stellte – in Drakes Augen eine Unmöglichkeit, denn der Profos zählte nach seiner Ansicht zum gemeinen Schiffsvolk und stand rangmäßig weit unter dem Höfling Doughty.
Von da an hatten sich die Wege der beiden Männer getrennt und sie sahen sich nicht mehr wieder – bis zum heutigen Tag.
Drakes Innerstes wurde tief erschüttert, als auch er den Mann erkannte. Die langen schwarzen Haare, in denen der Wind spielte, die eisblauen Augen, die ihn spöttisch und zugleich auch höhnisch musterten, die Narbe, die auf der Stirn begann und sich bis zur Wange zog.
Der Seewolf! Philip Hasard Killigrew! Der wilde unnachgiebige Kerl, der aus einer ganz bestimmten Sorte Eisen geschmiedet war, dieser unbeugsame, harte Bursche, der ihn gedemütigt hatte und dann stolz davongesegelt war.
Nein, Drake hatte ihn nicht vergessen, auch den grimmig blickenden narbengesichtigen Kerl nicht, der neben ihm stand, breit wie eine Rah, und dessen narbiges Gesicht sich ebenfalls zu einem ganz infamen Grinsen verzog.
Drake hielt mühsam die Tränen blanker Wut zurück, die seine grauen Augen wässerig werden ließen. Ein buntes Kaleidoskop wirbelte durch seinen Schädel und verursachte eine Rebellion in seinem Magen. Gedankensplitter schossen ihm durch den Kopf, zusammenhanglos, verwirrend. Bugspriet, Sandbank, aufgelaufen, auf den miesen, hinterhältigen Trick dieses überlegenen Kerls hereingefallen, der es sich ohne weiteres erlauben konnte, zu grinsen und ihm, dem Admiral des Flaggschiffes, blanken Hohn an den Kopf zu werfen.
Das ging Drake unter die Haut, das hinterließ brennende Wunden, die nicht zu heilen waren, das demütigte ihn zutiefst, ließ ihn klein und häßlich werden und zugleich vor Wut kochen.
Seine Erbitterung äußerte sich in einem Ächzlaut, der qualvoll aus seinem zuckenden Mund brach. Er fühlte sich wie ein Seekranker, dessen Magen längst leer war und sich in Krämpfen wand.
Dieser schwarzhaarige Bastard, dachte er benommen. Was niemand wagte, er wagte es, er schoß ihm die Blinde weg, lockte ihn schlitzohrig hinter sich her, ließ ihn eiskalt auf eine Sandbank auflaufen und kehrte dann siegessicher zurück, um ihn zu verspotten.
Hatte er es vielleicht anders verdient, dachte Drake bitter. War er nicht wie ein Narr hinter diesem Killigrew hergesegelt und prompt in die Falle gelaufen? Bestand dieser dreimal verfluchte Killigrew nicht aus ständig neuen Tricks?
Er glaubte, die Mannschaft tuscheln zu hören, wie sie verächtlich über ihn grinsten, wie er an Ehre und Ansehen verlor, von einem lausigen Bastard derart geleimt und schachmatt gesetzt worden zu sein.
Aber die Demütigungen gingen noch weiter.
Carberry, der Profos der ehemaligen „Golden Hind“, unter seinem, Drakes, Befehl stehend, bog sich, hielt sich die Pranken vor den Bauch und begann so schauerlich laut und brüllend zu lachen, daß Francis Drake in heller Wut zum Degen griff und ihn aus der Scheide riß.
Das schien diesen häßlichen narbigen Kerl aber nur noch mehr zu amüsieren, denn jetzt sprang er auf seinen mächtigen Beinen in die Höhe, lachte, bis ihm Tränen in die Augen traten und er sich nicht mehr beruhigen konnte.
Ein verdammtes Schiff voller brüllender und hüpfender Gestalten, dachte Drake, denn jetzt fiel der ganze Chor ein, zeigte zu der aufgelaufenen Galeone, erkannte Francis Drake natürlich auch und lachte, lachte immer schauriger. Und auf der „Elizabeth Bonaventura“ standen sie da, geknickt, beschämt, gedemütigt und mußten sich das Gebrüll dieser Horde rot- schwarz- und blondhaariger Decksaffen anhören, ob sie wollten oder nicht.
Drake war wie betäubt, und er zuckte zusammen, als auf der „Isabella“ der Anker klatschend ins Wasser fiel.
„Sie, Killigrew!“ tobte Drake und schüttelte die Faust, weiß vor grenzenloser Wut im Gesicht. „Das werden Sie büßen, das verspreche ich Ihnen, so wahr ich hier stehe! Dafür gibt es keine Entschuldigung, niemals! Weshalb haben Sie nicht die englische Flagge gezeigt, um diesen Irrtum zu vermeiden!“
Haßerfüllt starrte er in die eisblauen Augen des Seewolfs, der ihn überlegen grinsend musterte, und dem man seine Gedanken fast an der Stirn ablesen konnte.
Seine Stimme durchfuhr Drake wie der Schlag einer Peitsche. Sie klang spottend und trotzdem sehr gelassen.
„Weshalb taten sie das nicht, Sir? Hatten Sie keine Zeit mehr dazu? Nein, natürlich nicht, Sie mußten ja wie ein blutiger Anfänger die Sandbank entern!“
Wieder gab es unter den rauhen Kerlen Gelächter, das der Seewolf mit einer Handbewegung stoppte.
„Ich befehle Ihnen …“ brüllte Drake.
Doch die kühle Stimme unterbrach ihn wieder. „Sie haben mir nichts zu befehlen, Sir, nicht soviel!“ Hasard schnippte mit den Fingern. „Ich bin Ihnen nicht unterstellt, und ich habe auch nicht die Absicht, mich Ihnen jemals unterzuordnen. Das nur zu Ihrer Information! Ich bin und bleibe ein freier Mann, solange bis mich der Teufel holt.“
„Selbst dem wird er sich nicht unterordnen, Sir!“ schrie Carberry mit seiner Donnerstimme dazwischen, und wieder begann lautes Gelächter und brandete wie eine heiße Woge herüber.
„Hoffentlich holt der Teufel Sie heute noch“, zischte Drake in verständlicher Erregung. Immer wieder mußte er sich zusammenreißen, um sich nicht mit lautem Gebrüll über diese elende Schmach ins Meer zu stürzen und zur „Isabella“ hinüberzuschwimmen.
Der Seewolf stand breitbeinig auf dem Achterdeck und lachte. Er empfand diese Situation als köstlich, und er nutzte sie auch rigoros aus, so wie es andere an seiner Stelle auch getan hätten.
Drake erhielt nur die Quittung für sein damaliges Verhalten, egal welchen Rang er auch heute bekleiden mochte. Der Seewolf dachte nicht daran, vor einem Admiral zu kuschen.
„Man sollte sich seinen vermeintlichen Gegner vorher immer sehr genau ansehen, ehrenwerter Sir.“ höhnte er. „Sonst beißt man auf Eisen, und das hat schon so manchen, die Zähne gekostet. Ich will aber nicht nachtragend sein, Sir. Selbstverständlich bin ich gern bereit, Sie von der Sandbank wieder herunterzuziehen. Wir haben ja Erfahrung darin, oder haben Sie vergessen, daß ich Sie damals in Irland, im Blackwater, schon einmal von einer Sandbank geholt habe? Das war die ‚Marygold‘, wenn ich mich richtig entsinne, Sir. Und es war wieder einmal Ihr Starrsinn, der Sie auflaufen ließ, obwohl ich Sie warnte, nicht zu dicht unter Land zu segeln.“
Der Hohn aus den Worten troff wie zäher Sirup über Francis Drake.
Dieser schwarzhaarige Bastard verstand es meisterhaft, ihm vor der gesamten Mannschaft den Rest zu geben. Er deckte schonungslos seine Schwächen auf, die Drake bemüht war, zu verbergen.
Drakes Nerven vibrierten, auf die anderen wirkte er wie ein Pulverfaß, an dem die Lunte brannte.
Er legte alle Kraft in seine Stimme und brüllte: „Scheren Sie sich zum Teufel, Killigrew, fahren Sie zur Hölle! Ich verzichte auf Ihre Hilfe, ich pfeife darauf. Holen Sie den Anker auf, und verschwinden Sie aus meiner Nähe, sonst lasse ich, bei Gott, eine Breitseite auf Sie feuern!“
Hasard lachte stoßartig auf.
„Ehrenwerter Sir!“ rief er zurück. „Sie wollen doch nicht leichtsinnig das Leben Ihrer Crew und das Ihrer Seesoldaten aufs Spiel setzen! Tun Sie, was Sie nicht lassen können, aber ich verspreche Ihnen, daß Ihre ‚Elizabeth Bonaventura‘ anschließend nur noch aus einigen rauchenden Planken besteht! Sie wissen, daß ich mein Wort halte!“
Drake blickte hilflos auf Fenner, der diese Ungehörigkeit des Seewolfs als permanente Ohrfeigen empfand und mit den Zähnen knirschte.
Er hätte vor Wut heulen können, und deutete mit dem Daumen aufs Batteriedeck hinunter, wo die Geschütze standen. Dabei legte er fragend den Kopf schief.
„Ich sollte ihn wirklich zusammenschießen lassen“, murmelte der Admiral. „Dieser impertinente Kerl geistert wie ein Alptraum durch mein Leben.“
„Eine Breitseite ist schnell abgefeuert, Sir“, sagte Thomas Fenner hitzig. „Er kann nur acht Kanonen einsetzen, wir hingegen können ihn total in die Luft blasen.“
Drake schüttelte müde und entsagungsvoll den Kopf.
„Er hat irgendeinen Trumpf in der Hand, das weiß ich, denn sonst könnte er nicht so selbstsicher auftreten. Nein, nein, es geht nicht, daß sich Engländer von Iberiens Küsten gegenseitig bekriegen. Unsere Situation ist prekär genug, Fenner. Wir werden genug zu tun haben, um uns aus dieser Lage selbst zu befreien.“
Fenner hatte den Admiral noch nie so demoralisiert gesehen, und so wandte er sich mit einem Schulterzucken ab.
„Befehlen Sie ihm noch einmal, zu verschwinden!“ rief Drake dem Mann nach.
Fenner trat ans Schanzkleid und brüllte ebenfalls aus voller Kraft hinüber: „Der Admiral verlangt, daß sie augenblicklich verschwinden, Killigrew! Ein drittes Mal wird die Aufforderung nicht wiederholt!“
„So sparen Sie wenigstens den Atem!“ rief Hasard zurück. „Aber wir werden trotzdem bleiben, richten Sie das dem ehrenwerten Admiral aus. Wir werden ihn beschützen, damit kein Malheur passiert, wenn hier Spanier oder Portugiesen aufkreuzen. Wir werden über euch wachen wie besorgte Väter.“
„Jawohl, Sir!“ brüllte der Profos. „Wir behüten euch wie eine Mutter ohne Brust, denn was wollt ihr gegen die Dons ausrichten! Ihr werdet ja nicht mal mit einem fertig! Ihr seht ja nicht einmal die Sandbänke, wenn nicht ständig einer mit der Laterne vor dem Schiff hergeht und euch leuchtet!“
Erneut brandete wieherndes Gebrüll auf. Auf der „Isabella“ amüsierte man sich köstlich, wogegen man auf dem Flaggschiff pausenlos Ohrfeigen einsteckte und nicht der geringste Anlaß bestand, auch nur verschämt zu grinsen.
Drake aber wußte, daß er in eine böse Falle gelaufen war, die ihnen allen zum Verhängnis werden konnte, falls die Dons hier auftauchten, denn diesen fetten englischen Brokken ließen sie sich ganz sicher nicht entgehen, so hilflos wie er war.
Er konnte diesen Killigrew nicht mehr sehen, bei seinen Worten wurde ihm speiübel, und er würde diese Niederlage auch nie verkraften, das wußte er, nie in seinem Leben.
„Sie übernehmen vorläufig das Kommando an Deck, Fenner“, sagte er müde, und über seinen grauen Augen schien ein trüber Schleier zu liegen. „Wir warten ab. Gefechtsbereitschaft bleibt bestehen. Ich glaube, der heutige Tag war etwas anstrengend für uns.“
„Ja, das glaube ich auch, Sir. Aye, aye, Sir, ich lasse Sie wecken, falls etwas Unvorhergesehenes eintritt.“
„Ich habe nicht gesagt, daß ich mich schlafen lege, Mister Fenner“, erwiderte Drake hochmütig. „Ich kann nur den Anblick dieses Schiffes nicht mehr ertragen, ohne krank zu werden.“
„Ich verstehe, Sir.“
Drake ließ die Schultern hängen, als er ging.
„Sie verstehen gar nichts“, murmelte er. „Sie können es auch gar nicht verstehen, es ist reichlich kompliziert.“
Fenner sah ihm nach, als er ging. Ein gebrochener Mann, mit dem er plötzlich Mitleid empfand. Drake schien nicht mehr derselbe zu sein, nicht mehr der harte unbeugsame Admiral.
Genau genommen, dachte Fenner, sah er aus wie ein müder alter Mann, der die Lust am Leben verloren hat.
Und das alles hatte der schwarzhaarige Kerl mit ein paar Worten bewirkt?
Fenner sah zu der Galeone des Seewolfs hinüber. Ihn fror plötzlich, einfach so, aus keinem besonderen Anlaß. Vielleicht waren es die Augen dieses Höllenhundes, die so kalt wie Polareis schimmern konnten.
Drake war noch keine Viertelstunde fort, als er wieder an Deck erschien. Er sah etwas frischer aus und seine Schultern hatten sich wieder gestrafft, aber er vermied es, zu der Galeone des Seewolfs hinüberzublikken.
„Ich war vorhin wohl etwas durcheinander, Mister Fenner“, sagte er kühl. „Natürlich warten wir nicht ab, sondern beginnen unverzüglich mit der Arbeit. Ich möchte nicht auf diesen Killigrew zurückgreifen müssen, es wäre zu beschämend. Wir versuchen selbst, uns herunterzuziehen. Lassen Sie Anker ausbringen, der Profos und der Bootsmann verstehen ihr Handwerk. Treiben Sie die Leute ordentlich an, lassen Sie eine Extraration Rum an die Mannschaften ausgeben. Natürlich sollen Sie das nicht selbst tun, Mister Fenner, geben Sie den Befehl weiter, tut mir leid, wenn ich mich immer an Sie wende, aber Sie verstehen mich schon.“
„Aye, Sir, ich werde alles veranlassen.“
Nachdem die Ration Rum ausgegeben worden war, begann auf der „Elizabeth Bonaventura“ eine äußerst schweißtreibende Arbeit.
Da wurden Boote zu Wasser gelassen, da wurde gebrüllt, geschrien und geflucht, und über allem stand später der Mond und blickte seelenruhig und milde herunter.