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Unter den Gästen

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30. Juli 2022, Landhaus

Wenigstens für die Gäste gab es Alkohol. Zoltan Zoro hätte sich nicht darüber gewundert, hätte Roderich seinen Gästen nur Wasser angeboten, während er vom Hunger und Durst der leidenden Menschheit sprach. Roderichs abgekochtes heißes Wasser verabscheute er und zog Champagner mit Kaviar vor, von dem er sich gerade einen an einer Bar genehmigte. Auch einen guten Whiskey liebte er. Zoltan dachte mit Grausen an das asketische Frühstück, das Roderich heute den wenigen persönlichen Gästen vorgesetzt hatte. An einem runden Geburtstag, so ging es ihm durch den Kopf, hätte man eigentlich die Puppen tanzen lassen können.

Im Hause CUE war Zoltan Zoro das Vorstandsmitglied für Marketing und Vertrieb. Der hochintelligente und durchsetzungsstarke Macher mit der Adlernase und dem kleinen Bart wusste auch in verfahrenen Marktsituationen immer einen Weg. Denn nicht immer waren Roderichs Erfindungen gleich auf reißende Nachfrage gestoßen. Da hatte der Manager, der trotz seiner jungen Jahre bereits eine Halbglatze hatte, oft nachhelfen müssen. Wie etwa bei den vielgelobten Mundreinigungsgeräten, deren Absatz trotz euphorischer Prognosen zunächst sehr schleppend anlief. Erst das von Zoro propagierte Sortiment mit mehreren Modefarben änderte das. Er war ein kritischer Denker und scheute vor keinem Konflikt zurück und seine Erfolge bei Frauen konnte man neben seiner Position vor allem auf seine starke Willenskraft zurückführen.

Beim Zustrom der neuen Gäste galt seine Aufmerksamkeit fast ausschließlich den Frauen. Viktoria aus der Vertriebssachbearbeitung war nicht dabei, das wusste er aus der Gästeliste. Aber es gab durchaus noch andere Damen, die ihm gefielen, wobei er mit den Mitarbeiterinnen des Hauses vorsichtig sein musste. Roderich vertrat da altertümliche Ansichten, die von Sana und Siggi geteilt wurden. Doch seine Chancen ausloten, konnte nie schaden. Und es musste ja nicht unter den Augen von Roderichs Leibwächtern geschehen.

Am Morgen hatte Zoro seinem Chef noch gratuliert.

„Das ist heute ein großer Bahnhof für Dich. Die Welt weiß sicher noch nicht genug, was Du für sie getan hast.“

Doch jetzt, nach der Ansprache vor 500 Gästen wurde ihm klar, dass Roderich viel weiter gehen wollte, als er erwartet hatte. Er war über das ganze Vorhaben nur oberflächlich informiert worden. Sicher weil Paola die Pressekonferenz leiten sollte und den Inhalt schon vorab kennen musste. Zoro hatte das Projekt als alleinstehende philanthropische Aktion aufgefasst und am meisten ärgerte ihn, dass Paola vorher mehr wusste, als er. Schließlich war er ihr Vorgesetzter.

Missmutig trank er seinen Champagner aus und ließ sich noch einmal nachschenken. Er sah große Schwierigkeiten auf sich zukommen als Roderich nach seiner Ansprache durch die Menge ging. Ein wichtiger Kunde kam auf ihn zu und Zoltan konnte sich seinen Gedanken nicht weiter widmen. Thomas Braskonno war der Geschäftsführer einer großen Einkaufszentrale für Elektroartikel und handelte sowohl mit den Sprachchips als auch mit den Mundreinigungsgeräten. Er hatte sie ihm damals persönlich als Sortimentserweiterung verkauft, was einen wesentlichen Umsatzzuwachs bewirkte. Heute, nach dem immensen Wachstum der CUE AG, stand Zoro als Vorstandsmitglied nicht mehr in der direkten Vertriebsverantwortung.

„Hallo, Thomas“, begrüßte er den Kunden mit Handschlag. „Wie gehen die Geschäfte?“

„Bis eben war ich noch zufrieden, Zoltan“, antwortete Thomas und seine Stimme klang gereizt. „Aber nach dieser Ansprache weiß ich nicht mehr, was ich von meinem Lieferanten CUE halten soll. Vielleicht kannst Du mir mehr dazu sagen. Wollt Ihr euch aus Europa zurückziehen? Alles was Roderich Cue eben gesagt hat, bezieht sich doch auf die Entwicklungsländer.“

Zoro nickte.

„Ja, Dein Unverständnis wundert mich nicht. Ich weiß aber kaum mehr als alle eben gehört haben. Eine Konferenz der klügsten Menschen soll ein Programm ausarbeiten.“

Zoro konnte sich nicht vorstellen, wie aus einer solchen Konferenz eine vernünftige Strategie herauskommen sollte. Für ihn gab es nur die Entscheidung durch einen Chef. So hatte er es immer gehalten und war erfolgreich damit gewesen. Die Umsatzentwicklung des Unternehmens hatte das unter Beweis gestellt.

Mit leicht zur Seite gelegtem Kopf sah Thomas ihn an.

„Auf jeden Fall, Respekt, Respekt, mein Lieber. Wenn ein Unternehmen die Welt verändern kann, dann seid Ihr das. Schließlich hat Cue die Welt vor den Gefahren des Klimawandels gerettet. Ich bin gespannt, wie er es dieses Mal anpacken wird.“

„Dann verlass Dich mal darauf, dass CUE die Dinge, die wir anpacken, auch zum Ergebnis bringt.“

Zoro wollte das Gespräch beenden und sich weiter umschauen, was ihm mit ein paar Floskeln auch gelang. Doch schon nach wenigen Schritten begegnete ihm ein weiterer wichtiger Kunde, diesmal aus den USA.

„In unserem Land machen das viele Reiche so“, sagte er unumwunden. „Mit zunehmendem Alter stellen sie fest, dass sie der Gesellschaft etwas zurückgeben müssen und widmen ihr Vermögen ideellen Zwecken. Denken Sie an Bill Gates und Warren Buffet.“

„Nur, dass in den Vermögenswerten hier Welten dazwischen liegen“, antwortete Zoro.

„Umso wichtiger ist die Ankündigung von Roderich Cue. Er hat mich schwer beeindruckt. Wenn er das schafft, wird es einen allgemeinen Aufschwung der Weltwirtschaft geben. Und wenn die armen Leute mehr Geld verdienen wird das zu einer zunehmenden Nachfrage führen.“

Zoro war froh, dass er nicht nach seiner Meinung dazu gefragt wurde.

„Und wo glauben Sie, dass der Plan von Roderich Cue ansetzen müsste?“ fragte er.

„Er müsste als erstes das Energieproblem lösen und die Abhängigkeit vom Öl beseitigen. Dann könnte auch mehr Geld in die Entwicklungsländer fließen und nicht zu den Scheichs oder den Staaten auf Abwegen wie Venezuela und Iran.“

Zoro wollte sich nicht auf eine politische Diskussion mit dem Amerikaner einlassen und entschuldigte sich, nachdem sie zwei gemeinsame Whiskeys genommen hatten.

Schließlich lief er Siggi in die Arme, dem Finanzminister der CUE AG und Roderichs bestem Freund. Nach Zoros Einschätzung durfte er schon länger und intensiver in Roderichs Pläne eingeweiht gewesen sein. War Zoro eher sportlich angezogen – mit schwarzem Hemd, wie er es liebte – so glänzte Dr. Sigurd Eru wie immer im schwarzen Nadelstreifenanzug. Ausschweifend erzählte Zoro ihm von den Gesprächen des Abends und von der allgemeinen positiven Resonanz. Siggi ging dann weiter, was Zoltan recht war, denn nun konnte er wieder nach attraktiven Frauen Ausschau halten.

Die Frau die sich ihm als Korrespondentin der Financial Times vorstellte, wusste genau, wen sie gerade ansprach und bat ihn um ein Gespräch nach der Pressekonferenz, um Mitternacht auf einer Bank im Hintergrund des Festes. Er war von der Erscheinung der Frau mit den rot-schwarzen langen Haaren angetan. Aber aus ihren Bemerkungen, dass Reiche das alles nur aus schlechtem Gewissen heraus machen würden oder rein zu PR-Zwecken, entnahm er eine große Grundskepsis gegenüber den Aktivitäten von Unternehmen.

„Dürfen Unternehmen das überhaupt?“ fragte sie. „Das ist doch nur Hilfsorganisationen und Stiftungen vorbehalten. Wollen Sie mit der Not etwa auch noch Geld verdienen?“

Zoro vermutete, dass sie erst nach der Ansprache von Roderich eingelassen worden war – soweit kannte er das Programm seiner Mitarbeiterin Paola. Sie hatte höchstens ein paar Worte über die weltweiten Absichten seines Chefs aus den Bemerkungen anderer Gäste aufschnappen können. Als sie gegangen war, genehmigte er sich noch ein Glas Champagner. Wie würden sich die Pläne von Roderich auf sein Verkaufsressort auswirken, überlegte er. Wäre das Verkaufen leichter oder schwerer? Wie würden Preisgespräche ablaufen? Er stellte sich darauf ein, dass er im weiteren Verlauf des Festes noch zunehmend mit dem Thema konfrontiert werden würde.

Die Rettung der Welt

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