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3.

Rumpler ging vom Café nicht gleich nach Hause, sondern nutzte den kalten, klaren Wintertag für eine Runde im Volksgarten, der ihn mit seinem Rosengarten faszinierte, aber nicht, wie zu vermuten wäre, im Frühsommer, wenn sich die Blüten in voller Pracht zeigten, sondern vor allem jetzt im Winter. Die vielen Hundert Rosenstöcke waren alle mit Kaffeesäcken aus Jute verhüllt, was ihnen das Aussehen eines abstrakten Kunstwerks gab. Die Säcke waren den Rosen übergestülpt worden und ihre Beschriftung stand daher auf dem Kopf. Gerade dieses Verhüllte und auf den Kopf Gestellte war Rumpler wichtig und verschaffte ihm eine ihm selbst kaum verständliche Befriedigung. Durch jahrelange Übung war er ohne Weiteres in der Lage, die Aufschriften der Kaffeesäcke auch verkehrt herum zu lesen, und in Ermangelung eines Hafens, in dem er von ferne kommende Schiffe hätte beobachten können, ließ er seine Gedanken von den Jutesäcken mit auf die Reise nehmen.

Zum Abschluss seines Volksgartenbesuchs stattete er noch dem Denkmal der Kaiserin Elisabeth einen Besuch ab, wobei seine Aufmerksamkeit diesmal nicht so sehr der Kaiserin selbst galt, sondern den zu ihren beiden Seiten angeordneten Kinderskulpturen, die Krüge trugen, aus denen im Sommer Wasser sprudelte. Sie hielten diese Krüge mit größter Sorgfalt und einem sehr verhaltenen, fast entrückten Lächeln, und wieder fiel Rumpler das seltene Lächeln des kleinen Karl ein, das ebenfalls diese schwer fassliche Qualität gehabt hatte.

Rumpler verließ den Volksgarten in Richtung Heldenplatz, und kaum hatte er die große helle Fläche betreten, als er sich zwar nicht abgestoßen, aber doch ernüchtert fühlte, ganz so als hätte er eine unbestimmte Sehnsucht im Volksgarten zurücklassen müssen. Immer wenn er diesen Weg ging – und er ging ihn ziemlich oft –, hatte er das Gefühl, von der Unausweichlichkeit des Untergangs aus Joseph Roths „Radetzkymarsch“ angeweht zu werden, ja, sogar selbst an diesem Untergang der Monarchie gewissermaßen teilzuhaben, als sei er aus der Zeit gefallen.

Ohne nachdenken zu müssen, stieg er in eine Straßenbahn, verließ sie nach einigen Stationen wieder und ging die paar Hundert Meter zu seiner Wohnung, nicht ohne vorher für Rosamunde und auch sich selbst etwas Schinken gekauft zu haben, um nicht wieder mit leeren Händen zu kommen. Rumplers Wohnung lag in einem Altbau in der Josefstadt, ohne Lift, und wie so oft fragte er sich beim Emporsteigen in den dritten Stock, ob ihn das gesund erhalte oder ob er etwa bei Knie- oder Hüftproblemen nicht in der Wohnung werde bleiben können. Bislang war er von solchen Sorgen weitgehend verschont worden, aber in den letzten zwei oder drei Jahren hatten sich immer wieder einmal da oder dort Schmerzen gemeldet, nicht lange anhaltend, eher nur wie ein Wetterleuchten, Schmerzen, die ihn kaum beschäftigten, aber doch unmerklich an seinen Wurzeln nagten.

Rosamunde empfing ihn gnädig, schnurrte und purrte, wohl wissend, dass er ihr diesmal etwas mitgebracht hatte, sie ließ sich den Schinken aufschneiden und servieren und verspeiste ihn trotz ihrer stattlichen Figur mit einer Gier, die Rumpler an die Zeit zurückdenken ließ, als er sie ausgemergelt und verlaust im Urlaub in Kärnten aufgelesen hatte – oder hatte sie ihn damals aufgelesen? Er wusste es einfach nicht mehr und letztlich war es auch egal. Sie hatten einander gefunden, wie auch immer.

Rumpler griff nach seinem neuen Notizbuch, das er auf dem Tisch hatte liegen lassen, und machte einige Eintragungen, nachdem er in Großbuchstaben wie ein Leitmotiv den seltsamen Satz „Das war nicht er“, der neuerlich vor ihm aufgetaucht war, auf die erste Seite geschrieben hatte. Dann klappte er das Buch zu und schloss kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah er, dass Rosamunde sich auf dem Buch niedergelassen hatte, mit nach innen eingerollten Vorderpfoten und wie ein schnurrender Buddha.

„Gute Katze“, sagte Rumpler, der seit Längerem dem Glauben anhing, dass sich nur die Fälle, die von Rosamunde ausgebrütet wurden, auch erfolgreich lösen ließen.

Kugelwechsel

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