Читать книгу Zweiter Sieger - Ruth Broucq - Страница 12
Rückendeckung
ОглавлениеMeine Schwiegermutter bestärkte mich in meiner Ansicht, sie meinte: „Der soll sich ja nicht wagen mich zu fragen ob ich nach den Kindern sehe, dem erzähle ich etwas anderes. Missverstehe mich bitte nicht, Ruth, aber der muss sich nicht amüsieren während du arbeitetest. Der Robert hat Vergnügen genug. Er soll froh sein, dass er eine so fleißige Frau hat, die versucht das Ganze geregelt zu kriegen und bei zwei Kindern noch mitarbeitet. Der Pappi ist sicher der gleichen Meinung und wird ihm das auch mal ganz deutlich sagen, da sorge ich für.“
„Ist ja klar, hast dich mal wieder bei meiner Mutter ausgeheult und die hat mir den Alten auf den Hals gehetzt, danke! Blöde Pflaume, glaubst du das nützt dir was? Ich bin doch kein Kleinkind mehr, dass ich Angst vor dem Papa hab, nee!“ Musste ich mir zwei Tage später anhören, ausgerechnet kurz bevor ich meinen ersten Arbeitsbeginn antreten musste.
Der Geschäftsführer stellte mich dem restlichen Personal vor.
In der Disco Pferdestall gab es noch zwei weitere Kellner, ein junger Mann und eine junge Frau, und zwei Mädels hinter der Bar, von denen eine die Kellner-Ausgabe machte. Mit dem Rücken zur Theke hatte der DJ Frank seinen Platz etwas erhöht, er winkte mir von oben herab kurz zu. Im Gegensatz zu den Anderen schien Frank arrogant zu sein, denn die hatten mir die Hand gegeben und mich freundlich Willkommen geheißen. Ich hatte allerdings das Gefühl von meinen Kollegen etwas mitleidig angesehen zu werden, weil der Schlafwagen als Arbeitsbereich für Anfänger angesehen wurde. Das beste, also umsatzstärkste Revier bediente die Kollegin Andrea, die Freundin des Geschäftsführers. Klar, Protektion im Kleinen.
Stefan, der männliche Kollege, erklärte mir kurz den Ablauf an der Getränkeausgabe und zeigte auf die Preisliste, die dort aushing.
„Und einen guten Rat gebe ich dir, Ruth“, sagte er freundlich aber eindringlich, „immer direkt kassieren. Niemals warten, oder erst das zweite Getränk holen. Egal ob die meckern oder nicht, sonst sind die weg und du hast Manko in deiner Abrechnung. Du musst es dann bezahlen, und hast umsonst gearbeitet. Denn der Jäger zieht dir das gnadenlos ab!“
Ich bedankte mich und wartete auf die ersten Gäste, neben der Ausgabe stehend.
Allmählich füllte sich die Disco, aber die jungen Leute liefen alle an meinem Revier vorbei Richtung Tanzfläche.
Ich musste wohl eine ziemlich enttäuschte Miene gemacht haben, denn Renate, die Barfrau, sprach mich an: „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Ruth, deine Gäste kommen noch, aber das sind die besseren Zahler. Sei froh, dass du nicht vorne an der Front arbeitest, die Kollegen rennen sich die Füße wund mit Cola und Bier. Du wirst heute noch genug zu schleppen kriegen, also genieße deine Pause vor dem Sturm.“
Sie sollte Recht behalten. Weil sich das ältere Publikum in meinem Revier niederließ, machte ich einen mächtigen Umsatz, denn diese Gäste bestellten Longdrinks, Cocktails oder Sekt, also die teuren Getränke. Das jugendliche Publikum meiner Kollegen verzehrte Cola oder Bier, dementsprechend geringer war der Gewinn, sprich Umsatz, oder sie mussten sehr schnell richtig viel schleppen.
Zu fortgeschrittener Stunde trafen die Besitzer ein. Horst Waldmann sah mich nachdenklich an, grunzte aber nur: „Aha, ne Neue? Schön! Freut mich!“ dann ging er zu dem reservierten Tisch gleich am Rande der Tanzfläche, ganz links, ziemlich abseits von den anderen Tischen. „Personal“ stand auf dem Messingschild welches die Reservierung auswies. Wie ich später erfuhr hätte darauf „Chef“ stehen müssen, denn niemand vom Haus durfte dort sitzen.
Frau Waldmann hatte mich keines Blickes gewürdigt, dabei hatte sie mir, als wir uns Kennen lernten, mal einen Vortrag über freundlichen Umgang mit den Mitmenschen gehalten. Vermutlich waren Angestellte ausgeschlossen.
Dumme Ziege, dachte ich nur.
Leider musste ausgerechnet ich den Tisch der Besitzer sauber halten. Zwar brachte der Geschäftsführer den Herrschaften die Getränke und setzte sich dann dazu, aber Gläser bringen und abräumen, Aschenbecher leeren, wurde mir aufgetragen. Und die qualmten wie die Schornsteine.
Erst kurz vor Feierabend schien der Chef meine Anwesenheit zu bemerken, denn er sprach mich plötzlich an: „Und wie gefällt es dir bei uns, junge Frau?“
„Bis jetzt hab ich nichts auszusetzen!“ antwortete ich kess.
„Dann gib mal deinen Einstand“, forderte Herr Waldmann. „Was ich trinke weißt du ja, Bourbon!“
Ich stutzte kurz, war im ersten Moment verunsichert, dann reagierte ich schnoddrig: „Ein guter Witz, Chef. Du hast mehr Geld als ich, also solltest du mir mal zum Einstand einen Drink ausgeben!“
Ohne auf eine Antwort zu warten, wendete ich mich ab und ging in Richtung Schlafwagen. Mit ab- und aufräumen meines Reviers reagierte ich meinen Ärger ab. So ein Affe, dachte ich. Was diese Leute sich denken, erst tun sie so als würden sie mich nicht kennen, und dann will der Kerl auch noch ein Getränk schnorren. Geld scheint den Charakter zu verderben.
Als ich meinen Umsatz errechnete war ich freudig überrascht, denn mit dieser Höhe hatte ich nicht gerechnet, auch das Trinkgeld war recht üppig. Allerdings wurde meine Freude sofort wieder gedämpft, weil bei der Abrechnung von den verdienten fünfzehn Prozent ein Teil wieder abgezogen wurde. „Das stimmt doch nicht“, reklamierte ich direkt. „Das sind ja nur zehn Prozent. Wieso das denn?“
Harald Jäger erklärte: „Aber du musst doch Sozialabgaben zahlen, ist dir das nicht klar? Deshalb halten wir einen Teil zur Sicherheit fest, wenn du deine Arbeitspapiere abgegeben hast, machen wir monatlich die richtige Abrechnung.“
Dagegen hatte ich kein Argument. Immerhin hatte ich selbst mit der gekürzten Summe noch sehr gut verdient, denn das Trinkgeld trug dazu bei. Froh und glücklich fuhr ich mit dem ersten Bus nach Hause.
„Na, schöne Nacht gehabt? Hast du dich gut amüsiert im Pferdestall?“ wurde ich von meinem Ehemann begrüßt als ich nach Hause kam.
„Bist du bescheuert? Kellnern hat nichts mit amüsieren zu tun! Ich habe malocht wie ein Berserker. Hast du schlecht geschlafen oder wie?“ entgegnete ich verärgert.
Nachdem ich den Kindern Frühstück gemacht hatte, wurde mir erst mein neues Problem bewusst. Wann sollte ich schlafen? Ich war todmüde, deshalb bat ich meinen Mann: „Kümmerst du dich bitte um die Kinder? Ich muss jetzt erst mal schlafen!“
Aber Robert wollte auch aus dem Haus, er widersprach: „Nein, das kann ich nicht. Ich habe noch zu arbeiten. Um die Kinder musst du dich selbst kümmern, kannst dich ja heute Nachmittag hinlegen. Ich gehe gleich!“
Ich protestierte energisch: „Nein, Robert, das schaffe ich nicht! Du wolltest unbedingt dass ich mir eine Arbeit suche, das habe ich nun. Nach so einer schweren Arbeit, noch dazu die ganze Nacht, kann ich nicht noch bis Mittag aufbleiben. Nimm die Kinder mit, aber jetzt bist du mit der Beaufsichtigung dran!“
„Aber das geht nicht, ich muss noch Kundenbesuche machen.“ Sagte er und ging einfach hinaus.
Ich war fassungslos, fühlte mich zu schwach hinter ihm her zu laufen um ihn aufzuhalten, saß wie versteinert am Küchentisch.
Als habe sie es geahnt, erschien meine Schwiegermutter wie gerufen: „Guten Morgen. Wieso fährt der Robert denn weg? Lass den man zurück kommen, dem werde ich was erzählen. Mein Gott, du musst doch hundemüde sein. Geh mal schlafen, ich nehme die Kinder mit runter.“
„Danke Mami, ich falle auch fast um vor Müdigkeit. Aber er ließ sich nicht von seinen Kundenbesuchen abhalten.“ Stöhnte ich dankbar und verschwand schnell ins Schlafzimmer.
Als ich am Nachmittag wach wurde, fiel mein Mann gleich verbal über mich her. „Das zahle ich dir heim, dass du mal wieder meine Mutter gegen mich aufgehetzt hast, blöde Kuh!“
Robert war so wütend dass er kein Gegenargument zuließ. Er schimpfte noch eine ganze Weile, sodass ich mir jegliche Antworten sparte. Ich ließ ihn einfach reden und kümmerte mich um Haushalt und Kinder, versuchte noch ein wenig Ruhe zu erhaschen.
Der Samstag war mein nächster Arbeitstag, also stylte ich mich am frühen Abend um zur Arbeit zu gehen. Die zynische Bemerkung meines Mannes: „Toll was? Jetzt kannste wieder in deine Disco abhauen. Biste froh dass du abhauen kannst?“ ignorierte ich einfach.
Ich brachte noch den Kleinen ins Bett, ermahnte Ramona, artig zu sein und griff meine Handtasche.
„Ich fahre dich eben!“ gab Robert sich plötzlich großzügig, was ich nur mit einem Nicken bestätigte. Auf lange Diskussionen hatte ich genauso wenig Lust wie auf Streitereien.
Nach einer schweigsamen Fahrt bekam ich sogar noch einen Abschiedskuss.
Wie großzügig, dachte ich nur und war tatsächlich froh in die Kellerdisco verschwinden zu können.
Der zweite Arbeitstag war noch erfolgreicher als die Nacht zuvor. Der Umsatz war fantastisch, die Trinkgelder ebenfalls, alle Gäste schienen in Geberlaune zu sein. Richtig glücklich fuhr ich am frühen Sonntagmorgen nach Hause.
„Das war eine gute Entscheidung im Pferdestall zu arbeiten! So viel könnte ich nirgendwo so leicht verdienen.“ Berichtete ich am Nachmittag meinen Schwiegereltern beim Kaffeetrinken.
Sofort kam die Rückendeckung durch meine Schwiegermutter: „Und du musst das mal honorieren, Junge, und deine Frau besser unterstützen. Nachtarbeit ist sowieso schon anstrengend genug und noch dazu in einem so lauten Umfeld, das schlaucht. Dass die Ruth danach noch stundenlang auf die Kinder aufpassen soll, kannst du ihr nicht zumuten. Es ist doch normal, dass sie danach erst mal schlafen muss!“
Als ob er sich unterbewertet fühlte erwiderte Robert fast beleidigt: „Nun übertreibt das mal nicht so, ihr tut ja so als hätte ich nichts zu tun. Ich muss mich auch nach meinen Kunden richten und mir meine Zeit frei einteilen können. Meine Arbeit geht nun mal vor. Manchmal muss das eben auch samstags sein. Schließlich habe ich soviel Aufträge, dass ich noch einen zweiten Gesellen einstellen musste. Er fängt morgen an!“ ließ mein Mann die Katze aus dem Sack.
Wir sahen ihn alle erstaunt an.
„Noch den zweiten Gesellen?“ fragte ich fassungslos. „So viele Aufträge hast du bekommen? Wieso habe ich das denn nicht mitgekriegt?“
„Was verstehst du schon davon?“ sagte mein Mann abwertend.
Die Rettung der schwierigen Lage erschien am nächsten Vormittag. Meine Oma kam zu Besuch.
Sie war ein sehr gern gesehener Gast in unserer Familie, unsere Kinder liebten die „Tick-Tack-Oma“ sehr. Natürlich nicht nur weil sie eine liebevolle alte Frau war, auch weil sie, obwohl sie Sozialhilfe-Empfängerin war, immer Süßigkeiten in der Tasche hatte. Mit ihren Zweiundachtzig Jahren war sie immer noch die rüstige energische Frau, die ich seit meiner Kindheit kannte, und die mir in einigen schwierigen Situationen hilfreich zur Seite gestanden hatte.
Auch zu diesem Zeitpunkt kam die „Tick-Tack“ wie gerufen. Als ich ihr von meinem Schlaf-Problem nach meiner neuen Nachtarbeit berichtete, bot sie mir spontan an, die nächsten Wochenenden bei uns zu verbringen um mich zu entlasten. Erfreut und dankbar stimmte ich sofort zu.
Selbst mein Mann freute sich über den Besuch und das Angebot, was auch ihn entlastete und ihm am Samstag mehr Freiraum geben würde.
Trotzdem konnte Robert es nicht lassen die alte Dame mit seinen dummen Sprüchen zu flachsen, und begrüßte die Oma: „Mensch Oma, du lebst ja immer noch. Irgendwann müssen wir dich erschießen, freiwillig verabschiedest du dich wohl nicht, was?“
Ärgerlich tadelte ich ihn: „Lass doch die widerlichen Witze, Robert! Wir können darüber nicht lachen!“
Mein Mann fand sich und seine unmöglichen Flachsereien ganz toll, er lachte salbst laut, während meine Oma das ignorierte und mit keiner Miene zeigte wie sie das empfand. Sie hatte eine unnachahmliche vornehme Haltung, woran man selbst im hohen Alter ihre adlige Abstammung noch erkennen konnte.
Launig erzählte mein Mann von seinen umfangreichen Arbeiten und davon dass er auch mit dem neuen Gesellen, Walter, einen guten Griff getan hatte.
Trotz Roberts übertriebenem Eigenlob wurde es noch ein gemütlicher Abend und wir boten der Oma an, über Nacht zu bleiben.
Durch die unerwartete Kinderbetreuerin am Wochenende hatte ich zusätzlich noch eine fleißige Haushalthilfe, was natürlich auch unserem ganzen Familienleben zugute kam.
Zwar konnte ich mit meinem Verdienst einen großen Teil der Haushaltskosten bestreiten, aber wirklich voran brachte uns diese Zusatzeinnahme nicht. Denn davon, dass nun drei Maler unsere Aufträge bearbeiteten merkte ich finanziell nichts. Es kam einfach nicht genügend Geld rein.
„Verdammt noch mal Robert, wieso hinken wir denn immer noch mit den Einnahmen hinterher, und kriegen die alten Rechnungen nicht bezahlt? Nun arbeitet ihr zu dritt, aber es reicht vorne und hinten nicht. Das verstehe ich nicht. Erklär mir das mal!“ fragte ich eines Tages ärgerlich.
„Was kann ich denn dafür wenn die Kunden so spät erst bezahlen? Das ist im Handwerk eben so, da müssen wir mit leben!“ war die hilflose Antwort.
Aber damit wollte ich es nicht bewenden lassen, deshalb kritisierte ich: „Damit können wir aber nicht leben, weil wir so einfach nicht klar kommen. Dann musst du deinen Kunden mal die Rechnung selbst bringen und gleich kassieren. Die Leute werden sicher Verständnis dafür haben, dass eine junge Familie nicht endlos auf die Bezahlung warten kann. Aber wenn du die Rechnung per Post erst nach einer Woche schickst, müssen die ja glauben, wir hätten das Geld nicht so dringend nötig!“
Empört widersprach mein Mann: „Hast du sie noch alle? Ich kann doch nicht bei meinen Kunden um die Kohle betteln? Wie sieht das denn aus? Nee, das mach ich nicht, vergiss es!“
„Nicht? Du schämst dich um dein eigenes Geld zu fragen? In Ordnung, machen wir anders, du gibst mir schnellstens die Zahlen und ich schick die Rechnung per Post. Aber wirklich schnell. Bei Aufträgen die länger als zwei bis drei Tage dauern, in drei Abschnitten. Ein Drittel akonto wenn du angefangen hast, ein Drittel bei halber Arbeitsleistung, und den Rest bei Fertigstellung. Mir macht es nichts aus um unser Geld zu fragen. Ich kann auch zum kassieren hingehen. Was meinst du dazu?“ Ich hatte zwar sachlich erläutert wie ich mir das dachte, mich aber dennoch in Rage geredet.
Als wäre er erleichtert stimmte er sofort zu: „Mach wie du willst, ja, mach das! Schnell die Rechnung schicken ist gut, aber nicht hingehen, das sieht nicht gut aus.“
Die unangenehmen Dinge auf mich abzuwälzen war sowieso eine seiner Angewohnheiten, das kannte ich schon.
Was ich einige Tage später, auf dem Weg zum Wochenmarkt entdeckte, war allerdings etwas Neues für mich und versetzte mich in Staunen.
Ich war gerade an der Schule vorbei gegangen, als ich gegenüber meines Mannes Auto vor der DEA-Tankstelle stehen sah. Neugierig ging ich auf die gegenüberliegende Straßenseite und entdeckte meinen Mann seelenruhig in dem Tankhäuschen sitzen. Robert war mit dem Tankwart, seinem Freund, Kurt-Heinrich Schürzenberg, bei einem gemütlichen Plauderstündchen.
Gerade wollte Robert eine Bierflasche zum trinken ansetzen, als ich kommentierte: „Prost! Ich hoffe es schmeckt? Was machst du denn hier?“
Ungerührt antwortete mein Mann: „Bier trinken, siehst du doch!“
„Und wo sind deine Gesellen?“ wollte ich es genau wissen.
„Na, wo wohl? Auf der Baustelle!“ ließ mein Mann sich nicht aus der Ruhe bringen. „Und, was willst du hier? Mir hinterher spionieren?“ schnauzte Robert mich ärgerlich an.
„Nein, ich bin nur auf dem Weg zum Markt. Aber meinst du denn, dass du die Beiden alleine lassen kannst? Dass die dann auch arbeiten?“ sorgte ich mich.
„Weiber! Ich mach das schon. Kümmere dich mal um Kinder und Haushalt und überlasse alles andere mir!“ Prahlte er großspurig.
„Hoffen wir das Beste!“ zweifelte ich.
Dieser Vorfall verfolgte mich gedanklich den ganzen langen Tag, sodass ich meinen Mann abends darauf ansprach: „Sag mal Robert, bist du öfter längere Zeit von der Baustelle weg? Kann es sein, dass die beiden Jungens sich dann nen gemütlichen Tag machen und wir deshalb nicht von der Stelle kommen?“
„Quatsch!“ Dementierte mein Mann sofort. „ Du siehst direkt wieder Gespenster! Nur weil ich mal ab und zu ein Bierchen bei der Schürze, auf der Tanke, trinke, deshalb geht doch die Welt nicht unter. Außerdem übertreibst du mal wieder!“ spielte er die Wichtigkeit herunter.
Ich sah ein, dass es sinnlos war, näher auf das Thema einzugehen, nahm mir aber vor, meinen Mann etwas besser im Auge zu behalten, so lange er Baustellen in der Nähe hatte.
Zwar bearbeiteten nun drei Maler unsere Aufträge, aber es änderte sich nichts. Und obwohl ich mich der Rechnungsstellung angenommen hatte, klappte das Kassieren unserer Rechnungen nicht besser. Bei dem nächsten größeren Auftrag, einer Treppenhaus-Renovierung, hätte unser neues System eigentlich perfekt klappen müssen, aber es kam anderes.
Die Arbeit war für zehn bis vierzehn Tage anberaumt, so dass ich gleich am ersten Arbeitstag die a-Konto-Forderung über ein Drittel der Rechnungssumme per Post an die Kunden verschickte. So war unsere Absprache.
Am zweiten Arbeitstag kam Robert wie üblich zum Mittagessen und erklärte mir recht aufgebracht: „Also, dein neues System kannst du vergessen, das geht nicht! Ich habe mich heute Morgen so geschämt, nein, Ruthchen, das geht nicht!“
Erstaunt wollte ich wissen: „Wieso?“
Ärgerlich erzählte er: „Als die Kundin ihre Post reingeholt hatte, kam sie Minuten später wieder ins Treppenhaus und rief mich, um mir zu sagen, dass ich heute Mittag, wenn ich zum Essen fahre, vorher bei ihr anklingeln soll, um das Geld mitzunehmen. Ich war so perplex, dass ich gefragt habe, welches Geld. Da zeigte sie mir deine a-Konto-Forderung. Das war mir so peinlich, dass ich gesagt habe, sie könne mir das auch die nächsten Tage noch mitgeben, das wäre ja nicht so eilig!“
„Was?“ schrie ich empört. „Was hast du gesagt? Ich hab mich wohl verhört? Dir ist das peinlich dein eigenes Geld zu nehmen? Hast du eigentlich nicht alle Tassen im Schrank? Wofür arbeitest du denn, und weshalb wollten wir das denn so machen mit den Rechnungen? Was bist du für ein Arsch Ich kotz gleich!“
Auf diese Art konnte bei uns nichts wirklich funktionieren, weder mit den Geldeingängen noch mit dem Kassieren. Aber meine Einwände waren sinnlos, mein Mann akzeptierte meine Meinung nicht.
Selbst die Rückendeckung, die ich durch seine Eltern erfuhr, konnte seine Überheblichkeit nicht schmälern.