Читать книгу Zweiter Sieger - Ruth Broucq - Страница 13
Scherben
ОглавлениеDie Stimmung wurde immer schlechter, unsere Ehe war eine einzige Katastrophe.
Vermutlich wollte sich auch mein Mann von unserem frustrierenden Alltag ablenken und mehr Vergnügen hinein bringen, denn er lud unnatürlich häufig Freunde zu uns ein. Unser Haus glich einem Taubenschlag, die befreundeten Paare gaben sich fast die Tür in die Hand. Während es mir schon zu viel wurde, sonnte sich Robert in der Bewunderung seiner Kumpels, welch erfolgreicher großzügiger Geschäftsmann er doch war. Seine Art aufzuschneiden, seine bescheidenen Aufträge zu großen wichtigen Erfolgen zu machen, waren Himmelschreiend. Dass es seinen Freunden nicht auffliel konnte ich kaum glauben, aber ganz offenbar nahmen sie den Angeber entweder nicht ernst, oder es war ihnen egal. Sie taten ihm den Gefallen und bewunderten ihn, ließen sich bewirten.
Ich fand es zum kotzen, aber was sollte ich machen?
Während wir über unsere Verhältnisse lebten, wurde unser Schuldenberg immer größer, denn meine Wochendend-Beschäftigung brachte gerade das Geld für unseren Lebensmittel-Bedarf. Von den geschäftlichen Einnahmen konnten kaum die Löhne und Sozialabgaben bestritten werden. Alles andere blieb liegen, machte den Stapel unbezahlter Rechnungen immer höher.
Unsere eheliche Beziehung war auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt, als ein gemütlicher Abend ein explosives Ende fand.
Eigentlich hatte der Samstagabend einen schönen und lustigen Verlauf genommen, an dem Karl-Herrmann und Gundula bei uns zu Gast waren. Wir hatten uns nett unterhalten- Musik gehört und Witze erzählt und wie immer war dem Alkohol reichlich zugesprochen worden. Das meiste hatte natürlich mein Mann mal wieder getrunken.
Zu vorgerückter Stunde machte sich Roberts hoher Alkoholspiegel deutlich bemerkbar, er lallte etwas, schwankte leicht und wollte unbedingt tanzen. Gundula war wohl auch schon recht angeheitert, sodass sie sich bei sanfter Schmusemusik eng in Roberts Arm schmiegte. Der Tanz glich mehr und mehr einem Geschlechtsakt, so klammerten sich die beiden aneinander fest und Roberts Hände glitten in Regionen, die eigentlich Gundulas Ehemann vorbehalten sein sollten.
Karl-Herrmann und ich saßen weit von einander entfernt auf den beiden Sofas und waren eher peinlich berührt als amüsiert, als Robert uns aufforderte: „Los, ihr trüben Flaschen, tanzt doch auch mal. Ist ja langweilig wie ihr da auf einem Fleck klebt als wärt ihr angeleimt! Macht doch mal Spaß!“
Beide waren wir uns einig und wehrten das Ansinnen entschieden ab, denn wir konnten nicht daran vorbeisehen, worauf das Ganze abzielte, und das war absolut nicht in unserem Sinne. Also schüttelten wir den Kopf und blieben sitzen. Jedoch kritisierten wir das Verhalten unserer Ehepartner mit keinem Wort.
Das schien meinem Mann jedoch nicht auszureichen, denn er drängte weiter: „Seid doch nicht so stur, ihr zwei! Was ist denn schon dabei, wenn wir mal ein bisschen Abwechslung in unser Leben bringen? Wir sind doch erwachsene Leute, man kann doch nicht immer nur Eintopf essen, ab und zu will man doch mal in ein saftiges Stück Fleisch beißen, oder? Wir sind doch unter uns, mach doch mal mit. Ruthchen, komm, der Karl-Herrmann hat bestimmt nichts dagegen, mal nen anderen Stich zu machen. Komm, es liegt bestimmt nur an dir. Sei mal locker!“
Das war mir denn doch zu viel und ich empörte mich: „Sag mal schämst du dich eigentlich nicht? Wie kannst du denn deiner Frau so etwas zumuten und deinem Freund so ein Angebot machen? Ich denke, du hast zu viel getrunken und weißt nicht was du gerade gesagt hast…..“
Wütend ließ Robert seine Tanzpartnerin los, schob Gundula von sich und griff eine Whisky- Flasche vom Tisch, hob sie hoch und schlug die Flasche mitten auf den Wohnzimmertisch. Während die Flasche und der Glastisch in Tausend Scherben zerbrachen und die Glassplitter sich in Windeseile auf dem Teppichboden verteilten, schimpfte mein Mann: „Du blöde Trockenpflaume, du gönnst einem Mann auch gar nichts! Den ganzen Spaß musst du mir verderben, wieso ich dich geheiratet habe, das werde ich nie begreifen.“
Karl-Herrmann war aufgesprungen, Gundula stand wie erstarrt und mir kamen die Tränen des Zorns, aber der Einzige der einfach aus dem Raum ging, Richtung Schlafzimmer, war der Verursacher des Schadens.
Robert ging ohne ein Wort einfach schlafen, unsere Gäste verabschiedeten sich schnell, und ich war letztlich die Dumme, die über mehrere Stunden mit dem Staubsauger die Scherben bekämpfte.
Es war ein Wunder, dass die Kinder einen so festen tiefen Schlaf hatten und nichts von alledem mitbekommen hatten. Noch am nächsten Vormittag sperrte ich das Wohnzimmer ab und ging mit neuem Staubsauger-Beutel weiterhin auf Scherbenjagd. Das war mein Sonntagsvergnügen. Robert verzog sich in den Partykeller und ignorierte die Sache.
In unserer Ehe war Eiszeit angebrochen, denn ich konnte und wollte meinem Mann nicht so einfach verzeihen, dass er ganz offensichtlich sein Begehren nach einer anderen Frau gezeigt hatte. Was ich aber ganz unverzeihlich fand war, dass er mich als gefühllos und kleinlich beschimpft hatte. Nein, so einfach wollte ich es dem Abtrünnigen nicht machen. Also ignorierte ich ihn so gut es möglich war.
Aber das Schweigen fand schon bald ein Ende weil die Ereignisse Redebedarf erzeugten. Es flatterte eine gerichtliche Mahnung ins Haus. Die Firma Friedhoff hatte die lange Geduld aufgegeben, nun wollten sie die komplette Summe der überfälligen Material-Rechnungen auf einmal haben.
„Robert, jetzt haben wir den Mist! Friedhoffs haben das Gericht eingeschaltet, die wollen ihr ganzes Geld auf einmal haben. Über fünftausend Mark, wie sollen wir das denn bezahlen?“ empfing ich meinen Mann in seiner Mittagspause.
Robert nahm mir den Gerichtsbescheid aus der Hand und starrte darauf als könne er die Zahlen reduzieren. Achselzuckend legte er dann das Schreiben auf den Tisch und sagte gelassen: „Dann werde ich eben mit der Bank sprechen, dass die uns einen Kredit geben, wird schon irgendwie klappen! Ich geh gleich mal eben zu meinem Sachbearbeiter, jetzt mach mir was zu essen auf den Teller, ich hab Hunger.“
Als Robert mir am Abend von dem Gesprächsergebnis berichtete war ich keineswegs überrascht: „Klar, ich habe mir schon gedacht, dass die Bank dir keinen Kredit gibt.“ Fand ich den Bericht ganz natürlich.
„Was du dir alles denkst, Frau Schlau, aber das ist kein Problem. Schließlich kriege ich einen Kredit wenn jemand bürgt. Ich werde meine Mutter fragen, die hilft mir sicher.“ Gab er sich siegesbewusst.
Ich zweifelte: „Hoffentlich, aber ich glaubs nicht!“
Tatsächlich sollte ich Recht behalten, denn die Schwiegereltern gerieten über Roberts Ansinnen fast in Streit. Während seine Mutter zögerlich war, erst wissen wollte wie ich dazu stünde, lehnte sein Vater direkt rundweg ab! So rigoros überstimmt zu werden gefiel der Schwiegermutter gar nicht, sodass die beiden in eine kurze heftige Diskussion gerieten.
„Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!“ hatte die Mutter zum Schluss entschieden, was ihr Ehemann mit bösem Blick quittiert hatte.
„Ich wusste doch dass meine Mutter mich nicht im Stich lässt, die will aber erst mit dir reden.“ Berichtete Robert als sei es schon zu seinen Gunsten entschieden.
„Wenn du mir garantierst, dass ihr die Kreditraten korrekt bezahlt, bürge ich für den Kredit, Ruth. Aber dazu musst du wissen, ob du genug verdienst. Denn der Robert schafft es ja offenbar nicht, das ist nicht zu übersehen.“ Sagte meine Schwiegermutter frei heraus. „Du solltest aber als erstes mit der Firma Friedhoff reden, um etwas Geduld bitten und auch gegen den Bescheid Widerspruch einlegen. Wenn der Bescheid rechtskräftig wird, ist Roberts Auskunft kaputt. Dann ist Robert nicht mehr kreditwürdig, weil das dreißig Jahre in seiner Schufa steht. Am besten kümmerst du dich darum, du kannst das besser, das hast du ja bewiesen.“ Riet sie mir eindringlich.
Ihre Anspielung auf die Sache mit dem Führungszeugnis fand ich zwar schmeichelhaft, konnte aber keine Gemeinsamkeit mit Roberts Materialschulden sehen.
Dennoch ging ich zu dem Laden für Malerbedarf und sprach mit der ersten Verkäuferin. Die Dame war mir bis dato immer recht seltsam und auch nicht unbedingt sympathisch erschienen, deshalb wunderte ich mich über ihre sehr zugängliche Art.
Sie versprach mir, sich bei der Geschäftsleitung für uns einzusetzen und eine Fristverlängerung zu bewirken. „Das könnte ich ja gar nicht verantworten, wenn eine so nette junge Frau wie Sie in Turbulenzen käme. Ich regle das für Sie, Frau Woods, machen Sie sich keine Sorgen. Bestellen Sie ihrem Mann liebe Grüße.“ Gab sie mir mit auf den Weg.
„Das Fräulein Hermes scheint ja einen Narren an dir gefressen zu haben, oder hattest du mal was mit der?“ fragte ich misstrauisch meinen Mann.
Robert lachte laut auf, konnte sich kaum beruhigen als er mir glucksend erklärte: „Die Hermes soll was von mir wollen? Ha, ha, ha, nee, vermutlich eher von dir. Bist du wirklich so naiv? Das ist doch ne Lesbe!“
„Ja? Und woher soll ich das wissen?“ fragte ich erstaunt.
„Sieht man doch, Dummchen!“ lachte Robert mich aus.
„Ich nicht!“ sagte ich beleidigt.
Mit meiner Schwiegermutter beriet ich das weitere Vorgehen, ich bat sie um Rat bezüglich meiner Idee.
„Wenn ich unsere Misere in den Griff kriegen will, muss ich mehr Geld verdienen, mit den Kellnerprozenten komme ich nicht weit. Ich werde die Kinder im Hort anmelden und den Taxischein machen, dann kann ich Halbtags Taxi fahren, damit müssten wir besser klar kommen. Was meinst du?“
„Ein guter Gedanke, mach das.“ Riet sie mir und versprach: „Und wenn du das finanzielle regelst, übernehme ich auch die Bürgschaft. Ich weiß dass man sich auf dich verlassen kann. Mein Sohn ist mir zu oberflächlich und leichtlebig.“
Trotzt der Skepsis meines Mannes begann ich alles in die Wege zu leiten.
Mit dem Kitaplatz für den Kleinen und die Nachmittags-Betreuung für Ramona hatte ich gleich das Glück im evangelischen Kindergarten eine Zusage zu bekommen. Bereits ab dem nächsten Monat konnten die Beiden dort hinkommen.
Für den Personenbeförderungs-Schein brauchte ich den Nachweis ausreichender Fahrpraxis, die ich aber durch Bescheinigungen meines Vaters und meines Ehemannes belegen konnte, dass ich deren Fahrzeuge regelmäßig gefahren hatte. Das reichte dem städtischen Ordnungsamt. Dann musste ich zur Amtsärztlichen Untersuchung und ein Augenärztliches Gutachten beibringen, bevor ich zur Ortskunde-Prüfung zugelassen wurde.
Alle diese Dinge hatte ich innerhalb drei Wochen geregelt und die Ortskunde-Prüfung beim Ordnungsamt leicht absolviert, sodass ich meinem Mann strahlend meinen Personen-Beförderungsschein für Taxen und Mietwagen präsentierte.
„Was? Die haben dir sogar die Erlaubnis für Taxen gegeben? Solche Arschlöscher, ich habe nur die Mietwagen-Erlaubnis, und du darfst alles fahren? Die ticken doch nicht sauber. Oder war das ein Kerl der dir die Erlaubnis gegeben hat, weil er scharf auf dich ist?“ empörte sich mein Mann.
„Nee, aber ich hatte auch keine Fahrverbote und Knast wegen Trunkenheit am Steuer.“ Konterte ich.
„Na dann such dir mal ne Stelle, das wird nicht so einfach sein. Beim Taxi-Schwerte brauchst du gar nicht erst zu fragen, der stellt keine Weiber ein. Der alte Schwerte ist der Meinung, dass Weiber zu unsichere Fahrer sind und dass die Kunden damit nicht fahren wollen.“ Sagte er hämisch grinsend.
„Und? Es gibt ja hier viele Taxi-Unternehmen, nicht nur Schwerte. Wäre zwar am nächsten gelegen, aber egal. Ich finde schon eine Stelle.“ War ich sicher.