Читать книгу Kinder kann man sich nicht aussuchen - Ruth Broucq - Страница 9
Umzug
ОглавлениеMeine Freundinnen hatten mir prophezeit, dass meine Rückkehr nicht gut gehen werde, was mich jedoch keineswegs beeindruckte.
Ich gab mir Mühe einfach zur Normalität zurückzukehren. Morgens versorgte ich die Kinder, wenn Ramona in der Schule und Rene im Kindergarten war, konnte ich arbeiten gehen. Da auch Ramona nach der Schule in den Kinderhort ging, hatte ich eine normale Arbeitszeit.
Zwar gab es schon mal kleinere Probleme mit meinen „Damen“, weil ich nicht immer aufpassen konnte, aber das hielt sich in Grenzen, sodass meine Einnahmen noch reichten um die Kosten beider Haushalte zu decken. Es war so in Ordnung.
Nur ganz kurze Zeit war eitel Glück und Sonnenschein, weil Robert in seinen alten Rhythmus zurück fiel. Er arbeitete zwar, aber in gemächlicher Weise, die nicht wirklich viel einbrachte, weil er ein schlechter Kaufmann war. Seine Geschäftsführung beschränkte sich auf zu geringe Berechnungen der Angebote, und mangelnde Aufsicht seiner beiden Mitarbeiter. Er ließ sie alleine und saß gemütlich bei seinem Freund, auf dessen Tankstelle.
Robert ging weiterhin regelmäßig zum Kegeln, blieb auch zwischendurch mal abends an irgendeiner Theke hängen, bis er Oberkante-Unterlippe voll war, und sein kleiner Bruder war sein allabendlicher Kellerbar-Kumpel, mit dem er am liebsten seine Freizeit verbrachte. Ich saß meist allein vor dem Fernseher.
Zu Hause war Robert selten wie ein Gast, wenn er mal zum Essen da war, meckerte er nur an Allem. Familienleben war das nicht.
Sehr schwer war es Robert zu Sonntäglichen Familienausflügen zu bewegen. Ganz im Gegenteil zu seiner „Oma-Strickstrumpf-Zeit“, als er das jedes Wochenende gemacht hatte. Und auch unsere Streitigkeiten drehten sich immer wieder um das Gleiche: Geld und seine Verschwendungssucht. Und die Kräche häuften sich wieder.
Auch in Bezug auf die Kinder änderte er nichts. Wie gehabt bevorzugte Robert unseren Sohn, nahm er Rene mit zum Angeln und zum Autorennen-Wochenende, aber Ramona ließ er links liegen. Dass Robert seine Tochter nicht gerne mitnahm begründete er damit, dass diese Aktivitäten nichts für Mädchen seien, und sie Autofahren nicht vertrug. Dabei war ihre ständige Kotzerei beim Fahren längst Vergangenheit des Kleinkindalters. Laut meiner Mutter war das meine Schuld, die Reaktion des Kindes auf meine wilde Tanzerei während der Schwangerschaft.
Mir war zwar klar, dass unserer sensible Tochter unter den angespannten Verhältnissen litt, ich hatte aber genug mit der Erhaltung der Finanzen und häuslichen Ordnung zu tun, sodass ich mir keine Gedanken um Ramonas Seelenleben machte. Dass sie unter Eifersucht litt, war zwar eine normale Reaktion, aber wegen Renes Bevorzugung durch ihren Vater.
Mir wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass ihre Eifersucht sich Hauptsächlich auf mich bezog, bis zu ihrem ersten Schulausflug in der fünften Klasse.
Aufgrund Ramonas guten schulischen Leistungen, und dem Rat ihrer Grundschul-Lehrerin, hatten wir sie auf eine gute Realschule geschickt. Schon im ersten Sommer startete die erste Klassenfahrt.
Weil es schon am frühen Morgen sehr heiß war, hatte ich mich luftig angezogen, was Ramona sofort kritisierte. „So willst du mich bringen? Zieh dir mal was Vernünftiges an.“ Maulte sie. Meine Figur betonte Kleidung und meine hochhackigen Schuhe fand sie zu aufreizend. Abwinkend ignorierte ich ihren Einspruch.
Als ich Ramona am bereits gefüllten Reisebus, vor der Schule, absetzte, waren wir die letzten. Deshalb hielt ich gleich hinter dem Bus, sprang schnell aus dem Auto, gab Ramona ihr Gepäckstück und wollte ihr noch einen Abschiedskuss geben, aber sie ging zügig zum Einstieg.
Weil ich schnell hinter ihr hergelaufen war, stolperte ich mit meinen hohen Sandaletten, und konnte mich gerade noch fangen, bevor ich hinfiel.
Meine Tochter hatte mein kleines Malheur genutzt und war schnell eingestiegen. Als ich das sah lachte ich Schulterzuckend, und trippelte zu meinem Auto zurück. Ramonas Mitschüler hatten mich durch die Busfenster beobachtet, und während einige Jungen klatschten, pfiffen ein paar andere hinter mir her.
Als der Bus abfuhr sah ich nur noch die ärgerliche Grimasse meiner Tochter.
Später warf sie mir vor, sich für mich geschämt zu haben, weil ihre Mitschüler hinter mir her gepfiffen hatten, weil sie mich ganz toll fanden. Ich konnte weder ergründen noch verstehen, was an mir so blamabel sein sollte, ich war nur jung, modern und locker. Denn ich kleidete mich zwar modern, aber ganz normal, nicht aufreizend.