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Kaum hatte Anna die Tiefgarage verlassen, legte sich ein feiner Film auf ihre Windschutzscheibe. Nieselregen hatte eingesetzt, die Temperatur war auf sechs Grad gesunken. Eine Schlechtwetterfront näherte sich dem Osten Österreichs, die Meteorologen hatten für die kommenden Tage Schnee vorhergesagt. Der Verkehr auf der Ringstraße hatte sich gelichtet. 22 Uhr vorbei. Anna rieb sich die Augen und durchsuchte ihre Aktentasche nach einem Schokoladenriegel. Beim Versuch, ihn einhändig zu öffnen, rutschte das Plastik aus ihren Fingern. An der nächsten Ampel klappte Anna die Sonnenblende nach unten und schob die Abdeckung zur Seite, um die Verpackung mit Hilfe der Schneidezähne aufzureißen. Als sich der Scheibenwischer über die Heckscheibe bewegte, tauchten im Spiegel die Umrisse der ebenfalls wartenden Wagen auf. Ein Scheinwerfer des hinter ihr stehenden Kombis war defekt. In der rechten Spur leuchtete ein Taxischild auf dem Dach eines Kleinwagens, offenbar legte nicht mehr jeder Wert darauf, in einer Mercedeslimousine chauffiert zu werden. Links von dem Kombi befand sich ein dunkler Geländewagen. Während Anna sich ein weiteres Mal vergeblich bemühte, die Schokolade auszupacken, fragte sie sich, warum im meist schneefreien Wien immer häufiger Autos zu sehen waren, die man eher in Tiroler Bergdörfern vermutet hätte. Als die Ampel auf Grün sprang, fluchte Anna leise, legte den Riegel auf den Beifahrersitz und wartete auf das nächste Rotsignal. Auch beim nächsten Versuch rutschte das Plastik aus ihrem Mund und sie legte den Kopf schief, um mit den Backenzähnen größeren Druck ausüben zu können. Auch diesmal war der Geländewagen schräg hinter ihr zum Stillstand gekommen. Im veränderten Blickwinkel hatte Anna das Gefühl, das Auto bereits beim Ausfahren aus der Garage wahrgenommen zu haben. Als sie auf die benachbarte Spur lenkte, wechselte der Geländewagen ebenfalls den Fahrstreifen. Anna bog ab, der andere Wagen folgte. Als sie eine Ampel bei Gelb überquerte, ignorierte ihr Verfolger das Rotsignal und übersetzte knapp vor einem querenden Auto die Kreuzung. Anna bremste ohne Vorwarnung und der Lenker des Geländewagens verhinderte im letzten Augenblick den Zusammenstoß, erhöhte jedoch den Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen. Als Anna erneut in eine schwach frequentierte Seitenstraße abbog, merkte sie, dass sie das Lenkrad um vieles fester hielt als notwendig. Sie beschleunigte und nahm die nächste Kurve mit hoher Geschwindigkeit. Nur mit Mühe gelang es ihr, auf der nassen Fahrbahn die Kontrolle über ihr Auto zu behalten. Einmal mehr tauchte der Geländewagen in ihrem Rückspiegel auf und Anna fragte sich, was sie ihren Mandantinnen in vergleichbaren Situationen raten würde. Sie hätte zweifellos zur Ruhe gemahnt.

Als Anna an einer Bushaltestelle vorbeifuhr, schwenkte sie ohne zu blinken nach rechts. Der Geländewagen passierte und verschwand um die nächste Ecke. Anna schaltete den Motor ab, öffnete die Verpackung und ließ die Schokolade auf der Zunge zerschmelzen, während sie unauffällig die Umgebung absuchte. War der fremde Wagen zufällig dieselbe Route gefahren oder war ihr jemand gefolgt? Wer könnte ein Interesse daran haben, sie zu beobachten und aus welchem Grund? Als Anna den letzten Bissen in den Mund steckte, lehnte sie sich im Sitz zurück. Schon als Kind hatte jede Form von Zucker ein angenehmes Gefühl von Geborgenheit in ihr ausgelöst. Nach zwei Bonbons von Großmutter hatten aufgeschlagene Schienbeine nicht mehr wehgetan. Nach einer Tüte Erdbeereis mit Streusel hatten die Hänseleien der anderen Kinder nicht mehr geschmerzt, dass sie wie ein Junge aussah, weil sie Hosen trug und ihre kurz geschnittenen Haare widerspenstig vom Kopf abstanden. Nach einem Teller selbstgebackener Plätzchen hatte sie für kurze Zeit vergessen können, dass ihre Mutter gestorben war. Auch diesmal verfehlte die Schokolade ihre Wirkung nicht. Anna konnte jetzt deutlich spüren, dass der Geländewagen in weite Ferne gerückt war. Es war Zeit, nach Hause zu fahren, eine Dusche zu nehmen und zu den Klängen von Norah Jones den Tag ausklingen zu lassen.

In dem Moment, als sie aus der Haltestelle fuhr, bog der Geländewagen neuerlich in dieselbe Straße ein und folgte Anna in sicherem Abstand. Die Fragen, die Anna mühsam aus ihrem Kopf verdrängt hatte, waren ebenso schnell zurückgekehrt wie das andere Auto. Sie fuhr wieder auf die Ringstraße. Es war zu früh, die Polizei einzuschalten. Als Anna an der nächsten Ampel das Leuchtschild des »Tel Aviv« vor sich sah, parkte sie ihren Wagen und schaute in den Rückspiegel. Vorerst war der Geländewagen verschwunden. Auf dem kurzen Fußmarsch zog sie ihre Mütze tief in die Stirn und klappte den Mantelkragen nach oben, um sich vor dem stärker werdenden Regen zu schützen. Trotzdem benetzten Wassertropfen ihre Wimpern, als sie die Bar erreichte. Sie tupfte mit einem Taschentuch darüber und ließ die vertraute Atmosphäre auf sich wirken. Wie gewohnt vibrierte der Fußboden im Einklang mit den Bässen. Sich drehende Leuchtkugeln vermittelten die Illusion, die Einrichtung wäre in kleine Stücke gehackt und bewege sich in einem eigenen Rhythmus vorwärts. Zwei Männer um die Dreißig unterhielten sich trotz des hohen Geräuschpegels und nippten an ihren Getränken. Silberne Lichtrauten zeichneten ein Muster auf ihre schwarzen Anzüge. Anna nickte einem der beiden zu. Pielers Verteidiger. Der Anwalt durchsuchte seine Taschen, zündete sich eine Zigarette an und hielt ihr die Packung entgegen.

Anna lehnte dankend ab. »Interessante Verhandlung«, sagte sie.

Er zuckte mit den Schultern. »Mein Sohn würde sagen: »Dumm gelaufen.« Ich ärgere mich darüber, Sie unterschätzt zu haben. Ich wurde vor Ihrem überzeugenden Auftreten gewarnt. Trotzdem glaubte ich, einen Freispruch erreichen zu können.«

»Ich verfüge über weitaus mehr Berufserfahrung, Herr Kollege, und habe den passenden Zeitpunkt für mein Vorbringen abgewartet.«

»Ich habe heute mehr gelernt als im letzten halben Jahr. Das nächste Mal bin ich besser vorbereitet«, antwortete ihr Gegenüber.

»Bis bald im Gerichtssaal«, antwortete Anna und steuerte den einzigen freien Platz an der Bar an. »Das Übliche«, sagte sie und betrachtete den neben ihr sitzenden Gast. Das Hemd war zerknittert und die Krawatte schlampig gebunden. Ein rostroter Fleck zierte seine Brust. Vermutlich ein Andenken aus dem Fast-Food-Restaurant ums Eck. Der oberste Hemdknopf stand offen. Ein dunkler Streifen zeichnete sich auf seinem bulligen Hals ab, wo der Kragen die Haut aufgeschürft hatte.

»Stammgast?«, fragte er.

»Gewesen«, antwortete Anna.

»Ich komme noch nicht lange her.«

»Frisch geschieden?«

»Bald.«

Anna vermutete, dass ihn seine Frau aus der Wohnung geworfen hatte und daher weder für das Bügeln seiner Hemden noch die Zubereitung seiner Lieblingsgerichte zur Verfügung stand. Wahrscheinlich schlief er stattdessen in einem schmucklosen Hotel oder seinem eigenen Büro und versuchte, seine Einsamkeit mit Barbesuchen erträglicher zu machen. Ein gestrandeter Wal auf der Suche nach Gesellschaft.

»Harter Tag?« Der Wal umklammerte mit einer Hand den Tresen und beugte sich zu ihr.

»Nicht härter als sonst«, antwortete Anna. Der Barkeeper brachte ihre Bestellung. Sie hob ihr Glas, lächelte und trank.

»Gin Tonic?«, fragte der Wal.

Anna nickte. »Ich kann den Geruch von Hopfen nicht ausstehen.«

»Sie sehen wie eine Ärztin aus«, sagte der Wal und schob sein Glas zur Seite.

»Unfallchirurgie.«

»Wow«, sagte er und leerte sein Bier. »Ich hasse Krankenhäuser.«

»Ich mag die Pralinen, die mir dankbare Patienten schenken.«

»Ich hätte getippt, dass Sie Süßigkeiten meiden«, sagte der Wal, »sonst wären Sie nicht so …«, er schien nach dem passenden Wort zu suchen, »… schlank.«

»Und selbst?«

»Ich liebe Zahlen. Reicht das als Hinweis?«, fragte der Wal zwinkernd.

»Unternehmensberater?«

»Leiter des Controllings.«

Anna lächelte innerlich. Ihr Nachbar war die perfekte Wahl.

Der Barkeeper brachte ein weiteres Bier. »Die Runde geht aufs Haus«, sagte er und nickte Anna zu.

»Du bringst mir Glück, Süße«, sagte der Wal.

»Hältst du mir den Platz frei?«

»Musst du mal für kleine Mädchen?«

Anna nickte.

»Für dich immer, Frau Doktor.«

»Bin bald zurück«, sagte Anna.

»Das sagen sie alle«, murmelte er.

Anna nahm ihre Tasche, durchquerte den Saal und ging über die Stufen ins Untergeschoß. Hier war es ruhiger, als hätte jemand eine Glocke über das Stockwerk gestülpt. Sie betrat die Damentoilette, wo alle Türen zu den Kabinen offen standen. Wieder auf dem Gang, horchte sie an der Herrentoilette. Auch hier war es still. Sie lauschte nach Schritten auf der Treppe, bevor sie hinter der gegenüberliegenden Tür mit der Aufschrift »Privat« verschwand.

»Anna«, rief Mimi und umarmte sie. »Ich dachte schon, du hättest mich vergessen.«

»Dich vergessen? Klingt schwierig.«

»Du lässt dich nie blicken.« Mimi schmollte und trat einen Schritt zurück, »aber wahrscheinlich hast du Besseres zu tun, als dich in unserer Bar mit einsamen Männern herumzutreiben. Du siehst übrigens gut aus.«

»Du auch.« Mimi sah tatsächlich gut aus. Wenig erinnerte an die ausgezehrte Jugendliche, die Anna vor drei Jahren in der Notaufnahme aufgelesen hatte. Zu diesem Zeitpunkt lebte Mimi bereits über ein Jahr auf der Straße. Sie hatte eine schlimme Schnittwunde an der Hand. Da sie keine Krankenversicherung nachweisen konnte, wollte der diensthabende Arzt sie nicht behandeln. Anna fuhr Mimi mit dem Auto zu ihrem Hausarzt, kam für die Kosten auf und rang Mimi in nächtelangen Gesprächen in ihrem Gästezimmer das Versprechen ab, etwas aus ihrem Leben zu machen. Drei Jahre später hatte sie es zur stellvertretenden Geschäftsführerin des »Tel Aviv« gebracht. »Hast du wieder einmal deinen Traummann gefunden?«

Mimi nickte lächelnd.

»Wie heißt er diesmal?«

»Alex«, antwortete Mimi.

»Wie lange kennt ihr euch?« Sie wusste, dass Mimis größter Wunsch die intakte Familie war, die sie nie gehabt hatte.

»Zwei Wochen«, antwortete Mimi.

»Du wirst wohl nie erwachsen?«

»Muss ich das mit einundzwanzig schon sein?«

Anna schüttelte lächelnd den Kopf und griff nach dem Foto auf Mimis Schreibtisch. »Dein Traummann ist zu alt für dich.«

»Vierzig ist kein Alter«, sagte Mimi, setzte sich im Schneidersitz auf den Schreibtisch und zündete sich eine selbst gedrehte Zigarette an.

»Wie viele Exfrauen und Kinder hat er?«

»Zwei und zwei«, antwortete Mimi, nahm Anna das Foto ab und stellte es auf den Schreibtisch zurück.

Anna griff im Gegenzug nach Mimis Zigarette und drückte sie aus. »Ich dachte, du wärst reifer geworden. Glaubst du, meine Nase ist komplett verstopft?«

»Ein Joint schließt Reife auf anderen Gebieten nicht aus«, sagte Mimi.

»Willst du mich provozieren?«

»Pure Gewohnheit«, sagte Mimi und wühlte zwischen leeren Pappbechern und bedruckten Blättern, die verdächtig nach Rechnungen aussahen, bis sie eine verdrückte Packung Zigaretten gefunden hatte. »Was verschlägt dich zu mir?«

»Mein schlechtes Gewissen.«

»Seit wann besitzt du so etwas?« Mimi schnippte Asche in einen Pappbecher. »Wir sind nicht bei Gericht, hier brauchst du nicht zu bluffen. Was kann ich tun?«

»Kannst du für heute Schluss machen?«

»Willst du mit mir die Nacht durchtanzen?«

»Ich brauche deine Hilfe.«

»Seit wann kannst du dir nicht selbst helfen?«, fragte Mimi und drückte die Zigarette aus. »Was bekomme ich dafür?«

»Was sollen diese Spielchen?«

»Glaubst du, ich hätte auf der Straße überlebt, wenn ich mir nicht jeden Gefallen teuer hätte bezahlen lassen?«

»Du lebst nicht mehr auf der Straße.«

»Manchmal bereue ich meinen Schritt. Es war eine coole Zeit.«

»Du kannst jederzeit zurückkehren«, sagte Anna, »aber ich helfe dir kein zweites Mal heraus.«

Mimi schüttelte sich vor Lachen und sprang vom Tisch. »Ich wäre reif für den Gerichtssaal. Mimi, die Anwältin. Bluffen könnte ich ausgezeichnet.« Sie nahm Annas Oberarme und drückte sie sanft. »Du weißt, dass ich alles für dich täte.«

»Jemand ist mir gefolgt.«

»Warum?«, fragte Mimi, »und wer?«

Anna zuckte mit den Schultern.

»Macht dir dein Verfolger Angst?«

Anna schüttelte den Kopf. »Ich mag es nicht, wenn ich Situationen nicht analysieren kann.«

»Jetzt bluffst du schon wieder.«

»Warum sollte ich?«

Mimi schüttelte den Kopf. »Manchmal glaube ich, dich zu kennen, um im nächsten Moment vor Augen geführt zu bekommen, dass ich das ebenso wenig tue wie irgendjemand sonst. Trotzdem machst du nichts ohne Grund. Warum bist du tatsächlich gekommen?«

»Du bist mir noch einen Gefallen schuldig«, sagte Anna.

»Einen?«, fragte Mimi lächelnd. »Eher tausend. Hilft dir das Kennzeichen?«

»Natürlich«, antwortete Anna.

»Vielleicht wartet dein Schatten in der Nähe. Was für ein Wagen war es?«

»Ich tippe auf Touareg.«

»Ich werde jemanden losschicken«, sagte Mimi, »vielleicht ist dein Verfolger so unvorsichtig und parkt in der Nähe. Ein Wort von mir und einer unserer Aufpasser nimmt sich deinen Stalker zur Brust. Wenn er ein wenig nachhilft, weiß ich noch heute Nacht seinen Namen.«

»Ich arbeite nicht mit solchen Mitteln.«

»Auch Anwälte überschreiten Grenzen. Der einzige Unterschied zwischen euch Rechtsverdrehern und uns Sterblichen ist doch, dass ihr immer wisst, wann ihr sie überschreitet.«

»Das ist nicht meine Art, Probleme zu lösen.«

»Manchmal ist es aber einfacher, ein wenig nachzuhelfen.«

»Da gebe ich dir Recht. Aber vorerst muss ich lediglich wissen, ob mir tatsächlich jemand folgt.«

»Und wie willst du das anstellen?«

»Warum bin ich wohl ausgerechnet zu dir gekommen?«, fragte Anna.

Mimi grinste. »Ich soll wieder einmal Anna spielen?«

Anna nickte.

»Was hättest du gemacht, wenn ich mir die Haare abgeschnitten und zwanzig Kilo zugenommen hätte?«, fragte Mimi, »wir haben uns seit einem halben Jahr nicht gesehen.«

»Ich hätte eine andere Lösung gefunden.«

»Führst du andere gerne hinters Licht?«

»Von Zeit zu Zeit greifen wir Anwälte auf Blendung und Täuschung zurück, um unsere Ziele zu erreichen.«

Mimi runzelte die Stirn. »Von Zeit zu Zeit?«

»Welche Vorstellung hast du von meinem Beruf?«

»Du hast mir ein ziemlich klares Bild vermittelt«, sagte Mimi, »wo steht dein Auto?«

»Halte dich links, keine hundert Meter entfernt.«

»Fährst du noch immer die alte Schüssel?«

»Ein Auto muss nicht mehr als fahren.«

Mimi schüttelte den Kopf. »Wenn Alex zu alt für mich ist, ist dein Albtraumauto zu alt für dich. Was außer deiner Arbeit hat für dich einen Stellenwert?«

»Ist das nicht genug?«

Mimi verdrehte die Augen. »Life is fun, echt.«

»Nicht immer und nicht für jeden.«

»Die Jahre auf der Straße waren wirklich scheiße und sonst gar nichts. Dank dir habe ich es geschafft, von dort wegzukommen. Wie vielen außer mir hast du schon geholfen? Du hättest dir ab und zu ein wenig Spaß verdient.«

»Auch Arbeit kann Spaß machen.«

»Aber doch nicht deine«, sagte Mimi und zündete sich die nächste Zigarette an. »Auch ich liebe das Tel Aviv. Aber manchmal finde ich die Typen, die hier aufkreuzen, einfach nur zum Kotzen. Vor allem, wenn ich sie morgens um vier betrunken aus dem Lokal schleppen muss.«

Anna warf einen Blick auf ihre Uhr. »Ich bin schon zu lange weg. Nimm einen letzten Drink an der Bar. Dann setz dich in mein Auto und fahr zu dir. Ich nehme den Hinterausgang und deinen Wagen. Ich hole mein Auto morgen mit dem Taxi. Versteck die Schlüssel am gewohnten Ort. Du weißt, wie du in meine Garage kommst.«

»Du willst offenbar um jeden Preis verhindern, dass dein Verfolger weiß, wo du wohnst«, stellte Mimi fest.

»Nach wie vor ist meine Wohnung für viele meiner Klientinnen der einzig sichere Ort. Solange ich nicht weiß, warum mir jemand folgt und wer es ist, gehe ich kein Risiko ein.«

Mimi nickte. »Gut, dass sich unsere Fahrweisen nicht gleichen. Bis ich bei meiner Wohnung bin, habe ich deinen Verfolger längst abgeschüttelt.«

»Ich weiß«, antwortete Anna lächelnd, »ein weiterer Grund, genau dich um Hilfe zu bitten.«

Mimi grinste und zog ihr rückenfreies Shirt über den Kopf.

»Ich habe ein Tonic bestellt. Dein zukünftiger Nachbar hat schon ein paar Bier intus«, sagte Anna.

»Glaubst du, da draußen passiert etwas, ohne dass ich es weiß?«

»Du solltest ihn nicht mehr warten lassen«, sagte Anna. »Wir sind übrigens schon per Du.«

»Widerlich«, sagte Mimi.

»Aufdringlich trifft es besser«, sagte Anna.

»Wenn er seine Hand auf mein Knie legt, war er das letzte Mal im Tel Aviv«, sagte Mimi und schlüpfte in Annas Hose. Sie passte wie angegossen. »Fahr los. Wahrscheinlich wartet morgen wieder ein Sechzehn-Stunden-Tag auf dich.«

»Eher achtzehn«, antwortete Anna, während sie sich im Spiegel betrachtete. Sie musste sich eingestehen, dass schwarze Latexhosen und ein rückenfreies Top durchaus ihren Reiz hatten. »Danke«, sagte Anna und umarmte Mimi zum Abschied.

»So schnell wird man Anwältin«, sagte Mimi, bevor sie ihr Büro verließ.

Gefallener Mond

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