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Kapitel 7: Das eigene Ich
ОглавлениеHendrik besuchte Robert erst über eine Woche später. Robert war allein zuhause. Sein Klon verspätete sich - schon wieder. Also waren sie allein.
»Ist der neue Ortungschip für mich schon fertig?«
»Noch nicht. Die meisten Anpassungen für Ihren Organismus sind schon vorgenommen. Eine Woche noch, vielleicht auch zwei.«
»Geht es dann auch endlich los?«
»Nein, Ihr Chip muss sich erst noch anpassen, ehe wir mit Ihnen nach draußen gehen können. Außerdem hängt Ihre Flucht aus dem Land noch von einer Reihe anderer Faktoren ab. Haben Sie Geduld. Es soll doch alles glattgehen.«
»Ja, sicher. Ich habe nur das Gefühl, es mit meinem Klon nicht mehr lange auszuhalten.«
»Wieso? Ist irgendetwas passiert?«
»Nichts Ernstes. Er warf mir vor, mich in der Vergangenheit falsch verhalten zu haben, obwohl ich davon überzeugt bin, das Richtige getan zu haben. Wenn er doch absolut identisch mit mir sein soll, warum stellt er mein Tun dann infrage?«
»Das ist nichts Ungewöhnliches. Der Klon weiß, dass er ist, was er ist. Also kann es schon mal vorkommen, dass er sich einbildet, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel beurteilen zu können.«
»Er verhält sich letztlich also nur so, weil er mit mir zusammenlebt? Wenn er allein leben würde, würde er dann so denken wie ich?«
»Vermutlich. Er ist dann ein Individuum, was er jetzt ja in gewisser Weise nicht ist. Im Augenblick muss er tun, was wir oder Sie ihm sagen. Das gefällt ihm unterbewusst vielleicht nicht. Das bedeutet aber nicht, dass er aufsässig werden könnte. Oder gar gegen Sie rebellieren würde.«
»Verstehe.«
Hendrik bemerkte, dass Roberts Zweifel nicht beiseite geräumt waren. »Sehen Sie, Herr Mester, er ist natürlich Sie, aber er ist auch ein Mensch mit eigenen Gedanken. Selbst wenn Sie beide vollkommen identisch sind, kann es vorkommen, dass Sie beide unterschiedliche Entscheidungen bezüglich derselben Angelegenheit treffen.«
»Ja, das klingt einleuchtend.« Robert war mit dieser Erklärung schon eher zufrieden. Er war nervös angesichts seiner bevorstehenden Ausreise. Er hatte sich da wohl zu sehr hineingesteigert.
»Außerdem ist es oft so, dass Leute, die mit ihrem Klon konfrontiert werden, Dinge an diesem sehen, die sie selbst an sich gar nicht mögen und entsprechend ablehnend reagieren.«
»Schon klar.«
»Ich werde nächste Woche wiederkommen. Vielleicht bringe ich dann schon den neuen Chip mit.«
»Das wäre schön.«
Robert war wieder allein. Sein Klon kam erst spät abends nachhause. Es war Donnerstag, und am Donnerstag kam Robert nie so spät nachhause.
»Was war denn los?«, überfiel er Robert2, als dieser die Wohnungstür mittels Gesichtserkennung entriegelte und in die Wohnung eintrat.
»Nichts. Was bist du denn so aufgeregt?«
Robert schüttelte verständnislos den Kopf. »Weil ich an diesem Wochentag in der Regel nie so spät nachhause komme.«
»Nun reg dich mal nicht so auf. Ich war nur mit Nicole im Kino, sonst nichts.«
Robert fiel die Kinnlade runter. »Und du hältst es nicht für nötig, mir das zu sagen? Ich sitze hier und male mir die schlimmsten Dinge aus, was dir passiert sein könnte, und du gehst mit Nicole ins Kino?«
»Ist das verboten? Du warst doch auch schon öfter mit ihr aus.«
»Ja, aber das letzte Mal, dass wir etwas zusammen unternommen haben, außer dem gemeinsamen Essen, ist schon bestimmt ein dreiviertel Jahr her.«
»Na ja. Dann wurde es ja wieder mal Zeit.«
Robert war wütend, ob dieser schnippischen Antwort. Er erkannte sich in seinem eigenen Klon kein Stückchen wieder.
»Das nächste Mal sagst du mir gefälligst Bescheid, wenn du später kommst, klar?«
Robert2 reagierte nicht und ging zur Küche. Robert ging ihm hinterher, packte ihn erbost an der Schulter und drehte ihn herum. »Ich rede mit dir!«
»Du meine Güte, jetzt komm wieder runter!« Robert2 schaute ihn entschlossen an, erwiderte Roberts Zorn in seinem eigenen Blick aber nicht, was Robert nur noch zorniger machte. Er unternahm auch keinen Versuch, die Hand von seiner Schulter abzustreifen, sondern blieb gefasst. »Es war nur ein Kinobesuch. Wenn mir irgendetwas passiert wäre, hättest du längst ungebetenen Besuch bekommen, meinst du nicht auch? Ich denke, du bist einfach zu empfindlich.«
»Du sollst dich an unsere Vereinbarung halten! Was du über mich denkst, interessiert mich doch einen Scheiß! Informiere mich, wenn du etwas Außerplanmäßiges unternimmst! Ist das so schwer?«
»Ich bin nicht dein Schoßhündchen, das angerannt kommt, wenn du mit dem Stöckchen wedelst.«
»Du existiert nur, weil ich es wollte, merk dir das! Und solange wir beide unter einem Dach leben, habe ich das Sagen. Ist das klar? Danach kannst du machen, was du willst.«
»Ich mache nichts, was deine Ausreise gefährden könnte, so viel Vertrauen solltest du mir schon entgegenbringen. Ich bin du - eine Tatsache, mit der du offensichtlich nicht klarkommst.«
»Ich komme sehr gut damit klar. Im Gegensatz zu dir, verhalte ich mich jedoch in diesem Bewusstsein auch verantwortungsvoll.«
»Ha, das ist doch lächerlich! Du bist neidisch, das ist alles.«
»Wie bitte?«
»Na sicher. Du bist neidisch, weil ich mit Nicole ausgehe. Du brauchst gar nicht so empört zu gucken, ich weiß, dass es so ist. Ich wäre an deiner Stelle auch neidisch. Aber dafür gibt es überhaupt keinen Grund - wie oft muss ich es noch sagen? Ich kann doch jetzt nicht einfach die Beziehungen zu allen Menschen, die du kennst, abbrechen, nur weil es dir nicht in den Kram passt. Du bist derjenige, der sich verantwortungslos verhält, weil du mit deinen Gefühlen nicht zurechtkommst.
Wach auf, Robert! Du lebst dieses Leben nicht mehr. Du hast es gegen ein anderes eingetauscht, und du bist dir dessen offenbar noch gar nicht bewusst. Du existierst offiziell nicht mehr. Also schlage ich vor, du kommst mir nicht mehr mit deinem kindischen Benehmen in die Quere und lässt mich meine Arbeit machen, damit du deinen Traum leben kannst.« Robert2 ging ins Bad, knallte die Tür hinter sich zu und verriegelte sie.
Er ließ Robert völlig perplex stehen. Minutenlang. In dieser Zeit glaubte er, mit der Entscheidung zur Erschaffung seines Klons, den schlimmsten Fehler seines Lebens begangen zu haben.