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Kapitel 3: Warten auf den Klon

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Mehr als ein Monat war nun vergangen, seit Robert Nicole vergeblich in sein Vorhaben einspannen wollte. Sein Klon war bereits in Produktion, und er wachte jeden Morgen mit dem Gefühl auf, ein Schwerverbrecher zu sein. Doch es gab bislang keinerlei Anzeichen, dass irgendetwas schiefgegangen sein könnte. Hendrik, sein Kontaktmann, hatte ihm gesagt, es könne nicht Wochen, sondern auch Monate dauern, bis sein Klon fertig wäre. Alles war also noch im Lot.

Robert ging daher ganz normal zur Arbeit, schwatzte mit seinen Kollegen, ließ sich von seinem Vorgesetzten (einer Roboter-KI) über Verbesserungsmöglichkeiten zur Arbeitsoptimierung belehren, und einmal die Woche traf er sich mit Nicole, mit der er nur noch über Belangloses redete. Innerlich hatte er sie bereits von sich gestoßen. Doch musste er weiterhin gegenüber seinem gesamten sozialen Umfeld den Normalen spielen, damit niemand Verdacht schöpfte. Die ganzen ermüdenden Dinge, die ihm seine Bekannten, Kollegen und Freunde erzählten, würde sich bald sein Klon anhören müssen und nicht mehr er selbst. Bei diesem Gedanken musste er sich ein Grinsen verkneifen.

Die Tage gingen vorüber. Robert war gerade auf dem Nachhauseweg und schaute sich im Schaufenster einer Immobilienfirma täuschend echt animierte 3D-Videos über die neuesten Luxusappartements in mediterraner Lage an. Plötzlich trat jemand neben ihn, ohne ihn anzusehen.

»Ich bin nur gekommen, um Ihnen zu sagen, dass alles nach Plan verläuft. Sie müssen aber noch ein wenig länger Geduld haben. Ihre 'Bestellung' braucht etwas länger, um zu reifen.« Es war Hendrik.

Robert drehte sich zu ihm um, doch da war Hendrik schon wieder in der Menge von Menschen auf dem Bürgersteig untergetaucht. Wie aus einem Reflex heraus wollte Robert ihm hinterher, aber zum Glück siegte die Vernunft, und er drehte sich wieder zum Schaufenster, um bloß nicht aufzufallen. Innerlich war er bis zum Zerreißen gespannt. Sein Herz pochte wild in seiner Brust. Es war eine Mischung aus Vorfreude auf sein neues Leben und nackter Angst davor, entdeckt zu werden. Eine Mischung, deren Adrenalinschub ihm auf eine für ihn nicht erklärbare Weise gefiel.

Die Tage vergingen. Bloß nicht auffallen - das war stets sein Leitmotiv, an das er sich verkrampft hielt. Kurz vor dem Ziel durfte er sich keine Fehler leisten. Eines Tages dann, an einem Freitag, etwa drei Wochen nach dem Zusammentreffen am Schaufenster, stieß ihn einer seiner Arbeitskollegen während seiner Mittagspause an. Er war ein einschüchternd wirkender Hüne, aber ein netter Kerl, der sich immer um guten Kontakt zu seinen Kollegen bemühte.

»He Robert, alles klar mit dir? Du wirkst in letzter Zeit irgendwie abwesend.«

Erwischt, dachte Robert erschrocken. Hatte er nicht alles getan, um möglichst nicht aufzufallen? Hatte er es vielleicht dabei übertrieben? Nach außen gab er sich locker. »Was willst du denn damit sagen?«

»Na ja, du bist irgendwie so still und in dich gekehrt. Probleme?«

»Wenn ich irgendein Problem hätte, dann glaub mir, hätte mich unsere allseits geschätzte und omnipräsente künstliche Betriebspsychologen-KI schon darauf aufmerksam gemacht.« Eine schlagfertige Antwort. Die Roboterpsychologin hatte tatsächlich nichts gemerkt - bis jetzt. Und alle seine Kollegen hassten sie.

»Hast du auch wieder recht. Dem Miststück entgeht nichts. Ich habe es ja nur gut gemeint«, beschwichtigte sein Kollege schnell.

»Schon gut. Ich überlege nur, wo ich meinen Jahresurlaub verbringe - das beschäftigt mich schon seit Wochen. Die Ziele, zu denen man fliegen kann, werden für unsereins ja immer weniger.«

»Und die Beschränkungen, denen man dort jeweils unterliegt, werden immer mehr. Ich weiß genau, was du meinst, Robert. Ich glaube, ich werde dieses Jahr zuhause bleiben und mich ein wenig im VR-Horizon amüsieren.« Das VR-Horizon war eine Unterhaltungseinrichtung, die komplexe virtuelle Realitäten erschuf. Meist wurde diese für sexuelle Erfahrungen genutzt, weswegen sein Kollege auch entsprechend dümmlich grinste, als er daran dachte.

Wie armselig, dachte Robert. Sein Wunsch, alles stehen und liegenzulassen, wurde drängender. Raus aus dieser künstlichen Hölle!

Während seine Kollegen den Rest des Tages über die neuesten Angebote der VR-Horizon referierten und ihre nächsten virtuellen Sexabenteuer planten, war Robert nur froh, dass er es geschafft hatte, erfolgreich von sich abzulenken. Er versuchte, sich sein neues Leben vorzustellen. Wie würde sich Kamtschatka anfühlen? Er hatte Bilder und Filmaufnahmen gesehen. Aber wie würde es sich anfühlen? Er stellte sich die unberührte Natur vor, das raue Klima, die frische Luft, unbebaute Flächen, so weit das Auge reichte. Es musste das Paradies sein.

Am Abend schlenderte er nach Hause. So gut hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. Er würde etwas tun, das nur ganz wenige Menschen in Anspruch nehmen konnten. Sein Klon war seine Fahrkarte in die Freiheit.

Im dichten Gedränge auf seinem Nachhauseweg fasste ihn jemand kurz von hinten an den Arm und flüsterte ihm zu: »Ihre 'Bestellung' ist fertig. Kommen Sie heute Abend um elf Uhr zu unserem letzten Treffpunkt. Seien Sie pünktlich!« Dann ließ sich der Mann, dem die Stimme gehörte, zurückfallen und verschwand in der Menge. Robert ging weiter und rang um seine Fassung. Er hätte einen Luftsprung machen können. Endlich ging es los. Zugleich übermannte ihn furchtbare Angst. Und das gefiel ihm.

Homunkulus Rex

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