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Kapitel 4: Robert2 = ?

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Mit dem letzten Treffpunkt war der Keller des Restaurants gemeint, in dem Robert die Erschaffung seines Klons in Auftrag gegeben hatte. Keine Zeit mehr zum Nachdenken. Keine Zeit, sich auf irgendetwas vorzubereiten. Von nun an übernahm die Klonorganisation die Regie.

Robert betrat das Restaurant mit einem flauen Gefühl im Magen. Jemand dirigierte ihn durch eine Tür, die über einen langen Gang - vorbei an den Gästetoiletten - in den Keller führte. Er wurde in einen kleinen Vorratsraum geleitet. Als er ihn betrat, schloss sich hinter ihm unmittelbar die Tür, was ihn erschreckte. Im spärlichen Licht machte er drei vermummte Personen aus. Hendrik war unmaskiert und begrüßte ihn freundlich.

»Schon aufgeregt?«, fragte er Robert lächelnd.

»Sie haben ja keine Vorstellung! Für einen Moment dachte ich, dass ich in der Falle sitze und gleich die Handschellen klicken. Ist alles in Ordnung?«, fragte Robert mit Blick auf die vermummten Gestalten.

»Ja, es ist alles in Ordnung. Das sind alles Leute, denen ich mein Leben anvertrauen würde. Sie waren maßgeblich an der Herstellung Ihres Klons beteiligt. Zu Ihrem eigenen und zu deren Schutz, Herr Mester, sollten die Jungs von Ihnen nicht erkannt werden, für den Fall der Fälle.«

Er meint, wenn sie uns erwischen. Gott, ich bin so aufgeregt, ich könnte im Strahl kotzen! Robert fuhr sich nervös durchs Haar. »Wo ist er?« Er meinte den Klon.

»Er ist hier. Und er ist perfekt geworden. Kommen Sie, ich zeige ihn Ihnen.« Hendriks Leute schoben zwei große Regale mit Lebensmitteln auseinander. Dahinter stand eine Liege. Darauf lag ein menschlicher Körper, der von einer undurchsichtigen weißen Plastikdecke bedeckt war. Robert erschrak erneut. Die Decke erinnerte ihn an ein Leichensack. Und er kam sich in diesem kühlen dunklen Kellerraum vor wie in einer Leichenhalle. Erneut überkam ihn ein vages Gefühl, einen schweren Fehler begangen zu haben.

»Kann ich ihn mir ansehen?« Robert blieb buchstäblich die Spucke weg. Seine Zunge klebte an seinem Gaumen.

»Natürlich. Er gehört ja Ihnen. Ich bin sicher, Sie werden zufrieden sein«, sagte Hendrik und trat einen Schritt zurück.

Robert näherte sich der Gestalt. Er streckte seinen Arm nach der Decke aus, um sie vom Gesicht zu ziehen. Für einen kurzen Moment stockte er in seiner Bewegung, weil er sich vorkam, als würde er unter sein eigenes Leichentuch fassen. Ein eiskalter Schauer fuhr ihm über den Rücken. Dann fasste er sich ein Herz und legte das Gesicht seines Klons frei. Und was er sah, war... er. Er sah sich selbst schlafend auf einer Liege im Keller eines Restaurants. Die Augen waren geschlossen. Aber es war unverkennbar eine eins zu eins Kopie seiner selbst, die er vor sich hatte. Er legte den ganzen Körper frei. Sein Klon hatte ein schlichtes Nachthemd an. Arme, Beine, Hände und Füße - alles stimmte zu hundert Prozent. Jeder Leberfleck war dort, wo er hingehörte. Sogar eine Narbe am linken Arm, die er nach einem Sportunfall als Kind davongetragen hatte, war identisch mit dem Original.

Die haben wirklich an alles gedacht, fuhr es Robert ehrfürchtig durch den Kopf. Man hatte von ihm vor seiner endgültigen Entscheidung einen Ganzkörperscan gemacht, und die daraus gewonnenen Daten für die Erschaffung des Klons zusammen mit seiner DNA verwendet.

»Er hat sogar das gleiche Gewicht wie Sie«, sprach Hendrik aus dem Hintergrund.

Robert sagte nichts, sondern starrte fasziniert sein schlafendes Ebenbild an.

»Kann ich Ihrem Schweigen entnehmen, dass Sie zufrieden mit dem Ergebnis sind?«

»O ja!«, hauchte Robert. Er konnte seinen Blick einfach nicht abwenden. Wenn etwas verstörend und faszinierend zugleich war, dann der Anblick seines eigenen atmenden Doppelgängers. »Das ist wirklich meisterhafte Arbeit.«

»So soll es auch sein. Und so muss es auch sein. Schließlich wird Robert2 hier von nun an Ihr Leben übernehmen - für den Rest seines Lebens.«

»Robert2?«

»So nennen wir intern immer unsere Produkte. Wir hängen einfach eine 2 an den Namen an. Sie persönlich können ihn natürlich nennen, wie Sie wollen.«

»Nein, nein. Robert2 gefällt mir. Auch wenn ich keine Ahnung habe, wieso.« Mit großen Augen betrachtete er sein Ebenbild. »Schläft er?«

»Eigentlich nicht. Er befindet sich in einem komaähnlichen Zustand, in den wir ihn mittels seines Gehirnimplantats versetzt haben. Er steht sozusagen auf Standby, bis wir ihn erwecken.«

»Gehirnimplantat? Soll das heißen, er hat einen Chip in seinem Kopf?«

»Nicht nur einen. Streng genommen hat er einen leistungsfähigen Großrechner in der Größe eines Stecknadelkopfes in sich. Er ist notwendig, um seine Gesundheit für die nächsten dreißig Jahre sicherzustellen. Sämtliche geklonten Zellen, aus denen er besteht, können durch diese zentrale Recheneinheit mit Nanorobotern repariert werden, wenn Zellschäden auftreten. Außerdem dient er der Aufnahme und Speicherung sämtlicher Erinnerungen von Ihnen, Herr Mester, die wir heute Nacht noch übertragen wollen. Sein biologisches Gehirn wird jederzeit Zugriff auf diese Informationen haben, da wir nicht in der Lage sind, das Gehirn direkt mit diesen Informationen zu versorgen. Das Gehirn des Klons arbeitet also anders als das Ihrige. Es steht in ständiger Wechselwirkung mit dem Nanocomputer.«

»Aber würde das Computerimplantat nicht entdeckt werden können?«

»Nein, denn es ist von einem natürlich wirkenden bioelektrischen Feld seines Gehirns getarnt. Selbst Tomographien können es nicht sichtbar machen, sondern würden es nur als natürliches Gewebe identifizieren. Man würde es nur entdecken, wenn man sein Gehirn aufschneiden würde.«

Robert betrachtete sein Ebenbild mit großen Augen. »Unglaublich.«

»Ich will Sie ja nicht drängen, aber wir haben nicht ewig Zeit. Wir müssen mit der Chiptransplantation beginnen. Sie bekommen dafür erst einen speziellen Wirkstoff in den Nacken gespritzt. Dieser verhindert, dass der Chip registriert, dass wir ihn entfernen wollen und dass er kein entsprechendes Signal aussendet. Außerdem müssen wir sicherstellen, dass der Chip nicht beschädigt oder deaktiviert wird. Danach werden wir Sie in Narkose versetzen, um den Chip zu entfernen und Ihre Erinnerungen abzugreifen. Dieser Prozess wird mehrere Stunden dauern. Wahrscheinlich bis zur Morgendämmerung. «

»Und was dann? Ich bekomme keinen neuen Überwachungschip?«

»Für ein paar Tage werden Sie ohne auskommen müssen. Sie müssen sich in dieser Zeit von den beiden Eingriffen erholen, erst dann können wir Ihnen einen Ersatzchip einsetzen, damit er reibungslos funktioniert und keine Problemmeldungen aussendet. In dieser Zeit werden Sie in Ihrer Wohnung bleiben und mit niemandem Kontakt haben. Ihr Klon wird, wenn alles glattgelaufen ist, am Montag zur Arbeit gehen - zu Ihrer Arbeit und mit Ihrem Chip.«

Robert rieb sich die Hände und merkte, dass sie feucht und eiskalt zugleich waren.

»Keine Sorge, wir werden uns um alles kümmern. Sie werden gar nichts merken.«

Robert nickte und setzte sich auf einen Stuhl, der ihm hingestellt wurde. Eine der vermummten Gestalten stellte sich hinter ihn und begann mit den Vorbereitungen für die Extraktion des Chips. Zu seiner Überraschung stellte sich dieser erste Eingriff als simpel und harmlos heraus. Eine kleine Spritze, deren Stich er kaum spürte. Robert wurde trotz seiner Angst von Glücksgefühlen übermannt. Allein der Gedanke, diesen Chip bald nicht mehr in sich zu haben, machte ihn schon glauben, er sei von nun an ein freier Mensch.

»Wir leiten jetzt die Narkose ein. Ich werde die ganze Zeit bei Ihnen sein«, sagte Hendrik mit einer Stimme, die Ruhe und Vertrauen ausstrahlte.

Robert fühlte sich euphorisiert. »Gut. Ich bin bereit.«

Hendrik nickte seinen Leuten zu. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Alles ging routiniert vonstatten, was Roberts Vertrauen in diese Organisation noch verstärkte. Während seine Narkose eingeleitet wurde, versuchte er, sich sein neues Leben vorzustellen. Sein Leben in absoluter Freiheit. Wahrscheinlich würde er dort, wo er neu beginnen konnte, Menschen treffen, die denselben Traum wie er leben wollten. Gleichgesinnte, denen genetische Aufwertungen, Materialismus und sozialer Status einerlei waren. Und alles erschien ihm in diesen Sekunden, in denen er in einen sanften Schlaf hinüberglitt, so einfach und richtig zu sein. Er fühlte sich wie der glücklichste Mann der Welt. Sein neues Leben in Freiheit und Selbstbestimmtheit war zum Greifen nah.

Endlich habe ich einmal das Richtige getan, dachte er, kurz bevor er durch die Narkose das Bewusstsein verlor.

Was er nicht wissen konnte, war, dass er sich noch nie in seinem Leben so fatal geirrt hatte.

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