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So müssen sich die Krokodile in den Everglades fühlen, schoss es Paul durch den Kopf, als die Reporterin der New York Post ihn neugierig musterte.

Seine Assistentin Stacey hatte sie vor ein paar Sekunden in sein Büro geführt. Noch während er sich von seinem Schreibtisch erhoben hatte, um ihr entgegenzulaufen und sie zu begrüßen, hatte er gespürt, wie ihre Augen seinen Körper abtasteten. Wie sie mit schnellem Blick registrierte, was er trug: weißes Hemd, schmal geschnittene graue Designerhose, feine braune Lederschuhe. Sein übliches Büro-Outfit. Klassisch elegant, dabei aber lässig. Und vor allem teuer. Darauf legten seine Patienten größten Wert. Er war groß, hatte eine sportliche Figur. Viele Frauen sagten, er wäre attraktiv. Doch leider schien Paul auf die Reporterin eine gänzlich andere Wirkung zu haben. Er gab es nur ungern zu, aber als sich ihre Blicke trafen, starrte sie ihn so fasziniert und entsetzt zugleich an, als wäre er kein gut aussehender 36-jähriger Mann, sondern ein exotisches Tier.

Forsch streckte sie ihm die Hand entgegen und stellte sich vor. „Liz Whitman, New York Post.“

Er gab ihr die Hand. „Paul Wilson.“ Dabei zwang er sich, sie so freundlich anzulächeln, als würde er eine neue Patientin zum ersten Mal in seiner Praxis begrüßen. „Freut mich, Sie kennenzulernen!“

Das war eine glatte Lüge. Mit ihrer dicken schwarzen Nerdbrille und dem strengen Business-Outfit war sie ihm ungefähr so sympathisch wie die Politesse, die ihm heute Morgen einen saftigen Strafzettel fürs Falschparken verpasst hatte. Trotzdem bemühte er sich, so charmant wie möglich zu sein. Es war das erste Mal, dass eine Zeitung ein Porträt über ihn und seinen Job brachte.

Er war Sex-Coach in New York.

Offensichtlich machte er seine Arbeit gut, denn sein Terminkalender war immer bis oben hin voll – obwohl er zweihundert Dollar die Stunde nahm. Nicht gerade wenig, aber dafür rettete er schließlich auch Ehen und sparte seinen Patienten sündhaft teure Scheidungen. Genauer gesagt half er Paaren, ihre sexuellen Probleme zu lösen, damit ihr gemeinsames Leben wieder so leidenschaftlich und intensiv wie am Anfang der Beziehung wurde. Man könnte auch sagen, er führte seine Patienten aus erotischen Sackgassen. Auch wenn seine Coaching-Methode für die meisten Menschen wahrscheinlich erst mal gewöhnungsbedürftig klang.

„Setzen Sie sich doch bitte“, sagte er und zeigte auf das hellgraue Designersofa, das neben einem dunkelgrauen Sessel mit einladend großen Lederpolstern in der Raummitte stand.

Höflich fragte er: „Möchten Sie Kaffee, Tee oder lieber Wasser?!“

„Ein stilles Wasser. Danke“, antwortete sie, und während er Stacey bat, zwei stille Wasser zu bringen, schlenderte Liz Whitman zu der riesigen Glasfront.

„Schöne Aussicht“, sagte sie und blickte bewundernd auf das Grün des Central Parks, das hinter den bodentiefen Fenstern in den Himmel ragte. „Haben Sie Ihre Praxis schon lange hier?“

„Etwa fünf Jahre“, antwortete Paul. „Davor war ich in Brooklyn. Mit der Zeit hatte ich aber immer mehr Patienten aus Manhattan. Die meisten wohnten an der Upper East Side, waren beruflich stark eingebunden und jammerten über den langen Anfahrtsweg zu unseren Treffen. Deshalb habe ich meine Praxis kurzerhand an die Upper East Side verlegt.“

Sie drehte sich zu ihm um, zog den linken Mundwinkel leicht spöttisch nach oben. „Fiel Ihnen bestimmt sehr schwer?!“

Schweigend grinste Paul.

Sie ließ ihren Blick durch den Raum wandern, begutachtete den Einrichtungsstil. Auf dem grauen Sofa waren mehrere Kissen in Naturtönen mit filigranen Prints verteilt, davor stand ein edler Teaktisch. An verschiedenen Stellen im Raum waren rustikale Holzaccessoires neben modernen Kunststoffleuchten und bunter Pop-Art drapiert.

Es klopfte an der Tür. Stacey kam mit einer großen Flasche Pellegrino und zwei Gläsern auf einem Tablett herein, stellte alles auf den Teaktisch und schenkte das Wasser in die Gläser.

Als sie den Raum wieder verlassen hatte, setzte sich Liz Whitman auf das Sofa, zog ein in schwarzes Leder gebundenes Notizbuch und einen Kugelschreiber aus ihrer Tasche und legte ein Aufnahmegerät vor sich auf den Tisch. Lächelnd nahm sie den Kugelschreiber in die rechte Hand und fragte: „Wie sieht ein Sex-Coaching denn normalerweise bei Ihnen aus?“

„Ich coache meine Klienten, während sie sexuell aktiv sind. Man kann sich das am besten als praktische Sprechstunde vorstellen. Entweder besuche ich meine Klienten zu Hause oder wir machen das Coaching hier in der Praxis.“

Er drehte den Kopf und zeigte dabei auf eine Tür, die zu einem Nebenzimmer führte. „Nebenan habe ich noch einen zusätzlichen Raum mit einem Bett für praktische Übungen.“

Lächelnd wandte er den Kopf zurück in ihre Richtung. „Auf diese Weise können meine Verbesserungsvorschläge sofort übernommen werden. Viele meiner Patienten haben Probleme mit eigenen Worten zu beschreiben, warum ihre bisherige sexuelle Technik nicht die gewünschten Ergebnisse brachte. Deshalb ist es meist auch effektiver, wenn ich ihnen einfach gleich beim Sex zuschaue.“

Liz Whitman wirkte so entsetzt, als hätte er ihr gerade mitgeteilt, George Clooney hätte sich von der schönen Menschenrechtsanwältin Amal Alamuddin getrennt und verkündet, er wollte sich lieber ein neues Hausschwein zulegen. Wenn Paul ihren Gesichtsausdruck richtig interpretierte, war sie kurz davor, ihn als Perversen abzustempeln. Das verwunderte ihn nicht weiter. Fast alle Menschen zeigten diese Reaktion, sobald sie hörten, dass Paul in seinen praktischen Sprechstunden Paaren beim Sex zuschaute. Aus Erfahrung wusste er, dass jetzt nur eines half: Er musste einfach so weiter erzählen, als hätte er den normalsten Job der Welt. Verkaufsberater in der Dessous-Abteilung eines Kaufhauses oder irgendetwas in der Art.

Mit ruhiger Stimme sagte er: „Sicherlich ist meine Methode etwas ungewöhnlich. Aber sie funktioniert ganz hervorragend. Für viele meiner Patienten ist es eine besondere Motivation, wenn ich ihnen beim Sex persönlich zuschaue.“

Er machte eine kurze Pause und ließ seine Worte wirken. Wie ihm schien, war Liz Whitman noch nicht so recht überzeugt und Paul fragte: „Waren Sie schon mal im Fitness-Studio?“

Sie nickte.

„Im Endeffekt ist das wie beim Workout, wenn der Trainer direkt neben einem steht und zuschaut: Da gibt man sich extra viel Mühe.“

Ungläubig schüttelte sie den Kopf und lachte kurz auf, während sie seine Ausführungen in ihr Notizbuch schrieb.

Zögerlich fragte sie: „Sind Ihre Klienten nicht angeekelt, wenn ihnen jemand in so einer intimen Situation zuschaut?!“

„Nein, im Gegenteil. Die meisten nehmen mich gar nicht mehr wahr, sobald meine Therapie Wirkung zeigt. Besonders für Paare in langjährigen Beziehungen ist es oft der erste richtig gute Sex seit langer Zeit. Meist sind sie so berauscht und gefesselt von ihrem Liebesspiel, dass ich völlig aus ihrem Bewusstsein verschwinde.“

Er dachte an den Termin gestern mit dem jungen Ehepaar, Kate und Gordon Davis. Beide waren Mitte dreißig und kannten sich seit der zehnten Schulklasse. Eine klassische College-Liebe mit einem typischen Problem: Beide hatten nie andere Sexpartner gehabt. Weil Kate und Gordon ein paar tausend Meilen von New York entfernt in Dallas lebten, hatten sie drei Gesprächssitzungen über Skype. Gestern nun waren sie für ihre erste praktische Sprechstunde in seine Praxis gekommen. Bei der Erinnerung daran musste Paul schmunzeln.

„Wenn ich es mir recht überlege, muss ich den meisten sogar irgendwann auf die Schulter tippen, um ihnen zu sagen, dass sie gerne alleine weitermachen dürfen.“

Sie lachte laut, schüttelte wieder ungläubig ihren Kopf und sagte: „Klingt unglaublich.“

Paul lächelte.

Neugierig fragte Liz Whitman: „Was sind denn eigentlich die häufigsten Probleme?“

„Die meisten haben nur Basiskenntnisse und wollen diese mit meiner Hilfe erweitern. Man könnte sagen, sie sehnen sich nach anspruchsvollerem Sex.“

Nachdenklich ließ sie ihren Blick durch den Raum gleiten. An dem eleganten Glasschreibtisch blieb er hängen. Sie schien etwas darauf zu suchen.

Plötzlich drehte sie den Kopf in seine Richtung: „Sind Sie eigentlich verheiratet?“

„Nein“, antwortete Paul und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn der scharfe, fast schon vorwurfsvolle Ton ihrer Frage ärgerte. Er tröstete sich damit, dass er nun wenigstens wusste, was ihr suchender Blick zu bedeuten gehabt hatte. Wahrscheinlich hatte Liz Whitman auf seinem Schreibtisch nach einem Familienbild oder irgendeinem anderen privaten Foto Ausschau gehalten. Vielleicht im Sommerurlaub in den Hamptons. Zu zweit, verliebt am Strand. Solche Bilder gab es natürlich. Jede Menge sogar. Schließlich hatten sie in den letzten Jahren im Sommer fast jedes Wochenende in den Hamptons verbracht. Er versuchte so freundlich wie nur möglich zu lächeln, doch sie erwiderte sein Lächeln nicht, sondern musterte ihn kritisch.

Wahrscheinlich vermutete sie, dass er ein Womanizer war und seine Freundinnen recht häufig wechselte und versuchte sich vorzustellen, wie seine aktuelle Affäre aussah. Das war nicht weiter ungewöhnlich, die meisten Leute interessierten sich ausgesprochen stark für sein Intimleben.

Doch statt weiter nachzubohren, sagte sie plötzlich: „Was war Ihr bislang außergewöhnlichster Fall?“

Bilder explodierten in seinem Kopf. Es war, als würde diese Frage ein Feuerwerk an bunt-glitzernden Erinnerungen entzünden.

Er dachte an SIE. Eine kleine Frau im knallgrünen Sommerkleid.

Seinen Auftrag.

Er zögerte.

Sollte er es tun?

Sollte er ihr von Mila und MEET THE BEST erzählen?

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