Читать книгу GLAMOURSEX - Sabine Hoffmann - Страница 5
2.
ОглавлениеDas Telefon klingelte und Paul hörte, wie Staceys Stimme leicht genervt aus dem Hörer erklang: „Dr. Wilson, eine Deborah Fielding möchte Sie sprechen.“
Er schaute auf seine Armbanduhr. Punkt sechs. An einem Freitagabend. Paul konnte verstehen, dass Stacey verärgert war. Eigentlich hatte er ihr versprochen, dass sie heute etwas früher Schluss machen könnte, so viele Überstunden wie sie in den vergangenen Monaten gemacht hatte. Wahrscheinlich plante sie, sich schleunigst ins Wochenende zu verabschieden und nach Hause zu gehen.
Wenn er es sich recht überlegte, hatte er auch keine Lust auf ein Gespräch mit einer neuen Patientin. Und Deborah Fielding musste eine neue Patientin sein. Er hatte ihren Namen noch nie zuvor gehört.
Stacey schien seine Gedanken zu erraten, denn sie fragte begierig: „Soll ich ihr sagen, dass Sie erst nächste Woche wieder im Büro zu erreichen sind?“
Paul zögerte. Eigentlich könnte er Stacey tatsächlich bitten, sie abzuwimmeln. Darin war sie wirklich gut. Sie machte das so reizend und höflich, dass bislang jeder Patient felsenfest überzeugt war, Paul hätte tatsächlich einen immens wichtigen Termin und würde es aus tiefstem Herzen bedauern, gerade keine Zeit für ein Gespräch zu haben.
Irgendetwas hielt ihn trotzdem davon ab, Deborah Fielding auf die nächste Woche zu vertrösten.
„Hat sie gesagt, um was es geht?“
„Nein. Nur, dass sie unbedingt mit Ihnen sprechen müsse“, antwortete Stacey und klang dabei noch eine Spur genervter. „Sie meinte, es sei dringend.“
„Dringend“, murmelte Paul leise vor sich hin und fragte sich, warum ihn dieses Wort nur so magisch anzog. Wahrscheinlich verknüpfte sein Hirn damit automatisch, dass es sich zwangsläufig auch um etwas Spannendes handeln musste. Nur so konnte er sich den Adrenalinkick erklären, den das Wort „dringend“ jedes Mal bei ihm auslöste.
Wobei er für ein solches Anliegen momentan eigentlich nicht in der richtigen körperlichen Form war. Während er den Telefonhörer in der linken Hand hielt, rieb er sich mit der rechten über die Stirn und schloss die Augen für einen Moment. Er war kaputt. Wahrscheinlich sollte er schnell Feierabend machen. Ein anstrengende, zähe Woche lag hinter ihm, als er sich plötzlich sagen hörte: „OK, stellen Sie durch. Aber das ist dann wirklich das letzte Gespräch. Sie können schon mal Feierabend machen, Stacey.“
„Danke, Dr. Wilson!“, antwortete Stacey erleichtert. „Machen Sie auch bald Feierabend!“
„Das werde ich, Stacey“, erwiderte er und dachte an die Berge von Patientenakten, die er noch durchgehen wollte.
Doch ehe er sich darüber weiter Gedanken machen konnte, sagte eine tiefe Frauenstimme: „Guten Tag, Dr. Wilson! Gut, dass ich Sie so spät noch erreiche. Ich muss Sie dringend sprechen.“
In höflichem Ton antwortete Paul: „Guten Tag, Mrs. Fielding. Um was geht es denn?“
„Das würde ich lieber persönlich besprechen“, erwiderte sie bestimmt. „Es ist ein recht ungewöhnliches Anliegen. Aber ich denke, es wird Sie interessieren. Kommen Sie doch morgen in meinem Büro vorbei. Sagen wir am späten Vormittag. So gegen elf Uhr?“
Verdutzt schwieg Paul. Nicht nur, dass morgen Samstag und somit Wochenende war. Für gewöhnlich kamen die Patienten in sein Büro und nicht umgekehrt. Allerdings gab es Ausnahmen. Manche waren beruflich so eingebunden, dass sie nur am Wochenende Zeit hatten. Andere hatten panische Angst zufällig von einem Arbeitskollegen, Freund oder alten Bekannten dabei beobachtet zu werden, wie sie die Praxis eines Sex-Coachs betraten.
Johnny Belwin fiel ihm ein. Er war ein bekannter Investment-Banker, hatte aber sein halbes Vermögen während der weltweiten Immobilienkrise verloren. Seitdem litt er an Erektionsstörungen, die sich selbst durch die beharrliche Einnahme von Viagra nicht beheben ließen. Trotz dieser diffizilen Problematik hatte er darauf bestanden, Paul zum Lunch in einem exquisiten Sushi-Lokal an der Wallstreet zu treffen. Dort wimmelte es zwar von Leuten aus der Finanzbranche, trotzdem schien es Johnny Belwin lieber zu sein, seine Schwanz-Probleme an diesem Ort zu erörtern, als in Pauls Praxis.
Bei der Erinnerung daran wurde Paul fast ein bisschen wehmütig. Johnny Belwin war einer seiner Lieblingsfälle gewesen. Er hatte sich aus ärmlichen Verhältnissen hochgearbeitet und war an der Wallstreet ein reicher Mann geworden. Seitdem er infolge der Immobilienkrise Unmengen an Geld verloren hatte, musste er leider ständig daran denken, wo er eigentlich herkam - einem Arbeiterstädtchen in Pennsylvania. Selbst beim Sex ließ ihn der Gedanke an seine ärmliche Kindheit nicht los, Orte und Plätze von früher schossen ihm sogar während des Akts durch den Kopf. Leider schien er als Junge Stunden mit Warten im Auto verbracht zu haben, während seine Mutter bei Woolworth nach den günstigsten Angeboten suchte. Wenn er Sex hatte, musste er nun immerzu an den Parkplatz vor Woolworth denken. Nicht unbedingt die erotischste Vorstellung. Johnny Belwin hatte mit Pauls Hilfe versucht, diese störenden Gedanken aus seinem Kopf zu bekommen.
Paul hatte die Treffen mit ihm sehr genossen. Er liebte unkonventionelle Fälle. Leider kamen die in letzter Zeit immer seltener vor. Den Grund konnte sich Paul beim besten Willen nicht erklären. An der Lage seiner Praxis konnte es auf jeden Fall nicht liegen. Schließlich hatte er sich zur Ausübung seines Berufs den perfekten Ort ausgesucht. Die Upper East Side war schon seit jeher das Zentrum vermögender Neurotiker.
Paul merkte, wie er immer neugieriger wurde, welches Problem Deborah Fielding plagte. Doch noch ehe er sie nochmals danach fragen konnte, nannte sie ihm ihre Adresse.
Er kannte die Straße.
Sehr teure Ecke, ziemlich ruhig und diskret. Keine zehn Fußminuten entfernt.
Ohne lange zu überlegen, antwortete er: „In Ordnung. Morgen um elf Uhr.“
Erfreut antwortete sie: „Vierter Stock. Ich gebe dem Pförtner Bescheid. Sie können den Eingang zu meinem Büro nicht verfehlen. Der Fahrstuhl hält direkt im Empfangsraum.“
Sie hielt kurz inne.
„Dort hängt ein riesiges, rotschimmerndes Metallherz mit goldener Schleife von der Decke. Das haben Sie bestimmt schon mal irgendwo gesehen. Ist ein ziemlich bekanntes Kunstwerk, das „Hängende Herz“ von Jeff Koons.“
Sie machte eine Pause.
„Es ist ein Original.“
Ohne auf seine Antwort zu warten, verabschiedete sie sich und legte auf.