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Verwandtschaftssystem der Aborigines

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Das Verwandtschaftssystem der Aborigines unterscheidet sich grundlegend von westlichen Kulturen. In Europa kennen wir das „Eskimo-System“: die Kernfamilie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern. Bei den Aborigines ist das „Iroquois-System“ verbreitet: Alle Schwestern der Mutter werden ebenfalls als Mütter bezeichnet, alle Brüder des Vaters gelten als Väter. Die Kinder des Bruders des Vaters und die Kinder der Schwester der Mutter sind damit ebenfalls Brüder und Schwestern.

Als „Onkel“ und „Tante“ wird man nur bezeichnet, wenn das Geschlecht in der Elterngeneration wechselt. Es gibt also nur auf der mütterlichen Seite Onkel und nur auf der väterlichen Seite Tanten, und nur die Kinder der bezeichneten Onkels und Tanten gelten als Cousins und Cousinen. Dieses System spielt für Eheschließungen eine wichtige Rolle, denn nur Cousins und Cousinen dürfen untereinander heiraten. Solche „Kreuzcousinen-Heiraten“ kennen auch andere Kulturen.


Familie ist traditionell wichtiger als der Einzelne. An der Tankstelle in Billiluna

Fremde aus anderen Stämmen können einfach aufgenommen und in das Verwandtschaftssystem eingegliedert werden (etwa durch Heirat), es wird nicht nach Blutsverwandtschaft unterschieden. Jedes Stammesmitglied ist in diesem System mit allen anderen verwandt.

Für Heiratsregeln, aber auch für Rituale ist jedoch die folgende Unterscheidung wichtig: Die Angehörigen eines Stammes werden in zwei Gruppen oder Hälften („Moieties“) eingeteilt. Nur jemand aus der anderen „Moiety“ oder aus einem anderen Stamm darf geheiratet werden. Die Frau spricht immer eine andere Sprache als der Mann. Die Kinder erlernen zuerst die Sprache der Mutter, später die des Vaters.

Zusätzlich werden die „Moieties“ in „skin groups“ unterteilt (ein anthropologischer Begriff, der nichts mit der Hautfarbe zu tun hat). Jedes Stammesmitglied bekommt bei seiner Geburt zusätzlich den Namen der „skin group“, zu der es gehört. Manche Aborigine-Stämme haben sechs oder acht „skin groups“, die meisten jedoch vier (zwei pro „Moiety“).

Neben der Einordnung in das Verwandtschaftssystem bekam jeder Aborigine während der Initiation sein Totem zugesprochen. Dies konnte ein Tier, eine Pflanze oder ein unbelebter Teil der Landschaft (ein Felsen oder ein Stein) sein. Wer von diesem speziellen Totem abstammte, für den war es dann wie ein Schutzgeist. Hatte jemand beispielsweise ein Krokodil als Totem, durfte er diese Tiere nicht töten und auch kein Krokodilfleisch essen. War das Totem eine essbare Pflanze, trug der Totemträger die Verantwortung dafür, dass diese als Nahrung für den Clan verfügbar war.

In diesem ausgeklügelten Verwandtschaftssystem spielt jedes Stammesmitglied eine bestimmte Rolle, die mit bestimmten Aufgaben und Rechten verbunden ist; etwa, wer welche Rituale durchführen und wer daran teilnehmen darf. Es gelten strenge Verhaltensregeln gegenüber den Mitgliedern der Familie: Zum Beispiel darf ein Mann nicht direkt seine Schwiegermutter ansprechen, die Kommunikation erfolgt immer über eine dritte Person.

Im täglichen Leben der Aborigines trugen die praktischen Auswirkungen dieses Verwandtschaftssystems zum Überleben als kleine Gruppe bei. So passten beispielsweise einige Frauen auf alle Kinder auf, während die anderen sich um die Nahrungssuche kümmern konnten.

Aborigines Gestern und Heute

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