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„Ich freue mich, dass alles so gut gelaufen ist“, sagte Yves herzlich, als ich ihn nach der Landung anrief, während mein Taxi Stop-and-go im Pariser Samstagabend-Stau veranstaltete. „Leider habe ich morgen schon etwas vor. Ich wusste ja nicht, dass du schon heute zurückkommen würdest …“

Diese Ausrede passt dir sicher gut, dachte ich enttäuscht.

„Aber wir können uns Montagabend sehen, wenn du möchtest.“

„Ja, prima. Willst du zum Abendessen kommen?“

„Gern.“

In der Nacht zum Sonntag schlief ich wie ein Stein, denn mein Schlafkonto war um mindestens zehn Stunden überzogen, und am Sonntag traf mich die Nachwirkung von Stress und Anspannung wie ein Keulenschlag.

Als ich mein bleiches, hohläugiges Gesicht im Spiegel sah, war ich beinahe froh, dass Yves keine Zeit hatte, denn es war besser, wenn er mich nicht so sah. Der Zustand meiner Wohnung ähnelte meinem persönlichen.

Zum gründlichen Putzen war ich schon lange nicht mehr gekommen, und obwohl fünfzig Quadratmeter für Pariser Verhältnisse fast groß zu nennen waren, reichte der Platz nie aus, um alles ordentlich wegzuräumen. Ich hatte den Inhalt meines Koffers überall im Wohnzimmer verteilt. Oje, es lag noch Arbeit vor mir.

Zum Glück musste ich als Ausgleich für die Arbeit am Samstag und die vielen Überstunden an den langen Abenden in Evian erst am Mittwoch wieder ins Büro. Ausgezeichnet, so konnte ich mit Yves eine herrliche Nacht verbringen, ohne am nächsten Morgen früh raus zu müssen.

Gut gelaunt und voller Vorfreude besorgte ich am Montag im Supermarkt alle Zutaten für ein leckeres, aber nicht zu zeitaufwendiges Abendessen. Am Nachmittag rief er an, um abzusagen. „Meine Frau ist heute Vormittag aus der Bretagne zurückgekommen, ein paar Tage früher als erwartet.“

Seltsam, wollte er etwa mit ihr Wiedersehen feiern, nachdem er mir wochenlang erzählt hatte, dass sie praktisch nur noch eine Wohngemeinschaft bildeten?

In solchen Momenten war ich immer zu nett. Nie geistesgegenwärtig genug, um eine Szene zu machen oder wenigstens klarzustellen, wie sehr mir sein Verhalten gegen den Strich ging.

„Wie schade. Wann sehen wir uns denn dann?“ Ich bemühte mich, mir meine riesengroße Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.

„Ähm, ich wollte dir auch noch sagen, dass es wohl besser ist, wir hören hier auf“, begann Yves vorsichtig.

„Wie, was?“, japste ich.

„Du hast sicher gemerkt, dass wir einander nicht die gleichen Gefühle entgegenbringen.“

„Ja, das habe ich gemerkt.“ Ich stand reglos am Fenster und starrte auf die Straße hinaus. Es regnete, Paris war grau.

„Ich wusste es, du bist ein intelligentes Mädchen“, sagte er erleichtert mit seiner warmen, dunklen Stimme, die mich diesmal nicht wie Balsam einhüllte, sondern wie Nadeln piekte. „Du bist in mich verliebt, das merke ich, aber es würde nicht gut gehen. Ich will dir nicht wehtun.“

Zwar hatte ich es mir verkneifen können, Yves Liebesgeständnisse zu machen, aber Männer wie er besitzen dafür einen ausgeprägten Instinkt, der Alarm schlägt und sie augenblicklich das Weite suchen lässt, als gelte es, einem bevorstehenden Bombenangriff zu entkommen.

„Tust du nicht, kein Problem“, murmelte ich, statt ihm zu sagen, was für ein Scheißkerl er war.

„Können wir Freunde bleiben?“

„Sicher“, sagte ich, auch wenn ich ahnte, dass er das nur vorschlug, um sich besser zu fühlen.

Als ich aufgelegt hatte, wischte ich mir energisch die Tränen von den Wangen. Aus der Traum, aber kein Grund, mich gehen zu lassen. Ich würde mich zusammenreißen und nicht losheulen, auch wenn es noch so wehtat.

Eine Frau, die gerade einen Jürgen Dormann zum Swimmingpool begleitet und gemeinsam mit Gerhard Schröder zu Abend gegessen hatte, würde nicht die Fassung verlieren, weil sich ein Yves Leclerc als feiger Heuchler entpuppte.

Nachdem Yves meine rosarote Brille mit Gewalt zertrümmert hatte, musste ich mir eingestehen, dass alles auf dieses Ende hingedeutet hatte.

Mein Blick fiel auf den riesigen, fünf Kilo schweren Bildband Die Erde vom Himmel aus gesehen, den ich in Evian wie alle Veranstaltungsteilnehmer von Danone als Gastgeschenk erhalten hatte. Den würde ich mir gleich mal ansehen, das würde mich ablenken.

Ich packte das Buch, das auf dem Boden lag, und hievte es mit Schwung auf den Wohnzimmertisch. Da durchfuhr ein messerscharfer Schmerz wie ein Dolchstoß meinen Rücken.

Schon einige Tage vor der Abreise nach Evian hatte ich Rückenschmerzen gehabt, und Herr Figueredo hatte mich während der Arbeitszeit in der Limousine meines Chefs zu meinem Osteopathen gefahren, damit der mir einige verschobene Wirbel wieder richtig platzierte. Er hatte mir auch ein starkes Medikament verschrieben für den Fall, dass ich in Evian Schmerzen haben würde, doch dort hatte ich es glücklicherweise nicht gebraucht.

Dieser Dolchstoß in den Rücken war nach dem in mein Herz der Tropfen, der das Fass überlaufen ließ. Ich brach in Tränen aus und verbrachte den restlichen Nachmittag heulend auf meiner Ledercouch, mit einem Heizkissen im Rücken.

Als ich wieder sprechen konnte, rief ich Denise an. „Du hattest recht mit Yves. Er hat gerade mit mir Schluss gemacht.“

„Das tut mir leid für dich“, sagte sie betroffen. „Aber überrascht bin ich nicht.“

„Ich weiß, du hast mehrmals versucht, mich zu warnen“, seufzte ich.

„Du solltest dich mit Alexandre trösten. Ich habe dir ja schon von ihm erzählt. Er ist jünger als Yves und unkomplizierter. Nein, mit Yves hast du gewiss nichts verloren. Alexandre wird dir gefallen.“

Nach achtunddreißig durchnässten Tempotaschentüchern, fünf Baldriandragees und drei Whisky on the rocks versuchte ich zur Tagesordnung überzugehen. Mittwochabend quälte ich mich zu dem Treffen mit Alexandre in der Brasserie Le Select in Montparnasse. Von allen Brasserien in Paris hatte er ausgerechnet die vorschlagen müssen, in der ich meinen ersten Abend mit Yves verbracht hatte. Aber sie lag nur wenige Metrostationen von meiner Wohnung entfernt und somit günstig für mich, daher hatte ich zugestimmt.

Alexandre erwies sich tatsächlich als netter, unkomplizierter Kerl, aber er war nicht mein Typ. Unkompliziert war vor allem die Art von Beziehung, die er suchte. Er wollte sich auf keinen Fall festlegen. Wenigstens war er ehrlich. Nach unserem Drink wollte er unbedingt noch weiterziehen, schlug mir Restaurant und Disco vor, aber ich war hundemüde, und mein Rücken schmerzte noch immer. So verabschiedete ich mich und trottete im Nieselregen allein nach Hause.

Ein Diwan für zwei

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