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Es war ein öder Freitagnachmittag im Büro; meine beiden Chefs und meine Kollegin Charlotte waren bereits im Wochenende. Ich ordnete die Papierstapel auf meinem Schreibtisch, die während der Vorbereitungen zu Evian liegen geblieben waren. In den drei Tagen seit meiner Rückkehr hatte ich es noch nicht geschafft, viel aufzuarbeiten.

Denise rief mich auf dem Handy an. „Du, ich habe da einen Typen, den musst du unbedingt kennenlernen. Er ist Sohn eines Botschafters in Paris und hat selbst auch einen hohen Posten. Er sucht eine Frau, die mit ihm in den Urlaub fährt, eine Kreuzfahrt auf dem Nil macht. Er ist sehr wohlhabend und sehr gut erzogen. Ein wahrer Gentleman“, schwärmte sie. „Ein bisschen jünger als du, achtundzwanzig.“

Und wenn es Richard Gere gewesen wäre – ich hatte keine Lust.

„Ich habe einen Zahnarzttermin“, lehnte ich ab.

„Kannst du den nicht verschieben? Er ist nur noch heute Abend in Paris, morgen muss er nach Kairo zurück.“

„Wieso zurück nach Kairo?“

„Er lebt dort. Er ist Ägypter.“

„Oh nein, lieber nicht. Bis vor Kurzem hat mich ein Tunesier monatelang so belästigt, dass ich bei der Polizei Anzeige erstatten musste. Ich bin noch richtig traumatisiert.“

„Nina, das kannst du doch nicht mit den Arabern in Paris vergleichen. Salim ist auf höchstem Niveau erzogen worden, ein Botschaftersohn. Und seine Mutter ist Französin. Außerdem sieht er überhaupt nicht arabisch aus. Als er reinkam, dachte ich, er kommt aus Deutschland. Deswegen kam ich ja auch sofort auf dich, ich hab ihn für einen Landsmann von dir gehalten!“

„Na schön, dann gib ihm meine Handynummer“, seufzte ich. Keine zehn Minuten später rief Salim mich an. Er klang so nett und aufgeschlossen, dass ich mich auf das Treffen zu freuen begann.

Als ich das Büro verlassen wollte, räumte ich einen schweren Stapel Dokumente in die unterste Schreibtischschublade … und schrie vor Schmerz auf. Die Hexe hatte schon wieder geschossen. Diesmal richtig. Zwar kam ich noch hoch, aber von da an konnte ich mich nicht mehr bücken. Ich musste unsere junge Juristin Hélène bitten, den Rest der Dokumente einzuräumen und den Schreibtisch abzuschließen. Und das ausgerechnet an diesem Abend. Aber absagen wollte ich Salim auch nicht mehr. Nun hatte ich Blut geleckt und wollte mir diesen charmanten Botschaftersohn nicht entgehen lassen. Ich sagte lediglich dem Zahnarzt ab.

Der Nachhauseweg in der überfüllten Metro war eine Tortur. Zu Hause warf ich zwei Schmerztabletten ein und legte mich für die verbleibende Stunde auf mein Heizkissen.

Salim rief an, als er mit seinem Wagen vor meiner Haustür stand, und ich ging hinunter. Er stieg aus und kam mir einige Schritte entgegen. Denise hatte recht, er sah mit seinen blonden Haaren, den blauen Augen und seinem jungenhaften, etwas pausbäckigen Gesicht eher wie ein Nord- oder Mitteleuropäer aus. Er war sehr groß, kräftig gebaut und trug verwaschene Jeans zu Jackett und Oberhemd. Auch lässig gekleidet besaß er die selbstverständliche Eleganz und Klasse der Reichen und Wohlgeborenen. Eine natürliche Selbstsicherheit ohne jede Arroganz.

Wir küssten uns die Wangen zur Begrüßung. Er duftete nach einem angenehmen Aftershave.

„Schön, dass du mich abholen konntest“, sagte ich, als ich mich vorsichtig in den Sitz des schwarzen BMW gleiten ließ.

„Ist doch selbstverständlich. Ich nehme mir immer einen Mietwagen, wenn ich in Paris bin.“

„Bist du das öfter?“

„Ja, wenn ich es einrichten kann. Paris ist für mich Heimat, ich habe meine Jugend hier verbracht. Mein Bruder lebt noch hier, er ist Verkaufsleiter bei Guerlain.“

„Und was machst du beruflich?“

„Ich bin Marketingleiter bei EgyptAir.“ Sein Akzent klang nicht arabisch, sondern britisch, und sein Französisch war nahezu perfekt. „Ich hätte Lust, in der Buddha-Bar zu essen, was hältst du davon?“, fragte er, als wir in Richtung Innenstadt fuhren.

„Meinst du dieses neu eröffnete asiatische Restaurant mit integriertem Nachtclub?“

„Ja – kennst du es?“

„Nur vom Hörensagen. Es soll so angesagt sein, dass man wochenlang im Voraus reservieren muss, um Plätze zu bekommen.“

„Ich werde es versuchen.“

Während wir an einer roten Ampel warteten, zückte Salim sein Handy und eine Visitenkarte und reservierte einen Tisch in der Buddha-Bar für diesen Abend.

„Das hat geklappt, so spontan? Da haben wir aber Glück gehabt“, meinte ich verblüfft.

„Die kennen mich da, mein Bruder geht oft hin“, erklärte er fast verlegen.

Es gelang Salim auch, im von Autos überfüllten 8. Arrondissement einen Parkplatz nur zwanzig Meter von der Buddha-Bar entfernt zu bekommen. Er war wohl ein Glückskind.

Wir gingen an dem riesigen goldenen Buddha, der in einem Teich von Lotosblüten am Eingang thronte, vorbei zu einem kleinen Empfangstresen. Ein gestylter junger Mann bat uns, noch einen Moment in der Bar Platz zu nehmen, bis der Tisch frei würde.

Ich setzte mich mit allergrößter Vorsicht auf das niedrige Ledermöbel und gestand Salim mein Rückenleiden. Nicht, dass er dachte, ich würde mich immer bewegen wie ein Roboter, dessen Batterie zur Neige ging. „Deswegen auch das Büro-Outfit – es ist mir einfach nicht gelungen, mich umzuziehen.“

Ich trug ein rostrotes Kostüm mit einer zarten Sommerbluse.

„Das macht doch nichts. Es ist Freitag, viele laufen noch im Business-Look herum. Ich bin froh, dass du nicht abgesagt hast.“

„Ja, aber erwarte keine großen Sprünge von mir heute Abend. Das hast du jetzt davon, dass du mit einer über Dreißigjährigen ausgehst!“

Er lachte. „Ach was, Rückenschmerzen hatte ich auch schon. Außerdem siehst du keinen Tag älter als achtundzwanzig aus.“

Charmanter Junge, gefiel mir.

Als wir unseren Platz im Restaurant bekamen, blickte ich mich bewundernd um. Der große Saal war wie eine südasiatische Grotte hergerichtet. Lounge-Musik spielte – eine moderne orientalische Musik, der mystisch-asiatische Klänge beigemischt waren, der neuste Schrei in Paris in diesem Herbst. Die Damentoiletten waren auf marokkanische Art gekachelt und bespiegelt, wie ich später herausfand.

Während des ausgezeichneten Essens unterhielten wir uns angeregt.

„Dein Vater ist also der ägyptische Botschafter in Paris?“

„Das war er früher mal – jetzt lebt er mit meiner Mutter wieder in Kairo und ist eigentlich im Ruhestand. Aber er ist noch hin und wieder für UNICEF tätig.“

„Und deine Mutter ist Französin, sagte Denise?“

„Ja. Sie ist Literaturwissenschaftlerin.“

„Deswegen ist dein Französisch wohl so fabelhaft. Und es ist eigenartig, du hast keinen arabischen Akzent, sondern einen englischen.“

„Kann sein, ich habe in meiner Kindheit auch mehr Englisch gesprochen als Arabisch. Wir sind andauernd umgezogen, mein Vater war erst Botschafter in Indonesien, dann in Mexiko und in London, bevor wir nach Paris gekommen sind. Ich spreche auch gut Spanisch.“

„Da bist du ja ordentlich herumgekommen in der Welt.“

„Ja. Aber am längsten war ich in Paris. Neun Jahre lang. Wir haben im 16. Arrondissement gewohnt, in einer wunderschönen Villa. Das war die letzte Station für meinen Vater als Botschafter. Ich habe hier noch die HEC fertig gemacht und bin danach auch nach Kairo umgezogen.“

HEC war die Abkürzung für Ecole des hautes études commerciales, eine französische Elite-Hochschule für Wirtschaft.

„Und da lebst du jetzt?“

„Ja. Ich habe eine Wohnung mit Blick auf den Nil. Aber ich bin nicht so oft zu Hause, weil ich ständig beruflich unterwegs bin. Meine Haushälterin hat nicht viel zu tun, die meiste Zeit sitzt sie bei mir vor dem Fernseher.“ Er lachte vergnügt, und ich wusste nicht, ob ich ihn mehr um den Nilblick oder die Haushälterin beneiden sollte.

„Da ich früher nie in Ägypten gelebt habe und jetzt so selten dort bin, kenne ich mein Land nicht besonders gut. Ich würde gerne mal eine Kreuzfahrt auf dem Nil machen. Aber nicht alleine.“ Er lächelte vielsagend.

„Ja, das klingt gut.“

Die Vorstellung, ein paar Tage auf dem Deck eines Luxusschiffs zu sitzen und Oasen und Pyramiden an mir vorbeiziehen zu sehen, brachte mich zum Träumen, aber wollte ich eine ganze Woche mit Salim verbringen? Denn da waren ja auch die Nächte …

Wie Denise immer wieder betonte, war ihre Kartei voll mit Frauen, die kein Problem damit hatten, mit Männern zu schlafen, an denen ihnen nichts lag, solange teure Geschenke und Reisen an paradiesische Orte dabei heraussprangen. Für mich war das allerdings nichts. Ein Mann musste schon Herzklopfen bei mir auslösen, um das Bett mit ihm zu teilen. Nun, Salim war auf jeden Fall sympathisch und attraktiv, aber es war etwas früh, um zu beurteilen, ob diese Anziehungskraft ausreichen würde.

Wir blieben ziemlich lange in der Buddha-Bar, wo nach Mitternacht zu orientalischem Pop getanzt wurde, und ich bedauerte, dass ich nicht mitmachen konnte. Schließlich hatte ich mal Unterricht im Bauchtanz genommen.

Salim fuhr mich nach Hause.

Es kam mir recht gelegen, dass ich mit meinem höllisch schmerzenden Rücken eine ausgezeichnete Entschuldigung dafür hatte, Salim nicht in mein Bett zu lassen – falls er fragen würde. Aber das tat er nicht. Er war viel zu sehr Gentleman, um mich vor meiner Haustür noch um einen Kaffee zu bitten.

„Ich muss morgen früh raus, ich fliege mit der ersten Maschine“, sagte er, als wir angekommen waren.

„Vielen Dank für die Einladung“, sagte ich erleichtert.

„Ich danke dir für den schönen Abend.“

Wir küssten uns zum Abschied auf die Wangen.

„Ich rufe dich an, wenn ich das nächste Mal in Paris bin.“

Ein Diwan für zwei

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