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Ich hockte in dem bequemen Sessel der luxuriösen Junior-Suite und ließ die englischen Nachrichten im Fernsehen an mir vorbeiflimmern, während meine Unruhe wuchs. Dabei hatte ich mich den ganzen Tag fabelhaft gefühlt. Ich war morgens um sieben Uhr Ortszeit in Heathrow gelandet, hatte meinen Weg mit der U-Bahn durch die fremde Stadt gefunden und war schließlich mit meinem Köfferchen im Dorchester eingetrudelt, wo mich das sehr freundliche Personal wie einen VIP in Empfang genommen hatte. Salim hatte Bescheid gegeben, dass seine Verlobte ihn begleiten würde.

Als mir eine der Damen das Hotel gezeigt und mich in unsere Junior-Suite geführt hatte, hatte ich Mühe gehabt, nicht in Begeisterungsschreie auszubrechen, sondern das coole, dem britischen Understatement angepasste Lächeln der vielgereisten Lady beizubehalten.

Die Einrichtung war im viktorianischen Stil gehalten. Viel dunkles, sorgfältig geschnitztes und auf Hochglanz poliertes Holz, dem durch die gerüschten und gerafften kleingeblümten Vorhänge und dem dazu passenden Bettüberwurf seine Strenge genommen wurde. Das Bett war selbstredend King-Size, und an seinem Kopfende rafften und rüschten sich ebenfalls die edlen Laura-Ashley-Stoffe mit Spitze und Satinbändern.

Fast ein bisschen zu kitschig, aber es bot einen gemütlichen Kontrast zu den eher nüchtern eingerichteten Hotelzimmern, die ich bisher kennengelernt hatte.

Das Badezimmer war ganz in Marmor gehalten und mit großen Spiegeln bestückt. Auch hier wurde das Fenster von romantischen, rot-beige geblümten Vorhängen geziert. Davor stand ein mit weißem Plüschfell bezogener Schemel. Als ich die Badewanne sah, verstand ich, warum das Hotel keinen Swimmingpool besaß. Man konnte darin schwimmen.

„Wünschen Sie ein Frühstück auf dem Zimmer?“, fragte die Hotelangestellte.

„Nein, danke, ich habe im Flugzeug gefrühstückt.“ Bei der Air France hatte ich zwar lediglich ein winziges, vertrocknetes Croissant bekommen und war folglich sehr hungrig, aber ich ahnte, was der Zimmerservice in diesem Hotel kosten würde. Außerdem hatte der morgendliche Nieselregen strahlendem Sonnenschein Platz gemacht, und es zog mich nach draußen.

Das Dorchester lag in Mayfair, einem der nobelsten und teuersten Viertel von London, und die Preise der Restaurants verboten sich für mich von selbst. Die meisten waren ohnehin noch nicht geöffnet, und ich wollte auch nicht zu viel Zeit mit Essen verlieren. Nach einigem Suchen fand ich eine Art Snack-Bar, wo ich bei Discomusik ein Sandwich und eine Cola light zu mir nahm.

Danach organisierte ich mir eine Rundreise durch London. Ich saß auf dem offenen Oberdeck des Touristenbusses, ließ mir den kalten Wind um die Nase wehen und hatte mich schon lange nicht mehr so gut gefühlt. Hin und wieder stieg ich aus, ging am Tower und am Trafalgar Square spazieren, bummelte durch die auch sonntags geöffneten Einkaufszentren am Piccadilly Circus und stellte fest, dass Paris, verglichen mit London, gar nicht so teuer war. Mit Einbruch der Dunkelheit kehrte ich ins Dorchester zurück, badete in der Riesenwanne – gar nicht so einfach, trockene Haare zu behalten, wenn man sich mit den Füßen nicht abstützen konnte –, und machte mich schön.

Wo blieb Salim nur? Sein Flug war vor anderthalb Stunden gelandet. Noch mehr beunruhigte mich, dass das Hotel vorsichtshalber einen Abdruck meiner Kreditkarte gemacht hatte – reine Routine, hatte man mir versichert. Aber das bedeutete, falls Salim aus irgendeinem Grund nicht auftauchte, würde man mir für diese eine Nacht ein Zimmer zum Preis von fast vierhundert Pfund in Rechnung stellen.

In den Nachrichten brachten sie Bilder über Unruhen in Kairo. Ob ihm etwas passiert war? Aber nein, er kam ja aus Paris.

Bevor ich Zeit hatte, mich in meine Sorgen hineinzusteigern, klopfte es an der Tür, und als ich öffnete, stand Salim vor mir.

„Das Taxi hat ewig im Stau gestanden“, seufzte er.

„Schön, dass du da bist.“ Ich küsste ihn zur Begrüßung auf den Mund; es war das erste Mal überhaupt, dass wir uns küssten. Er lächelte erfreut, aber verlegen, und statt sich nun auf mich zu stürzen, stürzte er sich auf seinen Laptop, den er in Windeseile auf dem viktorianischen Schreibtisch aufbaute. „Ich muss noch schnell die Präsentation für morgen testen. Hab sie erst heute Nachmittag fertig gemacht, kurz bevor ich zum Flughafen musste. Guck mal.“ Er scrollte eine Folge von Diagrammen in PowerPoint herunter, und ich setzte mich auf die Armlehne des lederbezogenen Stuhls und heuchelte Interesse.

„Ich habe Durst, willst du auch was trinken?“ Er inspizierte die Minibar.

„Pass auf, das ist hier furchtbar teuer.“

„Darauf kommt es nicht an. Wie wärs mit einem Glas Champagner?“

Ich ließ mich nicht lange bitten. Wenn es darauf nicht ankam …

Mit einer Miniflasche Champagner zum Maxipreis stießen wir auf unsere Londoner Reise an. Ich erinnerte mich an Denise‘ mahnende Worte und startete einen zaghaften Versuch, Salim von seinem Computer abzubringen. Er war sichtlich angetan, aber zu sehr Gentleman, um sich einfach so auf meinen Körper zu stürzen. Oder tatsächlich schüchtern. Vielleicht war er auch einfach zu hungrig.

„Lass uns essen gehen“, sagte er und klappte den Laptop zu.

Die Idee fand ich noch viel besser. Nach dem schlabbrigen Bacon-Sandwich am Vormittag und dem übersüßen Muffin am Nachmittag hatte ich Appetit auf eine echte Mahlzeit.

Ein Hotelangestellter winkte uns eines der für London so typischen großen schwarzen Limousinen-Taxis herbei.

„Ich habe einen Tisch in einem der besten marokkanischen Restaurants reserviert. Isst du gerne marokkanisch?“

„Sehr gerne sogar.“

„Das Essen ist natürlich ausgezeichnet. Aber ich mag es vor allem wegen der guten Stimmung und der Musik.“

Ich fand die moderne orientalische Musik in diesem Restaurant ebenfalls mitreißend. Tanzen wie in der Buddha-Bar konnte man dort allerdings nicht.

„Morgen Nachmittag würde ich gerne einen Tee im Ritz nehmen – was hältst du davon?“, fragte Salim, als wir nach dem Essen noch Cocktails tranken. „Diese Zeremonie ist sehr bekannt, und ich möchte das unbedingt mal mitmachen.“

„Warum nicht. Was kostet so etwas?“

„Dreißig Pfund pro Person, soviel ich weiß.“

„Dreißig Pfund!?“ Ich riss die Augen auf. „Für eine Tasse Tee?“

„Es ist sicherlich ein Kännchen.“ Er blinzelte mir zu. „Außerdem dürfte etwas Gebäck oder diese englischen Mini-Sandwichs mit Gurke dabei sein.“

„Das ist ja trotzdem total verrückt.“

„Du bist natürlich eingeladen.“

„Danke. Na, wenn du meinst, dass du das gerne machen möchtest.“ Ich zuckte lächelnd die Schultern und leerte genussvoll meinen Cocktail – Champagner mit Pfefferminz, grüner Zitrone und weißem Rum. Es war der beste, den ich je getrunken hatte. Sehr geeignet, um mich für das, was da kommen würde, in Stimmung zu bringen.

Ich war ein bisschen nervös. Ob es Salim auch so ging? Schwer zu sagen bei der gelassenen Selbstsicherheit, die er stets ausstrahlte.

Später, in unserem eleganten King-Size-Bett im Dorchester, gab ich mir Mühe, Salim nach allen Regeln der Kunst zu verführen.

Und er erwies sich als aufmerksamer und rücksichtsvoller junger Liebhaber. Ich fand es angenehm, mit ihm zu schlafen, allerdings löste es nicht gerade Ekstase in mir aus. Aber ich hatte ihn gern, vielleicht sollte das für den Anfang genügen.

*

Am nächsten Tag regnete es, und ich war müde. Während Salim in seinem Meeting war, beschränkte ich meine Besichtigungen auf Harrods und einen kleinen Teil von SoHo, anschließend machte ich einen Mittagsschlaf.

Den Tee konnten wir nicht im Ritz nehmen – als wir am Vorabend versucht hatten, einen Tisch zu reservieren, war uns mitgeteilt worden, dass die berühmte Zeremonie bereits auf Monate im Voraus ausgebucht war.

Am Abend regnete es noch immer. Salim und ich gingen zu Fuß in ein nahegelegenes indisches Restaurant, das man uns an der Hotelrezeption empfohlen hatte und das in London zurzeit en vogue zu sein schien. Obwohl wir mit zehn Minuten Verspätung eintrafen, war unser Tisch noch nicht so weit, und man bat uns, an der Bar zu warten.

Wir nahmen auf Hockern Platz und blickten uns um. Das Restaurant besaß die Gemütlichkeit einer Bahnhofshalle und wirkte ungefähr so indisch wie ein deutsches Flughafencafé.

Salim lächelte mich an. „Wie findest du es hier?“

Ich wusste, dass er, genau wie ich, exotische Restaurants mit Atmosphäre liebte. „Hm. Nicht sehr indisch, wie?“

„Nein. Keine Atmosphäre.“

„Nicht zu vergleichen mit der Buddha-Bar.“

„Kein Vergleich, nein.“ Wir sahen uns an.

„Lass uns gehen“, sagten wir gleichzeitig.

Wir ließen uns unsere Mäntel geben und empfahlen uns.

Eine Weile fuhren wir im Taxi durch die Gegend, während Salim sich zu erinnern versuchte, welche Restaurants er in London kannte. Schließlich landeten wir in einem japanischen Restaurant, wo das Essen am Tisch auf heißen Platten zubereitet wurde. Es war unglaublich lecker. Als Aperitif hatte ich einen Sex on the beach. Salim wählte einen Kiss in the moonlight.

Wir wurden sehr fröhlich, und sogar Salim ging aus sich heraus und begann, frivole Witze zu erzählen. Der japanische Koch, der vor uns Fleisch und Gemüse briet, ließ sich nicht anmerken, ob er Französisch verstand.

In unserem King-Size-Bett hatten wir später wieder höflichen, pflichtbewussten Sex.

Am nächsten Morgen fand die Londoner Eskapade ihr Ende. Wir ließen uns das Frühstück aufs Zimmer bringen, dann packte ich meine Sachen. Salim setzte mich mit dem Taxi am U-Bahnhof ab, wo ich den Zug zum Flughafen nahm. Sein Rückflug nach Kairo ging erst am Abend, und er wollte noch Einkäufe tätigen. Unser Abschied war kurz und schmerzlos, denn Salim wollte bereits in einer Woche wieder nach Paris kommen.

Ein Diwan für zwei

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