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Salim meldete sich sogar schon etwas früher, zehn Tage nach unserer ersten Begegnung. Er rief aus Kairo an, an einem Montagabend.

„In einer Woche muss ich in London für meine Firma eine Präsentation halten. Die werden mir sowieso eine Suite im Dorchester reservieren und kümmern sich nicht darum, wenn mich noch jemand begleitet. Hast du Lust, mitzukommen?“

Ich zögerte ein wenig. „Eigentlich schon, aber die Flüge werden so kurzfristig ziemlich teuer sein.“

„Ich kann dir den Flug mit meiner Miles-and-more-Karte bezahlen“, bot er großzügig an. „EgyptAir fliegt leider nicht zwischen Paris und London.“

Mein Zögern galt im Grunde nicht dem Flugpreis, sondern den Nächten mit Salim. Eine Suite hatte er gesagt – aber ich konnte kaum erwarten, dass einer von uns beiden auf der Couch schlafen würde, und das ging mir etwas zu schnell. Andererseits: Er war ein ausgesprochen liebenswerter Mann, und sicherlich würde es mir gelingen, mit seiner Hilfe über Yves hinwegzukommen.

Außerdem war ich noch nie in London gewesen – eine absolute Bildungslücke. Und das Dorchester galt als eines der besten Hotels dort. Das Zögern machte einer leisen Vorfreude Platz. Ein langes Wochenende in einer aufregenden Weltstadt in Begleitung eines charmanten Botschaftersohnes – konnte es etwas Besseres geben, um Liebeskummer zu überwinden?

„Das klingt richtig toll“, sagte ich lächelnd.

„Ich komme vorher nach Paris, dann besprechen wir alles Weitere“, sagte Salim.

*

Am Freitag darauf fand anlässlich des Salon de l’Automobile in Paris ein Cocktail-Empfang von Bosch für seine Kunden statt, im Pavillon Gabriel im vornehmen 8. Arrondissement.

Kaum einer der eingeladenen Mitarbeiter der Firma ließ sich freiwillig das exzellente Büffet des alle zwei Jahre stattfindenden Empfangs entgehen.

Mir stand an diesem Abend der Sinn ausnahmsweise nicht nach Essen, und nach Smalltalk mit Kollegen und Kunden schon gar nicht.

Denise, aktiv wie immer, hatte vor Kurzem meine Telefonnummer an einen Arzt aus Limoges vermittelt, der häufig geschäftlich nach Paris kam und eine Gesellschafterin für einsame Abende suchte. Zu Hause hatte er Frau und Kind. Auf diese Art von Affäre war ich keineswegs erpicht, aber Denise machte mir die Leute stets so schmackhaft, dass ich immer dachte, mir würde etwas Großartiges entgehen. Sie hatte Gérard also meine Handynummer gegeben, doch bis jetzt hatte er sich nicht gemeldet.

Dafür rief Salim an, als ich mich zusammen mit unseren beiden jungen Juristinnen auf dem Weg zum Pavillon Gabriel befand.

„Ich bin in Paris“, verkündete er fröhlich. „Können wir uns heute Abend noch treffen?“

„Gern. Ich ruf dich an, sobald ich mich von diesem Cocktail-Empfang absetzen kann.“

„Prima. Sag mir die Adresse, ich hole dich dort ab.“

Als ich während des Empfangs den Waschraum aufsuchte, stellte ich fest, dass inzwischen Gérard angerufen und mir auf die Mailbox gesprochen hatte. Im Stimmengewirr, untermalt von Musik und Gläserklirren, hatte ich mein Handy nicht gehört.

„Ich hatte leider keine Zeit, mich früher zu melden“, erzählte er meiner Mailbox. „Morgen früh fahre ich nach Limoges zurück, ich dachte, wir könnten uns vielleicht heute noch sehen?“

Na, das konnte er vergessen. Ich rief stattdessen Salim an.

Zwanzig Minuten später hielt sein schmucker, dunkler Leih-BMW direkt vor dem Portal des Pavillons, und ich brauchte nur noch wie ein Filmstar die Treppe hinunter zu tänzeln und einzusteigen.

Wir nahmen die Parallelstraßen zu den Champs-Élysées. Salim vermied geschickt den halsbrecherischen Verkehr der Place de la Concorde, bog gleich darauf rechts ab und hielt vor dem eleganten Hotel Crillon.

„Wir werden hier einen Aperitif nehmen“, entschied er.

Der Junge hatte wirklich Stil.

So graziös wie es mir in meinem engen, paillettengesäumten Rock möglich war, kletterte ich aus dem Wagen, als mir der uniformierte Hotelangestellte die Tür aufhielt. Salim reichte die Wagenschlüssel dem Fahrer des Hotels, der den BMW parken würde.

Es war ein erhabener Moment, am Arm des Botschaftersohns über das schwarz-weiße Schachbrett-Parkett zu schreiten. Besser als Evian. Um uns herum wurden Marmor und poliertes Edelholz in anheimelndes honigfarbenes Licht getaucht.

Zwei schwarz-weiß gekleidete Angestellte geleiteten uns in die Bar, man nahm mir den Mantel ab und rückte mir einen Sessel zurecht.

Ich liebte die Atmosphäre solcher Bars; die dezente Luxuseinrichtung, das gedämpfte Geplauder der Gäste, das besinnliche Spiel des Pianisten und die geschickte Beleuchtung, die all die Gläser, Flaschen und Spiegel hinter dem Barmann zum Funkeln brachte.

Salim saß mir so dicht gegenüber, dass sich unsere Knie fast berührten. Er lehnte sich entspannt in seinem Sessel zurück und lächelte mich an. „Wir werden ein paar schöne Tage in London haben. Das Dorchester ist ein tolles Hotel, da steigen viele Prominente aus dem Showbiz ab. Liz Taylor und Richard Burton haben da auch schon übernachtet.“

Ein Handy begann aufdringlich laut in der anheimelnden Atmosphäre aus ruhigem Klavierspiel und leisem Geplauder zu klingeln. Furchtbar nervig, dieses ständige Handygebimmel überall, dachte ich, bevor ich erschreckt erkannte, dass es mein Handy war. Es klingelte ja nicht oft, aber wenn, dann in unpassenden Momenten. Meine Abendtasche aus schwarzem Samt war nicht groß, besaß aber eine Öffnung, die nach oben schmaler wurde, und das verflixte Handy hatte sich zwischen Haarbürste, Taschentuchpackung und Portemonnaie verklemmt. Bis ich es endlich greifen und hervorziehen konnte, sahen schon alle zu mir herüber. Ich meldete mich hastig.

„Hier ist Gérard. Ich wollte noch mal versuchen, Sie zu erreichen.“ Falscher Mann im falschen Moment.

„Danke, aber es ist gerade ungünstig“, flüsterte ich. „Ich kann Sie leider heute Abend nicht treffen. Rufen Sie mich bitte einfach wieder an, wenn Sie das nächste Mal in Paris sind, ja?“

„In Ordnung. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.“

„Für Sie auch. Und gute Rückreise.“ Ich schaltete das Handy aus und stopfte es in mein Täschchen zurück. Verlegen lächelte ich Salim an, doch dieser überging den Anruf sehr souverän.

Alles an seinem Auftreten verriet, dass er mit dem Luxus, aber auch der Disziplin und Diplomatie von Botschafterhaushalten großgeworden war, das war mir bereits beim letzten Mal aufgefallen.

„Ich denke, ich werde erst am Sonntagabend nach London fliegen – hier habe ich noch zu viel zu tun“, nahm er den Faden wieder auf. „Aber du solltest früher fliegen, damit du noch was vom Tag hast. Mit meinen Bonusflugmeilen kann ich leider nur den Frühflug um 6.30 Uhr buchen oder aber den Flug am Abend – was ist dir lieber?“

Ich dachte kurz nach. Ein Flug um 6.30 Uhr bedeutete, dass ich das Haus spätestens um 4.30 Uhr verlassen musste – das war verflixt früh. Aber wenn ich erst abends flog, hatte ich im Grunde nicht viel von der Reise. „Ich nehme den Frühflug“, entschied ich. „Dann kann ich mir den ganzen Tag lang London ansehen.“

*

Am nächsten Morgen saß ich im Zahnarztstuhl – in Paris hatten viele Ärzte auch am Samstagvormittag Sprechstunde –, als mein Handy klingelte.

„Entschuldigung, ich muss da kurz rangehen“, nuschelte ich. Vielleicht war es Salim, der mir etwas Wichtiges wegen London sagen wollte.

„Kein Problem.“ Dr. Vassil nahm den Wattebausch aus meinem Mund und begann, die Füllung vorzubereiten.

„Du hast gestern Abend Gérard versetzt“, hörte ich Denise‘ vorwurfsvolle Stimme.

„Als er angerufen hat, war ich bereits mit Salim verabredet“, stellte ich richtig.

„Ach so.“ Sie schwieg einen Moment und schien die Wichtigkeit von Botschaftersohn gegen Endokrinologe abzuwägen. „Und wie ist es mit Salim gelaufen?“

„Gut. Ich fliege morgen nach London wie besprochen.“

„Und wie war es mit ihm heute Nacht?“

„Nichts war heute Nacht. Nach unserem Drink im Crillon hat er mich vor der Haustür abgesetzt, und das war’s.“

„Was, du hast ihn nicht raufgebeten?“

„Er hat gesagt, er sei müde und hätte heute viel zu tun“, verteidigte ich mich.

„Das sagt er doch nur aus Höflichkeit. Nina, bei dieser Sorte Mann darfst du keine damenhafte Zurückhaltung an den Tag legen“, ermahnte sie mich. „Für ihr Geld wollen die schließlich auch ein Schmusekätzchen haben!“

„Das kriegt er ja – in London! Wenn er mich am ersten Abend hätte haben können, hätte er mich erst gar nicht nach London eingeladen, wette ich. Ich bin doch kein Animiermädchen!“, erwiderte ich gereizt und versuchte, das amüsierte Grinsen meines attraktiven Zahnarztes zu ignorieren.

Denise seufzte wie eine geplagte Mutter, die es schwer hatte mit ihren begriffsstutzigen Kindern. „Salim hat mich wissen lassen, dass er etwas schüchtern im Umgang mit Frauen ist. Also warte nicht darauf, dass er dich verführt, sondern ergreife die Initiative! Du bist eine hübsche Frau, also geize nicht mit deinen Reizen. Ich sage das nur als Tipp für dich, weißt du. Du wirst auf Dauer keinen Mann halten können, wenn du dich nicht ständig bereit zeigst.“

Ich verdrehte die Augen. „Mach dir keine Sorgen. Ich werde ihn verführen. Aber meines Wissens nach wollen Männer am liebsten das, was sie nur schwer bekommen können.“ Ich klappte das Handy zu.

„Ist doch so, oder?“, meinte ich zu Dr. Vassil, der mich interessiert anblickte.

„Sie haben völlig recht. Warten erhöht die Vorfreude“, sagte er lächelnd. „Mund auf!“

Ich ließ mich zurücksinken und gehorchte. Wenn ich schon Hobby-Escortgirl wurde, dann wenigstens eines, das nicht allzu leicht zu haben war!

Ein Diwan für zwei

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