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Es war Mitternacht, und ich lag in der Badewanne meines weiß-silber gekachelten Badezimmers, in dem die Heinzelmännchen während meiner Abwesenheit das Chaos von Schmink- und Pflegeutensilien säuberlich aufgeräumt hatten. Erschöpft, aber zufrieden schloss ich die Augen und tauchte wohlig in das warme, duftende Wasser ein. Was für ein Tag!

Den Großteil dieses Donnerstags hatte ich damit verbracht, in der zugigen Hotelhalle auf die Teilnehmer und Referenten zu warten, die nach und nach eingetrudelt waren. Meine Aufgabe hatte darin bestanden, die deutschen Prominenten zu erkennen, sie zu begrüßen und ihnen ihre Namensschilder und die Teilnehmerunterlagen zu überreichen.

Der Vormittag war ruhig verlaufen, es war nur ein französisches Pärchen eingetroffen, und wir hatten die Zeit genutzt, um mit dem Empfangs- und Restaurantpersonal Einzelheiten abzustimmen. Der nächste Gast, ein deutscher Professor, sollte erst in anderthalb Stunden eintreffen. Es war die einzige Chance, an diesem Tag zu einem Mittagessen zu kommen, und so gingen wir ins Ermitage hinüber.

Während wir dort auf der Terrasse den Lunch einnahmen, ertönte plötzlich das Geräusch eines näherkommenden Helikopters. Ich fühlte mich davon nicht betroffen und verzehrte mit Genuss mein Escalope savoyarde, aber Dominique und Agnès starrten sich entsetzt an.

„Scheibenkleister! Das muss Professor Issing sein! Der sollte doch erst in einer halben Stunde landen!“ Manche Leute vergaßen, uns mitzuteilen, dass sie ihren Flug umgebucht hatten.

Dominique und ich ließen die Gabeln fallen und rannten durch den Park zum Hotel Royal, auf dessen Wiese der Hubschrauber gerade zur Landung ansetzte. In dem Moment, als die Kufen den Rasen berührten, kamen wir atemlos in der Empfangshalle an und nahmen unsere Plätze hinter dem Tisch ein, der speziell für diese Veranstaltung aufgebaut worden war.

Von da an ging es Schlag auf Schlag. Ich schüttelte im Lauf des Nachmittags und Abends zahlreiche prominente Hände, vom deutschen Botschafter in Paris über den Chefredakteur der Zeit bis zu Vorstandsvorsitzenden und Aufsichtsratsmitgliedern aus Industrie, Bank und Versicherung.

Zwei sportlich gekleidete junge Männer kamen von der Rezeption zu uns an den Tisch.

„Schönen guten Tag. Sie müssen Frau Rösler sein“, sagte der eine zu mir, ein hagerer, dunkelhaariger Schnurrbartträger.

„Bin ich. Und Sie sind ...?“

„Garber vom BKA Karlsruhe. Und das ist mein Kollege Bugmann.“

Bugmann war ein drahtiger Blonder.

Wir schüttelten uns die Hände.

„An der Rezeption sagte man uns, dass Sie uns helfen könnten – sprachlich gesehen. Unser Französisch ist nämlich nicht gerade fließend.“

„Gerne. Was steht an?“

„Wir müssen einen Sicherheitsrundgang durch das Hotel machen. Wir wollen einen Hotelangestellten dabei haben, der sich mit der Security auskennt. Können Sie das für uns am Empfang regeln? Und Sie brauchen wir dann zum Übersetzen.“

„Hm, ich soll hier eigentlich die Stellung halten, um die deutschen Gäste zu begrüßen.“ Ich erklärte Dominique die Sachlage.

„Wer kommt denn als Nächstes?“ Sie blätterte in ihren Unterlagen. „Monsieur Dormann von Hoechst – den kenne ich, der war letztes Jahr schon hier, außerdem spricht er Französisch. Und Monsieur Fischer, na, das ist sowieso kein Problem. Gehen Sie ruhig, Nina.“

So war ich in der nächsten Stunde damit beschäftigt, mit den beiden Beamten vom Bundeskriminalamt, einem Hotelangestellten und einem Bombenspürhund kreuz und quer durch das Hotel zu laufen und zu dolmetschen, was es zu dolmetschen gab. Vom Keller bis zum Dachgeschoss wurde alles genauestens untersucht. Solchen Aufwand gab es nicht jedes Jahr; es waren spezielle Sicherheitsmaßnahmen für den Bundeskanzler. Dieser nahm nicht an den eigentlichen Treffen teil, sondern würde erst morgen als Gastredner beim Abendessen auftreten.

Auf diese Weise durfte ich die Präsidentensuite besichtigen, die für ihn reserviert und größer als meine Wohnung war. Von der riesigen Fensterfront aus sah man den Genfer See vor der Kulisse der begrünten Berge. Zartblau lag er da, geschmückt mit vielen winzigen, weißen Segeln. Die Jachten blitzten in der goldenen Nachmittagssonne.

Ich stieß einen verzückten Seufzer aus. „Wenn ich einmal nicht zum Arbeiten hierher könnte!“

Garber lachte. „Sie stehen doch auf Du und Du mit der Direktion von Danone, vielleicht spendieren die Ihnen noch ein paar Tage hier. Diese Suite ist ab Samstagmittag ja wieder frei.“

„Und Sie glauben, die lassen eine kleine deutsche Assistentin in derselben Suite wohnen, in der auch schon Bill Clinton und Königin Elizabeth II. übernachtet haben?“

„Ach, Clinton war auch schon hier? Welche Frau hatte er denn dabei?“

Die beiden BKA-Beamten hatten einen trockenen Humor, das machte die Zusammenarbeit angenehm. Weniger angenehm war, dass sie unsere mühevoll erarbeitete Zimmerverteilung durcheinander brachten, weil sie die Bodyguards des Kanzlers in den angrenzenden Zimmern einquartieren wollten. Sie verlangten einen Generalschlüssel für die ganze Etage.

Als ich, erhitzt vom vielen Laufen durch das Hotel, meinen Platz am Empfang wieder einnahm, kam der Vorstandsvorsitzende der Hoechst AG im weißen Bademantel die breite, gewundene und teppichbelegte Treppe heruntergeschwebt. „Wo is’n hier der Swimmingpool?“, fragte er mich lässig. Attraktiver Mann, groß und schlank, sehr blaue Augen und ein reifer Charme. Er hätte glatt zu Denise‘ Agentur gehören können.

Ich begleitete ihn zum Swimmingpool und spürte leises Bedauern, dass er kein Kunde von Denise war und wir beide privat hier waren. Dann hätte ich jetzt mit ihm in den einladenden Pool springen können, statt mir weiter die Beine in den Bauch zu stehen. Meine Füße schmerzten bereits.

Herr Fischer wieselte aufgeregt um mich herum und bat mich sogar auf sein Zimmer, um mich zum Verlauf der Dinge zu interviewen.

Ich war froh, als bald darauf genug Topmanager im Hotel waren, um die er herumwieseln konnte, so dass ich für ihn uninteressant wurde.

Bis einundzwanzig Uhr waren fast alle Teilnehmer eingetroffen und begaben sich nach und nach zum Begrüßungsessen ins Hotelrestaurant, wo ein exquisites Büffet wartete. Mir war bereits vor einigen Wochen beim Übersetzen der Speisekarte das Wasser im Mund zusammengelaufen. Nachdem nun alle deutschen Teilnehmer vor Ort waren, konnte ich es mir erlauben, ebenfalls essen zu gehen und die Delikatessen zu kosten.

Ich aß in Gesellschaft der Assistentinnen, Dolmetscherinnen und Bodyguards.

Als ich mich um halb zwölf endlich in mein Zimmer zurückziehen konnte – so spät mussten wir nicht mehr durch den Park laufen, sondern wurden von einem Hotelpagen ins Ermitage gefahren –, war ich fix und fertig. Am liebsten wäre ich sofort ins Bett gesunken, zumal ich in sechs Stunden bereits wieder aufstehen musste, aber ich wollte mir unbedingt noch die Haare waschen. Das heiße Wasser war eine Wohltat, und fast wäre ich in der Wanne eingeschlafen. Zufrieden stellte ich fest, dass ich den ganzen Tag kaum an Yves gedacht hatte.

Ein Diwan für zwei

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