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Die Brille und die Akademiker

Wie bereits erwähnt, Akademiker - also Ärzte, Architekten, Lehrer, Schriftsteller, Wissenschaftler usw. - wurden im Stummfilm sehr oft mit Brillen ausgestattet. Das war damals kein Vorurteil, denn Akademiker trugen damals auch in der Wirklichkeit öfter Brille als manche andere Berufsgruppe, und zwar aus zwei Gründen: Erstens brauchten Akademiker - sofern sie eine Sehschwäche hatten - unbedingt eine Brille, weil ihr Beruf ständige Lektüre voraussetzte. Und zweitens konnten sich Akademiker Brillen eher leisten als manche andere Berufsgruppe. Die bebrillten Filmakademiker retteten sich dann Ende der 1920er Jahre problemlos in den Tonfilm herüber. Doch seit langer Zeit ist der stets bebrillte Filmakademiker zum Filmklischee geworden: Im Gegensatz zu früher gibt es schon lange keine Berufsgruppe mehr, die wirklich wesentlich öfter Brille tragen würde als andere Berufsgruppen. Dennoch hat sich das Klischee, dass Akademiker öfter als andere Berufsgruppen Brille tragen, im Film bis in die heutige Zeit erhalten. Die Frage stellt sich also: Warum setzen auch heutzutage Regisseure ihren Schauspielern, sofern sie Ärzte, Lehrer, Wissenschaftler usw. spielen, so gerne Brillen auf? Nun, die Regisseure wissen schon, warum sie das tun: Die Brille wird schlicht und einfach als Intelligenzverstärker eingesetzt, und genau so wirkt sie auch aufs Publikum. Ein Schauspieler, der zum Beispiel einen Arzt spielt, soll für die Zuschauer im Kino auch wirklich intelligent wirken, sonst ist er in seiner Rolle unglaubwürdig. Eine passende Brille ist hier ein sicher wirkendes Patentmittel, um beim Publikum die Wirkung zu erzielen, der Schauspieler sei auch tatsächlich intelligent. Trotzdem scheint es etwas heikel, dass der Film Klischees am Leben hält, statt - wenigstens in diesem Punkt - mit der Wirklichkeit einigermaßen gleichzuziehen. Andererseits, wenn man es genau bedenkt, bedienen sich viele Filme sowieso einer großen Anzahl von Klischees, um problemlos ganz bestimmte Erwartungshaltungen oder Spannungszustände beim Publikum hervorzurufen. Jeder kennt das:

# Der Actionheld stirbt auch im heftigsten Kugelhagel nicht.

# Der Hauptbösewicht wird erst am Ende des Films erledigt.

# Bombenentschärfungen gelingen erst in den letzten Sekunden.

# Die heftigsten Schlägereien hinterlassen beim Hauptdarsteller nur eine rote Strieme (und nicht, wie es in der Wirklichkeit wäre, ausgeschlagene Zähne oder eine gebrochene Nase).

# Außerirdische scheinen von den USA magisch angezogen zu werden, daher landen sie bevorzugt dort.

# Jede Tastatureingabe wird stets mit irgendwelchen Pieptönen quittiert (das würde einen in Wirklichkeit wahnsinnig machen).

# Schurken oder Unsympathen fahren in US-Filmen auffallend häufig Mercedes-Benz. Dafür fahren in französischen Filmen die Schurken auffallend häufig US-Autos.

# Verschlossene Türen lassen sich mit einem einzigen Schuss öffnen (in Wirklichkeit klappt das fast nie).

# Auch auf Sand quietschen Autoreifen beim Beschleunigen oder Bremsen.

# Leute können völlig unbeschadet durch Scheiben springen (dabei verursacht so etwas oft fürchterliche Verletzungen).

# Die Welt wird meistens von Amerikanern gerettet (außer in Bond-Filmen, da sind es Briten).

# Die Guten benutzen auffallend oft einen Apple-Computer (die Bösen fast nie) usw.

So könnte das hier noch ellenlang weiter gehen. Gemessen an diesen hartnäckigen und teilweise recht einfältigen Filmklischees scheint das Akademiker-Brillen-Klischee so harmlos wie sympathisch, denn welches andere Film-Accessoire außer der Brille könnte sonst noch den Anschein von Intelligenz transportieren? Uns fällt da kein anderes ein.

Die Brille im Film

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