Читать книгу In Liebe Mina - Sabrina Heilmann - Страница 10

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Minas Paradies

Innerhalb von zwei Wochen brachte ich den kleinen Buchladen auf Vordermann und bezog die Wohnung darüber. Viel gab es glücklicherweise nicht zu tun und so konnte ich in dieser Zeit in aller Ruhe die Wiedereröffnungsfeier planen. Meine Mutter und mein Vater hatten mir dabei am meisten geholfen. Sie hatten nicht die geringste Ahnung, wie dankbar ich ihnen dafür war. Fast schienen ihre Bedenken, die sie zu Beginn geäußert hatten, vergessen zu sein, auch wenn ich meiner Mutter anmerkte, dass das nicht die Zukunft war, die sie sich für mich vorgestellt hatte. Aber ich war glücklich mit meiner Entscheidung und das war das Wichtigste.

In etwa einer Stunde würden die Gäste kommen. Ich trug die Werbetafel aus dem Laden und blieb einen Moment stehen. Stumm betrachtete ich das Namenschild und lächelte sanftmütig.

Cats - Books & more

Meine Großmutter hatte einen schlichten Namen für ihr Geschäft gewählt. In den letzten Jahren hatte ich mich so daran gewöhnt, dass ich ihn unter keinen Umständen ändern würde.

Cats stand für den Vornamen meiner Großmutter, Cathrine. Wäre Grams noch hier, hätte sie mich gezwungen daraus Minas zu machen, doch das stand gar nicht zur Debatte. Sie sollte – für alle Welt sichtbar – ein Teil dieses wunderbaren Ortes bleiben.

Der Wind frischte auf und ließ die Blätter vom Baum des gegenüberliegenden Parks tanzen. Nach einigen Sekunden in der Luft fielen sie zu Boden, und ich zog meine Strickjacke enger um mich. Ich hoffe, dass das Wetter halten würde, auch wenn die schweren Regenwolken am Horizont eine andere Sprache sprachen. Ein Schauer war das Letzte, was ich heute gebrauchen konnte. Obwohl ich so viel Werbung wie möglich für die Neueröffnung des Ladens gemacht hatte, begleitete mich die Angst, am Ende mit meinen Eltern allein dazustehen.

Ich ging wieder ins Innere und ließ die Veränderungen einen Moment lang auf mich wirken. Die Regale und der Kassentresen waren an ihrem Platz geblieben, ich hatte lediglich die verschiedenen Genres neu aufgeteilt. Die Liebesromane befanden sich in Nähe einer der kleinen Leseecken, der Kinderbereich verfügte nun über eine kleine Spielecke.

Auf dem Flohmarkt hatte ich passende Tische gefunden, auf denen nun Angebotsware stand, die sich an aktuellen Trends orientierte. Für den Bereich von Koch- und Backbüchern bestellte ich extra Muffinförmchen, Keksstempel und süße Verzierungen. Wenn ich eines gelernt hatte, seit ich bei Grams ausgeholfen hatten, dann, dass ich mit diesen Angebotswaren wirklich Umsatz machen konnte. Großmutter selbst hatte sich nur auf ein kleines Tischchen beschränkt und selbst das war ihr zu viel gewesen. Man würde den Blick für die Bücher verlieren, hatte sie einmal gesagt. Doch das glaubte ich nicht.

Auch die Dekoration hatte ich moderner gestaltet, als Grams es früher getan hatte. Überall standen LED-Kerzen, die für täuschend echtes Kerzenlicht sorgten. Die unscheinbaren Lampen hatte ich von meinem Vater durch günstige, aber dennoch sehr stilvolle Kronleuchter ersetzen lassen. Und für die Leseecken besorgte ich weiße Vintage-Sessel, zierliche, gleichfarbige Tischchen, und als Farbakzent bunte Kissen. Das war genau die richtige Menge an hellen Akzenten in dem sonst so dunklen Laden.

Für die Eröffnung hatte ich mir zudem einige Stehtische gemietet. Einen hatte ich bereits vor den Eingang gestellt, die anderen verteilte ich im Laden. Alles in allem war ich zufrieden und musste nur noch die Getränke vorbereiten.

Wie erwartet waren meine Eltern die Ersten, die mein kleines Paradies betraten. Sie hatten den Laden auch noch nicht fertig eingerichtet gesehen. Mir entging nicht, wie meine Mutter stolz jeden Zentimeter betrachtete.

»Ich bin sprachlos, Liebling«, sagte sie und umarmte mich. »Als Cathrine den Laden noch geführt hat, war er einfach nur dunkel und wenig einladend. Vielleicht bin ich deswegen nicht oft hergekommen. Aber jetzt wirkt alles sehr gemütlich und freundlich.«

»Danke, Mom.«

Diese Worte von ihr zu hören machte mich sehr glücklich.

»Dad, was sagst du?« Ich lächelte ihn an und umarmte ihn ebenfalls.

»Ich bin sprachlos. Deine Großmutter wäre sehr stolz auf dich.«

»Danke«, hauchte ich.

»Sollen wir dir noch etwas helfen, Liebling?«, fragte meine Mutter und ich schüttelte den Kopf.

»Nein, ich habe alles fertig. Jetzt fehlen nur noch ein paar Leute.«

Gerade als ich das ausgesprochen hatte, betraten die ersten Besucher den Laden. Nervosität und Aufregung durchzogen mich und ich begrüßte sie sofort. Dann wandte ich mich der Tür wieder zu, denn das kleine Glöckchen schellte erneut.

»Herzlich willkommen bei Cats«, sagte ich freundlich und stockte plötzlich, als ich in ein vertrautes Gesicht und gefährliche, dunkle Augen blickte. »Mister Dawson, was für eine Überraschung.« Ich hielt ihm die Hand entgegen, doch er zog mich sofort zu sich und küsste mich auf die Wange.

»Ich erinnere mich, dass wir schon beim Du gewesen waren, Mina.« Er grinste mich frech an und ich verdrehte die Augen.

»Und ich erinnere mich, dass ich kein Interesse hatte«, konterte ich und Chris Dawson fasste sich an sein Herz, als hätte er Schmerzen.

So ein Spinner!

Ich reichte ihm ein Glas Sekt und fügte trocken hinzu: »Hier, das hilft gegen Herzschmerz.«

Chris lachte und beugte sich dicht an mein Ohr. »Du hast keine Ahnung, wie interessant dich diese ablehnende Haltung macht.«

Dankbar registrierte ich, wie sich die Tür erneut öffnete, und setzte ein übertrieben freundliches Lächeln auf, das ich dem Anwalt schenkte.

»Entschuldige, ich muss mich um meine Gäste kümmern.«

Ich ließ ihn stehen und bemerkte, wie meine Mutter mir einen vielsagenden Blick zuwarf.

»Nett«, formten ihre Lippen, doch ich schüttelte sofort den Kopf.

»Niemals«, antwortete ich ihr und sie zog die Schultern in die Luft, was in diesem Fall so viel bedeutete, wie: »Wer weiß.«

Meine Erwartungen waren hoch, als ich die Wiedereröffnung plante. Eigentlich hätte ich nur enttäuscht werden können, doch nichts dergleichen geschah. Ganz im Gegenteil. Die Eröffnung war ein voller Erfolg. Neben zahlreichen Stammkunden kam auch viel Laufkundschaft vorbei. Man lobte die neue Gestaltung und meine Idee, mehr mit Angebotsware zu arbeiten. Die Leseecken waren ständig besetzt und in der bunten Kinderecke herrschte Leben.

Zufrieden stand ich inmitten des Trubels, der selbst jetzt, kurz vor Ladenschluss noch herrschte. Spontan entschied ich, den Laden nicht wie geplant um achtzehn Uhr zu schließen.

Meine Mutter kam zu mir und legte mir einen Arm um die Schultern, während sie mir ein Glas Sekt reichte.

»Hier, den hast du dir wirklich verdient. Hast du eigentlich noch einmal mit dem netten Anwalt gesprochen?«

Ich verdrehte die Augen. »Chris Dawson ist keine Option, nicht einmal, wenn ich verzweifelt wäre. Außerdem ist er ohne ein Wort verschwunden.«

Mom lachte herzlich. »Dein Vater war anfangs auch nicht mein Traummann und dann hat es gefunkt.«

»Schlag es dir aus dem Kopf. Es wird keine Enkelkinder von dem Anwalt für dich geben!«

»Undankbares Kind, du gönnst deiner Mutter auch gar nichts.«

Nachdenklich ließ ich meinen Blick einen Moment durch mein kleines Paradies schweifen.

»Was denkst du, Mom?«, fragte ich. »Schaffe ich das mit dem Laden?«

Ich wusste, dass meine Mutter mir die Wahrheit sagen würde, das hatte sie bisher immer getan. Wenn sie nicht an mich glaubte, würde sie mich das genauso wissen lassen, wie, wenn sie stolz auf mich war.

»Ich hatte meine Zweifel, aber sieh dich um. Die Leute lieben den Laden ... und sie lieben dich. Natürlich schaffst du das.«

Glücklich lächelnd senkte ich den Blick. Ja, ich würde es schaffen. Grams hatte mir vertraut und ich würde sie stolz machen.

Nachdem die letzten Besucher gegangen waren, räumte ich schnell den Stehtisch von draußen in den Laden. Ich wollte mir gerade die Werbetafel nehmen, als mir ein weißer Umschlag zwischen den Blumen vor dem Laden auffiel. Irritiert stellte ich das Schild hinein und holte anschließend den Umschlag. In ordentlicher Handschrift stand mein Name darauf und ich sah mich auf der Straße um. Wer konnte ihn hier hinterlassen haben? Einer der Besucher? Jemand, den ich überhaupt nicht mitbekommen hatte?

Ich ging ins Innere des Ladens und verschloss die Tür. Dann setzte ich mich mit dem Brief in eine der Leseecken und öffnete den Umschlag neugierig.

London, der 22. Oktober 2016

Liebe Mina,

manchmal sind es die kleinen Dinge im Leben, die uns ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Genau so etwas habe ich erlebt, als ich dich sah.

Ich habe dich in den letzten Wochen beobachtet. Du hast zufrieden ausgesehen, als du dem Laden neues Leben eingehaucht hast. Der traurige Ausdruck in deinen Augen ist mir dabei aber nie entgangen, und ich frage mich, was dir passiert ist.

Vielleicht war genau das der Grund, dir nun diesen Brief zu schreiben. Kein Mensch sollte traurig sein, während er etwas so Wunderbares erschafft, wie du es getan hast. Sei stolz auf dich.

Seit ich dich gesehen habe, stelle ich mir eine Frage, Mina: Gibt es Zufälle wirklich? Passieren manche Begegnungen aus einem bestimmten Grund? Gibt es Dinge, die wir einfach nicht logisch erklären können, weil sie vorbestimmt sind?

Ich weiß, dass es total absurd für dich klingen muss, aber ich musste immer wieder darüber nachdenken. Ich habe keine Antworten auf all diese Fragen gefunden ... zumindest noch nicht.

Vielleicht kannst du mir dabei helfen.

In Liebe,

C.

Stumm starrte ich auf die geschriebenen Zeilen und fragte mich, wer C. war. Ein Mann oder eine Frau? Jemand, den ich gut kannte, oder der mir nur ein einziges Mal begegnet war? Und was sollte ich mit diesem Brief anfangen? Sollte ich antworten?

Ich wusste es nicht, steckte ihn zurück in den Umschlag und stand auf. Darüber würde ich mir morgen Gedanken machen, genauso wie ums Aufräumen.

In Liebe Mina

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