Читать книгу In Liebe Mina - Sabrina Heilmann - Страница 15
ОглавлениеC. steht für ...
Meine Laune besserte sich direkt am nächsten Morgen, als ich beim Öffnen des Buchladens einen kleinen, weißen Umschlag in meinen Blumen entdeckte. Mit einem Lächeln auf den Lippen nahm ich ihn an mich, holte mir einen Kaffee und machte es mir in der Leseecke bequem. Selbst wenn ich heute nicht einen Kunden haben würde, es würde mir meine Laune nicht verhageln.
Ungeduldig wollte ich den Umschlag öffnen, als das kleine Türglöckchen mich davon abhielt.
»Guten Morgen«, begrüßte mich eine vertraut geheimnisvolle Stimme.
Chris Dawson.
Ich hatte schon darauf gewartet, dass der Anwalt wieder auftauchte, nachdem er bei meiner Eröffnungsfeier einfach ohne ein Wort gegangen war.
»Na, hast du deine Leidenschaft für Bücher wiederentdeckt, nachdem sie dir bei meiner Eröffnung kurz abhandengekommen war?«, fragte ich frech und steckte den Brief zwischen Kasse und Tresen. Ich trank einen Schluck Kaffee und blickte ihn herausfordernd an.
»Du nimmst mir übel, dass ich einfach gegangen bin, hm?«
»Warum sollte ich?« Gleichgültig hob ich die Schultern.
»Vielleicht weil du mich magst, Mina?« Er zwinkerte übertrieben, doch auch das ließ mich völlig kalt.
»Am liebsten mag ich Bücher und nur wegen denen solltest du herkommen. Also, was kann ich dir Gutes tun? Lass mich raten, du bist der Thriller-Typ?« Ich scannte ihn mit meinem Blick und kniff die Augen zusammen. »Obwohl nein, du willst eines dieser erfolgreichen Erotikbücher, um zu erfahren, worauf Frauen gerade so stehen, richtig?«
Ich grinste frech, stellte meinen Kaffee ab und ging zu dem kleinen Regal mit den Erotikromanen. Meine Finger glitten über die Buchrücken und ich zog einen etwas härteren Abklatsch von Fifty Shades of Grey aus dem Regal.
»Hier, erfolgreicher Anwalt legt schüchternes Mäuschen flach, harter Sex, detaillierte Beschreibungen, damit du auch ja nichts falsch machen kannst, und garantiert scham- und sinnlose Anmachsprüche à la Willst du dir mein gewaltiges Rohr ansehen.«
Ich reichte Chris das Buch, der es nahm und ins Regal zurückstellte. Er funkelte mich wütend an und keilte mich plötzlich zwischen zwei Regalen ein. Seine Hände stützte er neben meinem Kopf ab und ich hielt einen Moment die Luft an. Ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass seine Nähe mich nicht unsicher machte. Aber er würde mir nicht guttun. Warum sollte ich mich auf einen Mann einlassen, der mich am Ende ohnehin nur verletzte?
Um finanziell abgesichert zu sein?, fragte meine innere Stimme.
Nein, das war nicht mein Stil.
Weil Jamie erst recht kein Kandidat ist, in den du dich verlieben solltest?, giftete sie weiter.
»Was soll das?«, fragte ich unsicher und sah Chris in die Augen.
»Du bist wirklich ganz schön vorlaut«, stellte er trocken fest.
»Und du bist zu sehr von dir selbst überzeugt. Und genau deswegen kann das mit uns niemals funktionieren.«
Ich legte meine Hände auf seinen Bauch und fühlte die stahlharten Muskeln. Doch nicht einmal diese reichten, um mich zu beeindrucken. Während ich ihm in die Augen sah, schob ich ihn von mir und befreite mich aus dieser seltsamen Situation.
Sofort musste ich an Jamie denken. Wäre er mir auf diese Art so nahegekommen, ich hätte meinen Verstand ausgeschaltet und es einfach passieren lassen. Aber Chris war nicht Jamie.
»Mina, komm schon, gib mir eine Chance, dir zu zeigen, dass ich nicht so bin, wie du mich einschätzt. Nur ein Date.«
Er griff nach meinem Handgelenk und drehte mich wieder zu sich. In seinem Blick lag etwas Flehendes.
»Warum, Chris?«, fragte ich und sah ihn durchdringend an.
»Warum was?«
»Warum ich und nicht deine megascharfe Sekretärin?«
»Weil du Charakter hast.«
»Du weißt nicht mal, ob ich Single bin. Ich könnte einen Freund haben.«
»Hast du nicht. Ich beobachtete dich schon eine Weile.«
Ich atmete tief ein und verschränkte die Arme vor der Brust. Keine Ahnung, warum ich schließlich zustimmte, aber vielleicht war es Chris´ angeschlagener Gesichtsausdruck, der mich erweichte. Ich war wirklich unfair, schließlich zog ich voreilige Schlüsse. Gerade mir müsste klar sein, dass Bücher niemals die Realität widerspiegelten.
»Okay, ein Date, aber danach akzeptierst du meine Entscheidung, egal wie sie ausfällt.«
»Versprochen.« Plötzlich erhellte ein Lächeln sein Gesicht und er küsste mich sanft auf die Wange. Ich hielt die Luft an und kniff die Lippen aufeinander.
Was zum Teufel war eigentlich mit mir los?
»Ich hole dich Freitag um neunzehn Uhr ab. Zieh an, was du willst. Es wird ungezwungen.« Er zwinkerte mir ein letztes Mal zu, dann ging er.
Kopfschüttelnd stellte ich mich wieder hinter den Tresen und wollte einen Schluck von meinem Kaffee nehmen. Fast hätte ich ihn quer durch den Laden gespuckt, weil er bereits kalt geworden war. Gut, dann würde es eben keinen Kaffee mehr geben.
Ich lief in die Küche, schüttete die Tasse aus und setzte Wasser für einen Tee auf. Aus dem Schrank holte ich mir eine neue Tasse, anschließend befüllte ich einen Teebeutel mit dem geliebten Pfirsichtee und goss das heiße Wasser auf.
Ob ich nun endlich den Brief lesen durfte?
Ich stellte die Tasse auf dem Tresen ab und zog ihn unter der Kasse hervor. Langsam faltete ich das Papier auseinander und verschlang die Zeilen.
London, der 1. November 2016
Liebe Mina,
anfangs dachte ich, du würdest mich für komplett irre halten und mir nicht antworten. Umso glücklicher war ich, als ich deinen Brief fand.
Du hast keine Ahnung, wie sehr er mich berührt hat, und ich glaube, du hast mir die Antwort gegeben, nach der ich so lange gesucht habe.
Mir gefällt deine Vorstellung, dass alles aus einem Grund passiert und dass wir es einfach akzeptieren sollten. Das werde ich ab sofort tun und dabei an dich denken.
Im Übrigen musst du dir keine Gedanken machen. Ich stalke dich nicht und es wird nicht nötig sein, weitere Schritte einzuleiten. Obwohl, würde ein Stalker an dieser Stelle nicht genau das Gleiche sagen / schreiben?
Wenn dir die Sache nicht richtig vorkommt, dann sag es mir bitte. Ich möchte nicht, dass du dir Sorgen machst, oder dich unwohl fühlst.
Dennoch würde ich dir gern erklären, warum ich gerade diesen ungewöhnlichen Weg gewählt habe. Findest du nicht auch, dass wir Menschen uns viel zu sehr von den neumodischen Medien abhängig machen?
War es damals nicht schöner, als wir in der Schule noch kleine Zettelchen geschrieben haben und handgeschriebene Liebesbriefe erhielten? Dieses Gefühl, das man dabei hatte, löst eine emojiüberladene WhatsApp-Nachricht einfach nicht aus.
In diesem Sinne, meine liebe Mina, hoffe ich auf einen weiteren Brief von dir.
In Liebe,
dein C.
Lächelnd faltete ich den Brief zusammen und nahm mir vor, in Ruhe zu antworten. Ich legte den Brief in eine Schublade des Kassentresens und seufzte leise. Auch wenn ich nun wusste, dass C. eindeutig männlich war – schließlich schrieb er dein und nicht deine – hatte ich keinen blassen Schimmer, wer sich dahinter verbergen könnte.
Die Briefe waren besonders, doch sie gaben mir keinerlei Hinweise auf ihren Verfasser.
C.?
Ich kannte niemanden, dessen Name mit einem C be... Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich kannte ich einen Mann, dessen Vorname mit C begann.
Chris Dawson!
Doch hätte er die Möglichkeit gehabt, diese Briefe hier zu hinterlegen? Der erste Brief tauchte nach der Eröffnungsfeier auf. An diesem Tag war Chris hier gewesen und einfach ohne ein Wort verschwunden. Auch vorhin war er da gewesen, ebenso wie ein neuer Brief.
Ich erinnerte mich an einen Satz, den er vorhin gesagt hatte.
Ich beobachte dich schon eine Weile.
Fast exakt der gleiche Wortlaut wie im ersten Brief. Das durfte doch nicht wahr sein! Traute ich Chris Dawson wirklich so eine sensible, nachdenkliche Art zu, wie sie in den Briefen durchschien?
Aber es ging nicht darum, was ich ihm zutraute, sondern um das, was eigentlich offensichtlich war. Nur Chris konnte mein heimlicher Briefeschreiber sein, niemand anderes kam in Frage. Ob ich damit allerdings glücklich war, konnte ich beim besten Willen noch nicht sagen.