Читать книгу In Liebe Mina - Sabrina Heilmann - Страница 13
ОглавлениеIn Liebe, Mina
In den folgenden zwei Tagen dachte ich darüber nach, wie ich dem Buchladen zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen konnte. Das bevorstehende Halloween lieferte mir dafür die perfekte Idee. Kinder liebten Halloween und Gruselgeschichten. Ich würde einen Themenabend organisieren, zu dem Eltern mit ihren Kindern kommen konnten. Während ich die Flyer bastelte und es auf meinen Social-Media-Profilen postete, überlegte ich, welche Kinderbücher sich für die Lesung eignen könnten. Sofort musste ich an die Gänsehaut-Reihe denken, die ich damals schon geliebt hatte. Es würde perfekt werden, nun fehlte nur noch die richtige Dekoration und ein bisschen mehr Werbung.
Ich druckte knapp zweihundert Flyer aus und schnitt sie zurecht, weil ich keine Zeit mehr hatte, sie professionell herstellen zu lassen. Einige legte ich im Laden aus, die anderen würde ich gleich mitnehmen, wenn ich noch schnell die Dekoration besorgen ging.
Zwischen zwölf und vierzehn Uhr schloss ich den Laden wie üblich, wenn ich meine Mittagspause machte. Während ich zum nächsten Supermarkt ging, drückte ich jungen Familien, die mir entgegenkamen, die Flyer in die Hand. Die meisten Eltern schenkten mir ein Lächeln, was mich hoffnungsvoll stimmte.
Wenn meine Idee gut ankommen würde, sollte ich darüber nachdenken, öfter Themenabende zu veranstalten.
Ich kehrte mit drei vollen Tüten Halloween-Dekoration zurück und stellte sie zufrieden auf einem der Lesesessel ab. Da ich unterwegs eine Kleinigkeit gegessen hatte, ließ ich den Laden gleich geöffnet und begann zu dekorieren.
Im Schaufenster kreierte ich eine Friedhofsszene mit Gräbern, Watte, die aussah wie Nebel, der über den Boden zog, und Skeletten, deren Augen gefährlich leuchteten. Kürbis- und Geistergirlanden zierten die Regale sowie künstliche Spinnennetze mit Plastikspinnen. An meine Kronleuchter band ich kleine Fledermäuse und behängte sie zusätzlich mit Watte. Im gesamten Laden verteilte ich weitere LED-Kerzen und kleine Kürbisfiguren. Doch die Highlights waren der Totenkopf und die Kronleuchter mit den schwarzen Stabkerzen auf meinem Kassentresen.
Der Laden sah großartig aus.
Als ich mit allem fertig war und endlich auf die Uhr schaute, stellte ich erschrocken fest, dass ich bereits seit einer halben Stunde hatte schließen wollen. Ich hatte wieder keinen Kunden gehabt, doch ich würde die Hoffnung nicht aufgeben. Morgen würde ich im Lager nach Thrillern, Krimis, Fantasyromanen mit Vampiren und anderen Fabelwesen und Horrorbüchern suchen, alles was das Herz zu Halloween begehrte. Vielleicht konnte ich wenigstens am Wochenende ein paar Menschen anlocken.
Gerade als ich den Schlüssel für die Ladentür aus einem Fach des Kassentresens herausholen wollte, fiel mein Blick auf den Brief des Unbekannten. In den letzten Tagen hatte ich überhaupt nicht an ihn gedacht, geschweige denn daran, dass derjenige eine Antwort von mir erwartete.
»Ach, was solls«, murmelte ich, nahm mir einen Zettel und einen Kugelschreiber und legte alles auf dem Kassentresen bereit. Noch einmal las ich die Zeilen, die der Unbekannte geschrieben hatte, und griff schließlich selbst zum Stift.
London, der 26. Oktober 2016
Liebe(r) C.,
deinen Brief zu finden hat mich sehr überrascht. Es tut mir leid, dass ich einige Zeit gebraucht habe, um dir zu schreiben.
Um deine Frage zu beantworten:
Ja, ich glaube an Zufälle.
Wie eintönig und langweilig wäre die Welt, wenn wir es nicht tun würden? Ich bin überzeugt, dass einige Dinge, die uns passieren, vorbestimmt sind und dass sie einen tieferen Sinn haben. Niemand begegnet uns ohne Grund, auch wenn wir nicht immer wissen, welcher genau das sein soll.
Nenn so etwas Wunder oder Schicksal, völlig egal.
Aber das sind die Dinge, die unserem langweiligen Leben, fernab von Arbeit, Terminen und Verpflichtungen, ein bisschen Magie einhauchen.
Die Welt ist nie schwarz oder weiß, nie gut oder böse, nie eintönig und vorbestimmt. Es gibt immer etwas dazwischen, wenn man sich darauf einlässt.
Also suche nicht weiter nach einer Antwort, sondern akzeptiere, dass du nicht immer alles erklären kannst.
In Liebe,
Mina
PS: Muss ich mir Gedanken machen, weil du mich beobachtet hast, ohne dass ich es bemerkt habe? Wenn du ein(e) Stalker(in) bist, sag mir das bitte gleich, damit ich dementsprechend handeln kann.
Mit einem Lächeln auf den Lippen faltete ich den Brief zusammen und steckte ihn in einen Umschlag. Diesen klebte ich zu und legte ihn genau in die Stelle in meinen Blumen, wo ich den Brief des Unbekannten gefunden hatte. Ich war mir nicht sicher, ob das funktionieren konnte, doch was hatte ich schon zu verlieren?
***
Als ich am nächsten Morgen den Laden aufschloss, war der Brief zu meiner Verwunderung verschwunden. Eine Antwort konnte ich allerdings nirgendwo entdecken.
Während ich darauf wartete, dass sich Kundschaft in meinen Laden verirrte, dachte ich darüber nach, was ich bei meinem Halloween-Abend noch anbieten wollte. Vielleicht ein paar Muffins und Kekse?
Ich fuhr meinen Laptop nach oben, den ich mir aus der Wohnung mit nach unten gebracht hatte, und suchte nach Inspirationen.
Als ich plötzlich das kleine Ladenglöckchen hörte, traute ich meinen Ohren nicht und sah verwundert auf. Eine Frau, die ich auf Anfang dreißig schätzte, betrat den Laden. Sie hatte schulterlanges, violett gefärbtes Haar und ein Lächeln auf den Lippen.
»Hallo«, grüßte ich noch immer ein bisschen perplex.
»Hallo«, erwiderte sie und steuerte zielgerichtet auf die Liebesromane zu. Sie schien genau zu wissen, was sie wollte, daher hielt ich mich zurück. Ich selbst mochte es nicht, wenn man mich beim Einkaufen bedrängte. Oft wollte ich mir einfach nur einen Überblick verschaffen und suchte nichts Bestimmtes.
Ich durchforstete das Internet weiter nach einfachen Halloween-Rezepten, die die Kinder lieben würden, wurde jedoch schon im nächsten Moment von meiner Kundin unterbrochen.
»Entschuldigung, ich kann den neuen Roman von Nicholas Sparks nicht finden.« Sie legte zwei weitere Romane auf dem Kassentresen ab und sah mich hoffnungsvoll an.
»Der Roman müsste im Lager liegen. Ich habe den Laden erst vor einer Woche wiedereröffnet und bin bislang nicht dazu gekommen, die neusten Romane einzusortieren.« Ich sah sie entschuldigend an. »Möchten Sie vielleicht einen Tee trinken, während ich nach dem Buch suche?«
»Ja, sehr gern.« Die Frau lächelte mich an und ich deutete ihr an, mir in die Küche zu folgen.
»Welche Sorte darf es für Sie sein?«
»Himbeer-Vanille, wenn du hast. Ich bin übrigens Nicole«, durchbrach sie die Förmlichkeiten und ich lächelte sie an.
»Mina.« Ich setzte das Teewasser auf und füllte einen Teebeutel mit Himbeer-Vanille-Tee. Grams hatte gefühlte tausend verschiedene Sorten, was es mir nun umso leichter machte, die jeweiligen Teewünsche zu erfüllen.
Ich nahm ein Teeservice aus dem Schrank und öffnete die Keksdose, aus der ich zwei Zimtkekse nahm und sie auf den Tellerrand legte. Der Teekessel begann zu pfeifen und ich goss das heiße Wasser in die Tasse. Dann reichte ich sie Nicole.
»Mach es dir doch in einer der Leseecken bequem. Ich bin gleich wieder bei dir.«
»Danke«, sagte Nicole, nickte mir freundlich zu und ich verschwand im Lager.
Einige Minuten später hatte ich den neuen Sparks-Roman endlich gefunden und kehrte in den Verkaufsraum zurück. Nicole saß mit einem der Bücher, das sie sich ausgesucht hatte, in einem der Sessel und bemerkte zunächst nicht, dass ich wieder da war. Erst als ich mich zu ihr setzte, blickte sie auf. Ich reichte ihr den Roman.
»Meintest du diesen?«, fragte ich und ihre Lippen verzogen sich zu einem zufriedenen Lächeln.
»Genau den meinte ich. Vielen lieben Dank, du rettest mir das Wochenende, Mina.«
»Eine meiner liebsten Aufgaben«, scherzte ich.
»Wenn ich gewusst hätte, wie schön es bei dir ist, wäre ich schon eher hergekommen. Ich habe den Laden nur zufällig entdeckt und dachte, ich schau mal hinein.«
»Du kannst sehr gern öfter vorbeikommen. Tee und Kekse habe ich immer da.«
»Das klingt verlockend«, erwiderte Nicole und trank den letzten Schluck Tee. Sie stand auf, wir gingen zum Kassentresen und ich kassierte die Bücher ab.
Ich blieb zufrieden zurück, nachdem Nicole mein kleines Geschäft verlassen hatte. Ihr Einkauf schenkte mir das richtige Maß an Hoffnung, das ich dringend gebrauchen konnte.