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Vorwort zur amerikanischen Ausgabe

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Es gibt einen berühmten Kupferstich von Hogarth: Das Ei des Kolumbus. Dort wird die Szene dargestellt, wie Kolumbus, gerade von der Entdeckung „Indiens“ zurückgekehrt, von seinen missgünstigen Freunden umringt ist. Die Geschichte geht so, dass sie sich über seine Leistung lustig machen und behaupten, dass seine Entdeckung ein Kinderspiel gewesen sei und sie es ohne weiteres auch hätten machen können.

Ganz ruhig (so erzählt man sich) nahm Kolumbus daraufhin ein Ei von einem Tablett auf dem Tisch und forderte seine Herausforderer auf, das Ei auf seine Spitze zu stellen. Sie versuchten es, einer nach dem anderen, aber jedes Mal rollte das Ei auf eine Seite. Schließlich nahm Kolumbus das Ei, stieß es mit einem kurzen, scharfen Knacks auf die Tischplatte – und das Ei „stand“! Seine Freunde lachten und sagten: „Verflixt!“ (oder wie auch immer sie sich zu der Zeit ausdrückten). „Das hätten wir auch geschafft!“ – „Ja,“ antwortete Kolumbus, „aber ich tat es!“

Ob diese Geschichte nun wahr ist oder nur apokryph, so hatte doch jede Wissenschaft immer wieder Männer, die das Ei des Kolumbus aufschlugen und so in ihrem Betätigungsfeld ein neues Zeitalter einleiteten. Da waren Galileo, Einstein, Pasteur, die Gebrüder Wright – eine unendliche Reihe.

1986 erhielt Rita Levi-Montalcini den Nobelpreis für ihre Arbeit über Nervenwachstumsfaktoren. Sie bewies, dass bestimmte chemische Stoffe, die gewöhnlich an der Verbindungsstelle zwischen Nerv und Muskel erzeugt werden, neue Verbindungen ermöglichen, die von der Nervenzelle ausgehen. Forschungsarbeiten an embryonalen Eiern gibt es schon seit den frühen 1920er Jahren! Dann kam Jean-Pierre Changeux und schuf sprichwörtlich das Ei des Kolumbus. Er hatte bemerkt, dass Hühnerembryos während ihrer Gestationszeit bestimmte Reflexbewegungen machen. Während sie sich noch im Ei befanden, nahm er eine sehr feine Nadel und lähmte ihre Muskeln mit Curare, so dass diese Reflexbewegungen nicht stattfinden konnten. Nachdem die Küken dann geschlüpft waren, untersuchte er ihre Gehirne, die tatsächlich Anomalitäten zeigten.

Ich schrieb ihm daraufhin und sagte, dass seine Arbeit für Kinder und kindliche Entwicklung von Bedeutung sei. Er antwortete, dass dies das Ziel hinter seiner Forschung sei, dass es jedoch bis dahin noch einer langen Zeit bedürfe.

Was Changeux nicht wusste war, dass sich gerade zu dieser Zeit Peter Blythe, zusammen mit David McGlown, mit Kindern beschäftigte, die Probleme in der Schule hatten – Kinder mit der Diagnose „minimale Hirnschädigung“. Dabei fand er heraus, dass sich bei diesen Kindern noch in großem Ausmaß Hinweise auf frühkindliche Reflexe fanden, die längst hätten gehemmt sein müssen. Andererseits schienen Haltungsreaktionen zu fehlen, die hätten da sein müssen. Das war ein neurologisches Profil, das sich deutlich von dem bei Kindern unterschied, die keine Probleme hatten. Nun gibt es bereits seit längerer Zeit entwicklungsbezogene Therapien – etwa seit den fünfziger Jahren, würde ich sagen. Auch die kindliche Entwicklung ist seit langem Gegenstand der Forschung, vor allem seit das Gesell-Institut begann, die zu erwartenden Meilensteine der kindlichen Entwicklung zu dokumentieren. Auf der Grundlage dieses Wissens wurde die Reflextherapie bei Kindern mit Zerebralparese und bei Schlaganfallpatienten angewandt. Doch blieb es Peter Blythe und Sally Goddard vorbehalten, diese Erkenntnisse zu nutzen, um den „rätselhaften“ Kindern zu helfen, die allem Anschein nach normal waren. Wir warfen ihnen inakzeptables Verhalten vor oder bezeichneten sie als dumm – weil wir sie nicht verstanden.

Am Institute for Neuro-Physiological Psychology zeigten sie, wie man die Kinder auf Reflexe hin überprüft, und kodierten die Bewertung, so dass es möglich wurde, ein genaues Bild davon zu bekommen, was das Verhalten des Kindes beeinträchtigte. Auf welche Weise genau wirkt sich jeder Reflex auf das Kind aus? Wenn ein Profil derjenigen Reflexe beim Kind entdeckt wurde, die sich nicht in der zu erwartenden Abfolge entwickelt hatten – wie konnte man diesem Kind helfen? Es handelte sich nicht um eine Forschungsmethode, die theoretisch oder im Labor durchgeführt wurde: Sie war auf eine solche Weise anwendungsbezogen, dass Eltern, Lehrer und Ärzte sie leicht nutzen konnten.

Inzwischen nutzen Optometristen dieses Wissen, um das Training der Augenmuskelmotorik zu beschleunigen. Von Schweden bis Australien – wo auch immer Sally Goddard erstes Buch Verbreitung fand – nutzen Lehrer diese Informationen, um ein neues Verständnis dafür zu entwickeln, warum das eine Kind Erfolg hat und das andere versagt. In den Vereinigten Staaten versorgen manche Lehrer diejenigen Kinder, die nicht still sitzen können, mit „Wackelkissen“, weil sie erkennen, dass diese vielleicht einen erhaltenen Spinalen Galant haben. Manche befestigen Gummibänder um die Stuhlbeine, um den Kindern dabei zu helfen, den Auswirkungen eines nicht gehemmten Symmetrisch Tonischen Nackenreflexes zu begegnen. Sie unterminieren nicht mehr Johnnys Selbstachtung, indem sie ihm vorhalten: „Du sollst nicht mit deiner Zunge schreiben!“ Sie wissen, dass er immer noch Anzeichen einer Babkin-Reaktion hat. Mit diesem neuen Ansatz herrscht mehr Ruhe und Frieden im Klassenzimmer und die Lehrer können tatsächlich unterrichten, anstatt mit Disziplinierungsmaßnahmen Zeit zu verschwenden. Nachdem die üblichen Methoden sich als Notbehelf erwiesen hatten, werden jetzt körperorientierte Programme eingeführt, die dem Kind dabei helfen, diejenigen Meilensteine zu erreichen, die es braucht, um Erfolg zu haben. Ich selbst habe die Techniken des Instituts in meiner Arbeit mit jugendlichen Straftätern angewandt – mit überaus großem Erfolg!

Jean-Pierre Changeux‘ Forschung an Eiern hat sich schneller als nützlich erwiesen, als er glaubte – sie untermauert den theoretischen Hintergrund von Peter Blythes Methode zur Reflexausreifung und -hemmung. Doch es war die Arbeit des Institute for Neuro-Physiological Psychology, die das Ei auf die Spitze stellte!

Svea Gold

(Januar 2002)

Greifen und BeGreifen

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