Читать книгу Profile me - Samantha J. Evans - Страница 11
Kapitel 8
ОглавлениеNic lag gerade im Bett und richtete sich sofort schnurrgerade auf, als er die Nachricht hörte, die ein Moderator im Radio ihm in der Sechs Uhr Morgensendung mitteilte.
Es waren erst knapp zwei Wochen vergangen und nun war wieder Montag. Wie eine gespannte Sehne sprang der Mann aus dem Bett und schaltete nach langer Zeit wieder die Monitore zu Dharjas Wohnung ein. Er suchte sie, und war erst beruhigt als er sie entdeckt hatte.
Sorge um sie und auch Ärger wegen der neuen Umstände sprachen aus dem Gesicht des ‚Ice-Cold Revenger‘. Er war abgemeldet, gerade eben kam die Meldung rein, dass der gefasste Schwerverbrecher Rico Marlov aus dem Gefängnis ausgebrochen war, als er hatte verlegt werden sollen. Der zweite Name jedoch, der dabei genannt wurde, bereitete ihm mehr Übelkeit. Mit ihm freigekommen war Carl Decker. Der mehrfache Sexualstraftäter, den Dharja vor knapp drei Jahren, gleich zum Anfang ihrer Karriere beim FBI, persönlich hinter Gitter gebracht hatte. Diese fiese Ratte hatte mehrere Frauen erdrosselt und zuvor einem langen Martyrium unterzogen. Sofort erwachte in ihm der Instinkt genau diesen zu jagen und zu töten, denn die Justiz würde diesen krankhaften Bastard, wenn sie ihn finden würde, wieder nur in den lebenslangen Strafvollzug schicken.
Der lachte sie doch aus! Verübte nur in Gegenden Verbrechen, deren Gerichtsbarkeit keine Todesstrafe zuließ. Wie hier in New York. Drei Jahre weg von der Bevölkerung, die ganze Polizei musste in Aufruhr sein, und er auch! Ihn interessiere der Mafioso Marlov überhaupt nicht, doch das Ableben von Decker in jedem Fall.
Schon jetzt spürte Nic das Kribbeln. Dharja hatte von diesem Mann Drohungen erhalten, dass wusste er von den Daten, die er nach wie vor alle in ein verstecktes Archiv auf einer externen Festplatte zog. Sofort holte Nic alles über diesen Typen hervor und selbst wenn es den Cops mal gelingen würde ihn schnell wieder einzufangen, so wollte sich Nic an der Verfolgungsjagd beteiligen.
Einen Tag später fand man auch schon die erste Leiche einer Frau, stranguliert und aufs Heftigste entweiht. Der Druck auf die Stadt wuchs, man hörte überall Sirenen, die CSIs und das FBI liefen zu Höchstformen auf und er hatte keine Chance an den Tatort oder auch nur in die Nähe davon zu gelangen. Also beschränkte er sich auf Dharja und einen Plan sie im Falle des Falles beschützen zu können, wenn sie allein war. Bei dem Aufgebot würde der Typ irgendwann einen Fehler machen und dann würden sie ihn haben.
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Tatsächlich dachte die Endzwanzigerin dann nicht weiter an den Kaffeeverkäufer, ihr war höchstens noch der verwunderte Blick seiner Kollegin im Kopf, der ihr nach wie vor ein kleines Grinsen ins Gesicht zauberte. Sie wollte garnicht zu genau wissen, was die ihm über sie erzählt hatte. Tatsächlich waren die Tage dann auch so stressig, dass sie nicht mal dazu kam dem Café einen weiteren Besuch abzustatten. Dharja war zwar dem Bürgermeister keinerlei Rechenschaft schuldig, aber der schaltete sich nun auch in den Fall ein und übte über seine Kanäle Druck auf sie und ihr Team aus. Und er hatte ja nicht Unrecht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis weitere Details an die Presse dringen würden und was dann passieren würde, wollte sie gar nicht erst wissen.
Und als wäre der Druck im Moment noch nicht groß genug, der auf ihr lastete, brachen dann auch noch ein paar Tage später Marlov und diese miese, widerwärtige Kreatur Carl Decker aus dem Gefängnis aus. Ihr Boss informierte sie persönlich über das Telefon über diese Entwicklung, auch weil er ihr nach seiner Verurteilung sehr deutlich und grafisch beschrieben hatte, was er mit der „dreckigen, kleinen, blonden Fotze“, also ihr, tun würde, wenn er aus dem Knast kommen würde. Und nicht nur das… Jener hatte einen Brass auf so einige Menschen, aber das Gefängnis hatte es wohl für nötig gehalten ihren Boss zu informieren, weil der Typ wohl wirklich eine felsenfeste Aversion gegen sie hegte. Und wie er Frauen „bestrafte“, war hinlänglich bekannt.
„Ich bin hier sicher und werde die Tür verriegelt und geschlossen halten.“ Abgesehen davon kannte dieser Decker ihre Privatadresse nicht. „Ich werde auch die üblichen Problembereiche meiden und nachts bin ich eh nicht alleine auf der Straße unterwegs.“
„Dharja, nimm das nicht auf die leichte Schulter“, ermahnte sie der Mann dennoch.
„Nein, Sir.“
Wirklich mulmig wurde es ihr aber, als man tags darauf schon die erste geschändete und erdrosselte Frau fand. Im Falle des ‚Ice-Cold Revenger‘ war Dharja vielleicht noch ein wenig zwiegespalten, was sie davon halten sollte, hier jedoch erfüllte sie kalter Schrecken wegen dieser Tat, die eiskalte Wut über das Verbrechen und die Abscheu darüber gleichermaßen.
„Das trägt eindeutig Carl Deckers Handschrift.“ Sie konnte den Tatort lesen wie einen Brief, den er ihr hinterlassen hatte. Frustriert wie sie mit dem ‚Ice- Cold Revenger‘ auch war, diese Abwechslung war alles andere als willkommen, vielleicht auch gerade deswegen, weil sie eben auch eine Frau war.
Was dann erstmal los war, war nicht mehr feierlich. Sie arbeiteten sechs Tage die Woche oder mehr und jeder noch so kleinen Spur wurde gewissenhaft nachgegangen und keiner murrte. Sie alle wussten was auf dem Spiel stand und keiner wollte noch so ein Mädchen von einem schmierigen Gehsteig kratzen. Carl Decker war ein Triebtäter der untersten Schublade. Er hatte nichts von dem, was den ICR ausmachte, den ‚Ice-Cold Revenger‘, aber dennoch machte Decker sie viel, viel nervöser als der andere Serientäter.
„Der Revenger hat sich bislang noch nie an einer Frau vergriffen“, klärte sie eines Abends dann auch Jess auf, während sie diese hinter dem Ohr kraulte. „Decker hingegen macht mir Angst“, hauchte sie dann leise hinterher.
Zwei Tage später jedoch beschloss Dharja, dass ihr Leben so nicht weitergehen konnte. Sie musste mal privat aus ihrer Wohnung raus, wenigstens für ein, zwei Stunden. Während sie sich noch fertig schminkte, telefonierte Dharja noch kurz mit ihrer Freundin. „Und? Bist du schon fertig?“
„Ja-ha. Und du?“
„Ich packe nur noch etwas Deko auf den Kuchen und dann nehme ich mir ein Taxi. Glaub mir, nach der Woche habe ich die Schminke echt nötig.“
„Ach von wegen. Du siehst immer fabelhaft aus. Und der Typ, den ich dir...“
„Ach nein, lass mal“ meinte Dharja und unterbrach damit ihre Freundin. „Vanny, ich sagte doch, dass ich keinen Druck haben will. Wenn sich etwas ergibt ok, von mir aus. Aber ich will nicht...“
Die andere revanchierte sich auch sogleich: „Süße. Keinen Stress. du gehst hin. Du siehst ihn dir unverbindlich an… und nichts weiter.“
„Ich kenne schon dein nichts weiter.“
„Jetzt übertreibst du aber. Hast du das Geschenk, Dharinchen?“
„Ja“, murrte sie nur. Da war Decker, der irgendwo durch New York lief und möglicherweise gerade jetzt eine Frau vergewaltigte, und ihre Freundin hatte nichts Besseres im Sinn als sie schnellstmöglich zu verkuppeln. Eigentlich war ihr da schon jegliche Lust auf die Geburtstagsfeier von Lorrain, einer gemeinsamen Freundin, vergangen, nur kam sie da jetzt nicht mehr raus.
„Wenn du mir mit irgendwelchen Typen auf den Wecker gehst, bin ich da raus, bevor du zweimal zwinkern kannst. Gibst du mir nochmal ihre neue Adresse durch? Auf ihre neue Wohnung bin ich ja schon ziemlich gespannt…“
Die Feier war dann doch recht gut gewesen. Auch weil sie sich bewusst an ihre Freundinnen gehalten hatte. Ehrlich. Nach noch einem männlichen Desaster stand ihr gerade nicht der Sinn. Sie kam langsam in ein Alter, wo alle verfügbaren Kerle irgendeine Art von Problem hatten. Dennoch: etwas Ablenkung tat auch ihr gut.
Erst um Ein Uhr nachts fuhr das Taxi vor, das sie gerufen hatte und Lorrains Freund war so reizend sie bis zum Wagen zu begleiten. Ihre Dienstwaffe hatte Dharja natürlich auch dabei. Und dann war sie schon auf dem Weg nach Hause.
Natürlich musste sie Vanessa sofort anrufen und diese beschwerte sich bitterlich, dass Dharja ihren Favoriten mit keinem Blick gewürdigt hatte und zwischen ihr und ihrer Freundin entbrannte dann auch so was wie ein herzlich amüsiertes Wortgefecht, bis plötzlich der Taxifahrer unerwartet mitten nächtlichen Nirgendwo zur Seite zog.
„Nur was mit dem Kühler. Dauert nur einen Moment.“ Dann stieg er aus und öffnete die Motorhaube.
Es lag wohl am Alkohol, viel getrunken hatte sie ja nicht, aber eben doch ein, zwei Gläser, dass ihre Alarmglocken da noch nicht auf schrillten. Erst als sie bei einem Blick nach draußen bemerkte, dass sie keinen blassen Schimmer hatte, wo sie war, wurde sie stutzig. Es sah nach Industriehallen aus und heruntergekommenen Fabrikanlagen. „Vanny, ich rufe gleich zurück“, unterbrach sie ihre Freundin und dann fiel ihr das nächste seltsame Detail auf. Das Bild auf der Taxilizenz passte nicht zu dem Fahrer. Ihr Herz fing nun doch an zu rasen und sie kurbelte die Seitenscheibe etwas runter. „Sir?“ Keine Reaktion. Er mochte da vor dem Wagen stehen und sie einfach ignorieren, durch ihren Blick von der Motorhaube verborgen, oder er mochte lange das Weite gesucht haben. Nun doch zittrig griff die FBI Agentin in ihre Handtasche und zog endsichernd ihre Dienstwaffe. Geistesgegenwärtig verriegelte sie nun auch erstmal die Türen und schloss das Fenster wieder. Das würde ihr natürlich wenig bringen, sollte jemand auftauchen, der einen Schlüssel für den Wagen hatte. Ebenfalls wählte sie nun die Privatnummer ihres Chefs. Sie bekam es jetzt doch ziemlich mit der Angst zu tun. Vielleicht war der Taxifahrer nur irgendwo hingegangen, wo er Hilfe bekommen würde. Vielleicht aber steckte der Typ auch mit Decker oder sonst wem unter einer Decke…
Endlich ertönte das Rufzeichen im Hörer ihres Handys. Die Panik machte sich nun ziemlich in ihr breit. „Geh schon ran. Bitte. Geh ran!“
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Nic war frustriert. Er konnte nicht mit jagen und konnte auch nicht allzu sehr seine Fixierung auf die blonde Profilerin genießen, seitdem ihm dieser schlimme Patzer unterlaufen war. Und träumen tat er auch von ihr… Lange und intensiv. Meist endete es darin, dass er in sie eindrang, sanft und so dass es ihr nicht wehtat und sie es ebenso wollte.... Zur Hölle! Er hatte sich das selbst zu verschulden! Der Keim war gesät, er spürte es.
Um nicht die Herrschaft über seine Sinne zu verlieren, musste der Hüne es sich öfter machen als Nic Lust dazu verspürte. Es war für ihn nichts Schönes dabei. Er konnte es nicht genießen. Diese Prozedur war nur dazu da, um Druck abzubauen.
Er wollte sich auf diesen Schänder konzentrieren und verfolgte daher stets Dharjas GPS-Signal im Telefon. Etwas, was ganz leicht war, wenn man eine Schattenkopie davon hatte. Dann brauchte man nur die „eigene“ Nummer zu verfolgen.
Nic ging sehr stark davon aus, dass der Täter, wenn er es auf Dharja abgesehen hatte, sie dann verfolgen würde, wenn sie frei hatte, nicht dann, wenn sie auf Arbeit oder auf dem Rückweg davon war. Aber er hätte sie dennoch am liebsten auf Schritt und Tritt begleitet, anstatt nur ihrem Tracker Signal zu folgen.
Immer dann, wenn sie nach Hause kam und sich einsperrte, war er froh. Und er behielt auch die Umgebung im Auge.
Als Dharja zu der Feier ihrer Freundin ging - mittlerweile überwachte er sie wieder - wusste er nicht, ob er sie für leichtsinnig
oder stark halten sollte. Einen Kuchen, ein Geschenk und sich selbst ließ sie per Taxi liefern. An so einem Tag wie diesem würde er als Verbrecher zuschnappen und daher blieb Nic nichts anderes übrig als Dharja an diesem Tag zu verfolgen. Er ging das Risiko ein angehalten und erwischt zu werden, doch es gelang.
Als sie später wieder in ein Taxi stieg, fuhr sein Wagen an und er bemerkte, dass der Taxifahrer eine andere Route fuhr… nur um mehr Geld einzusacken oder etwas anders? Er gab zu, dass seine Instinkte Amok liefen, etwas was öfter der Fall war, wenn es um Dharja ging. Dann hielt der Fahrer auch noch an, so ein Mexikaner. Nic hielt hundert Meter weiter hinten und besah sich das Geschehen. Er wollte wissen, ob ihr jemand auflauerte, doch als er schließlich bemerkte, dass der Fahrer wieder einstieg und weiterfuhr, lockerte er seine Hände, um das auch tun zu können. Nic merkte, dass er bereit gewesen war mit aller Wucht zuzuschlagen, hätte nun ein Überfall auf sie stattgefunden. „Dharja...“ knurrte er und hoffte sie würde ab nun immer ihren eigenen Wagen nehmen, bis sich das mit Decker geklärt hatte.
Er fuhr eine Abkürzung zu seiner Wohnung, die im Übrigen nur zwei Straßen weiter von der Wohnstätte Dharjas entfernt lag. Dort stellte er den Wagen ab und ging mit schnellen Schritten zu seiner Überwachungsanlage. Auf seinem Tisch lagen nun auch neue Pläne... die welche ihn abgelenkt und gerettet hatten. Er hatte sich neue Wege gesucht, um mehr Zugang zu Dharjas Haus zu erlangen, wenn er es brauchen würde. Es ging ihm dabei allein um Schutz… nicht um etwas anderes zu tun, wie sie zum Beispiel ungesehen von diesem Ort verschleppen zu können…
Das seine Annahme nicht der Wahrheit entsprach, würde Nic erst ein paar Tage später herausfinden.
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Was für ein Riesiges, super mega Arschloch! Dharja war fassungslos darüber, als der taxifahrende Mexikaner nach Zigarette stinkend wieder bei ihr erschien, die Motorhaube schloss und seelenruhig weiterfuhr. Dieser Vollidiot hatte eine Panne vorgetäuscht, weil er dringend eine hatte rauchen wollen???
„Sie haben keine Zulassung für diesen Wagen“, zischte Dharja wütend, aber auch das störte den Taxifahrer nicht.
„Enrico ist mein Bruder“, gab er seelenruhig zu. „Ein guter Mann. Tags fährt er, abends fahre ich“, meinte er nur unbekümmert, während er gegen die Lizenz tippte und dabei breit grinste, als würde ihn das zu einer Art Held machen.
Derweil ging auch ihr Chef ans Handy. Er klang schlaftrunken, aber eher alarmiert als verärgert.
„Sorry Boss… ich fürchte… es war falscher Alarm.“
„Ah… OK.“
„Es tut mir leid.“
Er brummte nur. „Besser sichergehen, als das ein Unglück passiert. Was war denn?“
„Ich… erzähle das am Montag. Danke, und noch eine gute Nacht.“
„Gute Nacht.“ Damit legte sie auf.
Verdammt war sie fertig. Das eben war wirklich alles andere als komisch gewesen und sie zitterte immer noch leicht, als sie endlich zu Hause ankam und ins Bett fallen konnte. Schlaf fand sie aber noch lange keinen und ihre dumme Katze wollte heute partout nicht kuscheln. Selten hatte Dharja sich so sehr nach einem Freund gesehnt wie an diesem Abend. Selbst die vertrauten Laute des alten Mietshauses klangen plötzlich bedrohlich.
Es war aber auch ein Weckruf gewesen. Sie würde noch vorsichtiger sein müssen. Dharja würde die nächsten kostenlosen Selbstverteidigungskurse besuchen gehen, die das FBI speziell weiblichen Mitarbeiterinnen anbot. Das machte sie eh regelmäßig, aber eine Auffrischung extra konnte definitiv nicht schaden…
Decker war definitiv der Kerl, der sie deutlich mehr beschäftigte. Decker machte ihr Angst. Sie machte sich keine Illusionen. Viele Kriminelle würden mit ihr nicht gerade sanft umspringen und weil sie eine Frau war, gab es da immer auch diese sexuelle Komponente, wegen der sie sich latent Sorgen machte. Decker war eine ganz andere Nummer… Er war ein perverser Sadist. Und er hatte eine Rechnung mit ihr offen. Dennoch bewegten sich die Ermittlungen eindeutig in eine andere Richtung… Was den Mafioso betraf, hatten sie eine heiße Spur. Und langsam hatte ihre Einheit auch dringend eine Erfolgsmeldung nötig. Der Druck wuchs von allen Seiten.
Dharja glaubte dennoch nicht, dass Carl Decker die Stadt verlassen hatte. Im Moment war es jedoch nur ihr Instinkt, der sie das glauben ließ. Sie hatte in diesem Fall keine Beweise dafür.