Читать книгу Profile me - Samantha J. Evans - Страница 5

Kapitel 2

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Vor langer Zeit „Vater… bitte… bitte nicht…“ heulte sie. „Du darfst dich nicht bewegen.“ Heiß quoll sein Blut zwischen ihren Fingern hervor. In schnellen Schlägen pumpte sein Herz es ihm aus dem Leib. Dharja versuchte es zurück zu halten, in seinem Körper zu drücken, dort wo es sein und bleiben musste, aber ihre Bemühungen waren vergebens. „Ich sagte, weg da du Scheiß Schlampe!“, brüllte sie ein vermummter Latino an. Sie konnte es nur an seinen Händen sehen und an seinem Akzent hören. „Kannst du mich nicht verstehen, du zurückgebliebene weiße Made!?“ Kurz danach schlug etwas so hart gegen die Seite ihres Kopfes, dass das Mädchen auf den zuckenden Körper ihres Vaters stürzte. „Man Miguel, lass sie! Das ist doch nur ein Kind!“ Nun strömte es auch ihr heiß von der Stirn hinab. Der Raum drehte sich für einen langen Moment. „Ich puste ihr den Scheiß Schädel weg! Scheiß Fotze!“ „Miguel, verdammt, lass uns gehen! Wir haben doch, was wir wollten!“ Das junge Mädchen hatte in dieser Situation wirkliche Panik, und doch war ihre Angst um den Vater noch viel größer als die, um ihr eigenes Leben. Sobald sie sich wieder gefangen hatte, versuchte sie erneut ihre Finger auf und in seine Wunde zu pressen. Er würde sterben, wenn sie es nicht täte. Er verlor so viel Blut. Nur das wusste sie. In dem Moment knallte es wieder. Ihr pfiff eine Kugel um die Ohren. Sie wusste, dass sie schrie, aber sie hörte den Schrei nicht mehr. „Bist du total irre? Wir gehen!“ Vage bemerkte das Mädchen, wie der zweite Einbrecher mit dem Mann rang, der die Knarre auf sie gerichtet hatte, während die Sirenen der Polizei in der Ferne jaulten… Heute Mit konzentriertem Blick marschierte Dharja Lenova den langen Gang hinunter, der gerade von ihren Kollegen gesichert wurde. Ihr feminines Gesicht war dabei eine eiserne Maske, umrahmt von ihren langen, blonden Haaren. Der Geruch von Industrie lag in der Luft, von schweren Reinigungsmitteln und Schmierstoffen. Vor ihr rissen gerade ihre Kollegen die massive Brandschutztür auf und stürmten mit gezückten Waffen in den dahinter befindlichen Raum. Dabei brüllten sie laut „FBI!“ und „Bundesagenten!“. Man kannte die Szene aus diversen Filmen und Serien und im Prinzip hatte Hollywood hier auch in vielerlei Punkten mit der Realität aufgeholt. Nur war es oft nicht so hübsch anzusehen, oder gar so spektakulär. „Gesichert“, erklang es, noch bevor sie die Tür selbst erreicht hatte. Mit ihrem schlanken grazilen Körperbau war es gar nicht so leicht diese Tür aufzupressen, aber sie vollbrachte die Herausforderung so würdevoll wie es eben für sie möglich war. Dharja war auch beim FBI, aber ihre Aufgabe war eine ganz andere, als die ihrer Kollegen. Sie hatte zwar ebenfalls eine Dienstwaffe, führte diese aber meist nur in ihrer Handtasche mit sich. Sie trug auch keine flachen Schuhe mit griffigem Profil, sondern zartere, femininere Modelle, die bei jedem Schritt diesen typischen pochenden Klang verbreiteten. Sie konnte sich wehren, hatte diverse Grundkurse absolviert und ging auch regelmäßig in Kurse zur Selbstverteidigung, aber primär hatte man von ihr andere Erwartungen als mit gezückter Waffe durch geschlossene Fensterscheiben zu springen. Dharja besaß ein Diplom in Psychologie. Sie hatte sich dann im Kriminalbereich weitergebildet. Wieso? Nun, vielleicht hätte sie ja mal irgendwann Kinderpsychologie studiert, also etwas das anderen Leuten helfen würde, etwas, dass das Leben besser machen würde, und nicht nur weniger schrecklich, doch als sie zwölf gewesen war, war man in ihr Elternhaus eingebrochen… Ihr Vater, eigentlich ein Serbe, der nach Amerika ausgewandert war und sich nun für den typischen amerikanischen „Held“ hielt... nein… gehalten hatte, hatte es nicht ertragen, einfach im Bett liegen zu bleiben, während Fremde in seiner heilen Welt herumwüteten. Nein, er hatte hinuntergehen müssen, um seine Frau und seine Tochter zu beschützen. Mit seiner Schrotflinte im Anschlag. Ihr Vater war gestorben noch bevor sie das Krankenhaus mit ihm erreicht hatten; für ein paar hundert Dollar, einen alten Fernseher und etwas Schmuck. Andere Mädchen in ihrem Alter hätten später wohl den Täter gemieden, sich in ihrer Trauer und dem Kummer vergraben. Sie aber suchte die Konfrontation. Als man die Täter später geschnappt hatte, suchte sie den, der geschossen hatte, im Gefängnis auf. Sie wollte wissen warum er das getan hatte, verstehen wie es dazu gekommen war, warum er diesen Hass in sich gefühlt hatte. Das erste Mal starrte sie den Täter durch die dicke Glasscheibe einfach nur an, während er sie verhöhnte und beleidigte. Aber schon beim zweiten Mal fand sie die Kraft mit ihm zu sprechen, und da erkannte sie, dass er eigentlich nur eine armselige, bemitleidenswerte Kreatur war. Dieses Erlebnis hatte Dharja nicht mehr losgelassen. Es beunruhigte sie. Es ängstigte sie. Aber jedes Mal, wenn sie ihre Angst überwand, fühlte sie sich auch besser, sicherer, mächtiger und ruhiger. Und jetzt jagte sie diese Art von Kerlen. Oft war es nur eine Kleinigkeit, die aus einer gescheiterten Existenz einen Mörder werden ließ. Entgegen der landläufigen Meinung war es erschreckend leicht auf die falsche Bahn zu geraten. Es gab immer zwei Seiten zu jeder Geschichte und so gut wie jeder Täter war gleichzeitig auch ein Opfer. Sie verstand das Bedürfnis der Hinterbliebenen und Geschädigten nach Rache und Gerechtigkeit gut und natürlich musste derartiges Handeln bestraft werden und Konsequenzen haben. Am Ende des Tages steckte in vielen, vielleicht sogar jedem ein Monster. Was sie aber in dem Raum hinter der Tür nun vorfand, war eine ganz andere Klasse, eine Klasse für sich. Das hier war kein Mord, der in einer hitzigen Situation passiert war. Das hier war kein Resultat aus Angst und Stress oder einer von Alkohol oder Drogen gesenkten Hemmschwelle. Dharja hatte ein Dutzend Schritte in den Raum hinein genommen, bevor sie regelrecht erstarrte. Ihr Gesicht hatte sich immer noch nicht verändert. Sie starrte das verkohlte Ding einfach nur still an, welches man dort hinterlassen hatte, damit sie es finden konnten. Man könnte fast meinen sie würde in einer Galerie stehen und eine Skulptur studieren von der sie sich noch nicht sicher war, ob es eine perverse Abartigkeit darstellen sollte, oder eben doch ein geniales Kunstwerk. Ihre männlichen Kollegen übertrafen sich gerade mit Würgelauten und Kommentaren über den abartigen Gestank. Es roch verschmort. Nach verbranntem, menschlichem Fleisch und den Fäkalien, die der Mann im Moment des Sterbens noch unter unvorstellbaren Qualen aus Blase und Darm gepresst hatte. Das waren die Seiten, die Hollywood den Zusehern meist ersparte. Natürlich roch auch sie diese geradezu widerwärtige Mischung, aber sie zwang sich ruhig weiter zu gehen und blendete dabei auch ihre Kollegen aus. Still lief sie eine weitläufige Runde um das Opfer herum und erst als sie ihren Ausgangspunkt wieder erreicht hatte, zog Dharja ein feuchtes Taschentuch aus ihrer Tasche und hielt es sich so gegen die Nase, dass sie dadurch ein- und ausatmen konnte. Zumindest vermischte sich so der Geruch mit dem Parfüm im Tuch und wurde etwas erträglicher. „Kennen wir schon den Namen des Opfers?“, fragte einer der Männer den anderen. „Nein. Ich gehe davon aus, dass…“, fing der andere an, aber sie unterbrach die beiden. „Das ist Richard Roman King.“ Verblüfft studierten die Kollegen das, was von seinem Gesicht übrig war. „Woher…“, fing Tony an. „… weißt du das?“ „Ich war in den Fall involviert. Ich habe sein Profil erstellt und sollte vor Gericht gegen ihn aussagen.“ Tim stellte sich an ihre Seite. „War das nicht der Typ, dessen Frau, die Hauptzeugin werden sollte?“ „Oh“, erwiderte Tony angewidert, „meint ihr die Frau, der kurz vor Prozessbeginn der Föhn in die Badewanne fiel?“ Dharja nickte nur stumm. Dann trat sie etwas näher an seine Leiche heran, bevor sie noch etwas dazu sagte: „Sie war die Kronzeugin. Wir konnten ihm weder eine Beteiligung an ihrem Tod nachweisen, noch konnten wir ihn wegen Korruption ohne ihre Aussagen überführen.“ Tony lachte leise, seltsam amüsiert. „Nun, seine Strafe hat er nun wohl bekommen. Da war wohl jemand mächtig wütend auf ihn.“ „Oh ja“, pflichtete Tim ihm bei. „Wer hat sich das einfallen lassen? Die Mafia?“ „Auf jeden Fall ein kranker Bastard“, kommentierte Tony, der gerne das letzte Wort hatte. Leise machte Dharja Lenova erneut eine Runde um den Stuhl, dieses Mal in einem engeren Radius. Vorher hatte sie sich das ganze Szenario eingeprägt. Jetzt studierte sie die Details. „Nein“ widersprach sie dann erst, leise und bestimmt. „Das hier hat nichts mit Wut zu tun. Er wurde nicht gefoltert. Er wurde hingerichtet.“ Die beiden Männer sahen sich so an, als würden sie an ihrer Einschätzung zweifeln. So oder so führte sie ihre Gedanken weiter aus. „Der elektrische Stuhl ist das klassische Mittel des Strafvollzugs. Sobald es ein aufsehenerregendes Verbrechen gibt, fordern überwiegend konservative Teile der Bevölkerung die Todesstrafe auf dem elektrischen Stuhl. Es steht für den harten Strafvollzug aus vermeintlich besseren Tagen, wo der Staat angeblich seine Bürger noch beschützen konnte.“ War das Opfer wirklich bei Bewusstsein gewesen, während der Storm das Gehirn des Mannes geschmort hatte? Finster starrte sie das Ganze noch einen Moment lang an und wandte sich dann ab. Sie hatte genug gesehen. Wieder klapperten ihre Absätze über den Boden, als sie in Richtung Ausgang ging. Tony und Tim würden der Spurensicherung schon eintrichtern ausreichend Bilder zu machen, vor allem von den Details. „Das war nicht die Mafia“, schlussfolgerte sie. „Es war jemand, der sich im Recht sah. Jemand, der das zu Ende geführt hat, was wir vermeintlich vermasselt haben“, erklärte sie im Hinausgehen den beiden noch. „Jemand, der sich für das Gesetz hält.“ „Du meinst… er… war das?“ Sie stockte vor der schweren Türe. Dharja zögerte einen Moment ohne etwas zu sagen. In dem Fall war keine Antwort, auch eine Antwort. Sie entschied sich wortlos die Tür aufzustemmen und in den Gang hinauszutreten. Dharja konnte sich vorstellen wie es sein musste so zu sterben. Die fürchterliche Angst im Angesicht des Todes. Die grauenvollen Schmerzen. Die Todesqualen. Die blonde Profilerin zuckte leicht zusammen, als hinter ihr jemand die Tür öffnete. „Dharja? Denk dran, die Presse ist draußen“, raunte Tony ihr zu und schloss dann wieder die Tür. War ja klar, dass diese Aasgeier schon auf Neuigkeiten warteten. Irritiert kramte sie einen kleinen Spiegel aus ihrer Tasche und prüfte darin ihr Gesicht, bevor sie sich kurz um ihr Haar kümmerte und den Sitz ihrer Bluse kontrollierte. Dharja war von der Optik her keine Frau, die als klassische Schönheit zu bezeichnen wäre, auch wenn sie blondes Haar hatte und einen reinen Teint aufwies. Sie war keine Person, die scharenweise Männerblicke auf sich zog und kleidete sich auch nicht so, dass es irgendwann anders sein könnte. Die 28-Jährige wollte mit ihren fachlichen Kompetenzen glänzen und nicht mit ihrem Körper. Sie wollte ernst genommen werden und nicht als Wichsvorlage dienen. Gerade war sie allein auf weiter Flur, also legte Dharja sich ihre Hand noch unter die rechte Brust, ehe sie diese mit einer kleinen Grimasse zurechtrückte. Wie immer kurz vor ihren Tagen fühlte sich ihr Brustgewebe besonders geschwollen an und der BH drückte gerade unangenehm. Plötzlich, noch inmitten der Bewegung und dem Versuch den Bügel besser zurechtzurücken, erstarrte sie. Ihre Augen wanderten nach oben und fanden die stumme und schwarze Linse einer Überwachungskamera. Einen langen Moment regte Dharja sich nicht, dann ließ sie ihre Hand sinken. „Tony!?“, schrie sie. Und dann noch etwas lauter. „Tony!“ Die Tür zum Tatort hinter ihr wurde erneut aufgerissen. „Mein Gott, was ist denn?“ „Hier ist eine Kamera angebracht. Wenn ihr die Aufzeichnungen der Kameras zum Tatzeitpunkt prüft, überprüft auch, ob das System manipuliert worden ist.“ Dharja war eine Frau. Sie war weder übergewichtig, noch missgestaltet. Sie war kein Magnet, aber es gab Männer, die durchaus auf sie standen. Sie war sich dessen bewusst, ohne eingebildet zu sein. Es konnte ihrer Meinung nach kein Zufall sein, dass ihr Team jedes Mal zuerst davon erfuhr, wenn dieser Killer wieder zugeschlagen hatte. Es war ein latenter und ziemlich bizarrer Verdacht. Aber vage, nur ganz vage vermutete sie langsam, dass diese Meldungen an ihr Team direkt etwas mit ihr zu tun haben könnten… etwas, was Dharja rein garnicht gefiel. Sie starrte das dunkle Gehäuse der Kamera noch kurz finster an, ehe sie sich mit energischen Schritten in Richtung Gebäudeausgang bahnte.

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