Читать книгу Der Riesen Arztroman Koffer Februar 2022: Arztroman Sammelband 12 Romane - Sandy Palmer - Страница 14

3

Оглавление

Talmer streckte die Beine von sich und lächelte ihn an.

»Ich muss sagen, ich habe dich unterschätzt mein Lieber. Wirklich! Alle Achtung! Also, wenn du so weitermachst, dann wird alle Welt von dir reden.«

Dr. Burgstein winkte ab.

»Wieso der Honig? Willst du etwa die Miete erhöhen?«

Der junge Arztkollege amüsierte sich.

»Nein, obschon ich ein Dussel war, als ich dir die Praxis meines Vaters so günstig überließ.«

»Ich habe es dir damals schon gesagt. Du bereust es also schon, dass du sie nicht selbst übernommen hast?«

Talmer stand auf und stellte sich ans Fenster.

»Bist du verrückt? In diesem verschlafenen Nest würde ich nur schwermütig. Nein, das ist nichts für mich. Ich brauche den großen Betrieb und alles was damit zusammenhängt, mein Lieber.«

»Und die Verwaltung und den damit verbundenen Ärger auch, Peter?«

»Nun, einiges muss man halt in Kauf nehmen. Aber dafür ist man auch besser angesehen.«

Burgstein lachte.

»Du meinst, es gilt noch immer die Bezeichnung: der Herrgott in Weiß?«

»Etwa nicht?«

»Wenn du dich da nur nicht irrst. Wir leben in einem anderen Zeitalter.«

»Das merke ich. Die Kollegen sprechen pausenlos von dir.«

»Was denn?«

»Sie halten dich noch immer für verrückt. Einige schließen sogar Wetten ab, wie lange du es hier noch aushältst.«

»Dann bist du also geschickt worden?«

»Um ehrlich zu sein - bevor ich wette, versuche ich mich zu informieren.«

»Und?«

Burgstein schenkte den Rotwein ein.

»Ich glaube, ich wette, dass du nicht wiederkommst. Du siehst so behäbig aus. Wie mein Vater.«

»Das ist aber fein.«

»Wirklich, Achim, versauerst du hier nicht langsam?«

»Setze ich schon Moos an?«

»Aber Achim, es kann dich doch nicht wirklich ausfüllen! Ich meine, keine Operationen mehr. Und alles was damit zusammenhängt. Ich kann es einfach nicht glauben. All die interessanten Fälle in der Stadt. Die kriegst du doch hier nie mehr zu sehen. Ernstere Sachen wandern doch zu uns ab. Also wirklich, Achim!«

»Bist du dir da so sicher?«

»Willst du etwa behaupten, du operierst hier auch? Also das ist nun wirklich die Höhe.«

»Schon Sauerbruch hat gesagt, der Chirurg schneidet nicht die Krankheit weg, nur den Herd, aber die wirkliche Krankheit bleibt im Körper.«

Talmer starrte ihn verblüfft an.

»Wie war das? «

»Zum Beispiel eine kranke Niere. Sie war doch nicht immer krank, nicht wahr?«

»Nein, verdammt noch mal! Aber wenn sie nicht mehr funktioniert, dann muss sie dort entfernt werden. Oder sie vergiftet den ganzen Körper, und dann ist es aus.«

»Natürlich hast du auch recht. Aber die Ursache ist damit noch nicht verschwunden. Und so kann man damit rechnen, dass die zweite Niere auch angegriffen wird.«

Talmer nahm einen großen Schluck.

»Und wie siehst du jetzt die Sache?«

»Wenn sie noch ein wenig funktioniert, finde ich, ist es ein Verbrechen, dass man nicht zuerst versucht, sie wieder in Ordnung zu bringen. Vor allen Dingen muss man doch die Ursache finden, nicht wahr?«

»Und wenn man sie nicht findet?«

»Du weißt selbst, wie viele Ursachen für eine Nierenerkrankung es gibt. Aber du weißt auch sehr wohl, wie schnell man mit dem Messer dabei ist. Und was einmal weg ist, kann man nicht zurückholen.«

»Das ist stark.«

»Nein, nur richtig überlegt.«

»Und du meinst, du überlegst alleine?«

»Nun, ich habe zumindest schon einen Fall geheilt, der operiert werden sollte.«

»Mit deinen Kräutern?«

»Mit meinen Kräutern!«

In diesem Augenblick erschien Willy im Wohnzimmer. Willy war geistig behindert, zwanzig Jahre alt, ein stämmiger Bursche und lammfromm. Er liebte Vater Burgstein und überhaupt die ganze Familie heiß und innig. Als er nun den Gast erblickte, wich er erschrocken zurück. Er stand linkisch da und wusste nicht wie er sich verhalten sollte.

»Hallo, Willy, möchtest du etwas?«

»Suche Vater Burgstein«, sagte er lahm.

»Der ist in den Wald gegangen, Willy.«

Willy runzelte die Stirn.

»Werde suchen! Willy wird suchen!«

»Kannst du das auch?«

»Jaha!« Dann verschwand Willy wieder.

»Ist das dein neuer Umgang?«, fragte der junge Arzt mit spöttischer Stimme.

»Du wirst es nicht glauben, aber Willy ist eine wertvolle Hilfe, auf seine Art.«

»Inwiefern denn?«

»Er zeigt mir immer wieder, wie dankbar ich Gott sein muss, dass ich meinen Verstand mitbekommen habe.«

Talmer wurde ernst.

»Verzeih, ich wollte dich nicht kränken.«

»Das kannst du auch gar nicht.«

Sie schwiegen eine Weile.

»Möchtest du zum Essen bleiben?«

»Nein, danke, ich habe Ev versprochen, pünktlich zu sein. Wir wollen, glaube ich, ins Theater gehen.«

»Ach ja?«

»Und du? Ist dein Herz noch immer wund?! Hast du noch immer keine Lust, dich zu verlieben?«

»Ich kann es ihr einfach nicht zumuten!«

»So, so!« Talmer erhob sich. »Nichts für ungut! Ich muss jetzt gehen, Achim. Ich glaube, du bist doch nicht zu bedauern.«

»Und warum nicht?«

»Du lässt dich nicht aus der Ruhe bringen.«

Achim lachte.

»Das stimmt. Das macht die Stille hier auf dem Lande. Und überhaupt, man nimmt sich für alles viel mehr Zeit.«

»Auch für die Patienten?«

»Ganz besonders für sie. Deswegen habe ich auch kaum Rückfälle.«

»Hör mal«, lachte Talmer, »ich fände es ja gut, wenn man das von Gefängnisinsassen auch sagen könnte, aber als Arzt? Was würdest du tun, wenn du keine Kranken zu heilen hättest?«

Achim Burgstein begleitete seinen Freund nach draußen.

»Du wirst es nicht glauben, aber darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.«

»Du bist also doch ein Träumer«, lachte der Freund. »Na ja, wenn dir mal die Decke auf den Kopf fällt, dann kannst du immer zu mir kommen. Dann machen wir einen Zug durch die Gemeinde, und ich führe dich der Zivilisation wieder zu.«

»Dann bis zum nächsten Mal!«

»Komm gut an!«

»Danke!«

Der Freund verschwand.

Burgstein stand nachdenklich am Zaun. Die kleine winklige Straße lag wie ausgestorben da. Die Geschäfte hatten geschlossen. Unter der Woche waren ja die meisten Dorfbewohner in der nahen Stadt. Erst gegen Abend kamen sie von ihrer Arbeit heim.

Talmer hätte sich gewundert, wenn er wenig später die Praxis seines Freundes gesehen hätte. Dort waren viele Patienten. Und nicht nur Leute aus dem Ort, sondern sie kamen von weither zu ihm. Es hatte sich herumgesprochen.

Seine erste Patientin heute war eine junge Frau von circa 30 Jahren. Es handelte sich um eine recht hübsche und zierliche Frau. Sie sah nicht danach aus, als würde sie gern krank feiern wollen.

Aus dem Krankenblatt, das Frau Schöller angelegt hatte, ersah er, dass sie aus einer Stadt kam, die über fünfzig Kilometer entfernt lag. Sie sah seinen verwunderten Blick.

»Ich habe eine Bekannte hier am Ort wohnen. Und die hat mir gesagt, wenn mir noch einer helfen könnte, dann nur Sie, Herr Doktor!«

»So, so!«

»Ich habe schon so vieles erprobt und angewandt. Es ist einfach furchtbar. Und es wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Er ist für mich eine Qual, verstehen Sie?«

»Da müssen Sie mir erst einmal sagen, um was es sich handelt, junge Frau.«

»Ich leide an Sonnenallergie!«, stieß sie hervor.

Dr. Burgstein runzelte die Stirn.

»Soll das heißen, Sie haben das nicht schon immer gehabt, Frau Eichfuß?«

Erika Eichfuß blickte ihn bekümmert an.

»Das ist es ja eben. Seit zwei Jahren plage ich mich damit herum. Sobald die Sonne in Deutschland auftaucht, sehe ich aus wie ein Streuselkuchen. Ans Meer kann ich schon gar nicht mehr fahren. Ich schäme mich so schrecklich. Ich bin dann wirklich kein schöner Anblick mehr. Und es juckt auch so schrecklich.«

»Wissen Sie denn auch die Ursache?«

Sie nickte.

»Wenn man mir damals von den Nebenwirkungen erzählt hätte, dann hätte ich das Zeug ganz sicherlich nicht genommen.«

»Dann erzählen Sie mir doch mal ausführlich, wie Sie dazu gekommen sind.«

»Die Medikamente! Man erfährt ja leider viel zu spät, welche Nebenwirkungen sie haben können. Man glaubt ja, was einem da verordnet wird, würde wirklich helfen. Und es half ja auch. Ich meine gegen die andere Sache. Aber ob es wirklich gut war, davon bin ich jetzt nicht mehr überzeugt. Denn hin und wieder habe ich noch immer Schwierigkeiten mit dem Unterleib.«

»Sie hatten also schon des öfteren Blutungen, die nicht aufhören wollten?«

»Woher wissen Sie das?«

»Nun, das war leicht zu erraten.«

»Ja, so war es wirklich. Einmal war es sehr schlimm und ich musste unters Messer. Davon sind meine Eileiter jetzt ganz verklebt. Aber damit habe ich mich schon abgefunden. Das ist ja nicht sichtbar.«

»Das stimmt! Unsichtbare Schäden kann man besser ertragen nicht wahr?«

»Ja!«

»Weiter!«

»Ich bekam Medikamente verschrieben. Ich habe sie auch genommen. Aber hin und wieder habe ich mit dem Unterleib immer noch meine Last.«

»Und was hat der behandelnde Arzt gesagt?«

»Die Medikamente seien der Auslöser. Ich sei ein Einzelfall. Ganz selten träten solche Nebenwirkungen auf. Und jetzt gehen sie nicht mehr fort.«

»Und das haben Sie jetzt seit zwei Jahren?«

»Ja!«

»Und was hat man dagegen unternommen?«

»Ich habe wieder Pillen bekommen!« Jetzt lächelte sie verschmitzt. »Die habe ich aber nicht mehr genommen.«

Er lächelte. »Und jetzt soll ich helfen?«

»Können Sie mir denn helfen?«

»Hat Ihnen Ihre Bekannte auch gesagt, dass ich erst am Anfang stehe?«

»Sicher, aber Sie haben schon vieles geschafft. Ich will auch alles versuchen, wirklich. Ich bin nicht so dumm zu glauben, dass man die Gesundheit aus der Apotheke holen kann, per Rezept, und die Krankenkasse zahlt. Nein, ich weiß jetzt, dass das falsch ist. Ich hätte mich damals gleich an Sie wenden sollen.«

»Da war ich noch nicht hier!«

»Oh!«

»Ich kann Ihnen nur empfehlen, Brennnesselsaft zu trinken. Fangen Sie gleich damit an, Frau Eichfuß! Und wenn die Sonne scheint, sagen wir mal im Frühling, verstärken Sie es noch. Ich kann Ihnen nichts garantieren, aber vielleicht hilft es. Sie müssen vor allen Dingen erst einmal entgiftet werden. Brennnessel ist ein Tee, der bei vielen Krankheiten hilft.«

Frau Eichfuß blickte ihn verdutzt an.

»Soll das ein Witz sein?«

»Nein, ganz und gar nicht. Und wenn ich Ihnen noch einen Rat geben darf, so nehmen Sie frische Brennnesselblätter und machen Sie daraus Salat. Sie werden erstaunt sein. Aber die Pflanzen sollten nicht mit Insektiziden besprüht worden sein. Zu Anfang werden Sie zwar noch mehr Pickel bekommen. Doch daran sehen Sie, dass Ihr Blut sich langsam reinigt. Das ist sehr wichtig.«

»Mehr brauche ich wirklich nicht zu tun?«

»Nein!«

»Na so was!«

»Aber Sie können auch noch Wechselduschen nehmen. Das fördert den Stoffwechsel und ist sehr gesund. Einmal heiß und dann kalt duschen. Vielleicht zweimal hintereinander?«

»Brrr, das kostet aber Überwindung.«

Er lachte. »Bei mir war das ebenfalls eine große Überwindung. Ich kann Ihnen aber versichern, wenn Sie sich daran gewöhnen, wollen Sie es einfach nicht mehr missen. Man kann auch auf Wasser richtig süchtig werden.«

»Wirklich?«

»Nun, ich habe mir zum Beispiel vorgenommen, wenn Schnee liegt, morgens kurz darin barfuß zu laufen.«

»Oh, Gott, dann hätte ich den ganzen Tag eiskalte Füße, Herr Doktor!«

»Genau das Gegenteil wird der Fall sein. Versuchen Sie es! Versuchen Sie auch, Ihre Kost mehr auf Rohkost umzustellen. Sie tun sich und Ihrer Gesundheit einen großen Gefallen damit.«

»Ja, das hat mir meine Bekannte auch schon gesagt, dass Sie für Rohkost sind.«

»Vollwertnahrung und Obst empfehle ich außerdem. Wir müssen endlich aufhören, uns mit Chemie vergiften zu lassen.«

»Nun, ich werde es tun.«

»Wirklich?«

Sie schmunzelte.

»Wir gehen zwar jetzt dem Winter entgegen, aber ich will in sechs Wochen mit meinem Mann nach Afrika fliegen. Und dort ist es ja ganz schön heiß. Deswegen bin ich ja auch heute hier. Ich war schon drauf und dran, die Reise abzusagen. Diese Allergie ist nämlich kein Vergnügen. Ehrlich!«

»Das glaube ich Ihnen gern.«

»Also, Herr Doktor, wenn Sie mir wirklich helfen können, das würde ich Ihnen nie vergessen.«

»Das ist sehr schön, Frau Eichfuß.«

Sie erhob sich.

»Ich danke Ihnen auch, dass Sie sich so viel Zeit für mich genommen haben.«

»Das ist bei mir selbstverständlich. Und das wissen auch meine anderen Patienten. Deswegen wird keiner wütend, wenn er mal über Gebühr lange warten muss. Das gleicht sich dann wieder aus.«

»Ach ja? Wie denn?«

»Indem man dann lange nicht mehr zu mir kommen braucht.«

»Also wirklich, Sie sind mir einer!«

Er brachte sie zur Tür.

Britta Schöller sagte: »Kann ich den nächsten Patienten reinschicken?«

»Ja!«, sagte der Doktor fröhlich.

Sie lächelte ihn an. Burgstein sah die hellen Augen seiner Sprechstundenhilfe und musste unwillkürlich an die Worte von Peter Talmer denken. Ob Britta verliebt war? Sie machte zumindest einen sehr glücklichen Eindruck.

Der Riesen Arztroman Koffer Februar 2022: Arztroman Sammelband 12 Romane

Подняться наверх