Читать книгу Kein Sommernachtstraum - Sanne Prag - Страница 15
VORMITTAG
ОглавлениеEzra überließ es Wolfgang, mit den Behörden umzugehen, und begab sich zum Zimmer von Frau Dr. Dilmon. Er klopfte, bekam keine Antwort, klopfte energischer. Er konnte ihr in dieser Situation nicht gestatten, sich zu verkriechen. Schließlich öffnete sie sehr abweisend.
Ezra fühlte sich zur Mitteilung verpflichtet, war aber auch neugierig auf ihre Reaktion. Wolfgang pflegte immer zu sagen: „Er ist neugierig wie ein Affe.“ „Ich muss Ihnen etwas Unangenehmes mitteilen: Red Warhol wurde heute Nacht ermordet“, stammelte er – es war doch nicht so leicht, solch extrem schwierige Dinge zu sagen - zu einer so unwilligen Person.
Hortense Dilmon stand ganz starr, zuckte mit keiner Wimper. Ihr Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Ganz ruhig, eine Hand auf der Türschnalle, hörte sie die Nachricht. Schließlich, nach einer langen, stummen Zeit ging sie zur Seite und bedeutete ihm, einzutreten. Das Zimmer wirkte unbewohnt. Nichts zeigte einen Mieter, kein Kleidungsstück, keine Taschen, keine Gegenstände irgendwelcher Art. Das Bett gemacht, die Tagesdecke glatt. Sie zeigte auf einen Sessel. „Was ist passiert?“, fragte sie still.
„Er wurde erschossen, die Polizei ist im Haus. Die Rettung konnte nichts mehr ausrichten…“ Diese Mitteilung war sehr ungenau, oberflächlich, mit wenig Aussage. Das fand Ezra richtig. Er wusste aus anderen Erfahrungen, dass die Polizei Wert darauf legte, möglichst wenig Information nach draußen zu lassen. Wolfgangs „Firma“ hatte sicher die gleichen Regeln wie die Polizei. Ezra fühlte sich als Teil von Wolfgangs System. Es war schließlich sein Dienstgeber, somit seine Verpflichtung.
Er beobachtete Hortense Dilmon genau, konnte aber noch immer keine Regung in ihrem Gesicht sehen. Ihre großen Augen blickten ins Leere. Kein Zittern, kein Ansatz von Tränen… „Wie erschossen?“, fragte sie nur.
Jetzt musste er ein wenig Information ausgeben – das ging der Polizei sicher auch so, auch wenn sie nicht wollten: „Ein Pfeil. Muss ein Bogenschütze gewesen sein…“ Fast trotzig gab er das zu.
Es war wieder eine Weile ganz still. „Seit wann wissen Sie das?“, fragte sie.
„Ich habe ihn in der Früh gefunden, war nicht sicher, ob er tot ist, und habe die Rettung verständigt. Dann haben die Dinge ihren Lauf genommen…“
„Die Rettung konnte nichts mehr ausrichten“, stellte sie ruhig fest.
Eine Weile war es wieder still und Ezra wollte sich gerade erheben, als die Frau sich entschlossen aufrichtete. Als ob sie sich aus einer Erstarrung befreien wollte, sich losreißen und neu beginnen… Dr. Dilmon holte frische Luft und sagte mit gepresster Stimme: „Haben Sie auch das seltsame Flugobjekt gestern gesehen?“
Ezra war aus dem Gleichgewicht, mit der Frage hatte er nicht gerechnet. Was sollte er für Erklärungen dazu geben? Was konnte er sagen? War das seine Verantwortung? Andrerseits, lügen war auch sinnlos. Wenn sie das Flugobjekt gesehen hatte, konnte das auch besprochen werden. „Ja, machte ein seltsames Geräusch“, antwortete er. Nach einer Weile fiel ihm ein zu fragen: „Wieso haben Sie das UFO getroffen?“
„Ich war rauchen und habe es gesehen und habe auch Sie gesehen - im Hof.“ Noch immer zeigte sich ihr Gesicht glatt und leer. Ezra wusste nicht, ob das eine Anschuldigung war, ob sie ihn herausfordern wollte? Oder war es ein Ausweichen, um aus Gefühlen zu fliehen, die der Tod von Red Warhol bei ihr aufgerufen hatte … Weg aus dem Trümmerhaufen?
Er, Ezra - nachts im Hof mit Pfeil und Bogen? Was dachte die Frau von ihm? Was dachte sie überhaupt?
Er erhob sich langsam und ging vorsichtig.