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MITTAG

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Warhols Tod bewirkte, dass überall Polizei mit Equipment angerückt war. Sie liefen im Hof und im Haus und rund ums Gelände, suchten, maßen und hatten himmelblaue Schutzanzüge an. Zwei befragten Leute und Ezra musste den Betrieb aufrecht halten. Dabei war er unsicher und aufgewühlt: Wie konnte der Mensch so sang- und klanglos aus der Welt verschwinden? Gerade Warhol, der immer Getöse gemacht hatte, der sein Leben verbracht hatte, wo es am gewalttätigsten und am lautesten war, der verschwand so still von der Bildfläche? War es wirklich so, als ob es ihn nie gegeben hätte? Ezra bezweifelte das sehr. Er hatte das Gefühl, dass es ein mächtiges Nachspiel geben würde. Er horchte, ob er nicht schon fernen Lärm hören konnte, sich nähernde Gewitter. Ein Warhol, der still abtrat, war für Ezra einfach nicht vorstellbar. Vielleicht kam die wilde Jagd schon heran, um einen der ihren in richtiger Form abzuholen? Und ein paar andere mitzunehmen.

Sein Magen in Aufruhr stand er in „seiner“ Halle und versuchte herauszufinden, was seine nächste absolut notwendige Aufgabe war. Wolfgang musste er so schnell wie möglich um Klärung bitten. Irgendwer von dessen „Firma“ hatte das Ganze schließlich organisiert – die Stimme am Telefon. Was hatte der genau organisiert? Hatte der einen Mord organisiert? Was sollte Ezra dabei für eine Rolle spielen? Was sollte er tun? Wenn die ihn engagiert hatten, um einen Mord möglich zu machen, einen Mord zu decken, was konnte er dagegen unternehmen?

Ezras Hirn ratterte und seine Gedanken sprangen zwischen dem Mord und den Verpflichtungen seines Jobs hin und her: Im Dorf gab es ein Wirtshaus – er konnte anbieten, dass er Essen dort bestellte, wenn seine Damen das alles nicht bewältigen konnten mit der Polizei im Haus – das würde er telefonisch klären können. Er lief zu seinem Pult mit dem Tuch in der Hand. Er konnte auch Kuchen bestellen mit Aufpreis… und Getränke – nein, nicht notwendig, Getränke hatte er natürlich. Er hatte den Kaffee- und Teeautomaten noch immer neben seinem winzigen Waschbecken stehen, auf einem Regal ums Eck. Im Raum war kein Platz. Das elektrische Kabel führte an der Türe vorbei, sodass er sie nicht schließen konnte. Einen kleinen Schrank hatte er auf dem Haufen in dem „Mordhaus“ gefunden. Das war lange vor der Zeit, als Leute ihre Leichen dort versteckten – mindestens drei Tage vorher. Er hatte auch ein krummes Regal gefunden, darin war seine Wäsche in einer kleinen Ecke eingeschlichtet. Den großen Raum nahm ein neuer Satz Kaffee und Teegeschirr ein. Mit sehr teuren Servietten, die er gekauft hatte, versuchte er, das vorzutäuschen, was Leute wohl von einem Hotel erwarteten.

Ezra servierte Kaffee und Tee in der Halle auf diese Art auf eleganten Tabletts. Wenn er mit dem Service auf der vornehmen Unterlage ums Eck kam, war der Anblick erstklassig, und hinter die Ecke durfte keiner blicken. Er schwebte mit seinen Tabletts hinter dem Naturholzpult hervor, das einen feinen Duft von Bienenwachs verströmte, und keiner bekam je die schwarzen Punkte im Spiegel zu sehen. So war das System.

In der Empfangshalle – Ezra nannte den Raum inzwischen so – um sich selbst das Gefühl von Hotel, Eleganz und Größe zu geben – stand ein kleiner grauer Mann an seinem Pult. Ah, der fehlende Gast für das vorbestellte Zimmer 4 – sicher Geheimdienst. Wenn das ausnahmsweise einmal klar war, fragte er sich, ob diese Erkenntnis mehr oder weniger Stress mit sich brachte. Er sah einen seiner Arbeitgeber dort stehen, musste sich also beweisen. Er musste ihm aber nicht vormachen, dass hier ein erstklassiges Hotel seit Jahren seine Gäste verwöhnte. Das war auch schon Erleichterung.

„Wie soll ich Sie eintragen?“, fragte er daher und schlug sein Gästebuch auf. Es war gut, dass dieses Buch so gebraucht aussah, so nach Antiquität. Das gab der Sache eine Aura von Tradition, von Geschichte und musste seinen Arbeitgeber beeindrucken. Der abgewetzte Einband aus echtem Leder zeigte doch, dass sich hier seit Jahrzehnten Gäste eintrugen. Oder?

Der kleine graue Mann lächelte müde. „Schneider. Ich bin schon seit gestern im Umkreis hier, habe das Haus nicht gleich gefunden. Ist mein Zimmer bereit?“

Seltsam - wieso fand der den Ort seiner eigenen Organisation nicht? „Ja, das Zimmer wartet auf Sie. Was soll ich Ihnen bringen lassen?“, fragte Ezra beflissen.

„Hätten Sie vielleicht Duschgel und Zahnpasta und Zahnbürste, ich konnte nicht richtig packen. Keine Zeit, war nicht bei mir zu Hause…“ Die ganze Aktion hatte den Geheimdienst überrollt, das war klar. Von höchster Stelle war man wenig vorbereitet gewesen und hatte sich dann überschlagen. Aus irgendeinem Grund hatte es keine Zeit gegeben, die Sache richtig, ordentlich und vernetzt zu organisieren. Warum? Es gab eine teilweise Planung, das war an den hilfreichen Damen zu sehen, aber nicht einmal die Herrschaften am Steuerruder hatten volle Macht über das Geschehen, - sie hatten nicht einmal Zahnbürsten. - Selbstverständlich würde er sich darum kümmern, dass der Herr Zahnpaste und Duschgel bekam. - Die von der Zentrale schienen also voll gestresst zu sein. Warum war das Ganze so schwierig geworden? Warum konnten die selbst nichts planen, nichts richtig einrichten?

Der kleine graue Mann wurde von ihm auf das Zimmer gebracht und Ezra blickte sich darin um. Er fand, dass es eigentlich sehr hübsch aussah – Alte-Welt-Charme. Der Mann war aber viel zu erschöpft, um das richtig würdigen zu können.

Ezra rief zu seinen Damen in die Küche, dass er kurz in den Ort fahren musste, für einen Gast etwas besorgen und sah, dass auch dort langsam Ordnung einzog. Man hatte beschlossen, die Wand weiß zu streichen. Das half, ein Bild von Reinlichkeit und Arbeitsraum zu erzeugen. Der Boden war noch immer uneben.

Er hängte sein Schild an den Empfang und sprang ins Auto.

Kein Sommernachtstraum

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