Читать книгу Der chinesische Zwilling - Sarah Engell - Страница 10
Kapitel 7
ОглавлениеDer Blitz ließ mich die Augen zusammenkneifen.
„Lächeln“, sagte Vater. „Keiner möchte traurige Hochzeitsfotos haben.“
Wir saßen auf der Couch, während die Fotos gemacht wurden. Wu-Lin in ihrem weißen Kleid, ich in Anzug und Krawatte. Das Lächeln fiel mir schwer. Mein Mund tat immer mehr weh wie damals beim Zahnarzt, als mir ein sehr großes Loch gerichtet werden sollte.
„Ja, genau so“, sagte Vater. „Und jetzt noch ein paar, auf denen man die Geschenke sehen kann.“
Er ging im Zimmer weiter nach hinten. Die Kamera war alt, und der Blitz riesengroß. Er ließ mich an ein Gewitter denken und wie mich Vaters Hand unter eine Baumkrone zieht. Ein Nein im Hals sitzen zu haben wie ein scharfes Bonbon.
Hier war alles so dekoriert, dass es überhaupt nicht wie unser Wohnzimmer aussah. Laternen. Papierblumen. Fantastische Mobile.
Im Kamin hatte der alte Tiger aus Pappmaché sogar ein Hütchen aufgesetzt bekommen.
Endlich waren wir mit den Fotos fertig, und Vater legte die Kamera weg. Er nahm eine Frühlingsrolle von einer Platte und knabberte sie mit den Zähnen, während er in den Garten hinter dem Haus sah.
„Mehr Essen?“, fragte Mutter.
„Nein danke“, sagte ich.
Mutter legte Alufolie über die Platten. Trug sie hinaus in die Küche.
Wu-Lins Gesicht war zum leeren Esstisch gewandt. Ich drückte ihre Hand. Sie erwiderte es nicht.
Mutter kam zurück. Das Seidenkleid mit den Vögeln raschelte bei jedem Schritt, den sie durch das stille Zimmer machte. In den Händen trug sie einen Palast aus Papier. Sie stellte ihn auf den Couchtisch vor uns. Er war sehr schön. Purpurfarben mit gelbem Dach und in der Größe von Wu-Lins Puppenhaus.
„Bitte sehr, Kinder“, sagte sie. „Hier werdet ihr wohnen.“
Ich betrachtete den kleinen Palast. Die papierdünnen Wände und die akkuraten Ausschnitte, die Fenster darstellen sollten.
„Hier werdet ihr glücklich werden“, sagte Mutter und streichelte uns beide über die Wange.
Vater schenkte Baijiu in vier Kristallgläser.
„Zum Wohl.“ Er hob eines davon an.
All die neuen Regeln ließen mir den Kopf brummen. Durften Kinder heute also Alkohol trinken?
Ich nahm einen winzig kleinen Schluck. Es schmeckte, als würde man an einem Tuschfüller riechen.
Wu-Lin trank nichts.
Vater legte eine Platte auf den Plattenspieler und senkte den Tonabnehmer.
„Hochzeiten müssen Krach machen“, sagte er. „Alle Hochzeiten müssen Krach machen.“
Das Wohnzimmer leuchtete rot, und Wu-Lin wurde in meinen Armen immer schwerer, während ich mich mit ihr im Kreis drehte.
Hier werdet ihr glücklich werden.
Ich unterdrückte ein Stöhnen. Flüsterte jedes Mal Entschuldigung, wenn ich auf ihr langes Brautkleid stieg. Sie war jetzt wirklich schwer, und ihre Arme ganz steif, als ob sie keine Lust hätte, mich zu umarmen.
Mutter kam zu uns auf die Tanzfläche. Sie spitzte die Lippen und blies Seifenblasen auf uns. Sie zerplatzten jedes Mal, wenn sie auf etwas trafen.
Ich mochte es vorher lieber. Als wir normale Sachen anhatten und draußen im Garten spielten.
Jetzt war Wu-Lin so still und kalt, und ich wusste nicht, was ich zu ihr sagen sollte. Ich wusste nicht, wie ich mit ihr tanzen sollte.
Ich hatte nie zuvor mit meinem Schwesterchen getanzt.