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6 | DAS WESEN DES BEWUSSTSEINS
ОглавлениеDie erste Phase des Erwachens bedeutete für mich den Tod von allem, was bis dahin in meinem Leben einen Sinn gehabt hatte. Danach kam das totale Aufgeben des Versuchs, jemals herauszufinden, wie der GEIST wirkt. Also hörten sämtliche Anstrengungen wie das Lesen von metaphysischen Büchern oder Hören von Kassetten auf. Ich war in meinem Nichtwissen zufrieden, weil ich jetzt von der Last befreit war, die Geheimnisse des Universums zu entschlüsseln. Aber erst ungefähr ein Jahr nachdem der Erlösungsprozeß eingesetzt hatte, fing ich an, die Funktionsweise des BEWUSSTSEINS klarer zu verstehen. Ich hatte mich früher immer gefragt, weshalb ein allwissender, allmächtiger und allgegenwärtiger Gott, d.h. ein Gott ohne jegliche Begrenzung, ein Universum erschaffen wollte, in dem Böses, Leid und Schmerz grassieren.
Ich hatte aufgrund der Konditionierung natürlich die Vorstellung von einem persönlichen Gott im Hinterkopf. Hierbei können uns die Advaita-Meister mit ihrer Auffassung zu Hilfe kommen. Sie betrachten Gott als unpersönlich – in der Erkenntnis, daß es nur BEWUSSTSEIN gibt, hat das Bild vom großen Vater mit dem weißen Bart keinen Platz. Sie sagen, in seinem unmanifesten Zustand ist das BEWUSSTSEIN als QUELLE »Satchitananda«5 (Sat = die ewige Wirklichkeit, chit = reines Bewußtsein, ananda = Glückseligkeit.) Die QUELLE ist völlig bewußt und glückselig, aber in diesem Ruhezustand kann sie sich nicht als SUBJEKT erkennen, außer durch ein Objekt, das in diesem Fall die gesamte manifestierte Wirklichkeit wäre. Die QUELLE hat also einen Traum, und dieser ist das Objekt ihrer Selbsterkenntnis, d.h. die Gesamtheit aller manifesten Erscheinungen. In diesem Traum sind wir, die einzelnen Körper/Geist-Organismen, nicht der Träumer, sondern das Geträumte. Und wie bei aller pulsierenden Energie läuft dieser Traum der QUELLE in einem atemähnlichen Rhythmus ab: Schöpfung beim Einatmen und Auflösung und Ruhe beim Ausatmen. Wenn man der BhagavadGita6 glauben darf, dann dauert ein Einatmen und Ausatmen Gottes jeweils 311 Billionen 4o Milliarden Erdenjahre, und dieses Pulsieren setzt sich bis in alle Ewigkeit fort.
Während des Erlösungsvorgangs vertiefte sich mein Verständnis von der QUELLE im Ruhezustand und der QUELLE in der Manifestation. Im Ruhezustand ist die QUELLE der Inbegriff von Macht, Bewußtsein und Glückseligkeit in unbegrenztem Maße. Das einzige, was die QUELLE nicht besitzt, ist BEGRENZUNG! Und so entwickelte sich meine »Gleichung von Freiheit und Begrenzung«.
Wir haben alle schon mal geträumt, daß wir in großen Schwierigkeiten stecken; die Bösen sind hinter uns her, unsere Füße scheinen festzukleben, und wir können nicht einmal um Hilfe rufen. Wenn wir zufällig eine Waffe dabei haben, dann versagt diese und die Kugeln rollen einfach aus dem Lauf. Wir wachen zitternd auf, in Schweiß gebadet, und stellen erleichtert fest, daß es nur ein Alptraum war und das Leben nicht wirklich so begrenzt ist. Ganz ähnlich verhält es sich mit der QUELLE. Auch sie träumt, daß sie durch das Universum der Erscheinungen begrenzt ist, und diese Illusion wird durch die individuellen Körper/Geist-Organismen personifiziert.
Dieser Traum ist für die QUELLE genauso real wie unsere Träume für uns. Der Traum der QUELLE beinhaltet alle denkbaren Arten von Begrenzung: Krieg, Hungersnot, Pest, Kindesmißbrauch, Schmerz, Leid, Umweltverschmutzung, Tod und so weiter und so weiter. Wenn der einzelne Körper/ Geist-Organismus stirbt und in den grundlegenden Seinszustand zurückkehrt, hört der individuelle Traum auf, und die QUELLE fühlt: »Ah! Diese ganze Begrenzung ist ja nicht real! Ich bin in jeder Hinsicht unendlich!« Und so setzt sich das Drama der QUELLE, die sich an Träumen der Begrenzungen vergnügt, bis zum nächsten Ausatmen fort. Dann ruht sie wieder in absoluter Stille, bis sie den nächsten Atemzug tut. Haben Sie, wenn Sie einen Traum voller Gewalt hatten, den anderen tatsächlich getötet? Hat man Ihnen wirklich das Messer durchs Herz gestoßen? Im Traum würden Sie sagen: »Natürlich.« Aber nach dem Aufwachen wissen Sie, daß dies nur eine Illusion innerhalb des Traums war und daß niemand gestorben ist oder verletzt wurde. Dasselbe gilt für den Traum der QUELLE. Aber mit einem großen Unterschied! Damit unser Lebenstraum bei Tage nicht aus den Bahnen gerät und so unerträglich wird, wie es unsere Träume im Schlafen zu Zeiten sind, hat die QUELLE ein Sicherheitsventil eingebaut und so sichergestellt, daß unser Lebenstraum amüsant bleibt. Ich bezeichne dieses Sicherheitsventil als »Gleichung von Freiheit und Begrenzung«. Sie besagt folgendes: Für jede Form einer Begrenzung oder Verengung, die man in einer Situation erfährt, gibt es einen Ausgleich in Form von Freiheit bzw. Ausdehnung. Dieses Gleichgewicht von Freiheit und Begrenzung gilt nicht nur für das Leben jedes einzelnen, sondern auch für jede Situation in diesem Leben und für jedes Ereignis im gesamten Universum. Es ist mit anderen Worten niemals mehr, als man insgesamt ertragen kann, denn außer dem Faktor des Ausgleichs von Freiheit und Begrenzung gibt es immer noch den endgültigen Ausgang aus diesem Traum zurück zur QUELLE, d.h. den Tod als letztes Sicherheitsnetz.
Als persönliches Beispiel hierfür fällt mir sofort die Begrenzung ein, die das Eingesperrtsein unter repressiven und unmenschlichen Bedingungen darstellt und die dadurch ausgeglichen wird, daß man innerhalb des Gefängnisses Alleinsein und relative Verantwortungslosigkeit erfahren und die innere Welt des GEISTES erforschen kann. Ein Beispiel auf nationaler Ebene wäre die Begrenzung des Krieges, die durch eine Freiheit ausgeglichen wird, die sich darin äußert, daß alle ihre Vorurteile fallen lassen und mit vereinten Kräften gegen einen gemeinsamen Feind kämpfen. Jede Krise, sei sie groß oder klein, verändert die Lebensperspektive.
So gibt es also für den einzelnen Körper/Geist-Organismus, der auf dem Planeten Erde existiert, keinen anderen Sinn bzw. kein anderes Ziel, als ein Ausdrucksmittel für die QUELLE zu sein, durch das sie sich vergnügt und als Begrenzung in diesem Lila, in dieser göttlichen Komödie des Lebens erfährt. Aufgrund der Gleichung von Freiheit und Begrenzung in unserem Dasein wird jedes mögliche Ereignis im Leben auf einen gemeinsamen Nenner reduziert und zwar: JEDE SITUATION IST GLEICH, ES KOMMT AUF LANGE SICHT ALSO NICHT DARAUF AN, WAS DABEI HERAUSKOMMT!!! Es gehört zum Lila, daß wir im Leben immer wieder vor fürchterlichen Entscheidungen stehen:
Heirate ich diese/n oder jene/n?
Werde ich Arzt oder Pilot?
Setze ich meinem Leben ein Ende, wenn ich eine tödliche Krankheit bekomme, oder leide ich bis zum Schluß?
Lasse ich abtreiben, oder behalte ich das Kind?
Die Gleichung von Freiheit und Begrenzung gibt uns die Sicherheit, daß jede Entscheidung, die die QUELLE trifft (wir wählen nicht, wir glauben das bloß), in einem gleichen Maß. von Freiheit und Begrenzung resultiert. Ob wir an einer Weggabelung nach links, rechts oder geradeaus gehen, spielt keine Rolle, weil das Endergebnis dasselbe ist, sowohl für uns als Menschen als auch für die QUELLE, die die Entscheidung ja getroffen hat und mit dem einen oder anderen Resultat gleichermaßen zufrieden ist. Am Ende ist das Leben eines jeden Menschen gleich, nicht besser oder schlechter als ein anderes, auch wenn die Erscheinungen etwas anderes vortäuschen. Denken Sie immer daran, das Gott niemanden bevorzugt und niemand gegenüber jemand anderem im Vor- oder Nachteil ist, weil ja alles zur QUELLE gehört.