Читать книгу Von der Zwiebel zur Perle - Satyam Nadeen - Страница 8
2 | PERSÖNLICHER HINTERGRUND
ОглавлениеIch wurde als ältestes von mehreren Kindern einer großen irischen Familie geboren. Schon in der zweiten Klasse war ich am »Suchen«, was sich darin ausdrückte, daß ich katholischer Priester werden wollte. Mit 12 Jahren ging ich ans Priesterseminar, absolvierte später die High School, machte ein Examen in Philosophie und studierte dann Theologie an der Catholic University of America in Washington, D.C. Als ich schließlich das Licht erblickte und die Universität verließ, war ich bereits z6 Jahre alt. Meine Einstellungen änderten sich, und so wandte ich mich dann auch ganz vom Katholizismus ab und entdeckte auf dem üblichen Weg über Hatha-Yoga1, Meditation und Zen die östliche Tradition. Für die nächsten dreißig Jahre war ich sozusagen der typische, inspirierte »New-Age«-Anhänger. Ich ging von Guru zu Guru, angefangen bei Maharishi Mahesh Yogi über Guru Maharaji und weiter zu Shri Bhagwan Rajneesh, dem späteren Osho, bei dem ich mehrere Jahre verbrachte. Gab es eine neue Workshop-Mode, war ich auch schon da und machte begeistert mit. Esalen in Big Sur und Rajneeshpuram in Oregon wurden zu meinem zweiten Zuhause. Hier eine genaue Liste, von dem, was ich alles gemacht habe:
Psychotherapie
Rolfing
EST
Rebirthing.
Ich entdeckte mein inneres Kind
den wilden Mann in mir
meine weibliche Seite.
Währenddessen besuchte ich
Workshops
Seminare
EncounterGruppen
Meditationsgruppen
Retreats
Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten
Astrologen
ChannelMedien
Numerologen
Auraleser
Handleser
und experimentierte mit
Teeblättern
OuijaBoards
TarotKarten.
Ich praktizierte
Makrobiotik
Darmreinigung
Leberreinigung
Singen von Mantras
Tragen von Malas
Knacken von Koans
Gewichttraining
Aerobic
Vegetarismus
Obstdiät
40-tägiges Wasserfasten.
Und um den Überblick zu behalten, ließ ich meine Chakras harmonisieren. Kommen Ihnen diese Dinge irgendwie bekannt vor, liebe Mitsuchende?
Neben den üblichen spirituellen und psychotherapeutischen Methoden experimentierte ich auf meiner Suche nach Horizonterweiterung auch mit all den erhältlichen psychedelischen und psychotropen Drogen. Besonders eine, MDMA oder Ecstasy, wurde 1979 eine tour de force für mich, und ich begab mich auf eine selbstauferlegte Mission zur Rettung der Welt durch diesen wundertätigen Stimmungsaufheller. 1988 wurde diese Substanz für die USA von der Drug Enforcement Agency für illegal erklärt. Um mich nicht von dieser Formalität abhalten zu lassen, verlagerte ich mein Operationsgebiet von den USA in andere Länder, wo es noch legal war. Aber da das Leben voller Veränderungen und Überraschungen ist, gelangte eine kleine Menge der Droge über undichte Kanäle zurück in die USA, woraufhin ich verhaftet und wegen Verabredung zu einer Straftat zu einer Haftstrafe von siebeneinhalb Jahren in einem Bundesgefängnis verurteilt wurde. Und hier wurde es dann spannend!
Die ersten zwei Jahre nach meiner Verhaftung steckte man mich in ein kleines Distriktgefängnis in Florida, wo ich auf die Urteilsverkündung wartete. Es war ein verliesartiges Gebäude ohne Fenster, ohne Klimaanlage, ohne Ventilation. (Es gab zwar Ventilatoren, aber die Motoren waren ständig kaputt.) Wir durften keine sportlichen Übungen machen oder uns im Freien bewegen. Die Durchschnittstemperatur lag das ganze Jahr über bei gut 38 Grad. Dazu kam die hohe Luftfeuchtigkeit. Bis dahin hatte mein Körperfettgehalt immer bei schlanken 10% gelegen, aber in dieser Zeit, in der man uns mit dem für die Südstaaten typischen fettgebratenen Essen fütterte, schoß es auf über 30% herauf. Man hielt uns wie Massenvieh in Pferchen, die nur für 10 Männer ausgelegt waren, stopfte aber 32 in jede Zelle, so daß die Neuankömmlinge auf dem Fußboden schlafen mußten. Es gab für alle nur eine freistehende Toilette. Zu all dem mußte ich zu meinem Schrecken erkennen, daß ich der einzige Weiße in einer Zelle voller junger, gewalttätiger, schwarzer Bandenmitglieder war. Und diese lassen einen schon spüren, wie sehr sie die letzten wo Jahre lang unterdrückt worden sind. Jeder dieser Jugendlichen hatte seinen eigenen Ghettoblaster. Aus jedem ertönte der RapGesang eines anderen Radiosenders und das 24/72 und auf voller Lautstärke. Dies entpuppte sich als wildere Hölle als Dantes Inferno oder die dunkle Nacht der Seele des Johannes vom Kreuz.
Und hier saß ich nun, 54 Jahre alt, der ich ein bis dahin ruhiges, kultiviertes, angenehmes und in den letzten 28 Jahren luxuriöses Leben geführt hatte, katapultiert in eine Subkultur, in der nur der Stärkste überlebt. Die zwei Jahre, die ich dort war, gab es jede Woche mindestens eine versuchte Vergewaltigung durch eine Gang, einen Selbstmord- oder Mordversuch, die zum Teil erfolgreich waren. Zu alledem sah ich mich außerdem mit der Tatsache konfrontiert, daß die DEA meinen gesamten Besitz in vier Ländern beschlagnahmt hatte und dabei war, meine Ex-Frau Pauline zu belangen und unsere Tochter in ein Waisenhaus zu stecken. Sie hatten mir unmißverständlich klargemacht, daß es in ihrer Macht stünde, mich ohne jeglichen Straferlaß im Gefängnis zu halten. Sie dürfen mir gern glauben, daß mir durchaus der Gedanke an Selbstmord als schnellen Ausweg durch den Kopf ging. Wenn es eine nette, saubere Pille als Alternative zu einem schäbigen selbst herbeigeführten Tod gegeben hätte, hätte ich die vielleicht vorgezogen.
All dies hört sich ziemlich schrecklich an, und so war es letztlich auch, aber es gab auch einen Ausgleich. Diese absolute und totale Unterdrückung des Lebens, die ich erfahren hatte, diente dazu, meine alte Selbstidentität vollständig auszulöschen. Während ich verzweifelt damit beschäftigt war, meinen Verstand und mein physisches Leben zu bewahren, wurden in dieser dunklen Nacht der Seele alle meine alten Selbstbilder weggewischt. Diese Zeit half mir, die kläglichen Überreste meines Ego aufzuweichen, so daß sich die Stimme der inneren Weisheit ihren Weg bahnen konnte. Und damit kommen wir zur Phase des Erwachens.