Читать книгу Wir kamen mit der Mayflower - S.C. Bauer - Страница 10
Der Sturm
ОглавлениеWir befinden uns auf hoher See, als die Mayflower in die Winterstürme gerät. Das Schiff tanzt wild auf und ab in dem unruhigen Ozean und wir werden ordentlich durchgeschüttelt. Ich denke beunruhigt an Peters Worte, die nun wahr zu werden scheinen.
Durch das Schaukeln des Schiffes, wird das flaue Gefühl im Magen, zu anhaltender Übelkeit.
Unser Leben, das zuvor schon sehr unbequem war, wird nun zur Qual.
Der Sturm presst das Schiff in die Fluten und durch den Druck dringt Wasser durch die Ritzen des Schiffes, und durchnässt uns bis auf die Haut. Das stickige feuchte Zwischendeck, auf dem wir zusammengepfercht hausen, ist erfüllt von dem Würgen und Spucken, das uns der dauernde Brechreiz abverlangt. Das Geräusch der gequälten Menschen, die ihren Mageninhalt wieder nach oben befördern und der widerlich säuerliche Geruch von Erbrochenem wirken ansteckend und kaum einer von uns bleibt von der Seekrankheit verschont.
Die Seeleute machen sich über unser Elend lustig und beschimpfen uns als stinkende lächerliche Landratten, die es verdienen würden, dass die See sie verschlingt. Ein Matrose treibt es besonders wild mit seinen Verunglimpfungen. »Ich freue mich schon darauf, euch den Fischen zum Fraß vorzuwerfen. Hoffentlich krepiert ihr bald an euren Leiden! Dann werde ich mir all eure Sachen nehmen und mir ein gutes Leben damit machen«, ruft er uns gehässig zu. Mich erschreckt sein Hass auf uns und ich versuche, nicht hinzuhören und ihn so gut es geht zu meiden.
William Butten, der junge Mann, der mit Samuel Fuller, Susannahs Bruder, als Diener an Bord kam und der die ganze Zeit schon kränklich ist, geht es besonders schlecht. Er ist blass und dünn und hat mit einem hartnäckigen Husten zu kämpfen. Nun macht ihm die Seekrankheit noch mehr zu schaffen, sodass er apathisch auf seinem Strohsack liegt und sich kaum noch rührt.
Samuel Fuller, der in Leiden eine Ausbildung als Chirurg absolviert hat, kümmert sich um ihn. »Wir müssen ihn auf die Seite drehen, sonst erstickt er an seinem Erbrochenem«, bemerkt er und Susannah und ich helfen ihm dabei, den jungen Mann in die Seitenlage zu drehen.
»Ich bleibe bei ihm und achte darauf, dass er sich nicht wieder auf den Rücken rollt«, erklärt sich Susannah bereit. Ihr Bruder nickt ihr dankbar zu und geht zu seinem Strohsack, um ein wenig zu schlafen. Ich setze mich zu ihr und leiste ihr Gesellschaft.
Buttens Zustand verschlechtert sich im Laufe der Nacht. Er hat kaum noch Kraft, den zähen Schleim abzuhusten, der ihm abwechselnd mit der wässrigen Flüssigkeit hochkommt, die er erbricht. Susannah holt ihren Bruder Samuel und ich passe auf, dass Butten auf der Seite liegen bleibt. Dr. Fuller legt sein Ohr an den Brustkorb des Jungen und schüttelt bedauernd den Kopf. »Da ist ein Rasseln und Pfeifen zu hören, ich fürchte, er leidet an der Schwindsucht. Wir können nicht viel für ihn tun.« Samuel kehrt wieder zu seiner Koje zurück.
Meine Mutter, die nach Elizabeth gesehen hat, kommt zu uns herüber einen Lumpen an den Mund gepresst, um das gallebittere Zeug aufzufangen, das auch sie ständig hoch würgt. Sie wirft einen Blick auf das leichenblasse Gesicht von Butten und sieht, wie er zittert, obwohl wir ihn dick in Wolldecken gewickelt haben. »Geh und hol Dr. Heale, den Schiffsarzt, Priscilla. Er sieht nicht gut aus«, fordert sie mich mit ernstem Blick auf.
Ich raffe mich auf. Mir ist schwindlig und trotzdem ich mich sehr bemühe meinen Brechreiz zu unterdrücken, kommt mir beim Aufstehen ein Schwall hoch. Ich drehe mich schnell weg und erbreche mich auf die feuchten Planken und auf mein Kleid.
Susannah scheint es gar nicht zu bemerken, aber meine Mutter wirft mir einen strafenden Blick zu und ich schäme mich, wegen meiner mangelnden Selbstbeherrschung. Auf wackeligen Beinen dränge ich mich an meiner Mutter vorbei, durch die Masse der Leute, die stöhnend und würgend zusammengekauert daliegen. Endlich erreiche ich die Strickleiter, die auf das Oberdeck führt und klettere kraftlos daran hoch. Oben weht mir eine frische Brise um die Nase und Gischt spritzt mir ins Gesicht. Ich fühle mich schlagartig besser und sauge die feuchte Luft erleichtert ein.
Am Oberdeck wimmelt es vor Matrosen, die verzweifelt versuchen, die Segel einzuholen während der Wind das Schiff gnadenlos peitscht und die Wellen mit ohrenbetäubendem Getöse gegen die Planken krachen. Niemand achtet auf mich.
Ich gönne mir einen Moment und lehne mich mit geschlossenen Augen an die Wandvertäfelung neben der Luke. Als ich die Augen wieder öffne, steht plötzlich Miles Standish vor mir. Seine dunklen Locken sind feucht und wild zerzaust, sein Gesicht ist gerötet. Er sieht aus, wie der Zauberer Prospero aus meinen Jungmädchenträumen, die ich hatte, nachdem ich Shakespeares Stück, »Der Sturm«, gelesen habe.
Er mustert mich mit besorgtem Blick. »Geht es euch nicht gut, Miss Mullins.«
Ich fühle mich zu elend, um geistreich zu antworten, und schüttle nur unglücklich den Kopf. Seine Augen sind voller Mitleid. Liebevoll legt er mir einen Arm um die Hüfte und stützt mich, als er mich sanft zu einem der Aufbauten führt, wo wir vor der spritzenden Gischt geschützt sind. Ich lasse mich auf einem hölzernen Vorsprung nieder und er nimmt an meiner Seite Platz. Noch immer liegt sein Arm um meine Hüfte und er zieht mich beschützend an sich, weil ich vor Kälte und Erschöpfung zittere. Einen kurzen Moment schäme ich mich, denn er muss den Geruch des Erbrochenen wahrnehmen, das auf meinem Kleid gelandet ist. Wenn es so ist, so lässt er sich nichts anmerken.
Ich empfinde die Wärme seines Körpers so tröstlich, seine Umarmung so wohltuend, dass ich meine Scham vergesse und mit einem Seufzer meinen Kopf einfach an seine Schulter lege. Er wiegt mich leicht in seinen Armen und ich fühle mich sicher und geborgen, wie nie zuvor in meinem Leben. Es ist als wären wir ganz alleine auf der Welt, nur wir beide und die Nacht und der Wind und das Tosen der Wellen. Seine Nähe besänftigt sogar die quälende Übelkeit in meinem Magen und ich fühle, wie ich wieder Kraft und Mut schöpfe.
Mit meiner neu erwachten Energie fällt mir wieder der Grund ein, warum ich auf das Oberdeck gekommen bin. Ich löse mich aus seiner Umarmung und er lässt mich sofort los. »Captain Standish, könnt ihr mir sagen, wo ich Dr. Heale finde? William Butten geht es sehr schlecht und er braucht ihn.« Er hört mir aufmerksam zu und hilft mir aufzustehen. »Natürlich. Ich werde ihn holen Miss Mullins. Aber ihr müsst wieder nach unten gehen. Es ist hier zu gefährlich für euch in dem Sturm.« Er wirkt hilfsbereit und besorgt und ich bin ihm dankbar, für seine Fürsorge.
Er führt mich über die glitschigen, feuchten Planken sicher zurück zu der Luke, die zum Zwischendeck führt und wartet bis ich unten angelangt bin. Dann eilt er fort und holt Dr. Heale. Übelkeit und Brechreiz ergreifen sofort wieder von mir Besitz, als mir der Gestank und die abgestandene, modrige Luft entgegenschlagen. Ich kämpfe um meine Selbstbeherrschung und schaffe es, zu Susannah an Buttens Lager zu gelangen, ohne mich erneut zu übergeben. Sie sieht mich fragend an. »Der Doktor wird gleich hier sein«, versichere ich ihr. Sie sieht furchtbar erschöpft aus. Unter ihren Augen liegen dunkle Schatten und immer wieder führt sie einen Stofflumpen an ihre zitternden Lippen um die Spucke, die ihr hochkommt wegzuwischen.
»Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?«, frage ich sie.
Susannah schüttelt den Kopf. »Ich kriege nichts runter. Alleine bei der Vorstellung dreht sich mir der Magen um.«
Ich sorge mich um sie. Sie sieht mager aus, nur ihr Leib wölbt sich geradezu grotesk hervor. Das Kind in ihr zehrt ihre letzten Reserven auf. »Geh, und versuche ein wenig zu schlafen, ich bleibe bei ihm«, sage ich mitleidig.
Susannah lächelt mich dankbar an. »Schaffst du es alleine?«
Ich nicke zuversichtlich, obwohl mir nicht danach zumute ist. »Ja, sei unbesorgt. Geh nur.«
Sie müht sich auf und geht mit unsicheren Schritten zu der Koje ihrer Familie.
Ich sehe ihr nach und schicke ein Stoßgebet zum Himmel, dass alles für sie und ihr ungeborenes Kind gut gehen möge.
Miles kommt mit Dr. Heale im Schlepptau zu uns. Der junge Arzt hört die Brust von William Butten ab, wie zuvor schon Samuel Fuller. Dann fühlt er den Puls am Hals des Kranken. Schließlich seufzt er. »Seid ihr mit dem jungen Mann verwandt, Miss?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein. Er ist der Diener von Samuel Fuller. Ich helfe bloß, ihn zu pflegen.«
Dr. Heale sieht mich trostlos an. »Ich denke nicht, das er es schaffen wird. Seine Lunge wird von einer Krankheit verzehrt, die er schon länger haben muss.«
Ich nicke und seine Worte stimmen mich traurig. Auch wenn ich den jungen Mann nicht kenne und mich erst um ihn kümmere, seit er krank ist, bedauere ich, dass er sterben wird.
Plötzlich ertönt von oben ein lautes Krachen gefolgt von dem Geräusch zersplitternden Holzes und die Wucht eines Aufpralles lässt das Schiff bis in die letzten Fugen erzittern. Einen Moment lang fürchte ich, dass die Mayflower auseinanderbrechen wird. Sie macht einen Riesensatz und wir alle werden durcheinandergewirbelt. Körbe mit Kleidern, Stühle und Lebensmittel fliegen durch die Gegend und die Eimer voll von Erbrochenem und Exkrementen ergießen sich über das ganze Chaos. Ich habe Glück, da ich schon bei dem Kranken auf seinem Strohsack gesessen habe und weich falle, aber Butten rollt mit seinem Körper über mich und drückt mich zu Boden.
Miles und Dr. Heale, die zu Boden geworfen werden, stehen rasch auf und ziehen Butten von mir runter und helfen mir mich aufzurichten. »Priscilla, bist du in Ordnung?«, ruft mir Miles zu und nennt mich in der Aufregung das erste Mal beim Vornamen. Das fällt zum Glück aber niemandem auf in dem Durcheinander. Ich nicke und er bahnt sich seinen Weg durch das Gewirr aus Menschen und Gegenständen. Dr. Heale folgt ihm. Ich rapple mich hoch, um nach meiner Familie zu sehen.
Die Leute sind in heller Aufregung, es entsteht ein Tumult, als alle gemeinsam zu der Luke drängen, um auf das Oberdeck zu gelangen. Reverend Carver versucht mit Mr. Brewster, sie zu beruhigen. »So wartet doch! Einer nach dem Anderen. Ihr könnt nicht alle gleichzeitig hoch!« Mr. Bradford und Mr. Hopkins kommen hinzu und unterstützen die Beiden, indem sie die Leute zurückdrängen und dafür sorgen, dass sie nur einzeln hochklettern.
Sie lassen nur die Männer durch und weisen uns Frauen an, zurückzubleiben, bis man weiß, was oben geschehen ist. Ich sehe mich um und versuche die aufkommende Panik zurückzudrängen. Immerhin scheint das Schiff ganz geblieben zu sein, es dringt nicht mehr Wasser durch die Ritzen, als sonst auch. Ich atme ein paar Mal tief durch, zwinge mich zur Ruhe und schaue nach William Butten. Er bewegt sich nicht mehr, liegt regungslos da und ich höre entsetzt auf seiner Brust nach einem Herzschlag. Nichts. Ich presse mein Ohr erneut an seine Brust, doch das einzige, was ich hören kann, ist das Rauschen meines eigenen Blutes, das in meinen Ohren dröhnt. Plötzlich bäumt sich William Butten auf und erbricht einen Schwall Blut über meine Brust. Ich fahre entsetzt zurück und schwanke zwischen Ekel und Erleichterung.
Mein Vater ist bei den Männern an der Strickleiter, um auf das Oberdeck zu gelangen. Ich sehe, wie meine Mutter auf mich zu stolpert und kreidebleich wird, als sie das Blut auf meinem Kleid sieht. »Es ist nichts. Ich hab mir nichts getan, das ist nicht mein Blut«, rufe ich ihr beschwichtigend zu.
Sie seufzt erleichtert und hilft mir den halb bewusstlosen William Butten wieder auf seinen Strohsack zu legen. Ich greife mir wahllos einen Schal, der unweit von mir liegt und wische mir damit über Gesicht und Hände. Ich reibe an meinem Kleid herum, aber es ist zwecklos, das Blut klebt vermischt mit Schleim eisern daran fest.
Langsam lässt der Schock nach und ich frage meine Mutter nach unseren Angehörigen. »Deinem Vater und mir ist nichts geschehen. Joseph hat eine Beule an der Stirn, aber es ist nichts Ernstes. Robert hat sich das Schienbein angeschlagen, als er durch die Luft flog und humpelt jetzt. Von Peter weiß ich nichts, er muss bei der Mannschaft auf dem Oberdeck sein.«
Ich wage nicht, meine Mutter zu fragen, was oben geschehen sein mag, sondern lausche angestrengt auf die hastigen Schritte die über unseren Köpfen poltern und höre Geschrei, doch ich kann kein Wort verstehen. Meine Mutter tauscht einen ängstlichen Blick mit mir und wir bekämpfen unsere Unruhe, indem wir beginnen Ordnung zu schaffen.
Constance kommt zu uns gelaufen und bleibt wie angewurzelt stehen, als sie mich erblickt. »Alles in Ordnung Constance, mir fehlt nichts«, sage ich ruhig.
Sie schüttelt ungläubig den Kopf. »Meine Güte, du siehst aus, als wärst du kopfüber in einen Bottich voller Schweineblut gefallen.«
Ich bringe ein schiefes Grinsen zustande.
»Ist eurer Familie etwas geschehen?«, fragt meine Mutter sie.
»Nein, wir sind alle glimpflich davon gekommen. Meine Mutter hat mich geschickt, um nach euch zu sehen.«
Mir fällt Susannah ein. »Ich gehe und schaue nach den Whites und Fullers.«
Meine Mutter hält mich zurück. »Bist du verrückt? Susannah erschreckt sich zu Tode und verliert ihr Kind, wenn sich dich so sieht.«
Constance pflichtet ihr bei.
Aber was soll ich tun? Alle Eimer mit Seewasser sind umgekippt und das Trinkwasser in den verschlossenen Fässern ist zu kostbar, um es zum Waschen zu verwenden. Constance nimmt ihr Schultertuch ab und legt es mir um. Meine Mutter schaut mich prüfend an und nickt. »Das sollte gehen.« Mir fällt auf, wie absurd die Situation ist. Keiner von uns weiß, ob wir nicht mitten auf dem Atlantik Schiffbruch erleiden werden und möglicherweise wie Ratten ertrinken aber wir kümmern uns bloß darum, die arme schwangere Susannah nicht zu erschrecken, durch meinen blutgetränkten Anblick.
Vielleicht ist die gottgewollte Ordnung, die uns Frauen dazu verurteilt ein Schattendasein in einer von Männern beherrschten Welt zu führen, doch nicht völlig unbegründet, überlege ich flüchtig.
Gemeinsam mit Constance bahne ich mir den Weg zu dem Schlafplatz der Whites. Dort finde ich zu meiner Erleichterung eine muntere Susannah, die damit beschäftigt ist Ordnung zu machen. »Sieh dir das an Priscilla! Die frische Wäsche, voll von Exkrementen, Erbrochenem und schlammigem Dreck!« Sie hält mir anklagend einen unappetitlichen Haufen Stoff entgegen und bekräftigt damit meine Vermutung, dass wir Frauen töricht sind.
»Wie ich sehe, geht es dir gut. Haben wir wirklich keine anderen Sorgen, außer der Unordnung, die hier herrscht?«
Susannah hält inne und sieht mich verdutzt an. »Nein, haben wir nicht. Uns geht es gut, keinem ist etwas geschehen, wir alle leben noch!«, ruft sie erregt aus.
»Ja, doch wir wissen nicht wie lange noch. Weißt du, was da oben los ist? Vielleicht geht das Schiff unter und wir sterben alle«, erwidere ich ebenso aufgebracht.
Ihre Schwägerin Ann, die den Boden wischt, gibt mir die Antwort. »Ob heute oder morgen, wer weiß schon, wann unser Leben endet. Dann dürften wir aus Furcht vor dem Tod, gar nichts tun. Solange wir atmen, widmen wir uns den Aufgaben, die der Herr uns gibt. Im Moment ist es notwendig, alles sauber zu machen, also tun wir es.« Ihre Stimme klingt völlig ruhig. Sie scheint überhaupt keine Angst zu haben.
Ihre Worte ergeben Sinn und ich schäme mich für meine Nervosität. Susannah sieht es mir an und wechselt das Thema. »Hast du vielleicht eine Ahnung, was geschehen ist?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein es gab einen gewaltigen Krach und dann machte das Schiff einen Riesensatz. Mehr weiß ich nicht.«
Susannah nickt und spricht mir Mut zu. »Die Männer werden das schon wieder hinkriegen, wir müssen auf sie vertrauen.«
Ich gehe wieder zu meiner Mutter zurück um sie bei William Butten abzulösen. Noch immer schlingert die Mayflower wild herum und das Gepoltere auf dem Oberdeck ist deutlich zu hören. Ich nehme mir ein Beispiel an Susannah und ihrer Familie und beginne aufzuräumen. Constance ist zu ihrer Familie rüber gegangen und hilft ihrer Mutter. Es dauert Stunden, bis wir erfahren, was geschehen ist.
Die Männer kehren völlig durchnässt und erschöpft zurück ins Zwischendeck, das wieder halbwegs bewohnbar ist. Peter gesellt sich hungrig zu uns. Ich habe einen Bohneneintopf mit Speck gekocht und gebe ihm eine gut gefüllte Schüssel voll. Meine Mutter verteilt den Eintopf an meinen Vater, meinen Bruder Joseph und Robert. Susannah hat uns abgelöst an William Buttens Bett, der sich ein wenig erholt hat und jetzt schläft. Ich habe mein verdrecktes Kleid gegen ein anderes getauscht, fühle mich aber noch immer klebrig, da ich mich nicht waschen konnte. Ich setze mich neben Peter, um zu erfahren, was passiert ist. Er schiebt sich den letzten Löffel des Eintopfes in den Mund.
»Eine Riesenwelle hat das Schiff hochgeschleudert und auf das Wasser zurückgeknallt. Das hat einen der großen Masten umgeknickt, wie einen Kienspan. So war an eine Weiterfahrt nicht zu denken. Alle waren ratlos und Kapitän Jones überlegte sogar, nach England umzukehren. Wir alle waren uns jedoch einig, dass eine Umkehr keinesfalls in Frage kommt, nachdem wir die Hälfte des Weges schon geschafft haben. Ich weiß nicht mehr wer den Vorschlag machte, aber wir beschlossen die Schraubenwinde, du weißt schon dieses riesige schwere Ding, das wir zum Bauen der Häuser an Bord gebracht haben, zu holen und den Mast damit wieder aufzurichten. Also halfen wir alle zusammen und schafften es die Winde an den Mast zu bringen. Trotz des Sturms und der wütenden See gelang es uns, unter Aufbietung aller Kräfte, den Mast zu heben. Der Schiffszimmermann befestigte mit einigen Leuten den Mast mit einer Bauernschraube und nun kann die Mayflower weitersegeln zu den Kolonien.«
Ich schaue ihn bewundernd an. Ich bin froh, dass wir weiter fahren können. Trotz aller Widrigkeiten sind wir so weit gekommen, jetzt müssen wir es auch bis zum Ziel schaffen. Susannah hat Recht gehabt, den Männern zu vertrauen. Offenbar sind die Mitglieder unserer Reisegruppe, zäher und entschlossener als gewöhnliche Leute. Ich denke, dass Tapferkeit und Mut der Grund ist, dass wir uns so viel zutrauen, aber ich bin auch davon überzeugt, dass unser unerschütterlicher Glaube eine große Rolle spielt. Ich beschließe, mir in Zukunft mehr Mühe zu geben, auf Gott zu vertrauen, anstatt alles zu hinterfragen.